Es bleibt einer der größten sozialen Skandale in unserem Land, dass es uns immer noch nicht gelungen ist, den Bildungserfolg von Kindern vom sozialen Hintergrund der Eltern zu entkoppeln.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU))
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, wo ist die Vielfalt für die Eltern, die sich längeres gemeinsames Lernen für ihre Kinder wünschen? Wo ist diese Vielfalt, die wir in anderen Bundesländern haben,
mit der Stadtteilschule, mit der Sekundarschule, mit der Gemeinschaftsschule oder mit dem, was wir GRÜNE vorschlagen, mit der neuen Schule? Wo ist diese Vielfalt? Sie tun doch seit 13 Jahren alles dafür, um den Eltern solche schulischen Angebote vorzuenthalten. So eine Politik kann für sich nicht den Schulfrieden in Anspruch nehmen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mario Döweling (FDP): So ein Käse! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie sind ein Genosse im Schafspelz!)
Wo ist denn die Freiheit für die Eltern, die sich ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote an der Grundschule nicht nur wünschen, sondern die sie brauchen, um Familie und Beruf vereinbaren zu können? Wo ist denn die Freiheit, diese Angebote zu finden? Von welcher Freiheit reden Sie eigentlich?
Wo sind die Freiheit und die Vielfalt für die Eltern von behinderten Kindern, dass ihr Kind ganz normal die wohnortnahe Schule besuchen kann? Wo ist diese Freiheit, wo ist diese Vielfalt? Sie vergessen eines, wenn Sie von Freiheit und Vielfalt, von Entscheidungsfreiheit der Eltern reden: Das setzt ein Angebot voraus, und Sie bleiben den Eltern in vielen Bereichen dieses Angebot schuldig.
Deshalb ist es richtig, was die Kollegen der SPD sagen: Wir brauchen eine Weiterentwicklung in unserem Bildungssystem. Wir brauchen die pädagogischen Konzepte, die sich viele Eltern in unserem Land für ihre Kinder wünschen. Das sind ganztägig arbeitende Schulen. Das ist die flexible Schuleingangsstufe in der Grundschule. Ja, das ist auch längeres gemeinsames Lernen, was sich viele Eltern für ihr Kind in der Schule wünschen. Es ist völlig richtig, dass die SPD kritisiert, dass hier in 13 Jahren SchwarzGelb nichts passiert ist.
Befreundete Volkspartei, übrigens kein Plural, Herr Schork. Ich habe nicht von befreundeten Volksparteien geredet. – Wir GRÜNE sind fest davon überzeugt, es muss in der Bildungspolitik darum gehen, den Schulen einen Weg zu ermöglichen; aber wir sollten aufhören, es allen vorzuschreiben. Das hat uns in der Vergangenheit nicht weitergebracht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU): So wie die CDU! Damit können wir uns anfreunden!)
Um das am Thema G 8/G 9 sehr konkret zu machen: Wir GRÜNE sind die Erfinder der Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9. Wir GRÜNE waren es, die 2008 diesen Weg den kooperativen Gesamtschulen mit einem Gesetzentwurf ermöglicht haben.
Wir GRÜNE waren es, die seit dieser Zeit gesagt haben: Lasst uns das mehr Schulen ermöglichen. – CDU und FDP haben das über Jahre abgelehnt. Wir freuen uns, dass es jetzt einen Meinungswandel bei Schwarz-Gelb gab und jetzt auch Sie für die Wahlfreiheit sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der befreundeten Volkspartei, warum ist die Wahlfreiheit der bessere Weg? Wenn es doch falsch war, wo wir uns alle einig waren, G 8 zwangsweise allen vorzuschreiben, welchen Sinn soll es denn jetzt machen, G 9 allen zwangsweise vorzuschreiben?
Diesen Widerspruch thematisieren wir und diskutieren wir gern mit der befreundeten Volkspartei. – Sie klatschen jetzt auch dafür, dass es ein Fehler war, G 8 zwangsweise einzuführen. Das ist ein Fortschritt, sehr gut.
Jetzt sagen die Kolleginnen und Kollegen der SPD, 89 % der Eltern wollten G 9 für ihre Kinder. Das geht ja mit dem, was wir vorschlagen. Genau das geht mit der Wahlfreiheit.
