Damit kann ich auch ganz kurz den Antrag der GRÜNEN – es tut mir leid, dass ich ihn hier so scharf bewerten muss – bearbeiten.
Gehen Sie doch einmal von der Mär ab, dass sich die privat Versicherten nicht mit den Versicherten allgemein solidarisch zeigten.
Alle Leistungsanbieter sind auf die betriebswirtschaftliche Quersubventionierung durch die Einnahmen aus den Privatversicherungen angewiesen.
Kein einziger Betrieb – ob ein niedergelassener Arzt oder ein Krankenhaus – wäre in der Lage, wirtschaftlich zu existieren, wenn er diese Einnahmen nicht hätte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich glaube,Sie haben diesen Antrag auch nur eingebracht,um die SPD hier etwas in Gewissenskonflikte zu bringen: ob sie diesem Antrag zustimmt oder zu dem hält, was in Berlin beschlossen wurde. Das ist legitim. Das ist in Ordnung. Auch die FDP hat hier versucht, uns ein bisschen zu ärgern.Auch das ist legitim. Das belebt die Debatte.
Während Sie von der FDP immer angeboten haben, zwischen CDU und GRÜNEN Brücken zu bauen, möchten wir Ihnen das herzliche Angebot unterbreiten, in dieser Frage mit unserem Antrag eine Brücke zwischen FDP und GRÜNEN zu bauen.
Wir verstehen aber auch die Sorgen, die im vorliegenden Antrag der FDP, in Stellungnahmen von Landtagen und Landesregierungen von Baden-Württemberg und Bayern zum Ausdruck gebracht werden. Bis November dieses Jahres muss vom Gesundheitsministerium geklärt werden, welche finanziellen Auswirkungen die Einführung des Gesundheitsfonds für die Kassen in einzelnen Bundesländern haben und wie die Belastungsobergrenze von 100 Millionen c im Jahr pro Bundesland eingehalten werden kann, und es muss der bundeseinheitliche Beitragssatz berechnet und genannt werden. Die Fortsetzung der Spekulationen über einen vergleichsweise hohen Beitragssatz verunsichert Arbeitnehmer und -geber in ihrer Funktion als Beitragszahler.
Wie Sie wissen, werden die vom Gesundheitsfonds eingezogenen Beiträge der Versicherten, ihrer Arbeitgeber, der Rentenversicherungsträger sowie die staatlichen Zuschüsse an die Krankenkassen verteilt. Das ist eine Pauschale von etwa 160 c pro Mitglied – modifiziert um Zuund Abschläge, in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht sowie chronischen Erkrankungen der Mitglieder. Diese Gelder werden an die Kassen verteilt. Nach Gutachterberechnungen von Rürup und Wille – publiziert im Januar 2007 – zahlen die Hessen demnach 59 bis 64 Millionen c mehr ein, als ihre Krankenkassen im Land erhalten. Der Redner der FDP hat vorgetragen,
dass von einem Kieler Institut eine dreistellige Millionenzahl publiziert worden sei. Diese Differenz kommt dadurch zustande – das kann ich Ihnen erklären –, dass hierbei der bisherige RSA mit einbezogen worden ist. Die Zahlen von Rürup und Wille betreffen die neuen Zahlen, also diejenigen, die zusätzlich daraufgesattelt werden.
Nach der Konvergenzregelung wären die Belastungen begrenzt und durch Zahlungen des Gesundheitsfonds zu einem kleinen Teil vorübergehend gemildert. Gemäß dem aktuellen Gutachten von Wasem, Buchner und Wille würden die hessischen Krankenkassen einen kleinen Ausgleich erhalten. Es ist für uns trotzdem alarmierend, wenn der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Herr Klusen, in einem „FAZ“-Interview vom 23.02.2008 zu dem Schluss kommt: „Hessen wird zu den Verlierern zählen.“ Wenn dem so wäre – jedoch wäre hierbei schon der Eindruck gefährlich –, wäre das dem Bürger wirklich schwer zu vermitteln. Hessen ist im Länderfinanzausgleich nicht nur der größte Geber; Hessen würde zugleich zum Subventionierer der Krankenkassen der gesamten Nation.
Dies muss verhindert werden. Deshalb muss es begrenzt werden. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten.Am Ende darf es nicht eintreten, dass die Kassen der Nehmerländer den Patienten bessere Leistungen sowie den Leistungserbringern höhere Honorare zahlen können als die der Geberländer.
Es ist bei dieser Diskussion wenig hilfreich, wenn ein im Auftrag der Bundesregierung tätiger Gutachter sagt, dass
er von der Konvergenzregelung eigentlich nicht viel halte. Es ist auch nicht richtig, wenn der Vorsitzende der Bundes-AOK, Herr Ahrens, sagt, man könne den Gesundheitsfonds auch ohne Konvergenzregelung einführen. Dies widerspricht dem, was in Berlin beschlossen worden ist.Es widerspricht auch der Geschäftsgrundlage der Großen Koalition in Berlin. Wir vertrauen natürlich darauf, dass die Bundesgesundheitsministerin uneingeschränkt vertragstreu ist.
