Protocol of the Session on February 28, 2013

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das machen wir!)

von dem unverantwortlichen Verhalten der Hessen-SPD. Wir stehen für unsere Bürger ein, und deshalb gehen wir im Interesse unserer Bürger nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. – Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr van Ooyen jetzt das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Wagner, Sie müssten auch mitbekommen haben, dass die närrische Jahreszeit allmählich zu Ende gegangen ist

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Ach du lieber Gott!)

und dass Sie mit einer Mischung aus populistischem Wahlkampfgetöse und politischem Kabarett versuchen, uns hier eine Sache schmackhaft zu machen, die nicht zu begründen ist.

Wieder einmal geht es um den Länderfinanzausgleich, den wir hier jetzt praktisch monatlich verhandelt haben, deshalb auch dieses Mal.

Wie war die Situation? – Gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern hat der Hessische Ministerpräsident der Welt verkündet, dass die beiden schwarzgelb regierten sogenannten Geberländer nun den Weg nach Karlsruhe gehen, um gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen.

(Holger Bellino (CDU): Was heißt „sogenannt“?)

Horst Seehofer wurde in der Presse mit dem Satz zitiert:

Wir haben in Bayern für den Länderfinanzausgleich jetzt eine Schmerzgrenze erreicht.

Nur, damit Sie sich vielleicht einmal das Bild vor Augen führen, was diese Landesregierung hier gemeinsam mit Bayern der Öffentlichkeit präsentiert hat. Im Schloss Bieb

rich verkünden die Herren Bouffier und Seehofer, dass die Schmerzgrenze der Belastung ihrer Länder erreicht ist.

Als ich das gesehen habe, habe ich mich gefragt, ob denn der Schampus bei der gemeinsamen Kabinettssitzung dem einen oder anderen vielleicht zu Kopf gestiegen ist. Was meinen Sie, wie es wohl in Cottbus oder Oberhausen ankommt, wenn Hessen und Bayern aus dem Schloss heraus erklären, dass die Nehmerländer jetzt ohne Brot auskommen müssten?

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU: Ei, ei, ei!)

Da fehlt nur noch der Satz von Marie Antoinette im Schloss von Versailles vor der Französischen Revolution „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen!“

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Dabei wissen alle – sowohl in Hessen als auch in Bayern –, die einigermaßen etwas davon verstehen, dass die Art Populismus, die jetzt öffentlich gegen den Länderfinanzausgleich geführt wird, nichts anderes als politisches Kabarett ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Und zwar schlechtes!)

Es ist doch völlig unstrittig, dass der Länderfinanzausgleich bis 2020 neu geregelt werden soll. Darauf haben sich alle Bundesländer, so auch Hessen, bei der letzten Reform des Länderfinanzausgleichs geeinigt. Dass Hessen und Bayern ausgerechnet in diesem Jahr auf die Idee kommen, dass der Länderfinanzausgleich ungerecht und angeblich verfassungswidrig ist, das hat einen ganz schlichten Grund: Wir befinden uns in einem Wahlkampfjahr.

(Zurufe)

Und so wollen die Union und der ihr anhängende Steuersenkungsverein FDP dieses Jahr wieder durch die Lande ziehen und allen Menschen erklären, dass die Hessen und die Bayern die Berliner finanzieren würden.

Dabei geht es beim Länderfinanzausgleich gerade nicht darum, dass die Bewohner des einen Bundeslandes die eines anderen finanzieren sollen. Worum es eigentlich geht, ist, dass reiche Menschen, die in Hessen leben, nicht nur solidarisch mit ihren Mitbürgern in Hessen sind, sondern dass sie solidarisch mit allen Menschen in der Bundesrepublik sind – und, ich würde sagen, in Europa. Es geht darum, dass es im Taunus eben mehr Millionäre gibt als im Oderbruch und dass mehr Banken ihre weltweit erwirtschafteten Gewinne in Frankfurt versteuern als in Kiel.

Und wenn CDU und FDP hier wieder und wieder behaupten, dass in Rheinland-Pfalz mit hessischem Geld Kindergartenplätze bezahlt würden, dann kann man dazu nur sagen, dass das ein Problem ist, nicht weil es Geld aus Hessen ist, sondern weil dieses Geld vor allem von den kleinen Leuten genommen wird.

Hätten wir endlich ein Steuersystem, in dem die Reichen zur Kasse gebeten würden, ein Steuersystem, das den Sozialstaat endlich von den Großkonzernen bezahlen lässt, dann wäre es genau richtig, dass dieses Geld nicht nur in Hessen, sondern, entsprechend dem Bedarf, in der gesamten Republik verteilt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber statt darüber zu reden, dass in Hessen das Geld knapp ist, weil Reiche keine Vermögensteuer zahlen und weil die Unternehmenssteuern zu gering sind, machen CDU und FDP das, was rechte Parteien immer tun, und zwar betreiben sie nationalistische Neiddebatten.

Hessen leidet aber nicht unter dem Länderfinanzausgleich. Hessen leidet immer noch darunter, dass sich diese Landesregierung standhaft weigert, über die Wiedereinführung der Vermögensteuer zu reden. Sie weigert sich, darüber zu reden, dass Reiche mehr zahlen müssen; denn tatsächlich hat Hessen 2012 so wenig in den Länderfinanzausgleich eingezahlt wie seit 1995 nicht mehr. Wir aber fordern nicht, dass Hessen immer weniger in den Finanzausgleich einbringt. Wir wollen, dass einige Hessen deutlich mehr leisten müssen, um die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik anzugleichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn es zu einer Neuregelung des Länderfinanzausgleichs kommt, dann wird das nur auf der Grundlage geschehen, dass reiche Hessen und die Banken im Rhein-Main-Gebiet endlich mehr zahlen. Wenn mit diesem Geld dann nicht nur in Hessen sinnvolle Dinge wie kostenlose Kita-Plätze bezahlt werden, dann ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden.

Hören Sie also endlich auf, immer wieder zu behaupten, das Problem wäre, dass hessisches Geld in andere Bundesländer geht.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU)

Das Problem ist, dass das Geld einiger privilegierter Hessen eben nicht in andere Bundesländer geht, während die kleinen Einkommen besteuert werden, als wären es die großen. Statt also etwas gegen die soziale Spaltung zu tun, treiben diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen sie sogar noch weiter voran.

Auf die Spitze getrieben hat das der Vorsitzende der FDPFraktion, der dann gleich noch den Schritt des Expansionismus geht und sagt, dass es zur Neuregelung des Länderfinanzausgleichs für die Liberalen auch eine Alternative gebe, nämlich die Neuordnung der Bundesländer. Notfalls solle Rheinland-Pfalz eben hessisch werden.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Und das Saarland auch!)

Dazu kann man eigentlich nur noch Matthias Beltz zitieren, der einst sagte:

Die Hessen sind umzingelt von lauter Deutschen, haben keinen direkten Zugang zum Meer, zu den Alpen und zum Ausland und daher keinen Kontakt zur Freiheit.

(Heiterkeit bei der LINKEN, bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir aber wollen die Freiheit, die Gleichheit und die Solidarität als Prinzip. An einer chauvinistischen Politik à la CDU und FDP werden wir LINKE uns nicht beteiligen.

(Zuruf von der CDU)

Sehr wohl beteiligen werden wir uns an der Debatte zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Diese aber steht noch an.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage aber ganz deutlich, dass es nicht gehen wird, wie es die FDP vorschlägt, dass die Reform des Länderfinanzausgleichs erst einmal daran geknüpft wird, dass die Steuern gesenkt werden. Denn genau das schreiben Ihre Gutachter Ihnen ja vor. Sie fordern, dass die Länder demnächst Hebesatzrechte für bestimmte Steuern bekommen. Hebesatzrecht, das klingt, als ob die Länder das Recht bekommen würden, notfalls die Steuern für Reiche zu erhöhen. Aber tatsächlich meint die FDP damit nichts anderes, als dass Reiche in reichen Bundesländern demnächst weniger, und Arme in armen Bundesländern demnächst mehr zahlen sollen. Das kann keine gerechte Reform des Länderfinanzausgleichs sein, meine Damen und Herren.

Über einige Details – etwa die volle Berücksichtigung der Steuereinnahmen der Kommunen – wird man sicher reden müssen; denn warum die Einnahmen der Kommunen nur teilweise berücksichtigt werden, leuchtet tatsächlich nicht ein. Herr Dr. Wagner, Sie haben vergessen, dass wir bis 1999 – also bis zur Reform des Länderfinanzausgleichs – von den Kommunen die Steuermasse von nur 50 % eingerechnet haben, nach der Reform 64 %. Warum sollen es nicht 100 % sein? Ich hielte das im Grunde genommen für sinnvoll, weil alle Steuereinnahmen gleichberechtigt einbezogen werden sollten.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das schadet unseren Interessen!)

Auch über die Einwohnerveredelung kann man sicher reden. Warum ein Einwohner in Hamburg genauso teuer sein soll wie ein Bewohner Berlins, ist nicht unbedingt nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass Hamburg eine Stadt ist, in der die soziale Lage eine deutlich andere ist als in Berlin.

Entscheidend ist aber am Ende nicht, aus welcher Himmelsrichtung das Geld in den Länderfinanzausgleich kommt, sondern aus welchen Taschen. Und wir werden uns dafür einsetzen, dass dieses Geld in Zukunft endlich aus den dicken Taschen kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Für uns ist klar: Die Reform des Länderfinanzausgleichs sollen nicht die Krankenschwestern in Offenbach oder Magdeburg bezahlen, sondern die Banker aus Frankfurt und die Reichen aus Düsseldorf.

Deshalb sagen wir: Wir sind für gleiche Lebensbedingungen in Deutschland und auch in Europa, und für eine gerechte Wirtschafts- und Sozialpolitik. Deshalb sind diejenigen, die Ihren unsinnigen Antrag ablehnen, nicht etwa hessische Vaterlandsverräter, sondern – im wahrsten Sinne – Patrioten.