Ein Blick nach Europa signalisiert mir, dass Europa so reich ist wie noch nie. Zwischen Monaco und Mailand leben heute 3,2 Millionen Millionäre.
Der private Reichtum Westeuropas umfasst gigantische 27 Billionen €. Das Eldorado der europäischen Reichen ist Deutschland.
Die Albrechts, Quandts und Ottos dieser Republik – die 100 reichsten Deutschen – besitzen ein Vermögen von 307 Milliarden €, ein Plus von 6 % allein im letzten Jahr. Alle deutschen Reichen und Superreichen sitzen auf einem 7,2 Billionen € hohen Vermögensberg – Sach- und Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten.
Der private Reichtum ist sehr ungleich verteilt. Von Madrid bis Athen konzentriert sich immer mehr Vermögen in immer weniger Händen. Hierzulande besitzt das reichste Promille – etwa 70.000 Personen – 23 % des gesamten Nettovermögens. Dies entspricht einem Vermögen von 1.600 Milliarden €. Dem reichsten Prozent gehört mehr als ein Drittel. In Italien und Spanien verfügen die reichsten 10 % über mehr als zwei Fünftel des Gesamtvermögens. Die schiefe Vermögenslage wird gespeist aus der ungleichen Einkommensverteilung. Wir hatten das Beispiel schon: Der durchschnittliche Verdienst in Hessen ist eine Schimäre, was die reale Situation angeht.
Von Paris bis Rom ist das Kuchenstück der abhängig Beschäftigten seit der Jahrtausendwende kleiner geworden.
Die Lohnquoten sanken. Zudem stiegen die Einkommensunterschiede – am stärksten übrigens in Deutschland. Während wenige immer reicher werden
(Peter Beuth (CDU): Sie sprechen noch nicht einmal hessisch, Sie sprechen hochdeutsch! – Holger Bellino (CDU): Was hat das mit den Reichen in Mailand zu tun?)
bluten die Staaten und ihre Institutionen aus. Überall in Europa wächst die öffentliche Armut. Die europäischen Kassenwarte stehen mit über 10 Billionen € in der Kreide. Städten und Gemeinden fehlt das Geld für Kitas und Schulen. Europaweit werden Theater und Jugendzentren geschlossen.
Beim Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger feilscht die deutsche Politik um jeden Cent. Wenn man 1 Million € Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher verhängt, im Durchschnitt 106 €, dann signalisiert das einen Rassismus gegen Arme in diesem Land, und das auch institutionell.
(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Erzählen Sie doch mal, wie Honecker die armen Arbeiter ausgequetscht hat! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Tragen Sie das beim Rotwein aus, dann ist es gut!)
In Griechenland schließt man inzwischen öffentliche Krankenhäuser und kann notwendige Medikamente nicht mehr bezahlen, während vor der eigenen Haustür – in Offenbach – gerade das nächste kommunale Klinikum privatisiert wird, als ob Gesundheit eine Ware wäre, die den freien Kräften des Marktes preisgegeben werden dürfte.
Öffentliche Armut und privater Reichtum sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Schulden spiegeln immer auch das Vermögen wider. Im letzten Jahrzehnt mehrten die Reichen ihr Vermögen auf Kosten der Allgemeinheit. Daran trägt die Politik Schuld.
Die Ursache dieser Situation ist aber nicht, dass der Staat oder gar diejenigen über ihre Verhältnisse gelebt haben, die auf einen handlungsfähigen Staat angewiesen sind, sondern das genaue Gegenteil. Ursache der Krise, die auch uns in Hessen weiter in Atem hält, ist, dass einige immer der Meinung waren, dass der Staat mit einer Rosskur geschrumpft werden müsse. Oder, wie es der designierte Vizepräsident des Hessischen Rechnungshofes hier im Haus wie ein Mantra zu sagen pflegt: Das Geheimnis des Sparens ist der Verzicht.
Nur, Herr Noll, sehen Sie sich doch einmal die Resultate an, die eine solche Politik vorzuweisen hat: Hier in Deutschland sind die Löhne nicht gestiegen, die Sozialleistungen sind zusammengestrichen worden, und in Ländern wie Griechenland führt brutale Kürzungspolitik gerade immer tiefer in die Wirtschaftskrise. Eine solche Politik zu forcieren und zu wollen, das kann nicht Sache der hessischen Politik sein.
Auch wenn sich die Hessische Landesregierung rühmt: „Wir helfen den Spaniern, Griechen usw.", tut sie das Ge
genteil. Statt die Entwicklung in diesen Ländern z. B. mit einem internationalen Marshallplan zu unterstützen, wird ein moderner Sklavenmarkt organisiert, indem man junge, möglichst gut ausgebildete Menschen für die hessischen Bedürfnisse im Billiglohnsegment aus Spanien und Griechenland abwirbt.
Aus dem Elend müssen sie sich selbst erlösen. Warum helfen Sie den Spaniern nicht, dass die auf die Beine kommen? Das wäre die richtige Antwort. Stattdessen kommen sie hierher und sollen im Billiglohnsektor arbeiten. Das ist der Zug der Zeit dieser Regierung.
