Protocol of the Session on May 30, 2012

Wir könnten uns dem Thema der Öffnung aber auch noch von einer ganz anderen Seite nähern. Wie wäre es denn, wenn Petenten – gegebenenfalls unter Ausschluss weiterer Öffentlichkeit – gestattet würde, im Ausschuss selbst anwesend zu sein, zu ihrer Eingabe Stellung zu nehmen, Fragen der Abgeordneten zu beantworten, Befürchtungen der Ministerien zu entkräften, gemeinsam mit dem Berichterstatter und dem Ausschuss nach Lösungen zu suchen? Warum sollten wir als Abgeordnete nicht gegenüber den Petenten unseren Beschlussvorschlag begründen und gegebenenfalls sogar verteidigen?

Wir wissen, dass eine solche Öffnung nicht angedacht ist und ihre Realisierung sicherlich auch nicht einfach zu bewerkstelligen wäre. Wir sollten uns solchen Überlegungen aber nicht auf ewig verschließen. Ich denke, es wäre eine gute Möglichkeit, auch da mehr Bürgernähe zu schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zurzeit brechen sich Enttäuschung und Unverständnis in Mails, Briefen und Anrufen an die Vorsitzende und an die Mitarbeiter des Referats Bahn. Das Petitionsreferat, dem ich als Obfrau der Linksfraktion hier ebenfalls für seine gute und engagierte Arbeit danken möchte, spielt für uns den Pressbock. Dessen müssen wir uns gewahr sein.

Die wenigen wirklich anstrengenden, weil unbelehrbaren Petenten sind nur die Spitze des Eisbergs. Aus vielen Mails und Gesprächen weiß ich, dass die Enttäuschung über die Undurchsichtigkeit, die Unverständlichkeit, die Langwierigkeit und die Bürokratielastigkeit des Petitionsverfahrens immer noch sehr groß ist. Das ist auch eine Frage von Ressourcen. Ich denke, all die neuen, hier genannten Herausforderungen erfordern eine deutliche

Aufstockung des Referats. Das will ich als Linke hier noch einmal deutlich machen.

Zu dem Thema Ausländerpetitionen. Hier geht es in der Regel um die Bitte, den Aufenthalt zu verfestigen. Unsere Fraktion ist generell gegen Abschiebungen. Als Radikale in dem Sinne, dass wir das Unrecht an der Wurzel packen wollen, fragen wir immer wieder: Warum flüchten die Menschen? Welche Verantwortung trägt unser Staat heute dafür, und welche hat er in der Vergangenheit getragen? Wir sind wie die Mitglieder der Kirchen und der Flüchtlingsinitiativen zutiefst davon überzeugt: Kein Mensch ist illegal – nirgendwo.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Obfrau der LINKEN möchte ich an dieser Stelle meinen Dank ausdrücklich auch an all diejenigen richten, die aus tiefempfundener christlicher oder humanitärer Überzeugung, als Kirchenvertreterinnen und -vertreter oder ehrenamtlich in Flüchtlings- und Bürgerinitiativen den Flüchtlingen helfen, sie schützen, für sie Geld sammeln und ihnen Ausbildungs- und Arbeitsplätze vermitteln. Das reicht bis zur Vereitelung einer Abschiebung durch die Gewährung von Kirchenasyl. Das ist ein berechtigter ziviler Widerstand, motiviert durch die empfundene Ungerechtigkeit rechtlich abgesicherter Verwaltungsakte.

Besonders freut es mich, wenn Selbstorganisationen wie JoG – Jugend ohne Grenzen – ihre Interessen selbst artikulieren.

(Holger Bellino (CDU): Das Grundgesetz kennen Sie doch?)

Sie haben das letztes Jahr mit ihrer Tagung und ihrer Demonstration in Wiesbaden eindrucksvoll gezeigt. Herr Bellino, auch das ist gelebte Demokratie.

(Holger Bellino (CDU): Das ist reichlich gewagt!)

Meine Damen und Herren, unser Dank richtet sich daher auch an Pro Asyl. Wir danken für ihre Länderberichte

(Zurufe von der CDU)

hören Sie doch einmal zu, das ist ja fürchterlich –, die aus der Sicht der Betroffenen und vom Standpunkt der Humanität aus informieren. Ich wünsche mir eine streitbare Demokratie und ein Parlament, das sich den Anliegen der Menschen immer wieder öffnet. Das wünsche ich mir, und das wünschen wir uns als Fraktion. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Cárdenas. – Das Wort hat Herr Staatsminister Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist, auch wenn es ein wenig so wirkt, kein Ritual. Ich finde, es ist ein guter Brauch und kein Ritual, dass man sich bei all denen, die an dem großen Bereich Petitionen beteiligt sind, für ihre besondere Arbeit bedankt.

