Protocol of the Session on September 6, 2012

Keine Zocker würden mehr eine Pleite Athens, Roms oder Madrids anwetten.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit der geballten Finanzkraft der Notenbank würde sich niemand anlegen. Die Zeiten irrationaler Wucherzinsen wären damit endgültig vorbei. Noch versuchen schwarzgelbe Ideologen und die Bundesbank, den überfälligen geldpolitischen Kurswechsel zu verhindern. Für Dobrindt,

Brüderle, Rösler, Hahn, Weidmann und Co. ist eine monetäre Staatsfinanzierung ein ordnungspolitischer Albtraum. Deswegen werden jetzt gezielt Inflationsängste geschürt.

In den USA, in Großbritannien, aber auch in Japan finanzieren die Zentralbanken seit Jahren und Jahrzehnten ihre Staaten. Das wissen natürlich auch die Frankfurter Notenbanker. Die Panikmache vor der drohenden Geldentwertung ist nur Mittel zum Zweck. Jens Weidmann und die FDP fürchten in Wirklichkeit keine galoppierenden Preise, sondern den Machtverlust der Finanzmärkte. Die Kapitalmärkte sollen die Staaten dauerhaft disziplinieren. So wird die Demokratie außer Kraft gesetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Investmentbanker, Hedgefondsmanager und Vermögensverwalter die Zinshöhe festlegen, lässt sich der Schrumpfstaat leichter durchsetzen. Lohnkürzungen, Personalabbau und Privatisierungen können dann als Sachzwang verkauft werden, um das Vertrauen der Märkte wiederzugewinnen. Eine Entkopplung der Staatsfinanzierung von den Kapitalmärkten würde diesen Sparzwang mindern.

Die Zukunft der Staatsfinanzierung ist zu einer Machtfrage geworden. Solange die Staaten das Geld auf privaten Kapitalmärkten einsammeln müssen, können die Märkte die Politik vor sich hertreiben. Wie Merkel Europa kaputtspart, ist europafeindlich. DIE LINKE kämpft an der Seite der Bevölkerung in Griechenland, Portugal, Spanien und Italien gegen die unsoziale Kürzungspolitik. Das haben wir bei Blockupy getan, und das werden wir sicherlich auch beim Sozialforum in Florenz beweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dagegen haben SPD und GRÜNE dem Fiskalpakt leider zugestimmt, mit dem diese Kürzungspolitik in ganz Europa verewigt werden soll. In den letzten zehn Jahren haben CDU, SPD, FDP und GRÜNE die Reichen und Konzerne mit extremen Steuersenkungen beschenkt. Gleichzeitig haben sie die Löhne und Sozialleistungen durch Hartz IV, Leiharbeit, Mini- und Ein-Euro-Jobs gesenkt.

Aktuell geht es darum, wer die Kosten für die Krise zu bezahlen hat. Es gibt leider kein Anzeichen dafür, dass die neoliberalen Parteien jetzt auf einmal von ihrer Politik zugunsten einer kleinen, privilegierten Minderheit abrücken. Im Gegenteil: Vielmehr wird das Märchen von den Staaten, die über ihre Verhältnisse gelebt hätten, dazu genutzt, um das Lohn- und Sozialdumping der Agenda 2010 jetzt in ganz Europa durchzusetzen.

Herr van Ooyen, kommen Sie bitte zum Schluss.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Für die Schulden der Banken aus abstrusen Spekulationsgeschäften dürfen die Banken nicht haften. Dies gilt insbesondere für die Schulden der Banken gegenüber anderen Banken und Hedgefonds. Heute ist es entscheidend, dass die Staaten von der Diktatur der Finanzmärkte befreit werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr van Ooyen. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Wallmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute trifft sich in Frankfurt der Rat der Europäischen Zentralbank. EZB-Präsident Draghi wird dabei erste Details zum Anleihekaufprogramm vorstellen. Das ist der Hintergrund der Aktuellen Stunde; und völlig zu Recht hat die FDP heute diese äußerst wichtige Angelegenheit zum Thema gemacht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Sie hat dazu aber nichts gesagt!)

Gerade an diesem Tage zu dieser grundlegenden Richtungsentscheidung zu schweigen, würde dem Hessischen Landtag nicht gut anstehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frankfurt ist nicht weit weg, und vielleicht hört man uns ja im Eurotower. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat keinen einfachen Job. Genauer gesagt: Seine Aufgabe ist wahnsinnig schwierig, zumal er im Rat der EZB eine Stimme hat, eine Stimme von 23, genauso wie Länder wie Malta, Zypern oder Estland. – Würden bei Beratungen und Entscheidungen die Stimmen nur gezählt, dann könnte man verzagen.

Die Stimmen werden mitunter aber auch gewogen, und die Stimme unseres Bundesbankpräsidenten wiegt schwer; denn er vertritt die stärkste Volkswirtschaft Europas, und hinter ihm steht die bevölkerungsmäßig größte Nation der EU. Außerdem stehen hinter Jens Weidmann auch ein großer Teil der Öffentlichkeit und große Teile der deutschen Politik. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler haben das in den letzten Tagen durch ihre Äußerungen gezeigt und ihm Rückendeckung gegeben, und diese Rückendeckung muss ihm heute auch der Hessische Landtag geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): In der Französischen Revolution nannte man es Égalité!)

In Frankfurt geht es heute, wie gesagt, um das Anleihekaufprogramm. Dieses sind in Maßen nur einige bereit mitzutragen. Dazu gehört unser Bundesbankpräsident. Anderen wiederum geht das gar nicht weit genug. Die sehen die EZB wohl eher so in der Nachfolge der Banca d’Italia, die in den Siebzigerjahren bis 1981 Staatsanleihen aufkaufte, die unter festgesetzten Preisen vom Markt nicht abgenommen worden sind, und das hatte schwerwiegende Folgen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Das ist jetzt aber ganz dünnes Eis!)

Ja, darüber müssen wir einmal sprechen. – In dieser Zeit lag die Inflation in Italien zwischen 10 und 20 %. Die Lira war schwach und musste immer wieder abgewertet werden. Es ist die Aufgabe einer Notenbank, Geldwertstabilität zu organisieren und zu garantieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Beispiel Italiens zeigt sehr deutlich, was passiert, wenn man diese Kernaufgabe aus den Augen verliert. Das Letzte, was wir wollen, ist eine Abwärtsspirale in die Infla

tion. Deswegen ist es wichtig, dass wir Herrn Draghi auch deutlich seine Grenzen aufzeigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Jetzt wird wieder deutsch gesprochen!)

Jens Weidmann ist ein Verfechter des stabilen Euros, ganz in der Tradition einer unabhängigen Bundesbank. Dafür genießt er unser volles Vertrauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

In seiner Zeit als wirtschaftspolitischer Berater der Bundeskanzlerin hat er mitgeholfen, unser Land durch viele Unwägbarkeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise zu steuern.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Unabhängig! Berater der Kanzlerin!)

Frau Wissler, mit Ihnen fange ich gar nicht erst an.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Mit der Finanzkrise sind wir vor ein Problem gestellt, für das es keine einfachen Lösungen gibt. Die Möglichkeit, Staatsschulden über die Notenbank zu finanzieren, ist für viele die einfachste Lösung. Das ist klar. Aber in einem Euroraum mit den divergierenden Wirtschaftsräumen, wie wir sie haben, gibt es keine einfachen Lösungen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist in den USA üblich!)

Es ist kompliziert. Europa ist zu kompliziert für einfache Lösungen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich will hier auch noch einmal deutlich sagen: Es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass alle Euroländer, deren Krisen im Übrigen Zahlungsbilanzkrisen sind – dazu zählen Griechenland, Spanien, Portugal und auch Italien –,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Und Deutschland!)

schmerzhafte Strukturreformen werden vornehmen müssen, die einen mehr, die anderen weniger. Aber alle anderen Maßnahmen werden nur Zeit für diese Reformen erkaufen, nicht mehr.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Genau!)

Der Preis für die jetzt im Raum stehende Maßnahme ist für uns zu hoch. Dagegen streitet Jens Weidmann. Wir müssen ihn auf diesem Weg unterstützen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Wallmann, kommen Sie bitte zum Schluss.

Noch eine letzte Anmerkung. Dass Herr Weidmann in den letzten Wochen einen Rücktritt in Erwägung gezogen hat, muss uns alle mit Sorge erfüllen. Um einen solchen, für Deutschland verhängnisvollen Schritt zu verhindern, soll er sich des Vertrauens auch dieses Parlaments sicher sein. Wir brauchen Jens Weidmann an der Spitze der Deutschen Bundesbank. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Wallmann. – Für die SPD wird jetzt ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Schäfer-Gümbel, sprechen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Beginn der Aktuellen Stunde auf Antrag der FDP-Fraktion gefragt, was Sie hier heute eigentlich vorhaben. Ehrlich gesagt, nach dem Vortrag der FDP-Fraktion ist mir das nicht deutlicher geworden. Denn die FDP hat eigentlich nicht zum Thema gesprochen. Das war bei Frau Wallmann schon deutlich anders.

(Norbert Schmitt (SPD): Das stimmt!)