Protocol of the Session on April 24, 2008

Sie wollten Volksaktien nach dem Motto verteilen, es soll ein Aktionär da sein, der nichts zu sagen hat. Genau dies schreiben Sie wieder in Ihren Antrag hinein.

Meine Damen und Herren, derjenige, der sich als Aktionär oder als Investor an diesem Unternehmen beteiligt, wird sich nicht beteiligen, wenn ihm seine Eigentumsrechte, wie Sie es wollen, genommen werden.

(Beifall bei der FDP)

Der Kapitalgeber will und muss auf die Investitionen Einfluss nehmen können.

Ich will in diesem Zusammenhang jetzt keine allgemeine Privatisierungsdebatte führen. Ich will nur auf Folgendes hinweisen. Es wird immer so getan, als seien Finanzinvestoren oder strategische Investoren der Auffassung, man wolle nur etwas aus einem Unternehmen herausnehmen.

Meine Damen und Herren,die Bahn befindet sich in einer Situation, dass sowohl ein Finanzinvestor als auch ein strategischer Investor ein Interesse daran haben müssen,

die Bahn im wahrsten Sinne des Wortes wirklich positiv auf die Schiene zu setzen, damit sie überhaupt Erträge erwirtschaften kann. In dieser Situation befindet sich die Bahn zum gegenwärtigen Zeitpunkt beim besten Willen noch nicht.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie haben eine Lösung gesucht, die im Grunde genommen jedem Gedanken, privates Kapital für solche Infrastrukturmaßnahmen zu generieren, zuwiderläuft. Das ist nichts anderes als Ihr ursprüngliches Ziel.

Frau Kollegin Pfaff,erwecken Sie vor allem bitte nicht den Eindruck, als würden Sie das Ziel, das Sie propagieren, mit einer Privatisierung von 24,9 % erreichen können. Nach dem Aktienrecht sind die 24,9 % nur relevant für die Abberufung von Aufsichtsräten, nichts anderes. Eine Beteiligung von bis zu 49,9 % ist völlig unschädlich. Deswegen glaube ich, dass dieser Weg in absehbarer Zeit gegangen werden muss, um den Kapitalbedarf der Bahn zu decken.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn wir in unserem gemeinsamen Antrag noch einmal darauf hingewiesen haben, dass die ursprünglichen Ziele der Bahnreform zu realisieren sind, dann aus genau diesem einen Grund. Wir sagen in aller Deutlichkeit – und dies ist im Übrigen seit 1999 Politik, in der letzten Legislaturperiode hat das Herr Minister Rhiel sehr deutlich zum Ausdruck gebracht –,dass es eine echte Trennung von Netz und Betrieb geben muss. Die Konstruktion, die jetzt im Koalitionskompromiss enthalten ist, gewährleistet dies nach unserer Auffassung nicht.

(Beifall bei der FDP)

Ich erkenne die Leistungen der Bundesnetzagentur an. Ich weiß,dass sie als Regulierungsbehörde gute Arbeit geleistet hat. Aber ich sage Ihnen: Noch besser als eine Regulierungsbehörde wäre es, wenn Netz und Betrieb wirklich und vollkommen getrennt wären. Dann würde sich die Arbeit der Bundesnetzagentur noch besser auswirken, als es bisher der Fall ist – wenn sie als Regulierungsbehörde versuchen muss, innerhalb eines Unternehmens den diskriminierungsfreien Zugang zum Netz tatsächlich zu garantieren.

Wenn wir das wollen, dann ist die Trennung von Netz und Betrieb zwingend erforderlich. Diese Zielsetzung bringt unser Antrag zum Ausdruck.

Wir haben es in den vergangenen Wochen in den Zeitungen gelesen: Natürlich wird unter wirtschaftlichen Aspekten versucht werden, beispielsweise eine solche Strecke wie die Main-Weser-Bahn abzuhängen. Das sind die Gründe, die uns dazu veranlasst haben, diesen Antrag zu stellen. Wir wissen, welche Bedeutung die Infrastruktur insbesondere für Hessen hat.

Verehrte Frau Pfaff, mir liegt Ihr Begleitbeschluss vor. Ich glaube, mit dem Beschluss, den Sie gefasst haben, werden Sie in Ihren eigenen Reihen keine Zufriedenheit erzielen. Denn es wird sich zeigen, dass Sie das, was Sie damit erreichen wollen, beim besten Willen nicht erreichen können.

