Protocol of the Session on November 21, 2012

Der lag nicht vor. Wir hatten nicht die Chance, darüber zu diskutieren. Deshalb hatte ich gedacht, dass wenigstens solchen Positionen eine gemeinsame Zustimmung nicht versagt geblieben wäre.

Selbst das steht für die SPD in Oppositionsverantwortung schon unter Finanzierungsvorbehalt, hatten wir gehört.

(Norbert Schmitt (SPD): Nein, das stimmt nicht! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt nicht wieder den alten Streit zwischen SPD und USPD!)

Herr Schäfer-Gümbel, wenn das Ihre Politikaussage schon vor der Wahl ist, dann brauchen Sie nicht weiter herumzulaufen und zu behaupten, dass DIE LINKE im Westen ihren Zenit überschritten hat. Wenn die SPD sich schon vor der Wahl nicht traut, wenigstens auch nur ein bisschen sozialdemokratisch zu tun, dann wird sie so nicht gebraucht.

Auch in Hessen selbst werden z. B. keine zusätzlichen Steuerfahnder eingestellt, um den Standortfaktor für die Reichen nicht zu gefährden. Die weitere Privatisierung besonders im Bildungsbereich wie die Beispiele der EBS und die angedachte – das kriegen wir dann im Folgejahr – stärkere Förderung des Privatschulbereiches sind eindeutig der falsche Weg in der hessischen Politik.

Wir treten nach wie vor für eine Gesamtschule ein, die in öffentlicher Hand bleibt, und sind natürlich der Meinung, dass eine ausreichende Bildung gemeinsames Lernen voraussetzt. Diese Position will ich hier doch noch einmal klarstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Darüber hinaus beglückt die Politik von CDU und FDP die Reichen mit üppigen Steuergeschenken. Hierzulande senkte die Schröder- und Merkel-Regierung kräftig die Steuern. Für Spitzenverdiener, Unternehmer, Vermögende und Erben gab es mehr Netto vom Brutto. Topverdiener zahlen heute effektiv 30 %, Kapitalbesitzer 25 % und die DAXKonzerne nur noch 24 % Steuern. Die Gewinnsteuern machen weniger als ein Fünftel des gesamten Steueraufkommens aus. Dass das reichste Zehntel der Steuerpflichtigen – das höre ich immer wieder aus der CDU – über die Hälfte der Einkommensteuer zahlt, ist hierzu kein Widerspruch. Ihm gehört schließlich auch zwei Fünftel des zu versteuernden Einkommens. Von daher ist es nur gerecht.

Die niedrigeren Steuern zündeten nicht das angeblich erhoffte Investitionsfeuerwerk. Trotz höherer Nettogewinne blieb die Investitionsquote historisch niedrig. Die Betriebe häuften lieber Geldvermögen an. Durch die Steuergeschenke wuchs der öffentliche Schuldenberg um insgesamt rund 380 Milliarden €. Das entspricht fast der Hälfte der gesamten Neuverschuldung des letzten Jahrzehnts. Bei vielen europäischen Nachbarn ergibt sich ein ähnliches Bild: Von Rom bis Athen purzelte die Steuerlast für Spitzenverdiener, Unternehmer und Vermögende.

Doch damit nicht genug: Die sogenannten deutschen Arbeitsmarktreformen verursachten eine chronische Lohnschwäche. Niedriglöhne, Leiharbeit und Minijobs drückten das allgemeine Lohnniveau. Die Tarifflucht der Arbeitgeber tat ein Übriges. Dank der Lohnflaute kletterten die Gewinne in die Höhe. Die milliardenschweren Einnahmeausfälle in den Steuer- und Sicherungssystemen vergrößerten die öffentliche Armut.

