Sie wollen Gleichmacherei. Sie wollen Kuschelpädagogik ohne Sitzenbleiben und ohne Wettbewerb. Der Begriff „Leistung“ kommt in dem aus der Steinzeit geprägten Vokabular der hessischen SPD jedenfalls nicht vor.
Ich möchte auch gern noch auf die Umfragedaten zu sprechen kommen, die letzte Woche in der Sendung „Schlossplatz 1“ im Hessischen Rundfunk veröffentlicht wurden. Die Umfrage zeigte, dass 50 % der Eltern die Rückkehr zu G 9 wünschen, und das nehmen wir sehr ernst.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Und 8 % wollen G 8! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und nur 8 % wollen die Politik der schwarz-gelben Mehrheit!)
39 % wünschen sich aber die Wahlfreiheit, und genau das ist wichtig. – Nein, 8 % wollen bei G 8 verbleiben. – Wir haben gesagt, wir nehmen den Willen der Eltern ernst. Aber die Wahlfreiheit von genau 39 % der Eltern will die SPD nicht. Damit ignorieren Sie doch den Willen all der Eltern, die entweder bei G 8 bleiben wollen oder diese Wahlfreiheit wünschen, und das sind immerhin 47 %.
Meine Damen und Herren, eine zwangsweise Rückkehr für alle Schulen, wie das die SPD in ihrem Antrag fordert, wird es mit der CDU nicht geben.
Wir wollen weder die zwangsweise Rückkehr einzelner Schulen zu G 9 noch den Zwang der Schulen, bei G 8 zu bleiben. Wir geben mit dem Schulgesetz den Schulen den Weg frei, wir geben ihnen die Möglichkeit zu einem Parallelangebot. Aber entscheiden – das ist uns wichtig – sollen und werden die hessischen Schulen selbst. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Als nächster Redner hat sich Kollege Wagner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Wagner, Sie haben das Mikro.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor fast zehn Jahren hat die CDU in diesem Land G 8 eingeführt – gegen den Rat aller Expertinnen und Experten, von oben herab, gegen erhebliche Widerstände, als Zwangsbeglückung für alle Gymnasien. Frau Kollegin Ravensburg, es gehört zur Wahrheit dazu, wenn man einen solchen katastrophalen Fehler gemacht hat, wenn man eine solche Zwangsbeglückung über die Schulen gebracht hat, dass man zu diesem Fehler auch steht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ju- dith Lannert (CDU): Die Einheitsschule ist auch Zwangsbeglückung! Reden Sie von der Einheitsschule?)
Eltern, Schüler und Lehrer hatten Ihnen damals schon gesagt, dass es so nicht funktioniert. Die Kritik an der grottenschlechten Umsetzung von G 8 ist seitdem nie verstummt. Es gab immer wieder Verbesserungsvorschläge. Meine Fraktion hat seit Jahren gesagt: Hört auf mit diesen Zwangsbeglückungen. Hört auf, mit eurer Mehrheit zu glauben, ihr wüsstet es besser als die Eltern, und gebt den Eltern endlich die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9. – Dafür steht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seit Jahren verlässlich in diesem Hessischen Landtag.
Wir mussten uns über viele Jahre von Ihnen dafür beschimpfen lassen: Das war alles nicht notwendig, das war nur so eine Oppositionsidee, das war alles nur Stimmungsmache. Das wollen die Eltern alles nicht. – Das haben wir uns über Jahre von Ihnen angehört. Wir sind sehr froh, dass Sie jetzt, nach all diesen Jahren, zu einer anderen, zu einer besseren Erkenntnis gekommen sind. Wenn Sie es früher geschafft hätten, hätten wir den Schülerinnen und Schülern in unserem Land vieles ersparen können.
