Von daher haben wir von den GRÜNEN große Sympathien dafür, dass die hessischen Hochschulen Zivilklauseln einführen wollen, in denen sie sich verpflichten, keine militärische Forschung zu betreiben.
Insofern finden wir es gut, dass an der Uni Kassel jetzt ein Diskussionsprozess begonnen hat, an dessen Ende eine Zivilklausel stehen könnte.
Sicherlich wird in diesem Zusammenhang auch das Problem erörtert, wie diese Zivilklausel auszugestalten ist. So einfach ist das nämlich mit der Zivilklausel nicht, wie es manchmal suggeriert wird. Wie ist es z. B. mit Forschungsprojekten, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können? Insbesondere im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnik, wo auch Hessen etwas zu sagen hat, ist das ein Problem.
Es ist auch nicht so, dass in Kassel schon eine Entscheidung für die Einführung einer Zivilklausel gefällt worden ist. Da ist die Linksfraktion in ihrem Antrag nicht ganz exakt. Sie haben nicht richtig recherchiert. Tatsächlich ist es so, dass in Kassel der erste Schritt in einem Diskussionsprozess angestoßen wurde.
Ich muss noch sagen, dass die Linkspartei in ihrem Antrag nicht nur an diesem Punkt etwas über das Ziel hinausschießt. Ich finde, Sie beschädigen einen Prozess, wenn Sie das Ende vorwegnehmen. Das ist hier der Fall. Ich habe mich an der Uni Kassel erkundigt, wie die Sachlage ist. Dort war man etwas überrascht darüber, dass eine Fraktion im Landtag das Ergebnis vorwegnimmt.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Wir haben das schon im Hessischen Hochschulgesetz vor drei Jahren beantragt!)
Ich glaube, dass das, von daher gesehen, nicht gerade nützlich für den Prozess an der Universität ist.
Ich kritisiere auch die ideologische Überladenheit Ihres Antrages. Sie haben die Zivilklausel mit allem möglichen ideologischen Ballast beschwert, um diese Diskussion parteipolitisch zu besetzen. Damit tun Sie diesem Prozess keinen Gefallen.
Sie beschädigen die Forderung nach der Einführung von Zivilklauseln, wenn Sie in Ihrem Antrag so absurde Behauptungen aufstellen wie folgende – ich zitiere aus Ihrem Antrag –:
Die im Grundgesetz verankerte Verpflichtung Deutschlands zum Frieden wird aber systematisch unterlaufen.
Sie sollten sich einmal überlegen, was das in logischer Konsequenz heißt. Der entsprechende Artikel im Grundgesetz, Art. 26 Abs. 1, lautet:
Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig.
Sie behaupten, dies werde von den Hochschulen systematisch unterlaufen. Das bedeutet in der Konsequenz, Sie werfen den Hochschulen vor, einen Angriffskrieg vorzubereiten. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zu- ruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Von daher sollten Sie sich auf das Wesentliche konzentrieren, worum es bei der Zivilklausel geht, und nicht versuchen, dieses Thema parteipolitisch einzunehmen und ideologisch zu überlasten.
Es geht bei der Zivilklausel um eine Gewissensentscheidung von Forscherinnen und Forschern, um eine Selbstverpflichtung von Forschung und Forschern, in bestimmten Bereichen nicht tätig zu werden. Weil die Hochschulen die Einrichtungen sind, die diese Entscheidung treffen müssen, ist es, von unserer Warte aus gesehen, verpflichtend, dass dieser Prozess von den Hochschulen ausgeht und dort zu einem Ende geführt wird. Von daher ist der Top-down-Ansatz in Ihrem Antrag vollkommen falsch. Wir halten nichts davon, eine Zivilklausel per Dekret umzusetzen, sondern wir wollen einen Prozess an den Hochschulen und Universitäten in Gang setzen, an dessen Ende aus Überzeugung Zivilklauseln beschlossen werden.
Weil Sie Ihren Antrag ideologisch so überfrachtet haben, der Top-down-Ansatz nicht der unsere ist, haben wir uns dazu entschieden, einen eigenen Antrag einzubringen, in dem wir die Situation so darstellen, wie sie in Kassel wirklich ist. Ich denke, das sollte man richtigstellen. Außerdem haben wir den ideologischen Ballast entfernt und die Debatte auf ihren Kern reduziert. Wir GRÜNE würden uns freuen, wenn sich der Diskussionsprozess, der in Kassel bereits stattfindet, auf andere Hochschulen in Hessen ausbreiten und endlich dazu führen würde, dass an möglichst vielen Hochschulen Zivilklauseln implementiert werden. Dann müssen wir die parteipolitische Ideologie aber außen vor lassen. Das ist das Beste, was wir für diesen Prozess tun können. Deshalb bitten wir um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank, Herr Kollege May. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Schneider von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Schneider.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im März 2009 – es ist bereits angesprochen worden – brachten Frau Kollegin Wissler, Herr Kollege van Ooyen und ihre Fraktion eine Große Anfrage betreffend militärische und sicherheitstechnische Forschung in Hessen ein. Damit fragten sie unter anderem, an welchen Forschungseinrichtungen, Hochschulen sowie hochschulnahen Forschungsinstitutionen wehr- oder sicherheitstechnische Forschung betrieben wird. Was hat die detaillierte Beantwortung dieser Großen Anfrage ans Licht der Öffentlichkeit gebracht? Nichts Schockierendes, nichts Bemerkenswertes. Im Wesentlichen kam heraus, dass der Umfang der sicherheits- und wehrtechnischen Forschung in Hessen sehr überschaubar ist. Auch die LINKEN waren offenbar nicht alarmiert. Schließlich wanderte das einstige Leibund Magenthema Rüstungsforschung für die nächsten drei Jahre in die politische Mottenkiste.
An der Pazifistenfront passierte nichts. Frau Wissler, erst mit dem Antrag betreffend keine Rüstungsforschung an hessischen Hochschulen griffen die Friedensbewegten das Thema wieder auf. Woran liegt das? Es könnte damit zusammenhängen – Herr van Ooyen, Sie können mir ja erklären, wie es kommt, ich habe da nur eine sehr vage Vermutung –, dass die LINKE im Deutschen Bundestag eine fast gleichlautende Vorlage eingebracht hat.
Ich habe mir bei der Vorbereitung auf die heutige Debatte die Vorlage angeschaut, und siehe da, Herr van Ooyen, manches findet sich Wort für Wort in Ihrem Antrag wieder. Frau Wissler, dass Sie den Antrag wenigstens mit hessischen Beispielen angereichert haben, indem Sie z. B. auf die Käthe-Kollwitz-Schule in Offenbach verweisen, freut mich sehr.
(Janine Wissler (DIE LINKE): War das ein Vorwurf? – Hermann Schaus (DIE LINKE): Kommen Sie zum Thema! Sagen Sie etwas Inhaltliches!)
Lassen Sie mich weniger zur Genese Ihres Antrags als zum Antrag selbst reden. Sie fordern mit der Vorlage die Einführung einer Zivilklausel im Hessischen Hochschulgesetz.
Eine solche Vorschrift würde dazu führen, dass die wissenschaftlichen Einrichtungen verpflichtet wären, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen. Als Begründung führen Sie das Grundgesetz – genauer: die Präambel des Grundgesetzes – an. Weil ich keine so schlauen Zitate habe wie meine Vorgänger, möchte ich die Präambel zumindest vollständig zitieren – anders als die LINKEN. Dort heißt es:
Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt das Grundgesetz gegeben.
Wie können wir dem Frieden der Welt dienen, meine Damen und Herren? Indem wir die wehr- und sicherheitstechnische Forschung in diesem Lande einstellen? Indem wir uns vom wissenschaftlichen Fortschritt in diesem Bereich abhängen und hoffen, dass auch die anderen ihre Technik nicht weiterentwickeln? Nein, meine Damen und Herren, auf diese Weise dienen wir dem Frieden der Welt mit Sicherheit nicht.
Wenn wir den Auftrag des Grundgesetzes ernst nehmen, dann müssen wir unter Umständen auch handeln, dann müssen wir in das politische Geschehen eingreifen und zur Not militärisch intervenieren. Das bedeutet aber auch, dass man wehr- und sicherheitstechnisch auf der Höhe der Zeit sein muss, um im weltweiten Vergleich nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Das bedeutet z. B., dass man die zivilen Kräfte, die Sicherheitskräfte ebenso wie die Streitkräfte gut ausstatten muss, denn von einer guten Ausstattung können im Ernstfall Menschenleben abhängen. Damit meine ich nicht nur das Leben unserer Soldatinnen und Soldaten, die selbstverständlich die beste Ausrüstung verdienen, sondern im selben Maße auch das Leben Dritter. Das sollten wir nicht ausblenden.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): In Kunduz hat das aber nicht gut funktioniert!)
Herr van Ooyen, das ist doch ein gutes Beispiel. Wenn sich die Technik weiterentwickelt, wenn die Technik besser wird, wenn z. B. die Aufklärungsmethoden besser werden, dann können möglicherweise tragische Zwischenfälle wie der eben genannte vermieden werden. Deshalb muss man weiter forschen und entwickeln.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Als wenn man nicht hätte wissen können, dass da Lastwagen im Sand stecken und dass da Zivilisten sind! – Weitere Zurufe von der LINKEN)
Ihre Zwischenrufe belegen es: Sie machen es sich wieder einfach. Sie stellen sich hierhin und sagen: Wir wollen keine Rüstungsforschung an hessischen Hochschulen.
Aber ich glaube, ich habe schon dargelegt, dass die Sache nicht so einfach ist. Gegen eine Zivilklausel sprechen nicht nur die eben genannten Gründe; sie würde auch einen eklatanten Eingriff in die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit darstellen. Herr May hat deutlich gemacht, dass auch die GRÜNEN Skrupel haben, wenn es um das Hochschulgesetz geht.
Es ist aber auch noch ein anderer Punkt zu nennen. In der Praxis ist das schlichtweg nicht umsetzbar. Schauen wir einmal nach Bremen. Dort hat das Bundesverteidigungsministerium ein Raumfahrtunternehmen – OHB – beauftragt, ein Datenübertragungssystem zu entwickeln. Dieses Unternehmen kooperierte mit der Universität Bremen, an die man einen Teil des Auftrags weitergegeben hatte.
Dort stand man, weil es in Bremen seit – ich glaube – 1986 eine Zivilklausel gibt, vor der Frage: Ist das, weil damit möglicherweise Daten von einem Kampfflugzeug an eine Bodenstation übermittelt werden, eine militärische Tech