Kurzum: Der Anstieg der Staatsverschuldung ist nicht das Ergebnis laxer Haushaltspolitik. Die Legende von der Staatsschuldenkrise entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ökonomisches Märchen. Hierzulande sind die realen Staatsausgaben vor der Krise sogar gesunken. Der Schuldenanstieg resultierte allein aus politischer Reichtumspflege und den Folgen der Finanzmarktkrise. Das Gemeinwohl schrumpfte zugunsten steigender Vermögen. Und jetzt sollen die Schuldenberge dadurch abgetragen werden, dass abhängig Beschäftigte, Rentner und Arbeitslose den Gürtel enger schnallen. Damit muss Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Schuldenfrage ist eine Verteilungsfrage. Der private Reichtum muss jetzt zum Abbau der Staatsschulden herangezogen werden. In diesem Zusammenhang hat das Aktionsbündnis UmFairTeilen aus Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und NGOs eine Vermögensabgabe und eine Vermögensteuer ins Spiel gebracht.

Eine einmalige Vermögensabgabe auf Geld-, Immobilienund Betriebsvermögen könnte ein wichtiger Beitrag sein, um den milliardenschweren Schaden der Finanzmärkte zu beheben. Historisches Vorbild ist der Lastenausgleich nach Gründung der Bundesrepublik. Dazu brauchen wir aber auch eine Vermögensteuer, die dauerhaft dafür sorgt, dass Reiche einen angemessenen Anteil zur Finanzierung des Staates beitragen.

Das ist weder der Sozialismus per Gesetz, noch ist es einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik: Unter Adenauer gab es den Lastenausgleich und bis unter Helmut Kohl noch die Vermögensteuer.

Mit der Millionärsabgabe lässt sich aufgrund der starken Vermögenskonzentration ein geschätztes Aufkommen von insgesamt über 250 Milliarden € erzielen. Mit den Einnahmen könnten Schulden abgebaut und notwendige Bildungs-, Gesundheits- sowie Infrastrukturinvestitionen finanziert werden.

Die Millionärsabgabe verursacht keinen wirtschaftlichen Schaden. Aktuelle Investitionspläne trifft es nicht, da nur Altvermögen besteuert wird. Der Konsum wird nicht abgewürgt, da Reiche viel sparen. Mittelständische Betriebe mit geringem Betriebsvermögen berührt die Abgabe nicht. Da die Abgabe rückwirkend erhoben wird, droht auch keine Kapitalflucht. Umzug oder Vermögensverlagerung sind also zwecklos.

Da der Staat aufgrund der Folgen der Finanzmarktkrise einen besonderen Finanzbedarf hat, ist eine solche Abgabe auch verfassungsgemäß. Dies untermauert ein aktuelles Rechtsgutachten von dem Staatsrechtler Joachim Wieland.

Eine Millionärsabgabe löst natürlich nicht alle Schuldenund Verteilungsprobleme. Die Abgabe ersetzt weder eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt noch eine gute Tarifpolitik, noch eine gerechte Steuerpolitik. Sie ist lediglich Teil eines Gesamtkonzeptes.

Die Millionärsabgabe kann eine wichtige Rolle in der Mobilisierung für einen verteilungspolitischen Kurswechsel in Deutschland und Europa spielen. In den nächsten Monaten wird die wirtschaftliche Krise unserer europäischen Nachbarn auch zu unserer Krise werden.

Sobald die Steuereinnahmen nicht mehr sprudeln, stehen in Bund, Ländern und Kommunen neue Kürzungspläne auf der Tagesordnung. Die dann anstehenden Gebührenerhö

hungen, Theaterschließungen und verschlechterten Unterrichtsbedingungen treffen breite Bevölkerungsschichten.

Die Schulden- und Verteilungsfrage wird ein zentrales Thema der nächsten Bundestagswahl sein. DIE LINKE wird in den nächsten Monaten zusammen mit Gewerkschaften, der außerparlamentarischen Opposition und Wohlfahrts- und Umweltverbänden die Mittel einer gerechten Verteilungspolitik öffentlich machen und sie auf die Straße tragen. Das ist unsere Aufgabe. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Als nächster Redner hat sich Kollege Dr. Wagner von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Dr. Wagner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hessen geht es richtig gut:

(Beifall bei der CDU und der FDP)

auf dem Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft, in der Bildung und in der inneren Sicherheit.

(Norbert Schmitt (SPD): Mit uns geht es besser!)

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur eine Feststellung aus dem Munde des Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, sondern ich belege das auch mit Fakten. Auf dem Arbeitsmarkt haben wir die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit 20 Jahren. Ich verstehe eines nicht, an die Opposition gewandt: Warum nehmen Sie das nicht wenigstens zur Kenntnis? Sie müssen uns ja nicht loben, so weit wollen wir nicht gehen. Aber Sie müssen doch wenigstens Fakten zur Kenntnis nehmen und auf der Grundlage von Fakten mit uns die politische Auseinandersetzung führen.

In der Wirtschaft haben wir 3,2 % Wachstum – das höchste seit vielen Jahren und deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Wir haben 2,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze – so viele wie noch nie. Hessen, der Ministerpräsident hat es heute Vormittag bereits sehr eindrucksvoll in seiner Rede gesagt, ist das Land, in dem die Bürgerinnen und Bürger mit Abstand am meisten verdienen

(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Der Milde trägt dazu bei und der Noll!)

von 16 Bundesländern einsame Spitze. Ich will schon sagen, ich finde es ungewöhnlich, dass wir eindeutig vor Hamburg liegen, weil in aller Regel in den Stadtstaaten besser verdient wird. Hessen ist hier einsame Spitze. Das hat auch etwas mit Politik zu tun. Es hat etwas mit dem Fleiß der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu tun. Es hat aber auch etwas mit den Rahmenbedingungen zu tun, für die diese christlich-liberale Koalition seit 13 Jahren sorgt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Wolfgang Grei- lich (FDP))

In der Bildung gab es seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie so viele Lehrerstellen wie jetzt – über 50.000.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben so gut wie keinen Unterrichtsausfall mehr. Wir haben eine schwere Hypothek übernommen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Genossen haben damals gesagt: 85 % sind 100 %. – Bei uns sind 100 % 100 %.

(Norbert Schmitt (SPD): Wie war das, als Sie Kultusminister waren?)

Das ist das Ergebnis erheblicher Anstrengungen. Wir haben in unserer Regierungszeit bisher 6.500 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es gab noch nie so viele Polizeibeamte wie heute – mit einer Rekordaufklärungsquote von 58,5 %. Hessen ist inzwischen eines der sichersten Bundesländer in Deutschland geworden. Das war in Ihrer Zeit nicht der Fall, und das hätte auch in Ihrer Zeit sein können – bei entsprechenden Anstrengungen.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht schauen Sie einmal in die Bundesrangliste!)

Meine Damen und Herren, das sind klare Fakten, die man nicht wegreden kann.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und die Erde ist eine Scheibe!)

Wer allerdings der Opposition heute und auch in den letzten Wochen zugehört hat, der konnte meinen, Hessen gehe es richtig schlecht, und Hessen stehe kurz vor einer Katastrophe. Ich zitiere aus einer kürzlichen Pressemitteilung der SPD-Fraktion. Darin steht – man behalte als Hintergrund im Auge, was ich eben an Fakten vorgetragen habe –

Das Land lebt von der Substanz, … [Es] herrscht Stillstand.

(Norbert Schmitt (SPD): Richtig! – Demonstrativer Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zum Glück glaubt Ihnen das in der Öffentlichkeit keiner. Meine Damen und Herren, es ist eher Ausdruck einer besorgniserregenden Realitätsverweigerung. Die Qualität Ihrer Politik hängt auch davon ab, dass Sie Realitäten zur Kenntnis nehmen und sie nicht einfach ignorieren und ausblenden, weil sie Ihnen nicht passen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt der Richtige!)