Protocol of the Session on January 31, 2013

Herr Dr. Wagner, auch Sie müssen doch eigentlich schon von dem internen Rechtsgutachten gehört haben, das die baden-württembergische Landesregierung hat erstellen lassen. Wohlgemerkt: Es war die alte Landesregierung, die das Gutachten hat erstellen lassen.

(Norbert Schmitt (SPD): Aha!)

Dieses Gutachten soll die Geberländer ausdrücklich vor einer Klage gegen den Länderfinanzausgleich warnen.

Meine Damen und Herren, in dem Gutachten wird unter anderem befürchtet, dass das Bundesverfassungsgericht die Finanzkraft der Kommunen stärker als bisher in den Finanzausgleich einbezieht.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wollen Sie jetzt klagen oder nicht?)

Herr Dr. Wagner, und schon könnte Ihnen der erste Bumerang um die Ohren fliegen. Das war es dann. Das wäre eine tolle Leistung. Statt der erhofften finanziellen Entlastung drohten den Geberländern dann nämlich plötzlich noch höhere Zahlungen als vorher, gerade auch Hessen; denn die Finanzkraft der Gemeinden liegt deutlich über dem Bundesschnitt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die SPD will also nicht klagen! Das stelle ich jetzt mal fest!)

Das ist sicherlich auch einer der Gründe, warum BadenWürttemberg ausgestiegen ist. Die Schwobe sind ebe Cleverle. Ich frage mich, wo Ihre Cleverness bleibt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die SPD will also nicht klagen; das ist interessant!)

Dem Anschein nach wird diese Risikoanalyse auch von der Bundesregierung geteilt. Herr Dr. Wagner, wir wissen zwar, dass Ihr Verhältnis zur Spitze und zur Kanzlerin etwas gespalten sein soll,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Bleiben Sie beim Thema!)

aber hören Sie wenigstens in diesem Fall einmal auf Mutti. Ich glaube, das wäre für das Land Hessen gut.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie ist für einen gerechten Länderfinanzausgleich! – Norbert Schmitt (SPD), zur CDU gewandt: Frau Merkel ist also für die Klage! Sehr gut! Sagen Sie doch mal!)

Das Einzige, was Sie bisher konkret und gezielt hinbekommen haben – –

(Anhaltende Unruhe)

Liebe Kollegen, bitte etwas mehr Ruhe; Herr Decker muss auch verstanden werden. – Bitte schön, Herr Kollege, Sie können weitersprechen.

Meine Damen und Herren, das Einzige, was Sie bisher wirklich konkret hinbekommen haben, ist nur eines: Mit Ihrem ständigen Kettengerassel im Geleitzug der bayerischen CSU haben Sie unsere föderalen Nachbarn nicht nur erschrocken, Sie haben sie verärgert. Statt Vorschläge für Verhandlungen zu unterbreiten, sind Sie mit teilweise aggressivem und polemischem Auftreten sogar über einzelne Nehmerländer regelrecht hergefallen. Die Art und Weise, wie Sie unseren Nachbarn Rheinland-Pfalz verbal und medial attackiert haben, ist uns allen noch in bester Erinnerung. Damals haben Sie mit einem ganz lauten Knall erst einmal die Verhandlungstür zugeschmissen. Das ist Fakt.

(Beifall bei der SPD – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Verhaltener Beifall!)

Wir halten noch einmal fest: auf der einen Seite eine risikobehaftete Klage und auf der anderen Seite verprellte Verhandlungspartner. Also anders gesagt: Ein Bumerang kommt von vorne, und der andere kommt von hinten. – Na bravo, meine Damen und Herren, da können wir Ihnen eine großartige Leistung unterstellen.

Solange Sie diesem Haus noch keinen eigenen Vorschlag vorgelegt haben, in dem Sie darstellen, wie Sie denn die Debatte um eine Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs bestreiten wollen, so lange können wir in diesem Hause auch noch keine Entscheidung über einen weiteren Weg treffen – damit das einmal klar ist. Das Gleiche gilt für die konkreten Punkte, auf die Sie Ihre Klage stützen wollen. Erst wenn das alles auf dem Tisch dieses Hauses liegt, wird dieses Parlament überhaupt in der Lage sein, über den richtigen Weg zu debattieren,

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Ach du liebe Güte!)

ob eine Klage der richtige Weg ist, oder ob man nicht besser den Verhandlungsweg mit den Bundesländern geht. Hamburg als ehemaliges Geberland

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Es ist ein Nehmerland! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das hat er doch gesagt!)

ist mit seinem ersten Bürgermeister Olaf Scholz von der Ministerpräsidentenkonferenz damit beauftragt worden, einen Fahrplan für Verhandlungsgespräche zu erstellen. In der Zwischenzeit können Sie durchaus schon einmal die Zeit nutzen und sich Gedanken machen, was vernünftig verändert werden könnte. Wir geben Ihnen einmal zwei Beispiele mit auf den Weg: die Absetzung der Kosten der jeweiligen Finanzbehörden vom zu zahlenden Ausgleichsbetrag und eine Neuregelung darüber, wie die Sonderlasten für Berlin künftig zu tragen sind.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Aber so, wie Sie im Moment mit der ganzen Problematik umgehen, muss man größte Sorge haben, dass die Sache für Hessen in einem finanzpolitischen Desaster enden könnte. Dann muss man eben damit rechnen, dass das 430-Millionen-€-Loch noch nicht das letzte Loch gewesen ist, das wir im Landeshaushalt zu beklagen haben.

Meine Damen und Herren, so wie Sie gestern die Debatte über mehr Steuergerechtigkeit, über zusätzliche Steuerfahnder und das untaugliche Steuerabkommen mit der Schweiz geführt haben, ist in der Tat zu befürchten, dass Sie auch bei dem Thema des Länderfinanzausgleichs mit dem Kopf durch die Wand wollen. Das wäre zum Schaden des Landes Hessen. Deshalb sagen wir Ihnen: Lassen Sie auch endlich bei Ihnen Vernunft einkehren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Kollege Decker. – Als nächster Redner hat sich Herr van Ooyen von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Wolfgang Decker hat es schon gesagt: Der tägliche Gruß des Murmeltiers hat uns wieder mal ereilt. Wieder einmal wird hier über den Länderfinanzausgleich diskutiert, und das Ergebnis dieser Debatte ist letztlich nichts anderes als heiße Luft. Die Debatte um den Länderfinanzausgleich wird von Schwarz-Gelb in diesem Haus immer wieder dazu genutzt, um über die Ausgaben anderer Bundesländer zu diskutieren. Sie erwecken dann in aller Regelmäßigkeit den Eindruck, dass Hessen Geld in den Länderfinanzausgleich einzahlt, das etwa in Rheinland-Pfalz für die kostenlose Kinderbetreuung eingesetzt wird. Damit erwecken Sie aber auch den Eindruck, dass Sie das Prinzip des Länderfinanzausgleichs überhaupt nicht, nicht einmal ansatzweise, verstanden haben.

(Lachen bei der CDU)

Sigrid Erfurth hat schon darauf hingewiesen, dass die GRÜNEN in ihrem Antrag auf genau diesen Punkt abzielen.

(Manfred Pentz (CDU): Mangelnde finanzpolitische Kompetenz!)

Ich kann dem nur ausdrücklich zustimmen. Ich zitiere:

… dass die Landesparlamente als Haushaltsgesetzgeber in eigener Verantwortung souverän über ihre Budgets entscheiden.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Wagner hat endlich mal auf den Punkt gebracht, wie wenig Sie offensichtlich das Prinzip des solidarischen Bundesstaates verstanden haben.

Sie haben sich am 8. Januar 2013 in einer Pressemitteilung zu der kühnen These verstiegen – Zitat –: „Ohne den Länderfinanzausgleich müsste Hessen keine Schulden machen.“ – Nun, Herr Dr. Wagner, auf den ersten Blick mag es ja so sein, dass die Zahlungen Hessens in den Länderfinanzausgleich die Höhe der – zumindest geplanten – Neuverschuldung übersteigen. Aber was heißt denn das?

Wenn wir keinen Länderfinanzausgleich hätten, dann würde sich diese Landesregierung vielleicht ganz andere Gedanken machen; denn der Länderfinanzausgleich ist nun einmal unmittelbare Folge der Tatsache, dass wir in einem Bundesstaat leben. Wenn Sie also behaupten, dass es Hessen ohne Länderfinanzausgleich besser ginge, dann behaupten Sie doch letztlich nichts anderes, als dass es uns ohne den gemeinsamen Bundesstaat besser ginge.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP: Meinen Sie wirklich, dass es besser wäre, wenn nicht versucht würde, die Lebensbedingungen in Deutschland anzugleichen? Meinen Sie wirklich, es wäre besser, wenn Hessen alleine dastünde? Ich habe solche Töne bereits von Herrn Greilich gehört.

Bei den Tönen, die einige immer wieder im Zusammenhang mit dem Länderfinanzausgleich anschlagen, kann ich mir schon vorstellen, dass manche es besser fänden, bald ein eigenes hessisches Heer aufzustellen, um die Teile von Rheinhessen wieder zurückzuerobern, die heute in einem Bundesland liegen, in dem es keine Kita-Gebühren gibt.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf)

Das Saarland war auch angesprochen. Wahrscheinlich ist hier eine Wiedereingliederung in Elsass-Lothringen geplant.

(Lachen des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Stellen wir also fürs Erste einmal fest, dass sich der Länderfinanzausgleich aus Art. 107 Abs. 2 des Grundgesetzes ergibt und diesen niemand ernsthaft ändern will. So weit sind wir uns also einig, dass die Fantasie, was in Hessen wäre, wenn es den Länderfinanzausgleich nicht gäbe, Unsinn ist.

Was allerdings heute schon feststeht, ist die Tatsache, dass der Länderfinanzausgleich bis 2019 neu geregelt werden muss. Bis dahin sind jetzt noch sechs Jahre Zeit. Was aber, glauben Sie, wird das Resultat einer Klage beim Bundesverfassungsgericht sein? – Man kann sich zumindest schwer vorstellen, dass das Verfassungsgericht sich hinstellen und vielleicht in ein bis zwei Jahren entscheiden wird, dass der Länderfinanzausgleich verfassungswidrig ist, dass Hessen mehr Geld bekommen muss, und das auch noch vor 2019.

Ehrlich gesagt, ist dieses Szenario reichlich unwahrscheinlich; denn der Länderfinanzausgleich, wie er heute besteht, ist gerade das Ergebnis einer Klage vor dem Verfassungsgericht. Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass es eben die Geberländer Baden-Württemberg, Bayern und Hessen waren, die damals geklagt haben. Und es war auch die Hessische Landesregierung, welche die Neuregelung, wie sie heute noch gilt – darauf wurde schon mehrfach eingegangen –, als großen Erfolg gefeiert hat.

Wenn heute vier Parteien in diesem Landtag der Meinung sind, dass Hessen gegen diesen Länderfinanzausgleich klagen soll, dann sollten Sie sich einmal das frühere Urteil ansehen. Die GRÜNEN und auch die SPD haben mit Recht auf einen wichtigen Punkt hingewiesen; denn bereits in seinem Urteil von 1999 hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass die Berücksichtigung der Einnahmen der Kommunen im Länderfinanzausgleich stattfinden muss, es hat aber auch deutlich gemacht, dass hier ziemlich viel Spielraum bei der Bewertung besteht – von 65,x % bis 100 % steht noch eine große, offene Summe.

So könnte es am Ende so kommen – Herr Abg. Decker hat darauf hingewiesen –, dass Hessen durch die vergleichsweise einnahmestarken Kommunen demnächst sogar eher noch drauflegen muss. Dabei reden wir nicht von einem Pappenstiel. Es geht darum – die Mehrbelastungen für Hessen müssten noch einmal genau geprüft werden –, dass wir in diesem Bereich mit Sicherheit mehrere Hundert Millionen € bewegen können. Die Klage, die Sie planen, kann also zu einem Bumerang werden.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich kann auch kaum verstehen, woher einige der vier Fraktionen, die gegen den LFA klagen wollen, den Optimismus nehmen, dass man mit so einer Klage zu einem Ergebnis kommen wird, das Hessen schnell, besser und mehr Geld bringt.

Das realistische Szenario für eine Klage sieht doch so aus: Das Bundesverfassungsgericht wird – vielleicht 2014 – feststellen, dass der Länderfinanzausgleich neu geregelt werden muss, aber dass der Länderfinanzausgleich bis 2019 in seiner jetzigen Form weiter bestehen kann. Eine Neuregelung aber, meinetwegen bis 2017, soll und muss geschaffen werden.