Meine Damen und Herren, wir wissen daher längst: Sport findet nicht im politikfreien Raum statt. Die Olympischen Spiele sind an Peking in der klaren Erwartung vergeben worden,dass die Verbesserung der Menschenrechtslage in China zügig voranschreitet. Für China liegt in der Ausrichtung dieses, wie man sagt, Festes der Jugend der Welt die große Chance, sich als selbstbewusstes, aufgeklärtes und offenes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft zu präsentieren. Ich halte es deshalb für einen Fehler der chinesischen Staatsführung, den Dialog mit dem Dalai Lama zu verweigern.
Meine Damen und Herren, China könnte manche Irritationen der internationalen Staatengemeinschaft vermeiden, wenn es sich auf das Angebot des Friedensnobelpreisträgers zur friedlichen Beilegung des Tibetkonflikts einließe. Damit wir auch richtig verstanden werden: Niemand wird dabei von den Chinesen verlangen,ihre Selbstachtung aufzugeben. Unser gemeinsamer Antrag betont daher ausdrücklich, dass beide Seiten den Willen zum Kompromiss aufbringen müssen. Sollten unsere Sportler die Olympischen Spiele wegen der Ereignisse in Tibet boykottieren? Der Dalai Lama sagt: „Nein.“ Die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist für jeden Sportler, wir wissen es, ein Höhepunkt seiner sportlichen Karriere. Monate-, manchmal auch jahrelang haben sich unsere Athleten darauf vorbereitet. Wir sollten von ihnen nicht erwarten, dass sie ihren olympischen Traum um der Politik willen aufgeben.
Aber wir sollten vom IOC verlangen, dass es den olympischen Geist, den Geist von Frieden und von Völkerverständigung nicht verrät. Was wir in den vergangenen Wochen von führenden Vertretern des IOC zu hören bekommen haben, war ärgerlich.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Unser gemeinsamer Antrag bestärkt daher die Sportlerinnen und Sportler darin, als Botschafter der Völkerverständigung die gesellschaftspolitische Dimension des Sports zu nutzen. Der olympische Gedanke verlangt fairen Wettkampf, aber auch den Geist der Freiheit und der Achtung der Menschenrechte.Meine Damen und Herren,das ist das Signal, das von dieser Landtagsdebatte heute hier ausgehen soll.
Noch eingegangen ist ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Annexion von Tibet durch China vor mehr als 50 Jahren war und ist ein trauriges Symbol für eine Unterdrückungspolitik, die die kulturelle Identität eines Volkes zerstören will, die den Tibetern Selbstbestimmung und Grundfreiheiten verweigert. Nicht nur in Tibet, sondern auch in anderen Provinzen, wie z. B. in Xinjiang, werden religiöse und sprachliche Minderheitsrechte verweigert, wird in gleicher Art und Weise versucht, die Bevölkerung zu assimilieren, obwohl der Schutz der kulturellen Identität ein essenzielles Menschenrecht ist.
Ich denke, nicht erst jetzt, aber besonders durch die Vorfälle in Tibet, fällt das Licht auf eklatante Menschenrechtsverletzungen in China und seinen Provinzen. Je näher die Sommerspiele heranrücken,desto deutlicher wird, dass die Hoffnungen, die sich mit der Vergabe der Olympischen Spiele nach Peking verbunden haben, nämlich die Verbesserung der Menschenrechtssituation, bisher nicht erfüllt sind. Das zeigt sich ganz besonders an der harten und indiskutablen Niederschlagung der Proteste in Tibet.
(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordne- ten der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte den Fokus des Antrages aber durchaus öffnen. Es geht genauso um die Umsiedlung und die Assimilierungsversuche in anderen Provinzen. Es geht um die Verhaftung von Regimekritikern und Menschenrechtlern, wie dem Aids-Aktivisten Hu Jia, oder kritischer Journalisten. Es geht um den traurigen Spitzenplatz, den China mit der weltweit höchsten Zahl an Hinrichtungen hat.
Es geht um nicht weniger als um den Schutz und die Universalität der Menschenrechte, wie es Kollege Wagner angesprochen hat. Ich denke, es geht auch um die internationale Glaubwürdigkeit. Wir sind im 60. Jahr der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Gerade in diesem Jahr darf der Universalitätsanspruch der Menschenrechte in dieser Frage nicht vergessen werden. Er darf unter keinen Umständen wirtschaftlichen, politischen oder sportlichen Erwägungen geopfert werden.