Ich sage das wohl wissend, dass das Petitionsverfahren alles andere als ein einfaches Verfahren ist. Ich will für die Landesregierung unterstreichen, dass wir die Arbeit des Petitionsausschusses nicht nur außerordentlich ernst nehmen, sondern sie auch sehr zu schätzen wissen.

Wir sind vor allem für die Art und Weise dankbar – ich glaube, das kann man ebenfalls sehr deutlich sagen –, in der diese Arbeit geschultert wird, aber auch für den Stil. Ich finde, die Debatte hat den Stil gezeigt, in dem man in einem nicht immer einfachen Umfeld miteinander umgeht. Dafür sage ich allen Beteiligten und natürlich auch den Damen und Herren des Referats im Hessischen Landtag ein ganz herzliches Dankeschön.

(Allgemeiner Beifall)

Ich selbst war von 1999 bis 2002 oder 2003 Mitglied dieses Ausschusses und glaube deswegen, dass ich mir durchaus anmaßen kann, zu sagen, dass das – wie ich eingangs verdeutlicht habe – in der Tat keine einfache Arbeit ist. Die Menschen, die die Petitionen zu bearbeiten haben, sind nämlich oftmals über das Studium der Akten hinaus mit den Existenzen befasst und bekommen sehr deutlich und in vielen Fällen auch sehr lebendig vor Augen geführt, dass es in der Tat um menschliche Schicksale geht.

Deshalb gibt es uns allen ein gutes Gefühl – auch das hat man in dieser Debatte gemerkt –, zu wissen, dass die Arbeit so geleistet wird, wie es beschrieben worden ist. Man kann nämlich nach meiner festen Überzeugung die Fälle, d. h. die teilweise sehr nahegehenden menschlichen Schicksale, nur dann angemessen „bearbeiten“, wenn das in einer Atmosphäre und in einem Stil erfolgt, die der Sache angemessen sind.

Am Ende ist es in unser aller Interesse – vor allem auch im Interesse des Innenministeriums; das sage ich sehr deutlich –, dass die Arbeit so läuft. Eine aufgeregte, hysterische und nicht an der Sache orientierte Debatte würde die Dinge für das hessische Innenministerium noch schwieriger machen, als sie es ohnehin schon sind.

Ihre Arbeit kennzeichnet, dass Sie sich trotz vieler unterschiedlicher Sichtweisen auf die Dinge und manchmal auch trotz unüberwindbar erscheinender Hürden immer wieder bemühen, tragfähige Entscheidungen und für die Menschen erträgliche Lösungen herbeizuführen. Das ist nicht immer einfach, aber Sie machen das. Deswegen will ich Ihnen für die Hessische Landesregierung sagen: Wir haben großen Respekt davor, wie das bei Ihnen gemacht wird.

(Beifall bei der CDU)

Wer sich die im Petitionsbericht geschilderten Einzelfälle – insbesondere die mit dem Aufenthaltsrecht zusammenhängenden – anschaut, wird sehr deutlich erkennen, dass man nicht in der Lage ist, alle Fallgestaltungen mit gesetzlichen Regelungen abzudecken. Ich glaube, das ist es, was uns immer wieder auseinanderreißt: dass wir auf der einen Seite gesetzliche Regelungen und auf der anderen Seite menschliche Schicksale haben und es nicht schaffen, beides deckungsgleich zu machen.

Das ist im Übrigen eine der Diskussionen, die wir auf den Innenministerkonferenzen immer wieder zu führen haben, wenn wir über Bleiberechtsregelungen reden. Auch das ist also nicht ganz einfach. Aber der Bericht zeigt auch – das finde ich sehr interessant –, dass es im Rahmen des Gesetzes Möglichkeiten gibt und dass es, wie Herr Reuscher gesagt hat, sehr wohl geht, es im Sinne der Menschen auszulegen.

Lassen Sie mich ein paar Anmerkungen zu den Zahlen machen. Die Zahl der Ausländerpetitionen – ich weiß sehr wohl, dass Sie auch in anderen Bereichen Arbeit leisten; aber ich will diese herausgreifen – betrug im Jahr 2000 820, im Jahr 2011, also elf Jahre später, 192. Das ist ein

enormer Unterschied; Frau Öztürk hat schon darauf hingewiesen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser deutliche Rückgang auch auf den seit dem 1. Juli 2011 in Kraft getretenen § 25a des Aufenthaltsgesetzes zurückzuführen ist. Über diese von uns getroffene Regelung werden wir – ab morgen werde ich an der Innenministerkonferenz teilnehmen – auch morgen wieder diskutieren. Diese Diskussion ist nie zu Ende; auch das ist, glaube ich, völlig klar.

Die Neuregelung gewährt gut integrierten geduldeten Jugendlichen und Heranwachsenden eine eigene, gesicherte Aufenthaltsperspektive. Das ist das Positive daran: Sie bietet die Möglichkeit, sich sozial und auch wirtschaftlich vollständig in die Gesellschaft einzufügen.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Aber, Frau Öztürk, die Regelung reicht noch weiter. Ich will das, was Sie gesagt haben, nicht bestreiten. Erstens steht mir das nicht zu, und zweitens kann man es auch nicht bestreiten.

Aber die Regelung geht noch weiter: Es können nämlich auch die Eltern der Jugendlichen ein Aufenthaltsrecht bekommen. Das ist eine sehr großzügige und sehr liberale Regelung. Die Eltern können dann ein Aufenthaltsrecht bekommen, wenn sie ihren Lebensunterhalt durch eigene Leistungen sichern können. Selbst wenn sie diese Voraussetzungen nicht erfüllen, haben sie die Möglichkeit, hierzubleiben, beispielsweise über die Duldung. Das ist selbst dann möglich, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder wenn sie, wie man hinzufügen muss, über ihre Identität getäuscht haben.

Wir haben in Hessen nach den Angaben des Ausländerzentralregisters derzeit 61 Jugendliche, denen so, wie ich es eben geschildert habe, ein Aufenthaltsrecht gewährt wurde. Dazu kommen jeweils sechs Personen – Eltern und Geschwister –, die in diese Aufenthaltsregelung einbezogen worden sind.

Dass die Zahlen so sind, wie sie sind, und dass wir insbesondere eine – wie ich sagen möchte – befriedete Situation haben, hat auch viel damit zu tun, dass die Härtefallkommission so ist, wie sie ist. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, wird Ihnen deutlich, dass eine sehr gute Arbeit in einem nicht unbedingt einfachen Umfeld geleistet wird. Im Jahr 2011 wurden 47 Härtefallanträge – teilweise noch aus dem Vorjahr, muss man hinzufügen – für 110 Personen abschließend inhaltlich beurteilt.

In sechs Fällen mit elf Personen hat die Kommission nach einer sehr intensiven mündlichen Beratung kein Härte fall ersuchen beschlossen. Dafür war in der Regel ausschlaggebend, dass es entweder eine nicht gelungene wirtschaftliche Integration gab oder dass es eben entsprechende Straftaten von einigem Gewicht gegeben hat. Dafür hat die Kommission aber in 38 Fällen, von denen 89 Ausländerinnen und Ausländer betroffen waren, festgestellt, dass dringende humanitäre Gründe den weiteren Aufenthalt in Deutschland erfordern.

Ich bin einer der zwei oder drei Abgeordneten gewesen, die damals in der CDU-Landtagsfraktion in der internen Abstimmung dagegen gestimmt haben, dass wir eine Härtefallkommission einrichten. Das gebe ich offen zu.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Aha!)

Ich bin nicht nur in der Sache gereift, sondern auch durch das, was wir hier an Zahlen vorliegen haben. Aber das, was

wir insbesondere an Situationen vorliegen haben, beweist mir, dass es damals eine falsche Entscheidung von mir gewesen ist, weil die Härtefallkommission eine segensreiche Einrichtung in unserem Land ist.

(Beifall bei der CDU)

Sie hat dazu beigetragen, dass wir heute wirklich in einem viel ruhigeren, einem viel besonneneren Umfeld über die Dinge diskutieren.

Herr Minister, Sie sind so lieb und denken an die Zeit.

Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Nichtsdestotrotz konnte ich gleichwohl nicht in allen Fällen eine positive Entscheidung treffen. Das wissen Sie. Der Grund dafür ist mitunter die fehlende Perspektive gewesen, den Lebensunterhalt eigenständig und ohne Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen sichern zu können. Wir bemühen uns aber, auch das füge ich deutlich hinzu, für jeden Einzelfall dann wirklich eine Lösung zu finden. Insoweit, glaube ich, dass die Dinge hier auch auf einem guten Wege sind.

Es ist ein dickes Brett, das immer wieder zu bohren ist. Ich glaube aber, dass es sich lohnt, und will mit dem schließen, mit dem ich begonnen habe: Ich sage noch einmal wirklich all denjenigen Damen und Herren des Landtags, aber auch der Landtagsverwaltung ein herzliches Dankeschön für die Zusammenarbeit. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir das, was wir tun, in diesem Stil und dieser sehr konstruktiven Art und Weise weiterhin tun könnten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Minister, herzlichen Dank. – Frau Berichterstatterin, meine Damen und Herren, noch einmal herzlichen Dank für die Aussprache. Damit hat der Landtag den Bericht des Petitionsausschusses betreffend bisherige Tätigkeit in der 18. Wahlperiode sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 7 auf: