Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Debatte um die Konstruktion der Stiftungsuniversität Frankfurt hat die SPD-Fraktion allzeit deutlich gesagt, dass für sie die Frage der Rechtsform der Hochschulen des Landes
Hessen – und eine solche bleibt die Stiftungsuniversität Frankfurt zweifellos – nicht das primäre Kriterium ist, sondern vielmehr die Frage, was an diesen Hochschulen passiert, ob sie den Kriterien genügen, die man an zukunftsfähige Hochschulen stellen muss.
Zur Freiheit der Hochschulen, gerade auch der Universität Frankfurt, gehört natürlich, dass sie eine Vielzahl von Fragen selbst entscheiden können. Genauso gehört aber dazu, dass das Land, das den ganzen Laden bezahlt – insofern ist die Bezeichnung Stiftungsuniversität ein wenig irreführend, denn auch diese Hochschule existiert ausschließlich dadurch, dass sie aus Steuermitteln finanziert wird und aus Steuermitteln ein Stiftungskapital bekommen hat –, daraus einen Anspruch auf Mitsprache bei wesentlichen Fragen ableiten kann und dies gesetzlich nicht nur regeln darf, sondern, davon bin ich überzeugt, gesetzlich sogar regeln muss.
Ich vernehme mit Freude die große Übereinstimmung mit der FDP, liebe Nicola Beer. Natürlich wollen auch wir an Hessens Hochschulen die besten Köpfe haben. Da in einem Nebensatz angedeutet wurde, dass wir über das Kapazitätsrecht reden müssen, sage ich: Wir müssen unbedingt über das Kapazitätsrecht reden. Ob eine hessische Regelung das Gelbe vom Ei ist oder ob man vielleicht eine bundesweite Entwicklung haben möchte, ist zu hinterfragen. Wir haben schon vor zehn Jahren vorgeschlagen, dieses vorsintflutliche Instrument einer Überprüfung zuzuführen. Aber auch darüber werden wir uns sicherlich verständigen.Entscheidend ist doch – eigentlich ist das doch ein geradezu liberaler Ansatz –, dass die Besten weiterhin einen freien Zugang zu den Hochschulen haben. Genau darum geht es.
Meine Damen und Herren, gerade die Reduktion auf ein formales, in seinen Auswirkungen offenkundig überhaupt nicht überprüftes, durch die Universität Frankfurt auch gar nicht rechtfertigbares oder empirisch belegbares Kriterium widerspricht dem Gedanken, dass der freie Zugang der Besten zu den Hochschulen auf diese Weise geregelt werden kann. Der Ausschluss des Zugangs zur Universität Frankfurt für Menschen, die „nur“ über eine Fachhochschulreife verfügen, widerspricht vollständig dem Gedanken der Durchlässigkeit, bei dem in der Vergangenheit in diesem Hause große Einigkeit bestand, als wir z. B. die Meisterbriefe zu einer ausreichenden Qualifikation für den Hochschulzugang erklärt haben.
Nein, meine Damen und Herren, es kommt darauf an, dass die Hochschulen, wenn sie denn selber auswählen dürfen, nachvollziehbare Qualitätsparameter anwenden und ihre Wahl gerade nicht auf formale Vereinfachungen reduzieren.
Deshalb halten wir die Frankfurter Entscheidung für nicht richtig und für überprüfungsbedürftig. Deshalb werden wir mit Interesse der Beratung im Ausschuss und einer Anhörung entgegensehen, von der wir uns Hinweise erhoffen, wie die Qualität unserer Hochschulen durch qualitätsvolle Zugangskriterien erhöht werden kann.
Eines ist allerdings klar – da stimme ich Sarah Sorge voll und ganz zu –: Das Hessische Hochschulgesetz ist in den letzten Jahren Entwicklungen unterworfen gewesen, die dringend einer Erneuerung und Revision bedürfen. Deshalb ist es tatsächlich ein wenig unangemessen, mit hüb
schen kleinen Facetten daherzukommen, mit einer nach der anderen. Damit könnten wir uns jahrelang beschäftigen, am Ende würde doch nicht alles zusammenpassen. Nein, die SPD-Fraktion spricht sich entschieden dafür aus, dass wir das Hessische Hochschulgesetz einer vollständigen und grundsätzlichen Novellierung unterwerfen – gemeinsam mit den Präsidien, mit den Hochschullehrern, mit den Senaten, mit dem Mittelbau, mit den gesellschaftlich relevanten Gruppen und, was gerne vergessen wird, allen voran gemeinsam mit den Studierenden. Der Zweck der Hochschulen ist nämlich zuallererst, Studierende optimal auszubilden. Da gibt es eine Vielzahl von Punkten, an denen wir arbeiten müssen, die innerhalb von fünf Minuten nicht einmal grob anzureißen sind. Deshalb will ich das jetzt gar nicht tun.
