Protocol of the Session on March 7, 2012

Meine Damen und Herren, ich stelle das ausdrücklich unstreitig, damit man es auch im Protokoll nachlesen kann: Die NPD ist klar verfassungsfeindlich.

Das ist die Einschätzung der FDP. Nur müssen wir zur Kenntnis nehmen: Das alleine reicht nicht. – Herr Kollege Bellino hat schon darauf hingewiesen: Es ist der Nachweis einer aktiv kämpferischen aggressiven Haltung der NPD als Partei und nicht nur einzelner Funktionäre erforderlich. – Wenn uns das gelingen würde, wären wir schon ein ganzes Stück weiter.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Holger Bellino und Horst Klee (CDU))

Es kommt der letzte, weitere Gesichtspunkt hinzu, der mir immer wieder zu kurz kommt. Ich komme damit auch zum Schluss meiner Rede.

Wir müssen aufpassen, nicht einfach nur über die Beseitigung der braunen Hülle zu reden. Wir können die rechtsextremistischen Ideen und Aktivitäten nicht durch die Be

seitigung eines parteipolitischen Gebildes zur Seite räumen. Die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung müssen von uns allen immer wieder und überall verteidigt werden.

Frau Kollegin Faeser, diese Aufgabe können wir nicht allein auf die Polizei und die Sicherheitskräfte verlagern. Wir können das auch nicht auf die Justiz und das Bundesverfassungsgericht verlagern.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Vizepräsiden- tin Sarah Sorge übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Greilich, vielen Dank. – Nächster Redner für die Landesregierung ist Herr Innenminister Rhein.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mich hat nicht nur der Antrag der SPD-Fraktion ein bisschen gewundert, den sie hier gestellt hat. Vielmehr haben mich auch die Behauptungen gewundert, die Sie in der Pressemitteilung aufgestellt und schon verteilt haben. Da wird behauptet, es gebe keinerlei Aktivitäten des Innenministers an einem Verbotsverfahren für die NPD usw.

(Holger Bellino (CDU): Das ist unmöglich!)

Herr Schaus hat sich sogar verstiegen, zu behaupten, der hessische Innenminister würde alleine stehen,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja!)

es gebe eine Beschlusslage 15 : 1. Wo Sie diesen Unsinn und wo Sie diesen Quatsch her haben, müssen Sie mir einmal erklären.

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass es in der Innenministerkonferenz überhaupt keine Möglichkeit gibt, eine Beschlusslage mit 15 : 1 herbeizuführen. Wir haben nämlich das Einstimmigkeitsprinzip.

Zweitens will ich Ihnen einmal sehr deutlich den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 9. Dezember 2011, der unter meinem Vorsitz zustande gekommen ist und der meine Unterschrift trägt, sehr gerne vorlesen.

Erstens. Die Innenminister und -senatoren der Länder und der Bundesminister des Innern sind sich darin einig, dass die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) eine Partei ist, die nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet ist, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen und zu beseitigen. Ihre Ideologie ist menschenverachtend, fremdenfeindlich, antidemokratisch und antisemitisch.

Zweitens. Die Innenminister und -senatoren der Länder und der Bundesminister des Innern streben daher ein erfolgreiches Verbot der NPD an.

Darunter steht meine Unterschrift. Ich will das hier einmal sehr deutlich hinterlegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist nahezu verleumderisch, so etwas zu behaupten. – Ich will das Zitat jetzt weiter fortsetzen:

Die IMK sieht dabei mit Blick auf die hohen verfassungsrechtlichen Hürden,

deswegen bin ich sehr dankbar, dass Jürgen Frömmrich, Wolfgang Greilich und Holger Bellino das hier einmal im Gegensatz zur sozialdemokratischen und linken Position sehr klug dargestellt haben –

die durch das Bundesverfassungsgericht konkretisiert wurden, sowie auf die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte

zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werde ich Ihnen gleich noch etwas sagen –

die Notwendigkeit, zuvor die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen eines Verbots aufzuzeigen, abzuwägen und zu bewerten.

Drittens. Die IMK bittet die bestehende Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter gemeinsamem Vorsitz Sachsen-Anhalts und des Bundesministers des Innern, einen Kriterienkatalog zu erarbeiten und entsprechendes Material zusammenzustellen. Erkenntnisse aus den Ermittlungsverfahren zu der rechtsterroristischen Gruppierung NSU sind hierbei einzubeziehen.

Ich will jetzt noch einmal das hervorheben, was ich schon mehrfach gesagt habe: Umso erstaunlicher sind die Art und der Stil dieser Debatte. – Ich habe es zuletzt am 17. November 2011 gesagt. Ich habe es aber auch am 15. Dezember 2011 gesagt: Niemand will diese NPD. Sie gehört nicht zu den Parteien, die wir in den Parlamenten sehen wollen. Sie gehört nicht zu dem Spektrum, das wir als demokratisch oder irgendwie erträglich empfinden. Natürlich gehört sie deswegen verboten. Das ist überhaupt keine Frage.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Ich will sehr deutlich sagen: Wenn wir das aber wirklich erreichen wollen, dann müssen wir es richtig machen. Wenn wir es so machen, wie Sie es vorschlagen, dann würde es ein Schnellschuss werden. Es macht einen natürlich schön kräftig, sich hinzustellen und zu sagen: Jawohl, wir sind die größten Feinde der NPD.

Auch wir sind alle Gegner der NPD. Das ist doch überhaupt keine Frage. Aber das wäre ein Schnellschuss. Dann würde es ein Scheitern geben. Damit würden wir uns einen Tort antun. Wir hätten dann nach dem furchtbaren Scheitern vor zehn Jahren der NPD einen zweiten Ritterschlag verliehen. Ich glaube, die Verantwortung dafür möchte kein halbwegs vernünftiger Innenminister und kein Parlament tragen.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Das vor zehn Jahren gescheiterte Verfahren sollte uns Warnung sein. Es sollte uns Mahnung sein.

Es gibt einen sehr vernünftigen ehemaligen sozialdemokratischen Innenminister. Er ist jetzt in den Ruhestand getreten. Das ist der ehemalige Kollege Karl-Peter Bruch, der ehemalige Innenminister des Landes RheinlandPfalz. Ich erinnere mich sehr eindrücklich, wie er am Abend der Innenministerkonferenz in Wiesbaden, als wir ihn im Rheingau verabschiedet haben, klipp und klar und deutlich gewarnt und gemahnt hat. Er sagte: Achtung, wenn ihr es falsch macht, begeht ihr den Fehler, den wir damals gemacht haben. Ich bin dabei gewesen und würde das heute so nie wieder machen. – Ich glaube, das ist die

Mahnung und die Warnung eines klugen Innenministers der SPD, die man durchaus ernst nehmen sollte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deswegen haben wir absichtlich formuliert, dass wir, um die von der NPD ausgehenden Gefahren für den demokratischen Rechtsstaat tatsächlich bannen zu können, ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren brauchen, das allerdings nach meiner festen Überzeugung als allerersten Schritt eine ganz sorgfältige Analyse voraussetzt, die derzeit intensiv läuft und die derzeit mit Hochdruck vorangetrieben wird.

Frau Faeser, ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich in dieser Sache nicht so gerieren und so streiten würden, wie Sie das heute hier gemacht haben. Wir sollten uns bei dieser Frage nicht auseinanderdividieren lassen, schon gar nicht von einem Herrn Schaus von der Partei DIE LINKE. Wir sollten uns nicht in einen Wettstreit darüber begeben, wer der stärkste und schärfste Gegner der NPD ist. Vielmehr sollten wir das richtig machen. Das heißt, wir dürfen das nicht über das Knie brechen, gerade auch, weil wir uns über die NPD und ihre Verfassung einig sind. Wir streben ein Verbot der NPD an. Aber wir müssen eben die Voraussetzungen dafür ordentlich schaffen.

Herr Minister, gestatten Sie mir kurz den Hinweis, dass die für die Fraktionen vereinbarte Redezeit schon abgelaufen ist.

Verehrte Frau Präsidentin, ich werde versuchen, meine Rede noch zu straffen. Aber fünf Minuten Redezeit für eine solche Debatte finde ich ohnehin ambitioniert.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will keine Kritik an der amtierenden Präsidentin üben. Frau Präsidentin, ich bitte, das nicht misszuverstehen. Ich habe nur einmal darauf hinweisen wollen.

Ein solches Verbotsverfahren ist keine einfache Sache. Das muss sorgfältig vorbereitet werden. Sie alle kennen die Voraussetzungen. Wir haben da eine riesige Hürde. Darauf hat Jürgen Frömmrich hingewiesen. Wir brauchen bei dem Bundesverfassungsgericht eine Zweidrittelmehrheit. Das sind sechs der acht Richter. Das ist eine nicht unerhebliche Hürde.

Zweitens. Wir müssen der NPD nachweisen, dass sich ihr Bestreben gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Drittens. Darauf hat Wolfgang Greilich hingewiesen. Die Äußerungen und Handlungen gegen diese Ordnung müssen in aktiv kämpferischer, aggressiver Art und Weise erfolgen.

Das macht das allerdings auch nicht leichter: Die Bekämpfung der Grundordnung muss der Partei zurechenbar sein. Es darf nicht Einzelnen oder vielleicht sogar vielen Einzelnen, so wie wir es in erschreckender Weise in „Report“ gesehen haben, zurechenbar sein. Es muss der Partei zurechenbar sein.

Jetzt sage ich Ihnen, welche ganz große neue Hürde es gibt. Deswegen kann man nicht sagen: Ihr habt zehn Jahre Zeit gehabt.

Wir haben eine neueste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinsichtlich der Refah-Partei in der Türkei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verlangt mittlerweile im Falle eines Parteienverbots den Nachweis, dass eine unmittelbare Gefahr für das demokratische Regierungssystem besteht. Frau Faeser, deswegen ist es nicht auszuschließen, dass das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung genau um diesen Passus erweitern wird. Umso gefährlicher und umso schwieriger wird die Angelegenheit.

Ich glaube, wir sollten es diesmal wirklich ordentlich vorbereiten. Wir sollten es gut vorbereiten. Wir sollten es am Ende hinbekommen. Wir sollten es umsetzen. Das tun wir mit großem Hochdruck. Wir sind mit großem Hochdruck an den Dingen dran. Die Innenminister der Länder treffen sich über die Vertreter ihrer Abteilungen zu dieser Angelegenheit nahezu wöchentlich.

Auch das möchte ich zum Abschluss noch sehr deutlich sagen. Denn auch das möchte ich noch sehr deutlich sagen. Natürlich bleibt dabei das große Problem der Abschaltung der Quellen bestehen. Aber auch da darf man nicht vergessen, wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wirklich aussieht. Es hat nicht gefordert, dass sämtliche V-Leute aus der NPD abgezogen werden müssen.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))