Protocol of the Session on June 28, 2012

In dieser Situation, Herr Kollege van Ooyen, waren es die deutschen Sozialdemokraten, übrigens mit Unterstützung der GRÜNEN und des französischen Präsidenten Hollande,

(Zurufe von der CDU)

die diesen einseitigen Weg – –

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Es ist so. Wir waren doch alleine, Kollege van Ooyen. Der Fiskalpakt war schon von 25 Staaten unterzeichnet. In dieser Situation haben die Sozialdemokraten gesagt: Dadurch, dass durch die Neuwahlen in Frankreich die Möglichkeit in Deutschland geschaffen wurde – wir brauchen in Deutschland eine Zweidrittelmehrheit –, aber auch, weil wir endlich einen Unterstützungsanker in anderen Ländern haben, konnten wir den Fiskalpakt überhaupt erst ergänzen. – Meine Damen und Herren, das ist doch die historische Wahrheit. Ohne die Ergänzung wären wir international völlig isoliert gewesen.

Bei der Beurteilung, wie sich die SPD am Ende verhält, muss man das berücksichtigen. Ich glaube in der Tat, dass die Position der SPD, der GRÜNEN und der französischen Sozialisten endlich dazu geführt hat, dass die einseitige Sparpolitik, die zu einer Verelendung in Europa und zu einer massiven Krise führen würde – und da, wo sie praktiziert wird, in Griechenland etwa, dazu auch schon geführt hat –, endlich aufgebrochen wird und es wenigstens eine Chance gibt, aus dieser Krise herauszukommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ob es am Ende gut geht – –

(Zurufe der Abg. Holger Bellino und Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ja, natürlich. Das ist die typische Handbewegung. Man kann es den Vereinfachern von links und rechts in Europa nicht überlassen. Es ist in der Tat eine Frage der Balance in der Politik, nämlich einerseits eine solide finanzielle Haushaltspolitik zu betreiben, andererseits auch Wachstumsimpulse zu setzen und sich nicht am Ende so zu binden, dass eine Wachstums- und Beschäftigungspolitik nicht möglich ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, uns ist es auch nicht – wie Ihnen anscheinend – egal, dass es in den Krisenländern, in Spanien, in Portugal, hohe Jugendarbeitslosigkeit gibt

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Weltökonom Schmitt!)

und dass in dem Fiskalpakt überhaupt nicht berücksichtigt worden ist, wie man dagegen angeht. Erst die Position der SPD, der GRÜNEN und des neuen französischen Ministerpräsidenten – –

(Zurufe von der LINKEN)

Sie sind ja noch bei Ihrer Begründung. Schauen Sie sich das einmal von der Linkspartei an. Sie gehen in Ihrer Begründung noch davon aus, dass es einen Pakt Merkel/Sarkozy gibt. Meine Damen und Herren, Sie haben anscheinend noch gar nicht zur Kenntnis genommen, dass wir, Gott sei Dank, jetzt andere politische Mehrheiten in Europa haben

(Beifall bei der SPD)

und dass das, was Merkel und Sarkozy vereinbart haben, in Frankreich abgewählt worden ist und auch in Deutschland keine Mehrheit findet, weil man dazu eine Zweidrittelmehrheit braucht. Das ist über den Einsatz von Sozialdemokraten verhindert worden.

Ich sage es noch einmal: Ob es am Ende gut geht, ob die Wachstumsimpulse, die vereinbart worden sind, reichen, das weiß ich nicht. Ich kann es nicht sagen. Wir können es nur hoffen, dafür brauchen wir Unterstützung. Dazu brauchen wir Grips.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, dafür brauchen wir auch eine Wachstumsstrategie, die nachhaltig ist, die nicht nur auf Effekte setzt, sondern die wirklich nachhaltig ist, die die ökologischen Fragen aufgreift, die die Frage der Beschäftigung junger Menschen aufgreift, die die Frage der Technologiepolitik aufgreift, die auch den erneuerbaren Energien viel Schub gibt. Das ist wichtig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wer wie Sie schon die Krankheitssymptome falsch erfasst, wer sagt, es liege ein Krankheitsbild vor, das nur auf die Staatsschulden rekurriert,

(Zurufe von der CDU)

der wird natürlich auch die falsche Medizin verabreichen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Weltökonom!)

Die Staatsschuldenkrise – ich sage: die angebliche – ist nicht die Ursache der Krise. Das gilt mit Ausnahme von Griechenland – darüber müssen wir uns unterhalten –, wo die Verschuldung aus dem Ruder gelaufen war, bevor übrigens die internationale Finanz- und Spekulationskrise über uns hereingebrochen ist. Mit Ausnahme von Griechenland sind die anderen Länder erst nach der Finanzund Spekulationskrise in den Strudel geraten. Griechenland ist anders. Es sind ein paar Fakten genannt worden. Ich nenne auch noch welche. In der Tat wurden keine Steuern erhoben.

Meine Damen und Herren, Herr Finanzminister, wir stellen auch fest, dass die reichen Griechen ihr Geld – wohin? – in die Schweiz bringen. In dieser Situation befürworten Sie in Deutschland, dass wir ein Steuerabkommen mit der Schweiz machen, in dem die Frage anonymisiert beantwortet wird, wer sein Geld wohin bringt. Dieser Maßstab soll möglicherweise auch für Griechenland gelten, sodass man an Mittel, die jetzt in die Schweiz gebracht worden sind, nie herankommt.

Das Modell, das Sie im Bundestag unterstützen wollen, ein Steuerabkommen mit der Schweiz, wäre für Griechen

land mit Blick auf die Möglichkeit, an Gelder heranzukommen, die in die Schweiz transportiert worden sind, übrigens tödlich. Auch diesen Zusammenhang muss man darstellen und sehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wie war es denn in Griechenland? Sie hatten keine Unternehmensteuer und haben keine Steuern erhoben. Das ist doch genau das FDP-Modell. Die griechische Flagge müsste nicht blau-weiß sein, sie müsste blau-gelb sein.

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch das Modell, das Sie den ganzen Tag befürworten.

Ich sage: Wir als SPD sind stolz darauf, dass wir im letzten Moment die Sparpolitik von Frau Merkel, die die Verelendung in Europa gebracht hätte – –

(Zuruf von der CDU: Unsinn!)

Meine Damen und Herren, Ihr Modell findet man doch in Griechenland. Was haben Sie in Hessen und in Deutschland gemacht? Sie haben ein Konjunkturprogramm in der Krise aufgelegt. Die Krise war gar nicht so tief. Genau dies wollen wir auf Griechenland übertragen: Wachstumsschübe ausdehnen, weil wir sehen, dass Sparpolitik momentan in Griechenland dazu führt, dass sie überhaupt nicht mehr in der Lage sind, aus eigener Kraft herauszukommen.

Das Statistische Landesamt hat gezeigt: Unsere Exporte aus Hessen nach Griechenland, nach Portugal, nach Spanien, übrigens auch langsam nach Italien gehen zurück. Das heißt, wir importieren mit einer solchen Strategie Arbeitslosigkeit. Deswegen muss der Fiskalpakt begleitet werden. Ja, wir brauchen eine solide Haushaltspolitik.

(Zurufe von der CDU)

Aber alles zur rechten Zeit. Wer das jetzt als einzige Linie ausruft, der macht meiner Meinung nach einen großen wirtschaftspolitischen Fehler, den am Ende wir als Gesamteuropa und auch die ganze Welt ausbaden müssen. Der Druck der ganzen Welt liegt auf Europa, er lautet: Ihr müsst die Probleme nicht nur durch Sparpolitik lösen, sondern ihr müsst Impulse setzen.

Weltweit wird das, was wir, nämlich Rot und Grün, gerade mit Frau Merkel, auch mit Herrn Hollande ausgehandelt haben, sehr positiv gesehen, weil man damit eine Chance sieht, wie man weiterkommt.

Nächstes Thema, die Finanztransaktionssteuer: Ich verstehe Ihre Haltung nicht. Sie von der Linkspartei müssten jubeln.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!)

In der Tat, wir haben es durchgesetzt.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wann?)

Es wird kommen. Da mache ich jede Wette. Es ist auch ein harter Zeitplan. Ich bin interessiert, Herr Kollege Schaus – ich glaube, wir haben da das gleiche Interesse –, wie sich die Landesregierung im Bundesrat verhält. Wird sie dem Fiskalpakt, der die Finanztransaktionssteuer als wichtiges Finanzierungsinstrument für die Krisenbekämpfung vorsieht, jetzt im Bundesrat zustimmen oder nicht? – Eine wunderschöne Frage. Der Minister freut sich schon auf die Antwort, ich mich übrigens auch. Das möchte ich wis

sen. Dann wird die Diskussion vielleicht auch interessanter. Ich bin auf die Antwort gespannt und habe möglicherweise dann Gelegenheit, darauf zu erwidern.

Der dritte Punkt, den Sie in Anführungszeichen geschrieben haben: „die Kommunen schützen“. An der Stelle hat Kollege Landau ausnahmsweise recht. Auch da muss man fragen: Wer hat es verhandelt? – Es waren die SPD und die GRÜNEN.

Die Landesregierung hat sich bei den Wiedereingliederungshilfen für Behinderte sehr vornehm zurückgehalten. Die Staatssekretärin hat im Haushaltsausschuss gesagt, man solle diese Frage nicht mit dem Fiskalpakt und anderen sachfremden Dingen verknüpfen. – Meine Damen und Herren, das ist überhaupt nicht sachfremd, sondern es geht in der Tat darum, ob die Kommunen nach Inkrafttreten des Fiskalpaktes weiter finanziert werden können. Da müsste gerade die Landesregierung ein schlechtes Gewissen haben und alles unterstützen, was es vom Bund an Mitteln für die Kommunen gibt; denn sie selbst hat ja die Axt an die Finanzen der hessischen Kommunen gelegt. In der Tat ist es ein großartiger Erfolg, dass wir die Eingliederungshilfen für Behinderte und ein Investitionsprogramm für die Kinderbetreuung finanziert bekommen. Ich glaube, das ist wichtig und wird einen Fortschritt bringen.

Ich habe große Sorge, dass die Vereinfacher von links und rechts in Europa die Oberhand gewinnen. Das wäre wirklich dramatisch.

Kommen Sie bitte zum Ende der Rede.