Protocol of the Session on December 13, 2012

Deswegen verwundert mich Ihre Einlassung schon sehr. Ich erwarte vom hessischen Innenminister und vom Minis

terpräsidenten, dass für die betroffenen Beschlüsse Verantwortung übernommen wird und man nicht versucht, sich am heutigen Tage eine Hintertür nach dem Motto aufzumachen: Eigentlich wollte man nicht dabei sein. – So geht es nicht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Vielen Dank, Herr Schäfer-Gümbel. – Für die CDU-Fraktion spricht ihr parlamentarischer Geschäftsführer, Herr Bellino.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das Thema Extremismus aufgerufen ist, ist eine besonnene Diskussion angesagt, vor allem eine ausgewogene. Es muss daher immer deutlich werden, dass wir keine Nachsicht mit denjenigen haben, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht nur kritisch gegenüberstehen, sondern sie massiv bekämpfen. Wir haben auch die Aufgabe – das ist zumindest meine Auffassung –, zu zeigen, dass wir auf keinem Auge blind sind. Deshalb auch unser Dringlicher Antrag, der Ihnen vorliegt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es steht für uns außer Frage: Die Bekämpfung der NPD ist notwendig, und sie ist die Pflicht eines jeden Demokraten. Alle demokratischen Parteien müssen sich meines Erachtens einig sein, dass kein Platz für Extremisten in Hessen ist. Es ist, wie ich gestern schon sagte, bei uns kein Platz für Menschen, die gegen Andersdenkende, anders Abstammende oder Andersgläubige hetzen und sie teilweise sogar körperlich attackieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Parteien, die zumindest in Teilen extremistische Tendenzen haben, wollen wir nicht in den Parlamenten haben, egal von welcher Seite sie kommen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Wer nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, hat nichts in den Landtagen zu suchen, egal ob er sich von der rechts- oder von der linksextremen Seite annähert.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Es ist eine Frechheit, was er macht!)

Bei der NPD findet man dezidierte ausländerfeindliche, nationalistische und rassistische Elemente. Die Frage ist deshalb nicht, ob die NPD bekämpft werden muss, sondern einzig und allein, wie wir dies machen, um möglichst erfolgreich zu sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir sind auch sicher, dass der Kampf gegen die Neofaschisten, gegen diese politischen Plusquamperfekte – weil sie nicht von gestern, sondern von vorgestern sind –, in erster Linie in der Zivilgesellschaft erfolgen muss. Dort muss die Auseinandersetzung zu jeder Zeit mit dem braunen Unrat geführt werden, wo immer es geht.

Wir müssen alles tun, um Extremisten ihr widerliches Handwerk zu legen. Deshalb setzen wir auch hier auf den Dreiklang, von dem wir schon oft gesprochen haben:

Erstens. Informieren und Aufklären, gerade unserer jungen Menschen.

Zweitens. Motivieren zum Ausstieg, wenn sich jemand dorthin verirrt hat, aber auch Motivieren zum Hinsehen und zum Melden, wenn einem etwas auffällt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Drittens. Sanktionieren. Das darf in einem Rechtsstaat auch nicht fehlen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Hessen ist hier bereits gut aufgestellt. Wir lassen auch nicht nach in unseren Programmen. Ich darf daran erinnern, wir haben das Aussteigerprogramm, welches sehr erfolgreich ist. Wir haben Präventionsprojekte. Wir haben ein „Beratungsnetzwerk Hessen – Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus“ speziell für dieses Themenfeld aufgestellt. Wir haben das Modellprojekt „Rote Linie – Hilfen zum Ausstieg vor dem Einstieg“ und zahlreiche Projekte auf lokaler Ebene, die unterstützt werden. Das ist, wie wir alle wissen – das sollte man in einer solchen Debatte auch sagen –, erfolgreich. Wir haben in Hessen, gemessen an der Zahl der Einwohner, die niedrigste Quote an rechtsextremen Gewalttaten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zweitens. Die Rechtsextremisten haben in den hessischen Kommunal- und Kreisparlamenten Gott sei Dank an Bedeutung verloren. Wir wissen auch – das hat der eine oder andere an dieser Stelle schon gesagt –, dass das angesprochene Parteiverbot immer nur die letzte Stufe sein kann; denn Parteiverbote sind die schärfsten Eingriffe in die demokratische Willensbildung, und entsprechend hoch sind dann auch die gesetzlichen Hürden. Es gilt immer noch die Regel nach dem KPD-Verbotsentscheid 1956.

Ob die vorliegende Materialsammlung wirklich ausreicht, ist eben nicht sicher. Das kann man bedauern, aber man hat es zur Kenntnis zu nehmen. Es besteht immer noch die Möglichkeit oder das Risiko, dass V-Leute involviert sind.

Deshalb dürfen wir nicht vergessen: Selbst dann, wenn das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg haben sollte, könnte ein Verfahren vor dem EuGH für Menschenrechte scheitern; denn hier sind, wie wir alle wissen sollten, die Hürden noch höher. Ich denke, das können wir nicht ausblenden; denn das Risiko, hier zu scheitern, ist nach wie vor vorhanden. Das müssen wir bedenken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb haben wir bitte auch im Hinterkopf zu behalten, dass es keine juristische Entscheidung ist, die davon beeinflusst wird, dass wir alle von den schrecklichen Umtrieben des NSU geschockt sind. Das wird dort nicht gewürdigt werden.

Herr Bellino, kommen Sie bitte zum Schluss.

Vorletzter Satz. – Wir sind deshalb skeptisch, aber wir stellen uns einem gemeinsamen Verbotsantrag, wie es der Innenminister und der Ministerpräsident deutlich gemacht haben, nicht entgegen. Denn im Kampf gegen die Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung müssen die demokratischen Parteien möglichst gemeinsam auftreten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Unabhängig von diesem Verbotsverfahren – das sagen wir hier im Hessischen Landtag und auch an anderer Stelle – wollen und werden wir auch weiterhin alles tun, um extremistischen Strömungen von welcher Seite auch immer entgegenzutreten. Das hat unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verdient.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Bellino, vielen Dank. – Es spricht jetzt unser Innenminister, Herr Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die NPD ist eine rassistische und antisemitische Partei, die das Ziel verfolgt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Daher ist es grundsätzlich richtig, dass die Länder gemeinsam diese freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen wollen und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit die NPD ihr Ziel nicht erreichen kann. Die NPD ist auf allen Ebenen gesellschaftlich und politisch zu bekämpfen.

Über die Erfolgsaussichten eines Parteiverbotsverfahrens gibt es im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach wie vor erhebliche Risiken. Dabei ist zu bedenken, dass bei einem Scheitern – wie schon das erste Verbotsverfahren im Jahr 2003 gezeigt hat – die Gefahr besteht, dass die NPD letztlich gestärkt aus einem solchen Verfahren hervorgeht.

Im Interesse der Einigkeit und der Geschlossenheit aller Demokraten wird sich das Land Hessen bei allen Bedenken und bestehenden Risiken dem Beschluss der IMK, der MPK vorzuschlagen, eine entsprechende Antragstellung für ein NPD-Verbotsverfahren vorzubereiten, nicht entgegenstellen.

Das ist die Protokollerklärung, die ich in der Innenministerkonferenz abgegeben habe. Die Protokollerklärung, die der Ministerpräsident abgegeben hat, ist heute auch schon dargestellt worden. Diese Protokollerklärungen führen dazu, dass ein entsprechendes Verfahren aufgrund der Einstimmigkeitslage, die in der Innenministerkonferenz wie in der MPK gilt, nicht blockiert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube schon, dass man in der Tat massive Zweifel an dem Weg haben kann, der jetzt beschritten wird, und dass man so etwas formulieren kann, ohne dass man sich aus der Verantwortung wegduckt. Das ganze Gegenteil ist der Fall: Das ist Verant

wortungsübernahme. Denn hätte ein Innenminister in der Innenministerkonferenz mit Nein gestimmt, wäre das eine Blockade gewesen, wäre das das Ende eines entsprechenden Beschlusses gewesen.

Wer bin ich denn, dass ich mich gegen 15 andere Länder in einer solchen Frage stelle? – Das ganze Gegenteil ist der Fall. Das hat nichts damit zu tun, dass man nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen; denn man kann – ich glaube auch, man muss – gewaltige Risiken benennen, die dieses Verfahren birgt. Das gilt in juristischer Hinsicht. Das gilt für die Hürden des Bundesverfassungsgerichts. Das gilt ganz besonders für die Hürden des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Meine Damen und Herren, ich glaube, die Hürden des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind fast unüberwindbar. Ich will das jetzt genauso tun, wie es Jürgen Frömmrich getan hat: Ich gestehe all denen, die für ein Verbot sind, zu, dass sie auf den ersten Blick gute Argumente, vielleicht auch gut gemeinte Gründe dafür haben, einen solchen Verbotsantrag stellen zu wollen, weil sie die Nase davon voll haben, dass es eine Partei gibt, die gegen Ausländer hetzt, weil sie natürlich die Nase voll davon haben, dass das auch noch mit Steuergeldern bezahlt wird. Jeder hat damit ein großes Problem. Wo sie auch nicht zusehen wollen, ist, dass Existenzängste geschürt werden und man wie ein Rattenfänger diese Existenzängste für sein politisches Programm nutzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will hinzufügen, dass das alles richtig ist, dass an alldem nichts falsch ist, dass das in der Argumentation richtig ist. Aber nichts von dem, was ich eben gesagt habe, wird durch ein NPDVerbot in irgendeiner Weise gelöst. Ich gestehe auch zu, es ist wirklich nicht unsere Aufgabe, zu antizipieren, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Ich sage auch klipp und klar und komme auf das, worauf Jürgen Frömmrich angespielt hat, dass wir heute weitaus besser vorbereitet sind, als wir das 2003 gewesen sind, als es ein Bundesinnenminister gewesen ist, der nicht meiner Partei angehörte, der in dieses Verfahren hineingetrieben hat. Das gilt in formaler Hinsicht.

Wir haben alle Quellen aus den Führungsebenen abgezogen. Das war der klare Auftrag des Bundesverfassungsgerichts. Das kann uns an anderer Stelle in späterer Zeit erhebliche Probleme bescheren, dass wir dort keine Quellen mehr haben. Das wird aber dann zu dieser Zeit zu diskutieren sein.

Das gilt aber insbesondere auch in materieller Hinsicht, weil der Bund und die Länder gemeinsam eine sehr substanzielle, über 1.000 Seiten starke Sammlung von Belegen erstellt haben – im Übrigen unter sehr aktiver und engagierter Unterstützung durch das Land Hessen.

Ich sage klipp und klar: Wer die Sammlung liest, dem muss es große Sorgen machen, dass es in Teilen unserer Republik eine Vernetzung und Verflechtung von NPD und Neonaziszene gibt. Das muss einem schon Sorge machen, wenn die einen die anderen als ihren politischen Arm bezeichnen und die anderen die einen als diejenigen nutzen, die gewaltbereit sind und sogar teilweise Gewalt ausüben.

Wenn Herr Voigt sagt, die Neonazis sind der politische Soldat von der NPD, dann ist das natürlich etwas, was einem Sorge machen muss – überhaupt keine Frage, darüber kann man nicht wirklich diskutieren.

Die NPD ist eine ekelerregende Partei, auch dem stimme ich vollkommen zu. Sie ist eine rassistische und fremdenfeindliche Partei. Aber sie verliert in zunehmendem Maße Mitglieder. In Hessen ist sie in den Jahren 2008 bis 2011 von 450 auf 280 Mitglieder gesunken, und sie verliert in zunehmendem Maße auch Wählerstimmen.

Sie ist, außer in den östlichen Bundesländern, eine Partei, die unter 1 % herumkrebst. Sie ist intern völlig zerstritten. Das gilt in Hessen wie nahezu überall. Sie ist wahrscheinlich nach den heutigen Beschlüssen des Bundestages praktisch pleite, mehr als pleite, wenn man mehr als pleite sein kann. Eine flächendeckende Organisation und organisatorische Strukturen kann sie schon lange nicht mehr aufweisen und aufrechterhalten.

Ob das die Voraussetzungen erfüllt, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, oder die EuGH-Ebene darauf abstellt, dass eine Partei, die verboten werden soll, auch noch die realistische Chance haben muss, die Machtübernahme zu vollenden, das wage ich wirklich zu bezweifeln. Daran gibt es erhebliche Zweifel.

Herr Minister, die Redezeit der Fraktionen ist erreicht.