Deshalb sagen wir, die Eltern sollen es entscheiden. Deshalb sagen wir übrigens auch, Frau Ministerin, es reicht nicht, die Wahlfreiheit ins Gesetz zu schreiben, sondern Sie müssen jetzt auch mit den Eltern reden und die Eltern fragen, was sie für ein schulisches Angebot haben wollen, und müssen dann dafür sorgen, dass es genug Schulen gibt, die dieses G-9-Angebot auch tatsächlich machen.
Das ist doch der bessere Weg, als sich auf eine Umfrage zu berufen – da kommen nämlich die 89 % her, die die Kollegen der SPD gern ins Feld führen –, die ein Spielwarenversandhaus durchgeführt hat
und die als empirische Basis in Hessen noch nicht einmal 300 befragte Eltern hat. Da ist es doch besser, echte Wahlfreiheit zu geben und die Eltern zu fragen,
statt sich als Grundlage für die Bildungspolitik auf die Umfrage eines Spielwarenversandhauses zu stützen. Das muss doch jedem einleuchten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das war ein guter Beitrag zum Schluss!)
Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, der Schulfrieden geht nur, wenn man den Elternwillen respektiert. Der Schulfrieden setzt voraus, dass man auf revolutionäre Parolen im Wahlkampf verzichtet und sich endlich darauf konzentriert, unsere Schulen weiterzuentwickeln – schrittweise, nicht mit Parolen, sondern mit harter Arbeit. Dafür steht BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, Ihr Antrag ist altbacken, politisch unsinnig und vor allem weit von dem entfernt, was derzeit bildungspolitisch in Hessen stattfindet und diskutiert wird.
Meine Damen und Herren von der Landesregierung, nach all dem Wind, der Ihnen in letzter Zeit schneidend ins Gesicht geblasen wurde, kann ich verstehen, dass Sie das Bedürfnis haben, auch mal gelobt zu werden. Dass Sie jedoch auf das Mittel der Selbstbeweihräucherung zurückgreifen, hätte ich nicht gedacht. Vielleicht hätte es ein gegenseitiges Auf-die-Schulter-Klopfen auch getan. – Nun denn.
Schon der Titel Ihres Antrags „Freiheit, Vielfalt und Qualität statt Einheitsschule“ zeigt, dass Sie sich den Debatten der letzten Wochen nicht stellen – und wahrscheinlich auch in Zukunft nicht stellen werden. Ich könnte mich an jedem dieser vier Begriffe abarbeiten und Ihnen aufzeigen, dass Ihre Schulpolitik von jedem einzelnen weit entfernt ist. Meine Vorredner von der Opposition haben das auch schon recht gut übernommen. Aber ich frage Sie: Wozu eigentlich die Mühe? Wenn Sie schon den Experten und Betroffenenverbänden in den Anhörungen zu Ihren Gesetzentwürfen kein wirkliches Gehör schenken, werden Sie der Opposition wahrscheinlich genauso wenig zuhören.
Unter Punkt 2 behaupten Sie, integrierte Schulsysteme würden nicht mehr Bildungsgerechtigkeit als das selektierende, mehrgliedrige Schulsystem schaffen. Das ist, um es kurz zu machen, Blödsinn.
Verschiedene Studien, auch internationale Vergleichsstudien, belegen das auch. Frau Habermann hat sehr eindrücklich nachgewiesen, wo überall in Deutschland die Wege genau in diese Richtung eingeschlagen werden. Es zeigt aber sehr gut, wohin Ihr Weg in Hessen führt, nämlich weiter in Exklusion statt Inklusion, in Selektion statt Integration.
Sämtliche Studien der letzten Jahre belegen, dass die soziale Herkunft immer noch entscheidend für den Bildungsweg der Kinder ist, und das besonders in Hessen. Diese Studien, nationale sowie internationale, verspotten Sie mit solchen Behauptungen. Und nicht nur die soziale, sondern auch die geografische Herkunft der Kinder spielt hier eine Rolle. Kinder mit Migrationshintergrund besuchen nicht nur seltener ein Gymnasium, nein, sie sind überproportional an den Förderschulen mit den Schwerpunkten Lernen oder Sprachheilförderung vertreten. Das alles wissen Sie, und das hat sich seit Jahren in Ihrer Schulpolitik nicht geändert.
Dann würde ich Sie gern einmal auffordern, zu schauen, welche Schulen denn in letzter Zeit so ausgezeichnet wurden. Welche haben denn Schulpreise bekommen? Es waren überwiegend integrierte Gesamtschulen