Protocol of the Session on May 30, 2012

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eines klarstellen: Für uns Liberale ist die Versammlungsfreiheit grundlegend für eine Demokratie. Sie bildet zusammen mit dem Recht auf freie Wahlen, der Pressefreiheit und der Meinungsfreiheit den Kernbestand an Grundrechten, ohne den eine freie Gesellschaft schlicht nicht vorstellbar ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

In der Stadt Frankfurt am Main finden jedes Jahr Hunderte von Versammlungen statt. Einige beschäftigen sich nur mit kleinen Themen, andere beschäftigen sich mit Themen, die die ganze Welt betreffen. All das findet in Frankfurt mit teils sehr bunten und kreativen Aktionen statt. Das ist Teil des Selbstverständnisses der Stadt Frankfurt als liberale und weltoffene Großstadt. Das ist gut und richtig so.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Gerade deswegen muss man das auch im Zusammenhang mit den Ausschreitungen vom 31. März dieses Jahres diskutieren. Der Missbrauch dieser Freiheitsrechte durch die Gewalttäter am 31. März wiegt auch deswegen so schwer. Nicht nur, dass sie viele Menschen verletzt haben, nicht nur, dass ein Polizist sehr schwer verletzt wurde, dem ich auch von dieser Stelle aus alles Gute wünschen möchte,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Er ist seit vier Wochen wieder im Dienst! – Gegenrufe von der CDU und der FDP)

nicht nur, dass sie einen Tag lang Menschen – –

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das muss man doch auch mal sagen dürfen! – Lebhafte Gegenrufe von der CDU und der FDP – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, die Glocke des Präsidenten ist die Bitte zum Schweigen.

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, können wir jetzt weitermachen? – Herr Mick, das wird nicht von Ihrer Zeit abgezogen. Sie haben das Wort.

Herr Kollege Schaus, der Zwischenruf spricht für sich. – Nicht nur, dass die Demonstranten, die Gewalttäter, am 31. März Schäden in Millionenhöhe angerichtet haben und Angst und Schrecken verbreitet haben, sie haben auch der Demonstrationsfreiheit einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege Dr. Wilken und Herr Kollege Grumbach, Sie wohnen ja auch in Frankfurt. Sie sind, wie ich finde, ein bisschen zu locker darüber hinweggegangen. Ich selbst war am 31. März in der Frankfurter Innenstadt und habe mir das Ganze angeschaut. Ich gebe zu, ich war zufällig dort. Ich habe aber mitbekommen, was am 31. März in der Frankfurter Innenstadt passiert ist.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich habe mitbekommen, was damals passiert ist. Es ist richtig, was Herr Dr. Wagner gesagt hat, dass es bürgerkriegsähnliche Zustände waren. Als Frankfurter Bürger sage ich Ihnen: Ich möchte nicht, dass noch einmal in dieser weltoffenen Metropole Menschen um Leib und Leben fürchten müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ignoriert die Opposition!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen gilt unser Dank den Polizistinnen und Polizisten, die dafür gesorgt haben, dass die Blockupy-Proteste eben nicht zu Gewalttaten geführt haben, sondern dass sie friedlich verlaufen sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Unser Dank gilt an politischer Stelle natürlich auch unserem Innenminister Boris Rhein und dem Frankfurter Ordnungsdezernenten Markus Frank, die beide auf politischer Ebene dafür gesorgt haben, dass es zu diesem friedlichen Verlauf der Demonstration gekommen ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Auch das ist Quatsch!)

In vielen Punkten sind wir gar nicht so weit auseinander. Klar ist doch, was wir brauchen, ist eine Interessenabwägung – Herr Dr. Wagner hat darauf hingewiesen – zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit der Demonstranten auf der einen Seite und den Grundrechten der betroffenen anderen Bürger, z. B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, allgemeine Handlungsfreiheit. All das ist schon erwähnt worden.

Was viele vergessen: Diese Interessenabwägung ist bereits im Grundgesetz so angelegt. Viele der Aktivisten, deren Stellungnahmen veröffentlicht wurden, haben offenbar vergessen, dass Art. 8 Grundgesetz auch einen Abs. 2 hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Dr. Wagner hat dankenswerterweise schon den Abs. 1 zitiert, in dem steht, dass alle Deutsche das Recht haben, „sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“.

Abs. 2 lautet:

Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

So ist es auch passiert. Die Ordnungsbehörden haben bei einer Gefahrenprognose die Möglichkeit, Auflagen und sogar Verbote auszusprechen. Das geschieht natürlich aufgrund der Wichtigkeit des Demonstrationsrechts sehr maßvoll. Wenn die gleichen Leute, die am 31. März demonstriert haben, am 17. Mai erneut demonstrieren wollen, muss die Gefahrenprognose natürlich auch auf den Ereignissen am 31. März aufbauen. Es liegt in der Natur der Sache, dass es dabei zu Interessenkonflikten kommt. Sicherheitsbehörden wollen ein Maximum an Sicherheit garantieren.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Gegenruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Demonstranten wollen natürlich möglichst wenige Einschränkungen ihrer Demonstrationsfreiheit hinnehmen. Das ist klar. Wenn es zu diesem Interessenkonflikt

kommt, gibt es Gerichte, die dazu befugt sind, die Interessen auszubalancieren. Auch das ist hier geschehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Diese Gerichtsentscheidung kann der Bürger – und natürlich auch die Ordnungsbehörde – sogar anfechten. Wenn die Sache aber letztinstanzlich entschieden ist, dann muss das nicht nur die Ordnungsbehörde akzeptieren, sondern dann müssen das auch die Demonstranten akzeptieren. Dabei ist es egal, was das Ziel der Demonstranten ist. Es kann nicht sein, dass man sagt: „Unser Anliegen ist aber besonders wichtig, deshalb ignorieren wir das gerichtliche Verbot.“ Das ist in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar. Man stelle sich einmal vor, andere Organisationen kämen auf die Idee, ähnlich zu verfahren. Ich denke, das ist eine Grenze, die niemand überschreiten sollte.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Im vorliegenden Fall haben die Veranstalter den Instanzenzug beschritten. Das Verwaltungsgericht Frankfurt und der Hessische Verwaltungsgerichtshof sind angerufen worden. Die Ordnungsbehörde hat weitestgehend Recht bekommen, aber an einem Punkt ist sie unterlegen. Eine Interessenabwägung hat stattgefunden. Man ist sogar vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Das Bundesverfassungsgericht misst der Versammlungsfreiheit traditionell ein sehr hohes Gewicht bei – was auch richtig ist. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat die Gefahrenprognose der Ordnungsbehörden im Wesentlichen bestätigt. Wenn dann einige Veranstalter sagen, sie akzeptierten das Urteil nicht, ist das eine nicht hinnehmbare Missachtung des Rechtsstaates.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es ist auch nicht redlich, hinterher zu behaupten, nachdem die Veranstaltung so friedlich verlaufen ist, der Polizeieinsatz sei überzogen gewesen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Wer so argumentiert, der stellt die Tatsachen auf den Kopf. Gerade weil die Polizei so stark präsent war, ist die Versammlung so friedlich verlaufen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist der ursächliche Zusammenhang!)

Ich wiederhole an dieser Stelle noch einmal den Dank an die hessische Polizei, an die Polizisten aus anderen Bundesländern und an die Sicherheitsbehörden für ihr kluges Handeln.

Folgendes muss noch einmal Erwähnung finden. Herr Grumbach, es wäre wahrscheinlich nicht zu massiven Einschränkungen gekommen, wenn die Veranstalter den Mut bewiesen hätten, sich ganz klar von den Gewalttätern in ihren eigenen Reihen zu distanzieren. Ich verstehe auch gar nicht, warum es denn sein muss, dass der harte Kern an Gewalttätern, mit denen die meisten der friedlichen Demonstranten – da haben Sie ja recht – nichts zu tun haben will, bei diesen Demonstrationen akzeptiert wird. Ich verstehe das wirklich nicht. Warum sagen die Veranstalter vorher nicht: „Wir wollen mit denen nichts zu tun haben, wir isolieren die, wir lassen die bei uns nicht mitlaufen“?

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum tun die das nicht? Herr Grumbach, ich sage es ganz ehrlich: Meine politischen Übereinstimmungen mit

der Blockupy-Bewegung bewegen sich wahrscheinlich nicht einmal im Promillebereich. Aber auch ich habe mich geärgert, dass es zu diesen Auflagen kommen musste. Auch ich hätte es besser gefunden, wenn es Informationsund Diskussionsveranstaltungen gegeben hätte, wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, auch mit Vertretern der Finanzwirtschaft zu diskutieren. Es ist doch auch der Sinn des Demonstrationsrechts, dass es zu einem Dialog kommt. Man kann aber nicht sagen, die Polizei sei daran schuld, dass es nicht dazu gekommen ist, wenn vorher eine so massive Gefahrenprognose bestanden hat, wenn vorher im Internet dazu aufgerufen wurde, Frankfurt zu „fluten“, wenn – wie Herr Dr. Wagner geschildert hat – Aufrufe ergangen sind, Sperrmüllsachen auf die Straße zu stellen, damit diese als Wurfgeschosse dienen können. Dann kann man doch der Polizei nicht ernsthaft den Vorwurf machen, dass es zu so massiven Auflagen gekommen ist. Nein, die massiven Auflagen waren nötig.

Die Blockupy-Bewegung hat ja weitere Aktionen angekündigt. Ich hoffe, dass es uns gelingt, bei den nächsten Veranstaltungen auch seitens der Veranstalter einen friedlichen Verlauf zu gewährleisten, damit das Ziel der Blockupy-Bewegung, einen Dialog zu führen, erreicht wird. Ich habe keine Angst vor der Diskussion, Herr Dr. Wilken. Ich glaube, wir alle haben keine Angst vor der Diskussion mit diesen Aktivisten. Eines ist aber klar: Zu einem Dialog gehört immer auch der vorherige Verzicht auf Gewalt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Für uns Liberale ist klar, dass das Demonstrationsrecht als grundlegendes Recht in einem freiheitlichen Staat unbedingt zu verteidigen ist. Die Freiheit des einen hört aber immer da auf, wo die Freiheit des anderen tangiert wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Demonstrations- und Gewaltfreiheit sowie die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gehören zusammen.