Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Erfurth, ich habe nicht gesagt, dass es in Deutschland keine Möglichkeiten gibt, diese Vermögen zu besteuern. Der entscheidende Punkt ist doch: Wie komme ich an die heran? Dafür gibt es bislang keine Lösung.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn das nämlich so einfach wäre, dann brauchten wir uns an dieser Stelle überhaupt nicht über das Steuerabkommen zu unterhalten. Dann wäre alles Friede, Freude, Eierkuchen, und es wäre wunderbar gelöst. Es ist aber nicht so. Aus diesem Grunde ist es doch legitim, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Schweiz darüber verhandelt.
Frau Erfurth, man kann sich auch ohnmächtig verhandeln. Wenn man immer noch Punkte findet, die nicht im Vertrag stehen, dann kann das zu Verzögerungen führen, die am Ende das Gegenteil bewirken.
Die Schweiz ist ein souveräner Staat. Der hat auch Interessen. Zum Beispiel ist das Bankgeheimnis für die Schweiz ein hohes Gut.
Das müssen wir als Bundesrepublik Deutschland und als Partner bei den Verhandlungen doch respektieren und einen Weg finden, der es auf der einen Seite der Schweiz ermöglicht, ihre Rechtsgüter zu wahren, und der es auf der anderen Seite der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht, das Interesse zu wahren, so viel Steuern wie möglich aus den dort geparkten Vermögen in die Steuerkassen Deutschlands fließen zu lassen. Das muss doch das Interesse sein.
Haben Sie schon einmal etwas von dem Wort Kompromiss gehört? Kompromiss ist eine Formel, wo beide Seiten Maximalforderungen darauf reduzieren, was der andere mittragen kann. Das ist ein Kompromiss. Da muss es möglich sein, dass auf der einen Seite wir auf eine Maximalbesteuerung, die jede Nische erfasst, verzichten, aber auf der anderen Seite die Schweiz auch ihr Bankgeheimnis so weit öffnet, dass die Möglichkeit besteht, dass wir unsere berechtigten Interessen umsetzen. Darum geht es. Dieses Steuerabkommen öffnet dafür den Weg. Wer blockiert es? – Sie und Ihre Freunde von der SPD. Das ist doch der Fakt.
Herr Noll, halten wir doch erst einmal fest: Die ganze Debatte ist doch erst in Bewegung gekommen, nachdem die Steuerdaten-CDs aufgetaucht sind und man sich Sorgen machte, wie die Besteuerung künftig überhaupt geregelt wird. Das war der Ausgangspunkt der Debatte, und dass wir überhaupt an einem Punkt stehen, wo über solche Abkommen verhandelt wird, das war der Ankauf der Steuerdaten-CDs – auch eine Sache, die Sie nie gewollt haben.
Dann haben Sie ausgeführt, dass es sonst keine Möglichkeiten gibt, an das Vermögen in der Schweiz zu kommen. – Es gab EU-weit sehr wohl Bestrebungen, die Schweiz als Partnerland der EU auf einen anderen Weg zu bekommen. Es sollte ein automatisiertes Informationsverfahren geben. Das sollte für alle EU-Länder, für die Schweiz und für Österreich gelten. Durch die bilateralen Verhandlungen der Bundesrepublik mit der Schweiz ist dieses automatische Informationssystem quasi sturmreif geschossen worden. Das ist ein ziemlicher Verlust; denn dieses Verfahren hätte uns sehr viel mehr Informationsmöglichkeiten gegeben als dieses bilaterale Abkommen mit der Schweiz, das die Anonymität der Steuerbürger in der Schweiz weiterhin garantiert.
Der richtige Weg wäre gewesen, dieses automatisierte Verfahren in die Welt zu setzen, statt auszubrechen und zu sagen: Wir führen jetzt Sonderverhandlungen mit der Schweiz. – Damit schützen Sie die Menschen, die weiterhin anonym ihr Geld in der Schweiz haben wollen.
Ich finde – dazu habe ich vorhin schon etwas erklärt –, die Blockade hat dazu geführt, dass dieses Abkommen ein bisschen besser geworden ist. Gut ist es zwar noch immer nicht, aber vielleicht können wir noch ein bisschen darüber nachdenken, und es wird noch etwas besser, während die Punkte, die noch fehlen, nachverhandelt werden. Das wäre mein Wunsch. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man fragt sich schon, warum die FDP ausgerechnet diesen Punkt, nachdem er schon in der letzten Sitzungswoche versemmelt wurde, noch einmal auf die Tagesordnung setzt.
Das frage ich vor folgendem Hintergrund, den Sie aufgemacht haben, Herr Noll: Wenn man von 160 Milliarden € Anlagevermögen in der Schweiz ausgeht, das Deutsche dort haben, dann geht man offenkundig bei allen Rechnungen davon aus – egal, ob es ein Bundesfinanzminister, ein Landesfinanzminister, die Steuergewerkschaft, der Bund der Steuerzahler oder wer auch immer macht –, dass dort nur die Hälfte davon, so hieß es in der „Wirtschaftswoche“, durch Steuerkriminelle angelegt wird.
Um Ihre Frage zu beantworten, wie man es schafft, dass man nicht steuerkriminell wird: Indem man es einfach so macht, wie es die vernünftige Hälfte macht, und nicht so wie die Hälfte, die sich offenkundig lieber steuerkriminell verhält.
Ihr Maßstab, warum die Bundesrepublik Deutschland ein Steuerabkommen mit der Schweiz abschließen muss, ist offenkundig der, dass Steuerkriminelle nicht wissen, wie sie irgendwie Steuern zahlen und möglicherweise – ich hatte es schon beim letzten Mal gesagt – um eine Haftstrafe herumkommen. Das scheint das eigentliche Motiv zu sein; denn in einem Punkt, den Sie auch in Ihrem Antrag haben, irren Sie schlicht: Wissen Sie, warum nur so wenig Geld zusammengekommen ist?
Ursprünglich ist erwartet worden, 80 Milliarden € würden nachträglich versteuert. Von 20 Milliarden € ist man dann sogar nur ausgegangen, und das würde – ungefähr ein Viertel – 5 Milliarden € bringen. Wissen Sie, warum das nicht geklappt hat? – Weil der wesentliche Punkt, den Rot-Grün durchgesetzt hatte, die Deanonymisierung war. Ab da weiß der Staat, wer dieses Geld in der Schweiz angelegt hat. Und ab dem Zeitpunkt ist auch völlig egal, wo derjenige, der sein Geld dort angelegt hat, es vielleicht im Weiteren anderswo anlegen will, weil das Finanzamt nachfragt: Moment, du hast kein Geld mehr in der Schweiz? Wo ist es denn jetzt geblieben? Hast du es verjubelt? Ist das Geld möglicherweise auf den Cayman-Inseln oder wo auch immer?
Deshalb ist die Frage der Deanonymisierung der entscheidende Punkt überhaupt. Frau Erfurth, dabei hilft nicht einmal das, was Sie gerade formuliert haben, dass man nachträglich tätig wird oder Ähnliches. Auch der Punkt, den der Herr Finanzminister das letzte Mal genannt hat, dass 2013 zu spät sei und wir das verhindert hätten, ist völlig egal. In dem Moment, in dem es anonym ist, machen die Leute mit ihrem Geld, was sie wollen. Wenn die sehen, dass ihnen dieses neue Doppelbesteuerungsabkommen zu viel Steuern abverlangt, gehen sie eben woanders hin; es weiß ja niemand. Das ist der entscheidende Punkt.
Sie müssen einmal erklären, warum die deutschen Bürgerinnen und Bürger, die ihr Geld in der Schweiz anlegen und dies vernünftig besteuern, schlechter als diejenigen gestellt werden sollen, die jetzt offenkundig anonym besteuert werden sollen.
Wir haben vorhin eine sehr eindrucksvolle und aufgeregte Rede von Herrn Minister Rhein gehört, der im Brustton der Überzeugung sagte, es könne nicht sein, dass sich jeder sein eigenes Recht bastele. Meine Damen und Herren, wir reagieren auf Steuerkriminelle, indem wir sagen: Wir müssen eure Anonymität weiterhin schützen. – Was ist denn das für ein Rechtsstaat?
Der Punkt ist doch ein umgekehrter. Im Rahmen des Gesellschaftsvertrages ist jeder, der hier sitzt, ein Steuerpflichtiger. Das ist der Vertrag, den die Gesellschaft, der Staat, mit uns geschlossen hat und den wir mit ihm geschlossen haben. Ein Teil ist der Auffassung, dass für sie dieser Vertrag nicht gilt. Und dann ist die Reaktion, zu gucken, wie man es denen erleichtern kann, sich entweder dafür zu entscheiden, anonym in der Schweiz Steuern zu zahlen oder das Geld woanders hin zu transferieren?
Das ist der qualitative Unterschied zu dem Steuerabkommen, das Hans Eichel und andere damals durchgesetzt haben. Das ist der qualitative Unterschied – neben dem kleinen quantitativen, dass die Kommunen nicht 8 % oder 12 %, sondern 15 % bekommen haben. Auch das ist, nebenbei gesagt, noch bescheiden verhandelt worden, wenn der entsprechende Punkt so bleibt und Sie sich angeblich so um die Kommunen sorgen.
Was uns schon ein bisschen umtreibt, ist ein zweiter Punkt, der rechtlich eine große Rolle bei Ihnen spielt. Wenn sich die Opposition erdreisten sollte, in irgendeinen Antrag hineinzuschreiben: „Wir fordern die Landesregierung auf, im Bundesrat...“, dann stellt sich immer der entsprechende Fachminister oder die Fachministerin hierhin und sagt, das habe der Landtag überhaupt nicht zu beschließen und wie man sich dazu erdreisten könne.
Die Landtagsopposition soll im Bundesrat – wenn ich das mal übersetze – eifrig verhandeln. – Ich vermute einmal, Herr Staatsminister Schäfer würde uns das verweigern. Aber selbstverständlich wären wir bereit, das zu übernehmen, wenn sich die Landesregierung dazu nicht in der Lage zeigt.
Meine Damen und Herren, einen Punkt, den Frau Erfurth genannt hat, kann man nur unterstreichen: Warum ist jetzt offenkundig das Steuerabkommen, das mit der Schweiz geschlossen werden soll, eines, das so nicht zustande kommt? – Weil natürlich die Bundesrepublik Deutschland als das Land ausgeguckt wurde, das es zu knacken gilt. Wenn man sich in den griechischen Medien umschaut, ist dort nicht von 80 oder 160 Milliarden € die Rede, sondern bei diesem relativ kleinen und im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht so reichen Land wird von 200 bis 250 Milliarden € – und das überwiegend anonym, nicht wie bei uns pari-pari – ausgegangen. Und jetzt stellen wir uns einmal traumhaft vor, das würde nur zur Hälfte besteuert. Würden wir hier bei der ganzen Diskussion über Finanzmärkte usw. noch über die Staatsverschuldung Griechenlands diskutieren? Das wäre ein Drittel der Staatsverschuldung, das die Griechen auf einen Schlag bekämen, und zwar von denjenigen, die sich über Jahre geweigert haben, dort ihre entsprechenden Steuern zu bezahlen.
Vielleicht ist das ja, wie wir immer diskutieren, kein abstraktes Griechenlandproblem. Vielleicht ist das ein konkretes Problem von Reichen und Schönen, die meinen, sie müssten keine Steuern zahlen. Das wollen wir einfach mal aussprechen. Dann ist es auch kein Griechenlandproblem, sondern offenkundig eines, das viele Gesellschaften erreicht.
Wir in der aufgeklärten Bundesrepublik Deutschland sollten darauf drängen, dass das mächtige Europa – jedenfalls wäre das so, wenn die EU-Kommission verhandeln könnte – vielleicht einmal gemeinsam bei der Schweiz anklopft und nachfragt. Wenn aber die Bundesrepublik Deutschland sagt: „Wir steigen aus und wollen da nicht gerne mitmachen“, glauben Sie denn, dass das auf Länder wie Griechenland keinen Einfluss hat? Glauben Sie das wirklich? Das kann es doch nicht sein, meine Damen und Herren.
Ich will einen weiteren Punkt benennen. Weil Sie immer gern darüber reden: Wir hatten eben auch eine aufgeregte Diskussion – die sich am Ende als Luftnummer erwiesen hat – darüber, wie wir mit einfachen Beamtinnen und Beamten, die ihren Dienst tun, umgehen. Da ging es um die Polizistinnen und Polizisten. Es hat mich schon gewundert, dass Sie keinen einzigen Satz zu den Steuerbeamten verloren haben, die von der Schweiz mit einem Strafverfahren überzogen werden. Das ist doch unglaublich. Es ist insbesondere deshalb unglaublich, weil die Schweiz sagt: Das würden wir sofort beenden, wenn wir das Steuerabkommen haben.
Ist damit die Grundlage der eigentlichen Kritik, dass nämlich eine CD gekauft wurde, aus der Welt? Ist damit die Verwertung der CD aus der Welt? – Nein, der Anlass ist nicht aus der Welt. Und Frau Widmer-Schlumpf, die zuständige – wie es in der Schweiz so schön heißt – Bundesrätin, hat gesagt: Wir würden das dann sofort aus der Welt schaffen. – Nennt man das nicht normalerweise Erpressung? Oder zumindest Drohung mit einem empfindlichen Übel?
Und dann diskutieren Sie darüber, ob Herr Steinbrück einmal irgendetwas von der Kavallerie erzählt hat. Es mag sein, die Schweizer sind auch nicht die Indianer. Um es deutlich zu formulieren: Es war ja mehr ein Bild. Das andere aber ist etwas Konkretes, was drei Personen konkret in ihrer Lebenswirklichkeit trifft. Dazu hätten Sie als FDP doch etwas sagen können. In Ihrem Antrag liest sich dazu übrigens überhaupt nichts. Deshalb denke ich auch, dass Sie unserem Antrag zustimmen werden, um zumindest diese Scharte auszuwetzen.
Meine Damen und Herren, vielleicht noch ein letzter Punkt. Wir sollen hier nicht so viel zeigen, aber eines war schon nett. Ich habe hier die „HNA“ vom 25. Mai.