Die Politik ist gefordert, klare Zeichen zu setzen – ob bei den wirtschaftlichen, den politischen oder den kulturellen Kontakten. Die Menschenrechtsfrage darf nicht außen vor bleiben. Es bedarf einer unmissverständlichen Sprache im Dialog mit der chinesischen Regierung. Ich denke, da hat das IOC eine besondere Verantwortung. Das IOC muss in der Tat dazu beitragen, dass die Olympischen Spiele nicht zu Propagandazwecken der chinesischen Regierung missbraucht werden. Ich glaube, dass die jüngste Aufforderung von IOC-Präsident Jacques Rogge, die Menschenrechtslage in China zu verbessern, mehr als überfällig war.
Aber sie war auch halbherzig. Denn ich vermisse leider noch immer unmissverständliche Anforderungen an die Veranstalter, Gewalt und Verhaftungen in Tibet und gegen Regimekritiker einzustellen.
Ich vermisse auch eine harte Zurückweisung, wenn die chinesische Regierung für sich beansprucht, Politik von den Olympischen Spielen fernhalten zu wollen. Nein, der Dialog mit der chinesischen Regierung braucht klare Worte, etwa zur Ausweisung der ausländischen Journalisten. Es braucht klare Anforderungen an die Menschenrechtssituation. Der sofortige Stopp von Gewalt und Unterdrückung, die Öffnung Tibets und anderer Provinzen für Journalisten und eine freie Berichterstattung sind für uns absolute Mindestvoraussetzungen für die Durchführung der Olympischen Spiele. Sonst verliert die olympische Idee, sonst verliert auch die demokratische Staatengemeinschaft jegliche Glaubwürdigkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, trotz allem kann Olympia immer noch eine Chance sein,eine Chance, die Menschenrechtslage in Tibet und in China in die Öffentlichkeit zu tragen, eine Chance, die chinesische Führung zu Gewaltverzicht und klaren Zusagen zu bringen, und auch eine Chance, der kulturellen Identität der Tibeter endlich auch in China Anerkennung zu verschaffen.
Das möchte ich auch betonen: Keine wirtschaftlichen und sozialen Verbesserungen, so gut sie in Tibet auch sind, können dieses essenzielle Menschenrecht ersetzen. Da unterscheiden wir uns eindeutig auch vom Änderungsantrag der LINKEN, den wir ablehnen.
60 Jahre nach der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen wollen wir uns heute auch noch einmal – ich freue mich, dass das in breiter Zustimmung des Hauses passiert – zur Unteilbarkeit der Menschenrechte bekennen. Ich hoffe und wünsche, dass die große Kulturnation China mit ihren internationalen Verflechtungen erkennt,dass nur mit unteilbaren Menschenrechten,nur mit Meinungsfreiheit und einer Öffnung des Landes ein friedliches Zusammenleben möglich ist, eine gute wirtschaftliche und soziale Entwicklung dauerhaft gesichert werden kann. Deswegen ist auch unser Wunsch, dass die chinesische Regierung die Hand des Dalai Lama, die dieser schon 1987 mit seinem Fünf-Punkte-Friedensplan ausgestreckt hat, aufnimmt und einen ernsthaften Dialog zur Verbesserung der Lage in Tibet führt. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Everts. Es war die erste Rede der neuen Kollegin. Dazu herzlichen Glückwunsch des ganzen Hauses.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Everts, das war nicht nur die erste Rede, sondern, wie ich finde, war es auch eine sehr gute Rede, der ich mich, auch inhaltlich, anschließen kann.
Auf jeden Fall denke ich, dass Frau Everts das gesagt hat, was uns allen in Bezug auf die Lage in Tibet am Herzen liegt.
Auch der Parteirat meiner Partei hat sich am letzten Wochenende mit dem Thema der Menschenrechtsverletzungen in China befasst. Deshalb möchte ich mich noch einmal auf einige, vielleicht andere Blickwinkel zu dieser Frage konzentrieren.
In einer globalisierten Welt, ich denke, gerade auch in einer medial globalisierten Welt ist es unabdingbar, dass die Öffentlichkeit beobachtet, bewertet, sich zu Wort meldet und auch protestiert.Es ist gerade Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder „Reporter ohne Grenzen“ zu verdanken, dass wir weltweit überall dort, wo Menschenrechtsverletzungen stattfinden, unser Augenmerk hingelenkt bekommen. Ich denke, gerade diesen Nichtregierungsorganisationen ist für ihren unermüdlichen Kampf für die Menschenrechte auch zu danken. Der Kampf für diese universell geltenden Menschenrechte ist unweigerlich auch mit der Freiheit von Journalistinnen und Journalisten verbunden, über die Situation zu berichten.
Sie bleiben unteilbar und aus keinem Grund relativierbar. Deswegen werden wir auch den Änderungsantrag der Linkspartei ablehnen.
Den Kampf für die Einhaltung der Menschenrechte glaubhaft zu führen bedingt meiner Ansicht nach auch, dass man in diesem Kampf selbst die Menschenrechte achtet.Ich glaube,es ist gerade die Stärke des Dalai Lama, dass er sein Anliegen in den letzten Jahrzehnten mit einer solchen Konsequenz,auch einer Konsequenz in Bezug auf Gewaltfreiheit vorgetragen hat. Das ist sicher ein Grund für seinen Bekanntheitsgrad und für seine Beliebtheit gerade auch in Hessen. Er und seine Art und Weise, die Interessen des tibetischen Volkes auf die Tagesordnung zu setzen, sind ein Zeichen und für alle Menschen die Hoffnung, dass gerade Ziele, die man glaubt, kaum erreichen zu können, auch mit gewaltfreien Mitteln auf lange Sicht durchsetzbar sein könnten. Dieses Ziel zu unterstützen ist auch die Aufgabe des Hessischen Landtags. Das wollen wir mit unserem Antrag heute erreichen.
China hat in den letzten Jahren in ökonomischer, sozialer, zum Teil auch in ökologischer Hinsicht eine enorme Entwicklung hinter sich gebracht. Es ist nicht zu leugnen, dass es auch im Bereich der Menschenrechte Verbesserungen gab. Die Vergabe der Olympischen Spiele nach Peking – ob zu Recht oder zu Unrecht, lässt sich vielleicht später einmal leichter sagen – war mit der Hoffnung verbunden,
diesen Prozess zu fördern und zu beschleunigen. Ich glaube, dass die chinesische Regierung sicher nicht klug beraten ist, erste Erfolge gerade im Vorfeld der Olympischen Spiele rückgängig zu machen oder ihr Vorgehen zu verschärfen.
Die Achtung der Menschenrechte einschließlich der freien Meinungsäußerung sind Bedingungen an ein Land, das die Welt bei sich zu Gast heißen möchte. Eine weitere Zuspitzung der dramatischen Lage in Tibet, aber auch in anderen chinesischen Provinzen kann nur durch die Bereitschaft aller Seiten zum Dialog verhindert werden. Es ist die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, diesen Dialog zu erleichtern und zu fördern, und dazu gehört sicher auch, dass man jeder Seite die Möglichkeit gibt, nicht das Gesicht zu verlieren. Zwischen Schweigen und Boykott der Olympischen Spiele gibt es derzeit immer noch viele Möglichkeiten. Hier ist Diplomatie, aber offensichtlich auch Druck gefragt. Das ist vorrangige Aufgabe der Politik. Ich denke, wir sollten alle darauf achten, dass die Sportlerinnen und Sportler mit ihrem Wunsch, ein Zeichen für die Einhaltung der Menschenrechte zu setzen, nicht alleingelassen werden.
Auch die deutschen Unternehmen in China – es gibt inzwischen vielfältige Kontakte – sollten ihre Möglichkeiten nutzen. Das gilt übrigens nicht nur für die Sponsoren. Wenn der durchaus richtige Satz vom Wandel durch Annäherung nach wie vor gelten soll, muss beim Engagement der deutschen Wirtschaft in China auch deutlich werden, dass man sich neben den Geschäften auch für eine weltoffene und demokratische Gesellschaft einsetzt.
Im globalen Machtgefüge hat sich China in den letzten Jahrzehnten einen neuen Platz erobert, und die Diskussion über die Olympischen Spiele, den Umgang mit Tibet, aber auch über die Rolle in anderen Regionen der Welt, vor allem in Afrika – dafür haben wir in dieser Woche auch wieder aktuelle Beispiele gehabt –, zeigt, dass wir international noch keine geeignete gemeinsame Plattform der Diplomatie und des Dialogs mit China gefunden haben.
Ich glaube, dass das eine sehr große Herausforderung für die Zukunft ist, und zwar eine Herausforderung auf allen Ebenen, von Sportlern über Politiker bis hin zur Wirtschaft. Diese Verantwortung wird nicht mit den Olympischen Spielen im Jahr 2008 enden. Ich habe eher den Eindruck, dass sie erst beginnt, weil wir jetzt Formen finden müssen, gemeinsam eine Zuspitzung der Lage in Tibet zu verhindern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sich die Menschenrechtssituation in China nachhaltig verbessert. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.