Wir vertrauen auch darauf, dass die missverständlichen und zum Teil widersprüchlichen Eindrücke, die durch die Gutachten hervorgerufen worden sind, geklärt werden können. Hier müssen wir in den weiteren Ausschussberatungen gemeinsam aufpassen, Regierung und Parlament, dass die Interessen der Beitragszahler ausreichend berücksichtigt werden. Bei der Wahrung der Landesinteressen ist auch der Fortgang der Diskussion über eine länderübergreifende Haftung bei Insolvenzen von Krankenkassen zu beobachten.
In diesem Zusammenhang müssen wir auch den Vorschlag der Bundesgesundheitsministerin sehr kritisch beachten, Teile der Umsatzsteuer, die den Ländern zustehen, dem Gesundheitsfonds zuzuführen, damit dieser dann allein für die Krankenhausfinanzierung, einschließlich der Investitionen, zuständig sein soll. Wir halten das von der Sache her für problematisch. Wir halten es aber auch deshalb für problematisch, weil dies zu einer neuen Umverteilung zulasten Hessens führen würde, da gerade das Bundesland Hessen in den letzten Jahren sehr viel mehr für die Krankenhausfinanzierung getan hat als der Durchschnitt der Bundesländer.
Ein dringender Klärungsbedarf durch das Bundesgesundheitsministerium besteht bei der Berechnung des bundeseinheitlichen Beitragssatzes. Nach Berechnungen des Instituts für Gesundheitsökonomie in München, bestätigt durch die Berechnungen der großen Ersatzkrankenkassen TKK, KKH und BEK, würde der Beitragssatz 15,5 % betragen. Der derzeitige Durchschnittssatz beträgt 14,8 %. Das würde für 80 % der Bundesbürger eine Beitragserhöhung bedeuten.
Die Bundesregierung bezeichnet dies als unseriöse Spekulation.Das muss aber geklärt werden.Wir haben durchaus Verständnis dafür, dass die Berechnungen Daten erfordern, die jetzt noch nicht vorliegen können. Das wissen wir – gerade aufgrund von externen Fachberatungen, wie etwa über die Einbeziehung chronischer Erkrankungen in den Morbiditätsausgleich. Im zuletzt erschienenen Ärzteblatt wurde unter Experten darüber gestritten, ob Decubitalgeschwüre hier einzubeziehen sind. Das erfordert jedoch Zeit. Letztlich muss die Spekulation beendet werden, damit auch die Unsicherheit beendet sein wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hoffen sehr, dass der heutige Durchschnittssatz nicht überschritten wird, denn nur dann können Wettbewerbselemente entwickelt werden. Ein niedriger Beitragssatz mit Zusatzprämien, Beitragsrückerstattungen sowie einem differenten Leistungsspektrum führt zu einem Wettbewerb, der den jetzigen Wettbewerb durch unterschiedliche Beiträge ersetzen kann. Ein zu hoher Beitragssatz würde dies verhindern. Das wollen wir nicht.
Meine Damen und Herren, die folgenden Punkte müssen vom Bundesgesundheitsministerium unter Mithilfe von externem Sachverstand gelöst werden: keine ungerechtfertigten Belastungen für Hessen sowie die Beitragsstabilität. Erst wenn hierzu zuverlässige Aussagen aus Berlin vorliegen, können wir die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger in Hessen bewerten. Die formulierte Bewertung des Gesundheitsfonds, wie sie uns aufgrund des Antrags der FDP vorliegt, ist für uns – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – nicht zustimmungsfähig, da sie zu pauschal und abschließend ist.
Wir setzen auf sachliche Ausschussberatungen, damit die hessischen Beitragszahler – mit oder ohne Einführung des Gesundheitsfonds – nicht zu den Verlierern zählen werden. – Besten Dank.
Herr Dr. Bartelt, vielen Dank. Meine herzliche Gratulation zu Ihrer ersten Rede in unserem Hause – und dies zu einem Thema, an das sich nicht jeder heranwagt.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass langsam auch bundespolitische Themen Einzug in den Hessischen Landtag halten,weil sie letztlich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes genauso betreffen. Es ist sicherlich auch gut, dass ein so wichtiges Thema wie die Gesundheitspolitik hier einen entsprechenden Raum bekommt. Daher bin ich der FDP-Fraktion für ihren klaren sowie auch der Fraktion der GRÜNEN für ihren inhaltlichen Antrag durchaus dankbar.
Herr Rentsch, es ist mit Ihrem Beitrag sehr deutlich geworden, worum es hier geht. Sie haben davon gesprochen, dass die egoistischen Interessen eines Bundeslandes,nämlich Hessens, in besonderer Weise Berücksichtigung finden sollten. Sie haben damit die Gesundheitsreform, insbesondere den Gesundheitsfonds, kritisiert.
Auch wir kritisieren den Gesundheitsfonds. Damit sind wir nicht alleine, und wir schließen uns der Kritik, die insbesondere seitens der Gewerkschaften gekommen ist, an. Wir sehen das genauso wie Sie, dass nämlich ein bürokratischer Moloch aufgebaut wurde, bei dem es mit dieser entsprechenden Organisationsform letztendlich darum ging – Herr Dr. Bartelt, Sie haben dies bereits dargelegt –, die Bürgerversicherung vom Tisch zu bekommen. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es notwendig und sinnvoll ist, eine Bürgerversicherung einzuführen, in die auch tatsächlich alle einzahlen.
Das ist auch die einzige Gemeinsamkeit, die wir als LINKE mit dem Antrag der FDP haben, nämlich den ersten Satz.
Was Sie wollen, ist deutlich geworden. Herr Rentsch, wenn Sie von Kassensozialismus sprechen, geht es Ihnen in der Tat um die Schaffung einer Konkurrenzsituation bei
Krankheit. Das wollen wir nicht. Wir sehen die Kassen nach wie vor als eine Solidargemeinschaft an, in die alle – ich betone: alle – solidarisch einzubezahlen haben und in gleicher Weise die gleichen Leistungen erhalten – ich sage das ganz bewusst – und sowohl für die gesetzlich Versicherten als auch für die privat Versicherten daraus entsprechende Ansprüche entstehen. Nichts anderes sollte unsere Leitlinie sein; denn Krankheit oder, besser gesagt, Gesundheit ist nicht teilbar. Insofern ist es auch nach wie vor zu kritisieren, dass z. B. wie vor einiger Zeit der Bundesvorsitzende der Jungen Union dafür geworben hat, dass an Achtzigjährigen keine Hüftgelenksoperationen mehr durchgeführt werden sollen.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): So ist das in England! Sozialistisches System! – Peter Beuth (CDU): Das stimmt doch gar nicht! Das ist falsch!)
Ich diskutiere über Deutschland und über die Junge Union. Herr Hahn, ich würde das in England genauso kritisieren,
wenn es wie in Deutschland nicht vorgenommen werden würde. Aber ich nehme zur Kenntnis, dass Sie das für Deutschland rechtfertigen,wenn Sie hier England ansprechen.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein! Das sind die Folgen eines sozialistischen Systems! – Gegenruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD): Ha, ha, ha!)
Das ist doch Unsinn. Herr Hahn, Gesundheit und Krankheit sind unteilbar. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso es in konkreten Krankheitsfällen ein Einoder Zwei- bzw. Dreiklassensystem geben soll, das dazu führt, dass unterschiedliche Behandlungen und unterschiedliche Gesundungen erfolgen bzw. die Krankheit fortbesteht.
Die gesetzliche Krankenversicherung ist eine wichtige Grundlage unseres Solidarsystems. Sie muss solidarisch ausgebaut und weiterentwickelt werden. Aus unserer Sicht ist es auch nicht sinnvoll, dass die Krankenkassen in der Höhe ihres Beitrages konkurrieren, sondern die Kassen sollten über ihre Angebote, über ihren Service, über Präventionsmaßnahmen konkurrieren, um Krankheiten zu vermeiden und die Gesundheit zu erhalten. Da muss viel mehr investiert werden, als das in der Vergangenheit der Fall war. Deshalb sprechen wir uns auf der Grundlage dessen, was Sie, Frau Schulz-Asche, hier vorgetragen haben und was auch in dem Antrag der GRÜNEN steht, dafür aus:Wir wollen, dass die Einbeziehung aller Bürgerinnen und Bürger in eine Solidarkasse erfolgt. Wir wollen auch die Berücksichtigung aller Einkommensarten bei der Beitragserhebung. Es ist nicht einzusehen, wieso diejenigen, die über Kapitalvermögen und Gewinne daraus verfügen, hier nicht einbezogen werden sollten.
Wir wollen an dem Grundprinzip einer paritätischen Finanzierung bei Einkommen von abhängig Beschäftigten festhalten.Aber – das sage ich auch ganz besonders an die Adresse der GRÜNEN – wir wollen auch, dass die Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben wird, damit z. B. wir als Abgeordnete nach unseren Abgeordnetenentschädigungen in angemessener Weise, d. h. in höherer Art und Weise, in die gesetzliche Krankenkasse einbezahlen. Das alles muss genauso gewährleistet sein wie die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und nicht erwerbstätigen Ehegatten und Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern.