Protocol of the Session on May 9, 2012

Nein, Günter, der war nicht schlecht, der war gut. Denn es besteht ein klarer Handlungsbedarf. Ich glaube, das weiß diese Seite des Hauses auch.

(Günter Rudolph (SPD): Wenn man ideologisch verbohrt ist, lehnt man das ab!)

Es besteht ein klarer Handlungsbedarf.

Nach unserer Ansicht besteht allerdings ein weniger klarer Handlungsbedarf bei den Beamten, Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst. Ich glaube, ich muss das nicht näher ausführen. Hier gibt es sehr klare Tarifverträge zwischen den öffentlichen Arbeitgebern und den Arbeitnehmern. Das ist klar. Es ist uns auch nicht bekannt, dass es noch eine Eingruppierung gibt, die unter 8,50 € liegt, auch nicht in Einrichtungen und Betrieben der öffentlichen Hand, die den Tarifvertrag analog anwenden.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Aber unter 10 €!)

Das ist mir schon klar.

So dürfte aber vor diesem Hintergrund der § 2, den Sie natürlich auch mit hineingenommen haben, in erster Linie eher der inneren Konsistenz des Gesetzentwurfs dienen, als eine praktische Auswirkung auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu haben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Unter 10 € schon!)

Keine praktischen Auswirkungen hätte ein solches Gesetz allerdings auch auf unsere eigentlichen Sorgenkinder – Frau Wissler, Sie haben das zu Recht angesprochen, das ist in der Tat so –, nämlich auf die große Masse der Dumpinglöhnerinnen und -löhner, die bekanntermaßen in der Privatwirtschaft beschäftigt sind, im Klartext also – auch ich darf sie nochmals zitieren – die klassische Friseurin oder der Paketzusteller oder derjenige, der im Saisonverfahren bei amazon.de die kleinen Päckchen packt, und viele andere mehr. Denen würde es leider nichts helfen.

An dieser Stelle schließt sich für uns dann wieder der Kreis. Meine Damen und Herren, selbstverständlich brauchen wir die verbindlichen Vorgaben bei der öffentlichen Auftragsvergabe so, wie das die SPD schon länger eingefordert hat. Ich habe das eben zitiert. Aber ohne den gesetzlich geregelten Mindestlohn geht für die breite Masse der Betroffenen in diesem Lande nichts.

(Beifall bei der SPD)

Das heilen auch die freien Kräfte der Marktwirtschaft nicht, auch nicht die jüngst von der CDU in Berlin beschlossenen Eckpunkte für eine sogenannte Lohnuntergrenze. So nennen Sie es. Ich weiß nicht, wie Sie darauf gekommen sind, aber über solche Begrifflichkeiten müssen wir nicht streiten, wenn sie nur in die richtige Richtung führen würden. Aber das tun sie leider nicht; denn das, was Sie vorschlagen, heilt die Probleme nicht. Eilig vor der Landtagswahl zusammengestrickt ist dies eigentlich nichts anderes als ein Placebo-Mindestlohn. Offensichtlich ist das mehr ein friedensstiftender Kompromiss zwischen Wirtschafts- und Arbeitnehmerflügel in der Union

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

als eine wirkliche Einigung auf einen echten Mindestlohn.

Wenn man sich nämlich näher damit befasst, wird man an diesem Eckpunktepapier, das Sie vor Kurzem beraten haben, sehr schnell feststellen, dass diese Eckpunkte in der Praxis gar nicht so richtig funktionieren können. Bei Lohnuntergrenzen, die zwischen Regionen, Branchen oder bestimmten Arbeitnehmergruppen differenzieren können, kann man wirklich nicht von einem wirksamen Konzept sprechen. Das ist, arbeitsmarktpolitisch gesehen, nichts anderes als ein Schweizer Käse, und der hat nun einmal ganz viele Löcher.

Meine Damen und Herren, deswegen kann das nicht der richtige Weg sein. Es ist schon abzusehen, dass davon die wenigsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die jetzt unter Dumpinglöhnen zu leiden haben, profitieren werden. Bei Ihrem Konzept kann jeder Arbeitgeber Mindestlohnregeln weiterhin unterlaufen.

Deswegen sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Die SPD-Fraktion hat schon vor Monaten einen Gesetzentwurf eingebracht, der eine echte absolute ge

setzliche Lohnuntergrenze festlegt. Nur das ist das einzig wirksame Mittel gegen Dumpinglöhne.

