Protocol of the Session on April 23, 2008

auseinandersetzen, wenn man den „Grünen Flughafen“ mit seinen Lärmentwicklungen, seinen

Lärmemissionen, zu einem lebenswerten Stadtteil in sich und für die Region machen will.

Meine Damen und Herren,das ist eine Contradictio in adjecto, also ein Widerspruch in sich.Wir alle – wir GRÜNE im Besonderen – schimpfen darüber, dass durch die ständige Vermehrung des Flugverkehrs sowie durch die nun getroffene Planfeststellungsentscheidung, über deren Schicksal man noch nichts Abschließendes weiß, die Verlärmung deutlich zunimmt. Da kann man nicht von einem lebenswerten Stadtteil sprechen. Haben Sie heute in der „Frankfurter Rundschau“ gelesen, welche Diskussionen es in diesem Zusammenhang gibt? – Dort soll überhaupt niemand leben, und dort kann auch niemand leben.Wenn man eine Bauausstellung darauf gründet, dass man unter dem Namen „Airport City“ sozusagen einen lebenswerten Stadtteil schaffen will, dann erzählt man Unfug.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das macht mich skeptisch. Daher hat Herr Kollege Schäfer-Gümbel natürlich recht, wenn er sagt, dass man hier noch vieles machen müsse. Sehr verehrter Kollege, ich verstehe jedoch nicht, weshalb Sie sagen, die Machbarkeitsstudie sei eine erste Heranführung an dieses Thema.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Ich habe nach diesem Zitat sowie einigen anderen Äußerungen von Herrn Prof. Jourdan eher den Eindruck, dass dies ein Stück weit eine Wegführung von diesem Thema ist. Wenn der „Grüne Flughafen“ – das stand im Mittelpunkt – als eines der wenigen Projekte mit dem Stichwort „Airport City“ die einzige Neuerung bedeutet,dann stelle ich fest: Es ist ansonsten ein Sammelsurium vorhandener Landschaftselemente sowie dieser und jener Aspekte, die wir bereits alle kennen und die man vielleicht addieren könnte. Aber am Ende bringt das keine neue Qualität. Daher stimmt es mich eher skeptisch. Ich bin nicht der Meinung, dass es etwas voranbringt.

Meine Damen und Herren, es wird an dieser Stelle deutlich: Letztendlich fehlt es an der überzeugenden Konzeption. Wir haben bislang in mehreren Beiträgen etwas von einer Verbindung zu dem gehört, was im kulturellen Bereich stattfindet.Aber es geht bei der IBA am Ende nicht nur um diese kulturelle Frage, sondern es geht im Prinzip um eine planerische Frage. Es geht um das Weiterbringen sowie um eine Modellsetzung für die Region. Man fragt sich, an welchem Bild sie sich eigentlich orientieren soll.

Daher habe ich etwas Ähnliches gemacht wie Frau Kollegin Beer. Ich habe mir noch einmal die Historien der Internationalen Bauausstellungen angeschaut, die es bereits gegeben hat. – Frau Kollegin Beer, die erste Internationale Bauausstellung fand nicht im 19., sondern im 20. Jahrhundert – im Jahre 1901, was im 20. Jahrhundert ist – statt. Das ist kein ernsthafter Streitpunkt.

Wenn wir uns z. B. die Mathildenhöhe anschauen, dann finden wir das bis heute gut. Wenn wir uns ein anderes Beispiel anschauen, das auch während der Anhörung sowie vorhin genannt wurde, nämlich die Internationale Bauausstellung im Jahre 1957 in Berlin, was auch unter dem Namen Hansaviertel bekannt ist, dann stellen wir fest,dass es sich um eine Entwicklung handelt,von der wir heute sagen: Wie konnte man jemals auf die Idee kommen, dass dies ein menschengerechtes Wohnen ist? Es ist ein Problem, welches wir gerade in der Rhein-Main-Region an vielen Stellen, bis hin zu den Kleinstädten, haben

dass es nämlich für Familien keine angemessenen Wohnungen sind.

Ich sage heute dazu, es war ein Irrweg. Das haben wir nun erkannt. Dies bedeutet aber: Es ist nicht richtig, dass jede Internationale Bauausstellung von vornherein sozusagen etwas bleibend Positives macht. Es hat auch hierbei – wie wäre es in Anbetracht des menschlichen Tuns anders denkbar – Irrtümer gegeben. Daher muss man bei der Vorplanung einer solchen Überlegung für unseren Bereich darüber nachdenken, was man vermeiden muss und wohin es gehen kann. Ich denke, es kann am Ende nicht sein, dass wir unter dem Siegel IBA nur noch versuchen, Herrn Dr. Bender von Fraport dabei zu helfen, seine Airport City möglichst rasch zu vermarkten sowie dies mit der einen oder anderen Zutat aufzuwerten, was dann möglicherweise Steuergelder kosten wird.

Welche Internationalen Bauausstellungen hatten wir in der jüngeren Vergangenheit? Es ist erstens bereits der Emscher Park erwähnt worden. Welche Überlegungen wurden hier angestellt? Es handelte sich um die Umgestaltung einer Industrielandschaft, nachdem die Industrie weitgehend weg gewesen ist. Es ging in Richtung Dienstleistung, Erfüllung kultureller Bedürfnisse sowie um eine lebenswerte Weiterentwicklung.Dies hat gut funktioniert.

Wir haben zurzeit zweitens das Fürst-Pückler-Land, auch das ist bereits erwähnt worden. Hierbei geht es ausnahmsweise um etwas, was hier niemand Metropole nennen kann.Es geht eher um die Landschaftsgestaltung,und zwar um eine traditionelle Fortsetzung der Landschaftsgärten. Daher hat man das Fürst-Pückler-Land ausgewählt;es geht sozusagen um eine Gestaltung unter diesem Autor.

Dann haben wir in Hamburg das Thema, das auch schon angesprochen worden ist. Da ist sicherlich etwas vorhanden, was von vielen dieser Planer gerne Metropole genannt wird. Da geht es um die Aspekte Stadt im Klimawandel und Metro-Zone, d. h. Stadt in der Stadt. Das dritte Thema ist die Vielfalt: aus der Vielfalt die Stärke zu gewinnen. Man könnte sagen, dass das einige Beispiele sind, die wir aufgreifen könnten. Frankfurt/Rhein-Main ist eine polyzentrische Region – unstrittig. Dann frage ich nur: Ist sie tatsächlich so einmalig in Europa, wie Herr Jourdan behauptet? Dann wäre ihr Beispielwert vergleichsweise gering. Denn wenn es dies kein zweites Mal gibt, kann man es nicht als Beispiel für andere nehmen. Das macht ein gewisses Problem aus. Aber zu der Frage, wo an dieser Stelle das Leitbild sein soll, um diese Region weiterzuentwickeln, gibt es keine klare Aussage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wollen uns dem Thema positiv nähern. Wir sagen aber: Die Diskussion zum gegenwärtigen Zeitpunkt darf auf keinen Fall bedeuten, dass man hektisch irgendetwas zusammenkratzt und sagt:„Das machen wir jetzt.“ Denn dann kommt am Ende nichts weiter heraus als ein Desaster.

(Beifall der Abg.Axel Wintermeyer (CDU) und Nicola Beer (FDP))

Wir GRÜNE haben den Eindruck, dass die Diskussion über die IBA ein Stück weit eine Ersatzhandlung ist. – Herr Kollege Wintermeyer,Sie werden gleich aufhören zu nicken.

(Axel Wintermeyer (CDU): Zwischendurch darf man aber doch mal nicken!)

Die Organisation der Region Rhein-Main ist unter der Regie von CDU und von CDU und FDP bisher nicht gelungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das, was uns das Ballungsraumgesetz geliefert hat und womit der Planungsverband sich mühsam abquält, ist das Gegenteil einer sinnvollen Zusammenführung einer Region.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Deswegen gab es immer wieder Ansätze: Kann man denn nicht zusätzliche geistige Substanz hineinfüllen? Da war der gescheiterte Ansatz Metropolitana. Da war der nicht erfolgreiche Versuch Kulturhauptstadt. Da war die Olympiabewerbung. Jetzt sind wir an vierter Stelle bei der IBA. Da sagen wir ganz klar: Das kann es nicht bringen. Wenn die Region das Thema braucht – wir sagen sehr deutlich: sie braucht es –, dass sie mit einer Stimme spricht, dass sie sich organisiert, müsste es eigentlich andersherum sein. Dann müssen wir politische und organisatorische Voraussetzungen schaffen, Stichwort: Regionalkreisdebatte, und damit weiterkommen und dann sagen: Auf dieser Basis kann man einen Weg finden, wie man das sinnlich wahrnehmbar darstellen kann. Das wäre unter Umständen ein Ansatz. Aber eine Ersatzvornahme durch die IBA anstelle einer Regionalreform wird – das ist unsere Prognose – wahrscheinlich schiefgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht wäre eine Voraussetzung für ein Projekt wie die IBA, weil wir an dem Stand sind, wo wir sind, eine Prozesshaftigkeit des Verfahrens. Ich gebe zu, man muss nicht als Allererstes eine Gesellschaft gründen.Aber man muss ein Verfahren finden, damit man die tatsächlichen Akteure – und nicht nur die Großakteure, die jeder schon kennt, sondern auch andere – von der Basis her einbeziehen kann, damit tatsächlich eine Gemeinsamkeit entstehen kann.

Man muss auch sagen, um welche Themen es gehen soll. Ich würde sagen: Die Bewältigung des Klimawandels in einer Stadtlandschaft – die nicht so geballt ist wie die, mit denen wir uns immer gern vergleichen:Paris, London usw. – ist sicher ein Thema. Meine Damen und Herren, der Umgang mit dem demografischen Wandel ist ein weiteres Beispiel.Wir GRÜNE sagen nicht,dass wir ein Modell haben wollen, nach dem am Ende die Saugkraft der RheinMain-Region immer größer wird und der Rest des Landes immer mehr entvölkert wird, wofür es durchaus Tendenzen gibt,sondern wir sagen:Man muss auch darüber nachdenken, wie man, auch aus der Sicht der Metropole heraus, aus dem Zentrum der Region heraus, sicherstellen kann, dass wir in den ländlichen Regionen Lebensverhältnisse behalten, dass es sich für die Leute lohnt, dort weiter zu bleiben. Insoweit kann man nicht einseitig nur die Rhein-Main-Region betrachten. Es ist schon gesagt worden: So elend geht es uns nicht, dass schon die Füße im Feuer stehen und man ganz schnell irgendetwas machen muss. Es ist richtig, dass man eine Idee haben sollte.Aber es ist genauso richtig, dass man ein Konzept braucht, in welche Richtung man marschieren will.

In dem Antrag der SPD ist das unter dem Stichwort „Entwicklungsmodell der sozialen Moderne“ tituliert worden. Ich könnte jetzt frech sein und sagen:Es ist für mich schon nicht übermäßig begeisternd, dass die soziale Moderne

bei der SPD automatisch mit Bauen und damit gleich mit Beton verbunden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn für uns steht für Moderne etwas anderes. Die Moderne im positiven Sinne wäre eine Symbiose von Schöpfung und Wertschöpfung oder, anders ausgedrückt: von der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, die gleichzeitig konstitutionell für eine humane und solidarische Gesellschaft ist, die auch ökonomisch erfolgreich sein soll und will.

(Michael Boddenberg (CDU): Muss!)

Das wäre das Ziel. Das kann nicht heißen, um den Kreis zu dem Anfang meiner Rede zu schließen: „Airport City ist der Kernbereich der Internationalen Bauausstellung“, wie es sich im Konzept liest, sondern das Zentrum der Region Frankfurt/Rhein-Main ist nach unserer Auffassung immer noch am Frankfurter Römerberg und nicht am Aufsetzpunkt von 25 L oder R. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kaufmann, vielen Dank. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Schäfer-Gümbel zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Frank Kaufmann, es ist wie fast immer, wenn du redest: am Anfang große Erheiterung und am Ende gelegentlich auch ein bisschen Ärger. Deswegen möchte ich gerne drei Bemerkungen machen.

(Michael Boddenberg (CDU):Was ist denn da los?)

Zu der Frage der Heranführung der Machbarkeitsstudie möchte ich dir gerne Folgendes auf den Weg geben, damit es im Protokoll auch überhaupt keine Irritationen gibt: Herr Corts, der ehemalige Wissenschaftsminister,

(Michael Boddenberg (CDU): Guter Mann!)

hat im Plenarsaal einmal erklärt, dass die Studie von Herrn Jourdan nichts Besseres als eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sei, so das wörtliche Zitat. Ich maße mir so etwas nicht an.Aber genau die Punkte, die du eben beschrieben hast, machen deutlich, warum die Machbarkeitsstudie keine hinreichende Plattform dafür ist, als Handlungsrahmen, als Masterplan, oder wie auch immer, für eine IBA Rhein-Main zu stehen, sondern bestenfalls mit dem Bild der Landschaftsstadt einen möglichen konzeptionellen Ansatz bietet, mehr aber auch nicht. Man hätte das sicherlich sehr viel deutlicher und prägnanter sagen können. Ich wollte es ein bisschen diplomatischer sagen. Jetzt mache ich einen Nachtrag, damit das klar ist.

Das gilt insbesondere auch für die Frage, ob Airport City der Fokus der IBA Rhein-Main ist.Genau das ist nicht unser Thema. Ich habe mehrfach darauf verwiesen: Es geht um ein neues Entwicklungsmodell und um die Frage, was Bauen, soziale Moderne und soziale Lebensverhältnisse miteinander zu tun haben. Das klären wir vielleicht einmal beim Essen, denn das würde in der Tat zu weit führen.

Aber es geht genau um die Verbindung von Leben, Arbeit, Umwelt und Verkehr, nämlich um die Frage, wie bei

spielsweise die Funktionstrennung von Wohnen und Arbeit aufgehoben wird, wie wir andere konzeptionelle Antworten finden und dann auch konkret umsetzen. Deswegen ist Airport City ausdrücklich nicht das Thema.Deswegen ist auch das, was Herr Jourdan zum Thema grüner Flughafen schreibt, aus meiner Sicht, mit Verlaub, Unfug. Es ist überhaupt nicht tragfähig,auch wenn es der Versuch war, die Region sozusagen philosophisch zu befrieden.

Letzter Punkt: die Frage des Leitbildes.Wir haben im Moment noch kein Leitbild. Aber die IBA bietet als Modellausstellung – –

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Schäfer-Gümbel, Sie müssen zum Schluss kommen. Die zwei Minuten sind um.

Ich komme zum Ende. – Das ist eben keine Antwort. Klar ist: Die IBA ist kein Ersatz für die Verfasstheit dieser Region. Das Thema werden wir an anderer Stelle klären.

(Beifall bei der SPD)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz: