Protocol of the Session on January 31, 2013

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 41, Tagesordnungspunkt 61 und Tagesordnungspunkt 66 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Länderfinanzausgleich muss dringend reformiert werden – die beabsichtigte Klage von Bayern und Hessen ist der richtige Weg zu mehr Gerechtigkeit – Drucks. 18/6898 –

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Reform des Länderfinanzausgleichs klug vorantreiben – Verfassungsklage gut vorbereiten – Risiken eingrenzen und sorgfältig bewerten – Wahlkampfgetöse unterlassen – Drucks. 18/ 6923 –

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Klage gegen Länderfinanzausgleich – Drucks.

18/6932 –

Vereinbarte Redezeit: zehn Minuten pro Fraktion. Als erster Redner hat Herr Greilich von der FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Greilich.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Der Länderfinanzausgleich muss dringend reformiert werden. Wir haben dieses Thema zu unserem Setzpunkt gemacht, um noch einmal zu verdeutlichen, wie dringend dieses Anliegen ist, wie dringend der Länderfinanzausgleich reformiert werden muss.

Es ist der richtige Schritt, dass Hessen gemeinsam mit Bayern – Baden-Württemberg ist leider von der Fahne gegangen – gegen das derzeitige System klagen wird. Auf dem Verhandlungswege waren die Nehmerländer nicht bereit für ernsthafte Gespräche. Sie haben sich einer Reform schlicht verschlossen, sich bockig gestellt. Daher ist die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht die einzige logische Konsequenz. Jedenfalls dann, wenn man die Interessen des Landes Hessen im Blick hat, muss man diesen Weg gehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Der Länderfinanzausgleich ist ungerecht. Er ist intransparent, und er ist von ineffizienten Fehlanreizen geprägt und geplagt. Die FDP-Fraktionen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen haben gemeinsam aufgezeigt, wie eine Reform möglich ist, ohne das Grundgesetz ändern zu müssen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir haben in den letzten drei Jahren viel Vorarbeit geleistet – Herr Kollege Schmitt, man hört sofort, ob Sie im Saal sind oder nicht –, und wir setzen diese Arbeit fort, wir führen sie konsequent weiter, auch in diesem Jahr. Zusammenfassend kann man sagen: Wir halten an einem solidarischen Ausgleichssystem fest. Das Wort Solidarität verwenden wir aber nicht in der Bedeutung der Definition der LINKEN, nämlich Alimentierung auf Lebenszeit. Das Wort Solidarität sollte auch von den Nehmerländern nicht missbraucht werden, um das gegenwärtige System zu rechtfertigen. Der derzeitige Länderfinanzausgleich ist nämlich nicht solidarisch.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Seltsamerweise wird das Wort Eigenverantwortung, das auch die GRÜNEN scheuen wie der Teufel das Weihwasser, nur von den Geberländern benutzt. Dabei sollte ein Ausgleichssystem so aufgebaut sein, dass man Hilfe zur Selbsthilfe leistet und die Nehmerländer irgendwann auf eigenen Füßen stehen können.

Doch das ist in dem gegenwärtigen System nicht vorgesehen. Weder für Geber- noch für Nehmerländer ist es attraktiv, ihre Finanzkraft zu verbessern. Die Geberländer bekommen bei einer gestiegenen Finanzkraft fast alles weggenommen. Die extrem nivellierende Wirkung von Um

satzsteuervorwegausgleich, Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen ist so groß, dass Nehmerländer, wenn sie ihre Finanzkraft verbessern, die Mehreinnahmen auf der anderen Seite durch die fehlenden Transferzahlungen verlieren. Das heißt, ein Land macht eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik und muss deswegen Mindereinnahmen verkraften.

(Norbert Schmitt (SPD): So etwas hat Herr Koch unterschrieben!)

Herr Kollege Schmitt, wer an einem solch widersinnigen System festhalten will, kann nicht zum Wohle dieses Landes handeln. Nein, er handelt zum Schaden dieses Landes: zum Schaden Hessens.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Dem haben Sie zugestimmt! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich habe hier zu gar nichts meine Zustimmung gegeben, sondern ich schildere die Situation, die wir haben und mit der wir umgehen müssen. – Herr Al-Wazir, wir, die FDPFraktion, haben uns nicht darauf beschränkt, zu sagen, das sei alles verfassungswidrig – wir haben das belegt –, sondern wir haben uns auch die Mühe gemacht, Alternativmodelle zu entwickeln. Ich will nur zwei Beispiele aus diesen umfangreichen Vorschlägen herausgreifen; ansonsten reicht die Zeit nicht, um dieses komplizierte Thema hier abzuhandeln.

Der eine Punkt, den ich ansprechen will, ist, dass wir, um der ineffizienten Nivellierung entgegenzuwirken, eine Stärkung der Steuerautonomie der Länder brauchen. Das kann einerseits über echte Ländersteuern mit einem nennenswerten Steuerertrag oder – das ist meines Erachtens der wahrscheinlichere Weg – über ein Hebesatzrecht der Länder bei Einkommensteuer und Köperschaftsteuer erfolgen.

(Beifall bei der FDP)

Das wird zu einem Wettbewerb unter den Ländern führen, und das ist auch gut so.

Der zweite Punkt, der eine enorme Bedeutung hat, ist die Reform der Verteilung des Aufkommens aus den Gemeinschaftssteuern. Die derzeitige Zerlegung der Lohnsteuer nach dem Wohnsitzprinzip gibt den Ländern einen Anreiz zur Einwohnermaximierung, aber nicht zur Maximierung ihrer Wirtschaftskraft.

Viele Pendler – das ist das nächstliegende Beispiel – kommen täglich von Rheinland-Pfalz nach Hessen. Wir halten die Infrastruktur vor; aber Rheinland-Pfalz bekommt das Geld. Wir schlagen daher vor, dass bei der Lohnsteuerzerlegung mindestens zur Hälfte das Betriebsstättenprinzip zur Anwendung kommt – sprich: Das, was am Frankfurter Flughafen an Einkommen erwirtschaftet wird, bleibt dann zu einem Teil in der Region, und es wird nicht alles auf der anderen Rheinseite abgeliefert.

(Beifall bei der FDP)

Alle diese von uns schon seit Jahren vorgetragenen Änderungsvorschläge führen zu mehr Wettbewerb zwischen den Bundesländern. Die Ausgleichszahlungen führen zu effizienteren Anreizen, die zur Folge haben, dass die Nehmerländer sinnvolle Investitionen tätigen, die wirtschaftliche Prosperität und damit auch eine Verbesserung der eigenen Finanzkraft ermöglichen.

Insbesondere werden durch das Steuerhebesatzrecht die finanziellen Auswirkungen des eigenen politischen Handelns für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die politischen Entscheidungsträger endlich besser erkennbar. Es gibt dann nämlich einen klaren Zusammenhang zwischen Leistungen, die erbracht werden, Dingen, die man politisch will und beschließt, und dem Steuersatz – sprich: Wer bezahlt das Ganze?

Meine Damen und Herren, aufgrund all dieser Umstände werden wir gegen den Länderfinanzausgleich klagen, da dies der einzig gangbare Weg ist, zum Wohle des Landes zu handeln. Die Klage wird noch in diesem Frühjahr – spätestens im Frühsommer – eingereicht werden. Frau Kollegin Erfurth, ich bin sehr zuversichtlich – die meisten Verfassungsrechtler sind sich darin einig –: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird feststellen, dass der Länderfinanzausgleich so, wie er heute gestaltet ist, verfassungswidrig ist, dass er gegen das Grundgesetz verstößt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will eines dazu sagen: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird uns die Arbeit nicht abnehmen. Deswegen haben wir schon Vorarbeit geleistet.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man wird uns dort möglicherweise ein paar Leitplanken aufzeigen – jedenfalls wird man uns darauf hinweisen, wie der Länderfinanzausgleich aussehen kann –, aber es wird danach keinen fertigen neuen Länderfinanzausgleich geben. Deswegen haben wir die Vorschläge gemacht. Das ist ein deutlicher Hinweis an die Ministerpräsidenten der Bundesländer, die sich bockig geben: So, wie es ist, kann es nicht bleiben.

Ein schönes und zugleich das nächstliegende Beispiel ist immer wieder unser Nachbarland Rheinland-Pfalz. Wir haben viele Berührungspunkte und viele gemeinsame Interessen. Rheinland-Pfalz lebt von der Nähe zum Rhein-MainGebiet. Ohne den Flughafen Frankfurt wäre auch in Rheinland-Pfalz die Wirtschaft nichts.

(Norbert Schmitt (SPD): Wäre nichts! – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Schmitt, ich weiß, mit Wirtschaft haben Sie nicht so viel zu tun. – Unternehmen in Rheinland-Pfalz, die Zugang zum Weltmarkt haben, sind genauso vom Frankfurter Flughafen abhängig wie die Unternehmen in Hessen. Ohne den Flughafen – das wiederhole ich – wäre auch in Rheinland-Pfalz nichts.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Wäre nichts!)

Deshalb muss jedem klar sein: Die Verteilung der Finanzmittel und des Finanzaufkommens kann nicht so geregelt sein, dass wir in Hessen die Lasten tragen und Frau Dreyer mit dem hier erwirtschafteten Geld entspannt Wohltaten austeilt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es gibt eine einzige echte Alternative zu einer zügigen Reform des Länderfinanzausgleichs. Das wäre – ich will das an dieser Stelle in aller Deutlichkeit ansprechen – eine zügige Neugliederung der Bundesländer.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Erfurth, dann muss Rheinland-Pfalz eben seine Selbstständigkeit aufgeben. Das ist alles okay.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was? Wird jetzt Rheinland-Pfalz annektiert? – Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Allen, die jetzt unqualifiziert dazwischenrufen, empfehle ich einen Blick ins Grundgesetz. Dort steht einiges dazu, wie die Länderneuordnung funktioniert.

Ich stelle einfach fest: Unter Einbeziehung von RheinlandPfalz steigt unsere Einwohnerzahl auf gut 10 Millionen. Damit hätte das Land eine Größe, die es gut regierbar sein lässt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diese Rede stärkt sicherlich die hessischen Verhandlungsoptionen! So ein Schwachsinn! – Weitere Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Was ist das denn für eine Unruhe? Ich verstehe das überhaupt nicht. Immer wenn es interessant wird, kommt bei Ihnen Unruhe auf. Ich schlage vor: Nehmen Sie es auf, und fangen Sie an, mitzudenken; das ist hilfreich.

(Fortgesetzte Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich habe leider nur noch eine halbe Minute Redezeit. Deshalb werde ich jetzt meine Ausführungen beenden, ohne weiter auf die Störungen einzugehen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Schade, wir würden Ihnen gern noch länger zuhören!)

Es gibt einen weiteren Aspekt: Eine nur historisch erklärbare Störung im föderalen Gleichgewicht wie das kleine Saarland könnte man bei dieser Gelegenheit gleich einbeziehen. Das Saarland hat ungefähr so viele Einwohner wie unser kleinster Regierungsbezirk Mittelhessen: rund 1 Million.