Auch die Argumentation, in Klasse 11 würden sich die Schülerinnen und Schüler langweilen, gilt nur dann, wenn Sie das Gymnasium im Blick haben. Bei den Schulen, in denen die Schüler von der 5. bis zur 13. Klasse im Gymnasium sind, ist es durchaus berechtigt, zu sagen, die Elf sei manchmal ein Hänger.
Wir haben aber genügend Oberstufengymnasien und berufliche Gymnasien, in denen in Klasse 11 Kinder aus bis zu 35 verschiedenen Schulen zusammenkommen. Dort wird das 11. Schuljahr gebraucht, um diese Schüler gemeinsam auf die Wahl der Leistungskurse vorzubereiten. Die Klasse 11 ist auch sehr wichtig, um Realschülern, die noch keine zweite Fremdsprache hatten, zu ermöglichen, drei Jahre lang eine zweite Fremdsprache zu belegen. Das brauchen sie für das Abitur. Wenn Sie die gymnasiale Oberstufe so verkürzen, dann ermöglichen Sie den Realschülern nicht mehr den Weg zum Abitur. Das ist doch das, was Sie eigentlich überhaupt nicht wollten. Die Durchlässigkeit geht damit kaputt.
Lassen Sie mich noch ein paar Grundsätze zu Begabung und Leistung sagen, weil die FDP und insbesondere ich neulich wieder missverstanden worden sind.
Da müssen Sie gar nicht traurig sein, ich sage das ganz sachlich. Man kann immer einmal missverstanden werden.
Für die FDP ist die Vielfalt der Begabungen aller Schülerinnen und Schüler extrem wichtig. Gerade die Vielfalt der Begabungen ist für uns ein Grundpfeiler der Schulpolitik. Wir erkennen die Vielfalt der Begabungen aller Schüler an, und jede Form der Begabung wird von uns in gleicher Weise hoch geschätzt. Es gibt keine guten oder weniger guten Begabungen. Das ist überhaupt keine Bewertung, und die sollte man da auch nicht anwenden.
Jeder Schüler hat das Recht, seinen Begabungen entsprechend unterstützt und gefördert zu werden. Dies muss aber durch eine auf die Person abgestimmte Art und Weise geschehen. Es gibt Schüler, die lernen schneller,
und es gibt Schüler, die brauchen etwas mehr Zeit, um komplizierte Sachverhalte zu erfassen. Beide Schüler sind leistungsstark, und beide Schüler müssen ein Angebot an einer Schule vorfinden, das ihrem Lerntempo entspricht. Diesem Anspruch muss ein Schulsystem in seinen Angeboten gerecht werden,und es muss den Eltern die Freiheit der Wahl ermöglichen. Deshalb kämpft die FDP vehement für die Vielfalt der Schulangebote und für die Vielfalt der Schulformen in Hessen.
Das bedeutet auch, es muss Alternativen zu einem gymnasialen Bildungsgang geben, der auf verkürztem Weg, mit hohen Anforderungen zum Abitur führt. Wir haben bereits 2004 die Forderung gestellt, dass diese Alternative nicht nur in den integrativen Gesamtschulen, sondern auch in den kooperativen Gesamtschulen vorhanden sein muss. Wir haben damals angeregt, den kooperativen Gesamtschulen die Wahlfreiheit zu geben.Wir sind sehr froh, dass der Landtag jetzt endlich diesem Wunsch der FDP gefolgt ist und mit der Unterstützung des Gesetzentwurfs von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den kooperativen Gesamtschulen diese Wahlfreiheit eröffnen wird.
Damit eröffnen wir den Eltern ein Angebot, G 8 oder G 9 wählen zu können, so, wie sie es für ihre Kinder für richtig halten, und so, wie es den Begabungen und Talenten des jeweiligen Kindes entspricht.
Eine komplette Rücknahme von G 8, wie sie von den LINKEN und in Wahrheit auch von der SPD gefordert wird, ist unzeitgemäß, ideologisch begründet und würde die Gymnasialschüler in Hessen benachteiligen. Diese Rücknahme liegt auch nicht im Interesse der Eltern. In Schulen,in denen G 8 früher eingeführt wurde und die optional auch noch G 9 angeboten haben, war festzustellen, dass der Run auf G 8 war. Die Eltern wollen für ihre Kinder G 8 haben.
Eine Rücknahme würde auch nicht im Interesse der Schule liegen. Die Schulen wollen in Ruhe arbeiten, sie wollen in Ruhe ihr Schulprogramm umsetzen und wollen nicht mit komplett neuen Konzepten, mit einer Rolle rückwärts, überlastet werden. Dieser Weg ist absolut der falsche. – Vielen Dank.
Frau Henzler, ich gebe zu, dass es relativ schwierig ist, zu argumentieren, wenn man den eigenen Parteikollegen erklären muss,warum man das Wahlprogramm,das man mit geschrieben hat, nicht ernst nimmt.
Ich will Ihnen noch einmal vorlesen, was dort geschrieben steht, und nicht, was Sie heute versucht haben, zu interpretieren.
Wir [die FDP] fordern deswegen, statt der Sekundarstufe I die Sekundarstufe II um ein Jahr, also auf zwei Jahre, zu verkürzen.
Nicht der so wichtigen Vermittlung von Grundlagenwissen wird in unseren Schulen zu viel Zeit eingeräumt, sondern die Oberstufe kann auch in zwei Jahren effektiv auf ein Hochschulstudium vorbereiten – umso mehr, wenn vorher die Gelegenheit bestand, das Fundament hierfür zu legen.
Wie Sie darauf kommen, zu sagen, unser Modell, das auch eine dreijährige Oberstufe zulässt, grenze Realschüler vom Abitur aus, das müssen Sie mir nach dieser Passage noch einmal erklären.
Zweites Thema: Aktionismus. Frau Henzler, ich glaube, wenn wir vorschlagen, zu Beginn des nächsten Schuljahres eine grundlegende Korrektur zuzulassen oder vorzunehmen, ist das weniger Aktionismus, als den Schulen jetzt vor der Sommerpause vorzuschlagen, sich neu zu organisieren, und jeder soll es so machen, wie er will.
Dritter Punkt.Wir haben gesagt, die Sportvereine und die Musikvereine leiden unter G 8, weil die Kinder nicht mehr hingehen.Genau das hat auch der Landessportbund Hessen, nämlich Herr Kollege Dr. Müller, gesagt. Er hat gesagt, G 8 sei nicht in Ordnung, das müsse zurückgenommen werden.
Gebundene Ganztagsschulen, in denen die Rhythmisierung des Unterrichts vorgenommen werden kann, in die die Hausaufgaben eingebaut werden können, ist ein Weg, den wir befürworten. Sie sollten sich diese Stellungnahme noch einmal angucken.
Ich komme sofort zum Schluss. – Ich komme noch zur Oberstufenreform.Wenn Frau Henzler sagt, zurück in die Neunzigerjahre, weil wir mehr Freiheit bei den Kursen verlangen, so kann ich nur erwidern, die Schulpolitik in diesem Land hat uns zurück ins 19. Jahrhundert gebracht. Es wäre ein Fortschritt, wenn man den Schülern eine größere Profilierung in der Oberstufe gewährleisten würde.
Danke, Frau Habermann. – Frau Henzler, Sie haben Gelegenheit, zu antworten, ebenfalls zwei Minuten Redezeit.
Frau Habermann, ich finde es ganz toll, wie intensiv Sie unser Wahlprogramm studieren und wörtlich zitieren.
Unser Wahlprogramm ist hervorragend, insbesondere der bildungspolitische Teil ist der beste in Hessen.
Es ist sehr richtig, im Wahlprogramm steht ein anderer Weg. Wir haben diesen Weg innerhalb der FDP heftigst diskutiert. Diejenigen, die von dem anderen Weg überzeugt sind, sind immer noch der Meinung, dass er der bessere ist.Trotzdem sind wir eine pragmatische Partei in der Umsetzung.
Das ist genau das, was wir vorgeschlagen haben. Wir wollen den Schulen auf dem weiteren Weg mehr Ressourcen zur Verfügung stellen, damit sie schlicht und ergreifend besser arbeiten können.
Frau Habermann, Sie haben die Diskussion mit dem Sportbund doch auch im Wahlkampf miterlebt. Natürlich haben alle Sportverbände, alle Jugendverbände und politischen Verbände, ebenso die freiwilligen Feuerwehren Angst vor der gebundenen Ganztagsschule, weil die Kinder dann dorthin gehen müssen und nicht mehr in die Vereine kommen können. Diese Angst muss man ihnen nehmen. Das kann man damit machen, indem man G 8 mit nachmittäglichen Angeboten beginnt. Dafür sollen Sportvereine und andere Einrichtungen in die Schule gehen. Da, wo die Schülerinnen und Schüler sind, müssen auch die Angebote hingehen.