Wir haben allerdings die Befürchtung, dass das, was Sie als Eckpunkte einbringen, sowieso nicht zum Tragen kommt, weil nämlich die FDP schon angedeutet hat, dass sie das gar nicht mittragen wird – am Tage drei nach Kubicki schon gar nicht mehr. Insofern ist dieses Eckpunktepaket wahrscheinlich auch schon wieder für den Papierkorb bestimmt. Das ist unsere Vorahnung.

Meine Damen und Herren, uns geht es hier im Landtag um Lösungen und Entscheidungen, die allen vom Lohndumping betroffenen Menschen tatsächlich und wirkungsvoll helfen. Deshalb braucht es eine Initiative in diesem Hause, die ebenfalls alle Bereiche umfasst. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Decker. – Als nächster Redner hat sich Herr Abg. Schork für die CDU-Fraktion gemeldet. Bitte schön, Herr Schork, Sie haben das Wort.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Alle sollen einen Sold kriegen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die LINKEN bringen einen Gesetzentwurf zum Mindestlohn ein und sagen, sie wollen 10 €.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Pro Stunde!)

Klar, pro Stunde. – Sie beschränken das auf den öffentlichen Bereich und auf öffentliche Unternehmen. Sie wollen das bei öffentlichen Auftragsvergaben berücksichtigt haben – und stellen in ihrem eigenen Gesetzentwurf fest, dass das eigentlich einer Bundesregelung bedarf

(Janine Wissler (DIE LINKE): Nein!)

und dass die Kompetenz dafür nicht beim Land liegt, das Land dafür nicht zuständig ist.

(Beifall des Abg. Holger Bellino (CDU) – Janine Wissler (DIE LINKE): Ein einsamer Klatscher!)

Das zeigt schon, dass die Diskussion, die Sie hier anzetteln, sich eigentlich nicht darum dreht, eine vernünftige Lösung zu finden, denn Sie lassen schlicht und einfach ein paar Dinge außer Acht.

Es geht um die öffentliche Hand. Der Kollege Decker hat darauf hingewiesen:

(Demonstrativer Beifall des Abg. Torsten Warn- ecke (SPD))

Gibt es eigentlich im öffentlichen Dienst und bei den öffentlichen Unternehmen Tarifverträge oder nicht?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die gibt es!)

Welche Rolle sollen denn in Ihrem Konzept in Zukunft Gewerkschaften und Arbeitgeber spielen?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das steht doch drin!)

Die werden völlig ausgeblendet. Sie wollen einen staatlich verordneten Mindestlohn und maßen sich an, das besser

beurteilen zu können als die Tarifparteien. Wir halten das für den falschen Weg.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie die IG Metall vor zehn Jahren, aber die sind klüger geworden!)

Warum eigentlich 10 € und nicht 8,50 €,

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

und warum nicht 11,50 €?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das hat die Bundesregierung ausgerechnet! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wenn Sie das erhöhen wollen!)

Sie bringen das auch immer in Zusammenhang mit der Aufstockung durch Arbeitslosengeld II, Niedriglohn und Ähnlichem. In der Baubranche gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn, der liegt bei 10,90 € die Stunde.

(Sabine Waschke (SPD): Weil die Vergabe nicht ordentlich geregelt ist!)

Tatsache ist auch – das hat mit der Vergabe zunächst einmal nichts zu tun –, dass es im Baugewerbe im Jahr 2010 in Westdeutschland 16.000 Arbeitnehmer gegeben hat, die ihr Erwerbseinkommen mit Arbeitslosengeld II aufstocken mussten – trotz Mindestlohn von 10,90 € die Stunde.

(Sabine Waschke (SPD): Wo ist die Ursache? – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zweite Bemerkung. Wenn Sie Niedriglöhne und Ähnliches ansprechen: Die Aufstockung von Arbeitslosengeld II hat auch damit etwas zu tun, dass 75 % derjenigen, die aufstocken und abhängig beschäftigt sind, in Teilzeit oder in sogenannten Minijobs arbeiten. Das bedeutet, sie arbeiten nicht in Vollzeit, sondern für eine begrenzte Zeit, weil sie das individuell so wollen oder – –

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein. – Das ist der Grund dafür, warum zum Teil aufgestockt wird.

Wir glauben, dass die Tarifautonomie ein bewährtes Instrument ist, das in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland durch das Zusammenspiel von Gewerkschaften und Arbeitgebern wesentlich zum sozialen Frieden beigetragen hat. Wir haben in der Vergangenheit branchenbezogene Mindestlöhne eingeführt.