Um auch das zu sagen: Für uns ist die Privatisierung kein Selbstzweck,sondern wir haben es hier mit einer Situation zu tun, dass wir den Börsengang deswegen realisieren

müssen,um die Entlastung des Staatshaushalts tatsächlich zu erreichen.

Sehen Sie einmal, in welcher Weise die Bahn heute gefordert ist. Da gebe ich Herrn Mehdorn durchaus recht, auch wenn ich nicht in allen Punkten seiner Meinung bin: Sie muss sich im europäischen Wettbewerb aufstellen können.

Vor dem Hintergrund des europäischen Wettbewerbs ist der Investitionsbedarf unglaublich. Wenn Sie aber den Spalt nur so weit öffnen, dass weder Finanzinvestoren noch Investoren, die an Investitionen interessiert sind, Interesse an einer Beteiligung haben, dann haben Sie letztendlich mit Zitronen gehandelt. Wenn Sie den Menschen dann erzählen, die Bedienung im Nah- und Fernverkehr würde besser, dann stimmt das beim besten Willen nicht.

Ich bin sicher, wir werden uns eines Tages wieder sprechen. Dann werden Sie sehen, dass genau das eingetreten ist, was ich hier gesagt habe.

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um die grundsätzliche Position, die Bahn zu 100 % zu privatisieren, sondern wir wissen sehr wohl, welche Aufgaben wir als Politik wahrzunehmen haben,um infrastrukturelle Belange ausreichend in diesen Prozess mit einzubringen. Das ist der Grund, warum wir seit mehreren Jahren mit so viel Vehemenz zur Trennung von Netz und Betrieb Stellung nehmen.

Um noch einmal auf Herrn Reif und Herrn Boddenberg zurückzukommen: Deswegen hoffe ich, dass es in der Koalition in Berlin tatsächlich gelingt, hier noch eine Veränderung herbeizuführen, um die wichtigen Aufgaben für die Sicherung des Fern- und Nahverkehrs auch tatsächlich sicherzustellen.

Ich will noch auf einen letzten Punkt hinweisen, der auch in unserem Antrag zum Ausdruck kommt. Sie wissen, dass die Länder die Verantwortung für die Regionalverkehre haben. Es gibt eine Passage, mit der wir auf diesen Aspekt in besonderer Weise hinweisen, dass nämlich die Länder auf den Betrieb der Regionalnetze eine Zugriffsmöglichkeit haben. Ich bin der Auffassung, dass die Länder, wenn sie die völlige Zuständigkeit hätten, mehr für den öffentlichen Personennahverkehr sowie den Regionalverkehr tun könnten, als dies im Moment der Fall ist. Deswegen glaube ich,dass es ein sinnvoller Ansatz ist,dies in die Diskussion mit einzubringen. Ich wiederhole deswegen noch einmal: Dies ist der Versuch, eine Verbesserung herbeizuführen, um für den Fern-, Nah- und Güterverkehr etwas zu erreichen.

Frau Kollegin Pfaff – dies nur als abschließende Bemerkung –, ein großer Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Bahn war, dass die Bahn seinerzeit Schenker übernommen hat. Wissen Sie eigentlich, was Sie machen würden? Sie würden, ich sage das etwas salopp, wenn 75 % des Unternehmens in der Obhut des Staates wären, dazu beitragen, dass dies im Nachhinein zu 75 % eine Verstaatlichung von Schenker wäre. Das werden Sie doch beim besten Willen nicht wollen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Schaus für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Aktionsbündnis „Bahn für alle“ ist seit Langem mit lokalen und bundesweiten Aktionen gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn aktiv. Das Aktionsbündnis „Bahn für alle“ fordert dazu auf, sich für eine wirkliche Verkehrswende, eine konsequente Politik für die Schiene und damit für eine „Bahn für alle“ zu engagieren. Diesem Bündnis gehören an: Attac, die Initiative „Bahn von unten“, der BUND, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.,„Bürgerbahn statt Börsenwahn“,EUROSOLAR, die Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien, die „Grüne Jugend Bundesverband“, die GRÜNE LIGA, die IG Metall, die Jusos in der SPD, die Naturfreunde Deutschlands, Robin Wood, „solid“, der Jugendverband unserer Partei, die „Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken“, Umkehr e.V., der VCD-Landesverband Brandenburg und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, ver.di.

Wir stehen mit unserem Nein zu jeder Form der Privatisierung nicht allein da. Wir teilen diese Ansicht mit der Mehrheit der Bevölkerung sowie mit der Mehrheit der Anhänger der CDU, der CSU und der SPD. Wir teilen diese Meinung mit dem Betriebsrat von Railion, der Gütertransportsparte, in Hessen, um nur einige weitere Beispiele zu nennen. Wir sind damit nah bei den Menschen und deren Sorgen.

Privatisierungen haben sich in den allermeisten Fällen als nachteilig erwiesen. Es gibt weltweit kein gelungenes, auf Deutschland zu übertragendes Vorbild einer erfolgreichen Bahnprivatisierung. Dafür gibt es viele negative Beispiele: England, Neuseeland und Argentinien. In Estland hat die Regierung die Wiederverstaatlichung der privatisierten Bahn in Angriff genommen.

(Michael Boddenberg (CDU): Venezuela wahrscheinlich auch noch!)

Wer solche Erfahrungen ignoriert und darauflosprivatisiert, der handelt grob fahrlässig. Was wir bei der heutigen Bahn beklagen, ist größtenteils die Folge der Jagd nach Börsenfähigkeit sowie einer mangelnden Kontrolle des Managements durch den Eigentümer BRD.

(Peter Beuth (CDU): Bundesrepublik Deutschland!)

Die Erfahrungen mit der Telekom, der Post sowie mit anderen Bereichen sprechen eine eindeutige Sprache: Gewinne werden privatisiert, und die Verluste werden auf dem Rücken der Beschäftigten sozialisiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun zum Jamaikaantrag.

(Michael Boddenberg (CDU): Das steht doch gar nicht drauf!)

In Großbritannien ist zu besichtigen, was eine Jamaikakoalition hier anstrebt: die völlige Trennung von Netz und Betrieb, die Liberalisierung und Totalprivatisierung. Vor einer Benutzung muss man aufgrund technischer Mängel warnen, deswegen sollte man dies nur besichtigen.

(Michael Boddenberg (CDU): Was Sie sagen, stimmt nicht! Was Sie aber nun gesagt haben, stimmt im Besonderen nicht!)

Herr Boddenberg, ich möchte Ihnen empfehlen, einmal zuzuhören, denn Ihr Beitrag war in dieser Frage von wenig Sachkenntnis geprägt.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Erfahrene Eisenbahner wissen, dass das System der Eisenbahn ein einheitlicher Organismus ist. Das Unternehmen taugt nicht für neoliberale Spielereien, für eine völlige Trennung und Zerschlagung. Wenn man einzelne Organe abtrennt, dann ist irgendwann einmal der Kollaps vorprogrammiert. Es ist ein längst bekannter neoliberaler Irrglaube, dass der Markt es schon richten und mehr Verkehr auf die Schienen bringen werde. Das funktioniert nicht.Wettbewerb ist die Parole derer,die neue Monopole bilden wollen. Im Schienenverkehr führt die Zerschlagung der alten Bahnen nur zur Herausbildung neuer Monopole. Dahinter stecken dann oftmals Großbanken und Fonds – teilweise auch „Heuschrecken“ genannt.

(Michael Boddenberg (CDU):Ah!)

Ich führe hierzu beispielsweise die First Group, Interessent an der Hessischen Landesbahn, an.

(Zuruf von der CDU)

Hinter Abellio, die bereits in Hessen tätig ist, steckt die Bank of Scotland, die erst in dieser Woche wieder negative Schlagzeilen gemacht hat.

Meine Damen und Herren, wir wissen, wo wir bei der CDU und der FDP dran sind. Es wundert mich aber, dass die GRÜNEN ein Papier unterschreiben, das der Landesregierung eine schienenfreundliche Politik bescheinigt. Die ÖPNV-Ausschreibungspraxis von Herrn Minister Rhiel bedeutet: eine Kostensenkung auf Teufel komm raus, Lohndumping, erhebliche Kritik an der Odenwaldbahn, deren Übernahme durch die VIAS zur Kritik über schlecht ausgebildetes Personal, und am Service führte. Die GRÜNEN sollten vielleicht einmal mit den britischen GRÜNEN reden, denn diese unterstützen die gewerkschaftliche Forderung nach einer Wiederverstaatlichung und Vereinheitlichung der Bahn.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Es gibt Alternativen, und es kann eine Optimierung der Bahn geben, und zwar ohne Kapitalprivatisierung.

(Beifall bei der LINKEN)