So spart man sich die Ausbildungskosten. Herr Greilich hat vorhin davon gesprochen, dass das Geld den Studenten nachfolgen soll, wenn es sich um innerdeutsche Positionen handelt.
Herr Bellino, wir müssten dann wenigstens den Spaniern die Ausbildungskosten ersetzen. Das wäre ein Hinweis, wie es laufen könnte.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer hat den Willi alt genannt? – Heiterkeit bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
So spart man sich die Ausbildungskosten und braucht sich auch nicht mehr um die Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen bei uns zu kümmern. Hier will man im Grunde genommen immer mehr Menschen aus den sozialen Zusammenhängen ausgrenzen. Das ist die Politik dieser Landesregierung.
Wie gesagt, Offenbach konnte die Kosten für sein Klinikum nicht schultern, weil Offenbach über viel zu geringe Einnahmen verfügt und jetzt nicht mehr in der Lage ist, das Notwendigste, nämlich ein kommunales Krankenhaus, zu finanzieren.
Statt den Kommunen nachhaltig eine bessere Finanzausstattung zu gewähren, fällt dieser Landesregierung nichts Besseres ein, als das Rezept, das gerade anderswo ganze Staaten an die Wand fährt, hier im Kleinen den Kommunen zu verordnen. Denn der Kommunale Schutzschirm, unter den sich die ärmsten Kommunen jetzt begeben dürfen, ist doch nichts anderes als das, was gerade in Griechenland passiert. Auch hier bekommen die Kommunen Finanzhilfen nur, wenn sie gleichzeitig öffentliche Leistungen kürzen und Gebühren erhöhen.
Herr Schäfer, so schafft man aber keine Akzeptanz für eine falsche Politik, und so erreichen Sie auch das Ziel ausgeglichener Haushalte für die Kommunen nicht. Auch den Kommunen predigt Schwarz-Gelb doch bereits seit Jahrzehnten, dass mit Privatisierung und PPP alles gut wird
und dass Ausgaben gekürzt werden müssen. Genützt hat dies alles nichts – und das liegt ganz sicher nicht daran, dass die Kommunen über ihre Verhältnisse gelebt hätten, sondern daraus, dass die Einnahmen der Kommunen zu niedrig sind. Hier, Herr Finanzminister, bieten Sie aber nichts außer einem Knirps von Schutzschirm. Im Regen lassen Sie die stehen, die in ihrer Kommune nicht in Ihr Streichkonzert auf Kosten der kleinen Leute einstimmen wollen.
Was in Offenbach noch passieren soll, ist in Gießen und Marburg schon geschehen: Mit zum Teil verheerenden Ergebnissen für die Beschäftigten und die Patienten hat man dort ein Uniklinikum privatisiert. Die Sorgen und Ängste der Beschäftigten und der Menschen in der Region müssen aber ernst genommen werden. Über 47.000 Unterschriften sind gegen den Stellenabbau zusammengekommen. Die Landesregierung muss das Scheitern ihrer Privatisierung eingestehen und die Kliniken zurück zum Land überführen.
Das wäre eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung, Mittelhessen als attraktiven Ort zum Leben und Arbeiten weiterzuentwickeln.
Immerhin muss man dieser Landesregierung lassen: Was den Haushalt angeht, lässt sie die großen Kürzungsorgien vor der Wahl bleiben, vielleicht auch, weil der eine oder andere Versorgungsposten, der jetzt schnell noch geschaffen werden muss, sonst deutlicher auffallen würde.
Es könnte aber wahrlich Schlimmeres geben: eine Landesregierung, die selbst vor einem Wahljahr den Kurs der letzten Jahre fortsetzt, als Frauenhäuser geschlossen wurden und Flughäfen als Prestigeprojekte neu gebaut wurden. Schlimmer wäre eine rot-grüne Koalition, die nach dem Vorbild von Baden-Württemberg Lehrerstellen streicht oder, wie sie das euphemistisch nennt, die demografische Rendite nutzt.
Meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor: Die Landesregierung ist am Ende, und die selbst ernannten Oppositionsführer haben jetzt schon Angst, bald selbst den Menschen erklären zu müssen, wieso zwischen schwarzgelber und rot-grüner Schuldenbremse kein Unterschied besteht.
Denn das ist doch der Kern, um den Sie alle herumgeeiert sind: Ein handlungsfähiges Hessen oder gar einen echten Politikwechsel wird es mit der Schuldenbremsenkoalition nicht geben.
Die SPD hat es ja sogar geschafft, lieber Thorsten SchäferGümbel, in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses alle unsere Anträge im Bereich Soziales mit der pauschalen Begründung abzulehnen, dass diese nicht seriös finanziert seien.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie hätten sich wenigstens die Mühe machen können, unsere Anträge etwas deutlicher zu lesen. Die GRÜNEN waren da schon ein wenig weiter und haben immerhin den Anträgen zur Verbesserung der Finanzierung der Frauenhäuser und zur Prävention sexueller Gewalt zugestimmt.
Der lag nicht vor. Wir hatten nicht die Chance, darüber zu diskutieren. Deshalb hatte ich gedacht, dass wenigstens solchen Positionen eine gemeinsame Zustimmung nicht versagt geblieben wäre.