Wir sehen mit großem Interesse den Beratungen zu diesem Gesetzentwurf entgegen, und wir hoffen, dass man auch in Frankfurt ein Einsehen hat, dass sich die Besten nicht mit einfachen formalen Regeln erfassen bzw. die anderen so einfach ausschließen lassen.
Danke sehr, Herr Dr. Spies. – Ich darf Frau Kühne-Hörmann für die Fraktion der CDU das Wort erteilen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Spies, das, was Sie eben vorgetragen haben, hat mich sehr verwundert. Ich weiß nicht, ob an Ihnen in den letzten Jahren vorübergegangen ist, dass alle Hochschulen – das ist Bundesrecht – 60 % ihrer Studierenden auswählen dürfen. Das, was Sie eben vorgetragen haben, war das genaue Gegenteil. Sie scheinen das überhaupt nicht bemerkt zu haben.
Die Stiftungsuniversität ist in Hessen die Hochschule mit den meisten Freiheiten. Deswegen gehört dazu auch, den Hochschulzugang selbst zu gestalten. Die Universität in Frankfurt hat das Stiftungsmodell selbst vorgeschlagen und begleitet, und sie hat natürlich auch die Gelegenheit genutzt, von ihrer Autonomie Gebrauch zu machen und diese ernst zu nehmen.
Von SPD und GRÜNEN ist insbesondere der Senat der Universität immer wieder als das demokratisch legitimierte Gremium hervorgehoben worden, das Beschlüsse für die Universität fassen kann. Deshalb will ich aus der Stellungnahme der Senatskommission der Johann Wolfgang Goethe-Universität zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes eine Passage zitieren – mit Erlaubnis des Präsidenten –, die deutlich macht, wo die Universität hin will.
Der Senat sieht in der Initiative zur Umwandlung der Universität in eine Stiftung große Chancen zur Erweiterung der Autonomie und zur Vergrößerung der Handlungsspielräume und Entwicklungsmöglichkeiten der Universität. Der Zugewinn an Autonomie und die größeren finanziellen Spielräume müssen dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit der Forschung, die Qualität der Lehre, die Studienbedingungen insgesamt, die Förderung des wissen
schaftlichen Nachwuchses und die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten entscheidend und nachhaltig zu bessern. Oberstes Ziel muss es sein, die Universität Frankfurt als urbane Volluniversität, die der Forschung und Lehre in ihrer ganzen Breite verpflichtete ist, zu erhalten und durch außergewöhnliche Leistungen im internationalen Wettbewerb weiter auszubauen.
Frau Beer hat schon darauf hingewiesen, dass das Senat seine Entscheidung mit großer Mehrheit getroffen hat. Ich habe den Medien entnommen, es gab sogar nur die Gegenstimme einer Studentin,ansonsten haben alle zugestimmt. Der Senat ist das Organ, das die Hochschule am besten kennt, das am besten weiß, wie Studienerfolg und Exzellenz erzielt werden können, und der Senat ist genau das Gremium, das SPD und GRÜNE immer in den Vordergrund gestellt haben, entsprechende Entscheidungen zu treffen. Deshalb wundert es mich sehr, dass nun eine Entscheidung des Senats kritisiert wird, die anscheinend nicht ins politische Bild passt. Das hat mit Autonomie nichts zu tun.
Ich will auch darauf hinweisen, dass es nach wie vor möglich ist, dass Leute mit einem Meisterbrief von dieser Regelung ausgenommen werden. Frau Kollegin Beer hat gesagt, dass natürlich auch diejenigen nicht betroffen sind, die ihre Hochschulreife an einem beruflichen Gymnasien erworben haben. Auch für die gibt es keine Ausschlussklausel. Es ist außerdem zu Recht darauf hingewiesen worden,dass mancher Studienerfolg dann ausbleibt,wenn die Grundvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
Es ist auch zum Schutz mancher Studierender, darauf hinzuweisen, welche Zusatzqualifikationen von Anfang an erforderlich sind, um – –
Ja, dafür gibt es Belege. Die Kasseler und die Frankfurter Universität haben Erhebungen durchgeführt. Immer wieder ist darauf hingewiesen worden, dass der Studienerfolg dort in Zweifel gezogen wird.