Frau Kollegin Ravensburg, bloß weil CDU und FDP jetzt nach so vielen Jahren unsere Position übernommen haben, werden wir nicht auf einmal dagegen sein. Das wäre ja eine komische Politik. Seit Jahren stehen wir verlässlich für die Wahlfreiheit, jahrelang lassen wir uns von Ihnen dafür beschimpfen. Warum sollten wir jetzt dagegen sein? Nein, wir sagen: Herzlich willkommen, dass Sie es endlich auch eingesehen haben, dass die Wahlfreiheit der richtige Weg ist.
Aber wir fragen auch sehr selbstbewusst: Wer hats erfunden? – Die GRÜNEN haben es erfunden. Wir sind die Erfinder der Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9.
Frau Kollegin Ravensburg, jetzt haben Sie angesprochen, dass wir als Erfinder der Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 uns dieser Wahlfreiheit der Eltern verpflichtet fühlen und diese Wahlfreiheit der Eltern sehr ernst nehmen. Deshalb machen wir jetzt konkrete Vorschläge, wie es tatsächlich zu dieser Wahlfreiheit kommt – eben weil wir den Elternwillen ernst nehmen. Das, was Sie mit dem Gesetz machen, ist, die Voraussetzung schaffen, dass es Wahlfreiheit gibt; aber damit ist Wahlfreiheit in unserem Land noch nicht da.
Die Eltern haben sehr genau gehört, was ihnen versprochen wurde. Die Eltern haben gehört, sie können zum nächsten Schuljahr für ihr Kind wählen, ob es G 8 oder G 9 gibt. Dann sollten wir alles dafür tun, dass es diese Wahlfreiheit auch tatsächlich gibt. Es reicht nicht, ein Gesetz zu ändern. Wenn man den Elternwillen tatsächlich ernst nimmt, muss man sich auch um die Umsetzung kümmern.
Was heißt das, sich um die Umsetzung zu kümmern? Frau Kollegin Ravensburg, dann muss man in jedem Schulträgerbezirk sehr genau hinschauen: Wie ist denn die Entwicklung? Wie ist der Wunsch der Eltern nach G 9 oder G 8? Und wie ist im jeweiligen Schulträgerbezirk das Angebot von G 8 und G 9? – Es ist doch nur vernünftig, wenn man versucht, diese Nachfrage der Eltern und das schulische Angebot in Einklang zu bringen. Das ist doch ein völlig vernünftiger Vorschlag. Frau Kollegin Ravensburg, wieso können Sie einem vernünftigen Vorschlag der Opposition nicht auch einmal zustimmen? Warum haben Sie nicht die gleiche Größe – wie wir sie haben, mit Ihrem Gesetz zu stimmen –, mit unserem vernünftigen Vorschlag zu stimmen? Das müssen Sie sich doch einfach einmal fragen lassen.
Wir weisen Sie heute auf dieses Problem hin. Was wird denn im nächsten Schuljahr los sein, wenn die Eltern, die sich G 9, aber auch die Eltern, die sich G 8 für ihr Kind wünschen, eben keine solche Schule wohnortnah finden? Wollen Sie das dann verantworten? Wollen Sie die Briefe an die Mütter und Väter schreiben: „Ihr Kind wird zwangsweise in G 8 oder in G 9 eingewiesen, weil wir uns nicht rechtzeitig um ein entsprechendes Angebot gekümmert haben“?
Das könnte uns als Opposition ja recht sein, wenn Sie einen solchen Entrüstungssturm der Eltern auslösen. Aber im Interesse der Eltern und einer verantwortlichen Bildungspolitik sagen wir Ihnen schon heute: Sie müssen handeln, Sie müssen diese regionalen Konferenzen durchführen, sonst werden wir zum nächsten Schuljahr ein Chaos haben, meine Damen und Herren.
Frau Kollegin Ravensburg, was wollen Sie eigentlich noch von einer Opposition, als dass sie die Regierung noch konstruktiver auf Fehler hinweist und sogar einen Vorschlag macht, wie solche Fehler vermieden werden können? Was wollen Sie eigentlich noch, Frau Ravensburg? Wenn Sie es
schon selbst nicht können, sollten Sie dankbar sein, dass es Vorschläge von der Opposition gibt, wie man es besser machen kann.
Dann komme ich zu dem Schulversuch, mit dem man G 8 und G 9 parallel an einer Schule anbieten kann. Die Idee ist gerade im ländlichen Raum gut, dass man dort durch dieses parallele Angebot an einer Schule auch tatsächlich wählen kann.
Nur gilt auch da wieder: Wahlfreiheit muss man nicht nur wollen, Wahlfreiheit muss man auch können. Es gibt überhaupt keinen Grund, dass in den fünften und sechsten Klassen ausschließlich nach G-8-Inhalten und G-8-Stundentafel unterrichtet wird, wie Sie es vorschlagen. Es gibt überhaupt keinen inhaltlichen Grund dafür, außer dass Sie hier einen G-9-Verhinderungs-Schulversuch auflegen wollen.
Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, hören Sie endlich auf, durch Ihre Gesetze, durch Ihre Schulversuche, durch Ihre Verordnungen die Eltern bevormunden zu wollen. Lassen Sie es die Eltern endlich selbst entscheiden – dafür sind wir der Garant.
Wenn es um die Sache und um die beste Lösung für die Schülerinnen und Schüler geht, dann schauen Sie sich auch da bitte an, was meine Fraktion Ihnen zum Schulversuch vorgeschlagen hat. Lassen Sie diesen Schulversuch doch wirklich einen echten Versuch sein. Lassen Sie die Schulen doch flexible Zeiträume bzw. eine flexible Schulzeit zum Abitur erarbeiten, so wie es sich viele in der Anhörung des Landtags gewünscht haben.
Unsere Schulen sind doch kreativ und kompetent genug, hierzu Vorschläge zu unterbreiten. Das kann dann eine G-8-Turboklasse sein. Das kann dann auch eine flexible Schulzeit oder eine flexible Oberstufenzeit sein. Wieso sollen wir den Schulen diese Freiheit denn nicht geben? Wieso glauben Sie auch jetzt wieder, es besser zu wissen als die Schulen, und ihnen Vorschriften machen zu müssen?
Drei ganz klare Haltungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja zur Wahlfreiheit, Wahlfreiheit dann mit den regionalen Konferenzen vernünftig umsetzen und mit dem Schulversuch den Schulen tatsächlich echte Freiheit geben, damit diese Wahlfreiheit auch an einer Schule angeboten werden kann. – Das ist eine klare Position, das ist verlässlich. Wir müssen nicht wie Schwarz-Gelb unsere Meinung in der Bildungspolitik ständig ändern. Aber wir sagen auch: Es gibt keinen Grund, in der Bildungspolitik alle paar Jahre wieder alles komplett anders machen zu wollen. Davon haben unsere Schulen die Nase auch gestrichen voll, meine Damen und Herren.
Ich frage die Befürworter der Idee, generell zu G 9 zurückkehren zu sollen: Wie passt es zusammen, wenn wir uns einig sind, dass es vor gut zehn Jahren ein Fehler war, allen Schulen G 8 von oben herab vorzuschreiben? Welchen
Sinn macht es dann, zehn Jahre später von oben herab allen Schulen vorzuschreiben, dass sie G 9 machen sollen?
Das müssten mir die Befürworter einmal erklären, die jetzt sagen, dass alle Schulen zu G 9 zurückkehren sollen.
Nein, meine Damen und Herren, in der Frage G 8 oder G 9 ist unsere Gesellschaft in Hessen, wie in vielen anderen Fragen auch, gespalten. Wir in der Politik sollten aufhören, mit der jeweiligen Landtagsmehrheit zu versuchen, das in die eine oder Richtung entscheiden zu wollen. Wir sollten als Fraktionen und Parteien klare Überzeugungen in der Bildungspolitik haben.