Ich will nur darauf hinweisen: Wenn man auf der einen Seite den Hochschulen beim Hochschulzugang ein Auswahlrecht zubilligt, was dazu führt, dass eine Hochschule Schwerpunkte bilden kann, kann man das nicht auf der anderen Seite im Rahmen der Autonomie wieder einkassieren, wenn es einem politisch nicht passt.
Deswegen meine ich, dass wir, wenn wir über Autonomie reden und Autonomie ernst nehmen wollen, auch dafür sorgen müssen, dass die Hochschulen allein darüber entscheiden können, welche Exzellenzen sie erreichen wollen. Wer Autonomie will, muss auch die Senatsentscheidungen der Universität akzeptieren und darf am Ende im Wettbewerb nicht dirigistisch sein und den Hochschulen genau die Freiheiten, die sie wollen, entziehen.
Ich sage für die CDU: Mit uns wird es weiter Autonomie in den Hochschulen geben,und wir werden die Beschlüsse des Senats achten.
Danke, Frau Kühne-Hörmann. – Frau Staatsministerin Lautenschläger, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr.
Silke Lautenschläger, Sozialministerin, zugleich mit der Leitung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst beauftragt:
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein wichtiges Thema, über das heute im Zusammenhang mit der Autonomie wieder diskutiert wird. Herr Dr. Spies, ich bin ein bisschen überrascht und weiß nicht, was Sie uns mit Ihrem Beitrag eigentlich sagen wollten. Ich habe es so verstanden, dass Sie keine Autonomie der Hochschulen wollen. Das finde ich sehr bedenklich.
Ich fasse es nur zusammen.Vielleicht können Sie in der Ausschusssitzung noch einmal klarstellen, dass Sie doch für Autonomie sind. – Ich glaube nämlich, die Autonomie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, wenn wir die Hochschulentwicklung voranbringen wollen. Gerade das Zulassungsrecht war einer der Punkte, an denen die Hochschulen in der Vergangenheit insgesamt größere Gestaltungsspielräume und mehr Autonomie eingefordert haben, um festlegen zu können, wie sie die Studierenden zu einem Studienerfolg führen.
Deswegen halte ich es auch für richtig, dass man bei der Stiftungsuniversität einen Schritt weiter gegangen ist und ihr dort mehr Autonomie zugestanden hat. Ich sage Ihnen ganz offen: Autonomie heißt auch, dass der Senat in ganz unterschiedlichen Bereichen von seinem Recht auf autonome Ausgestaltung Gebrauch machen kann.
Das kann um die Frage gehen, wie die Prozentzahlen bei der Verteilung der Mittel an die ASten aussehen, oder um den Hochschulzugang. In beiden Fällen hat der Senat von seiner Autonomie Gebrauch gemacht.
Ich glaube, man muss eine Grundsatzentscheidung darüber treffen, ob eine Hochschule so viel Freiheit bekommt, und man muss auch prüfen, ob sie den Umgang damit einübt. Nach einiger Zeit muss man schauen – das wird der Senat in Frankfurt genauso zu überprüfen haben –, ob genau dieses Instrument das richtige war oder ob man andere Instrumente braucht.
Meine Damen und Herren, es überrascht mich doch ein bisschen, dass es hier gleich wieder zu einer Diskussion über die soziale Auslese kommt. Ich habe mich noch einmal informiert. Ich weiß nicht, wie das die Fraktion DIE LINKE im Vorfeld gemacht hat.Aber nach meinen Informationen hat der größte Teil der Bundesländer genau die Regelungen, die hier nur für die Uni Frankfurt gelten, in ihren Gesetzen fest verankert.
Das gilt für Baden-Württemberg und Bayern – wobei Sie noch sagen werden, dass das unionsregierte Länder seien. Hinzu kommen Brandenburg, Bremen und – Herr Kollege Spies – Rheinland-Pfalz. Im Saarland, in Sachsen, in Sachsen-Anhalt, in Schleswig-Holstein und in Thüringen ist mit einer Fachhochschulreife kein Studium an einer Universität möglich.
Es wird Sie vielleicht gar nicht überraschen:Auch Berlin – dort regiert meines Erachtens DIE LINKE mit –
Deswegen sollten wir im Ausschuss darauf zurückkommen, uns mit der Autonomie und der Auswahl der Studierenden zu beschäftigen. Dabei sollten, wenn es um den Hochschulzugang geht, keine sozialen Kriterien zugrunde gelegt werden, sondern es sollte eher eine Bestenauslese erfolgen.Damit haben dann die Studierenden die Chance, schnell und gut zu studieren, und die Hochschulen haben die Möglichkeit, die Studierenden zum Erfolg zu führen. Ich glaube, das muss unser gemeinsames Ziel sein.