Protocol of the Session on April 22, 2008

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Michael Boddenberg und Hans-Jür- gen Irmer (CDU))

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Was wäre die Alternative? Ich finde, darüber lohnt eine sehr ernsthafte Debatte. Man könnte sagen:Wir kehren bereits zum nächsten Schuljahr an allen Schulen zum G 9 zurück. – Das könnte man sagen. Diese Position könnte man einnehmen.

(Zuruf des Abg. Mark Weinmeister (CDU))

Wir glauben jedoch, wenn man das den Schulen vorschreiben würde, auch noch zum nächsten Schuljahr und auch noch den Schulen, bei denen die Schulgemeinde, die Eltern die Rückkehr zum G 8 nicht wollen, dann würde eine solche Politik dazu führen, dass wir an den Schulen mehr Probleme produzieren als lösen würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die andere Alternative wäre, das G 8 überall zu belassen und gar nichts zu ändern. Das wäre die andere Alternative. Dazu sagen wir: Auch das kann man nicht machen. Wir wollen ein deutlich geändertes G 8,und wir wollen die Wahlfreiheit für die kooperativen Gesamtschulen.

Wir glauben, den Schulen, die schon in der Vergangenheit gesagt haben, sie wollen die Wahlmöglichkeit, diese Wahlmöglichkeit endlich zu geben, ist der richtige Mittelweg und ein erster Schritt zur Korrektur der sehr vermurksten G-8-Reform in unserem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich gestatte mir noch einen Hinweis an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Sie haben keines von beiden eingebracht.

Ich verstehe gut, dass Ihnen unser Gesetzentwurf nicht weit genug geht. Auch wir sind der Meinung, es müssen noch weitere Schritte folgen. Aber Sie haben weder die Rückkehr zum G 9 für alle Schulen zum nächsten Schuljahr eingebracht, noch haben Sie eingebracht, alles beim Alten, bei G 8 zu belassen. Sie sind herzlich eingeladen, diesen Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, weiter zu verbessern. Aber wir sollen uns zumindest darin einig sein: Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, und jetzt diskutieren wir darüber, wie wir vielleicht noch etwas mehr Fahrt aufnehmen können. Ich glaube, dann wären wir wieder bei dem, was wir uns eigentlich bildungspolitisch gemeinsam vorgenommen haben.

Natürlich ist unsere Perspektive auch eine andere, wohin wir perspektivisch in Hessen mit dem Bildungssystem wollen – aber eben in einer mittelfristigen Perspektive, nicht in einem Hauruck-Verfahren innerhalb weniger Wochen oder Monaten wieder komplett neue Reformen auf den Weg zu bringen. Unsere mittelfristige Perspektive ist ganz klar:Wir wollen in Hessen ein längeres gemeinsames Lernen. Ja, wir wollen die Sekundarstufe, in der alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam lernen und optimal gefördert werden.

Das ist der Weg, den wir uns wünschen.Wir glauben, eine solche Schule nach finnischem Vorbild würde die beste

Förderung für alle Schülerinnen und Schüler bereithalten. Wir sagen aber auch dazu: Wir werden diesen Weg nicht verordnen.Vielmehr wollen wir die Schulen ermutigen, diesen Weg zu gehen. Wir wollen die Schulen dabei unterstützen, diesen Weg zu gehen, sich auf die Reise zu machen. Das werden wir tun. Diese Reformen stehen dann mit dem Landeshaushalt 2009 auf der Tagesordnung.Aber das ist nichts, was wir kurzfristig machen können, sondern das muss sehr sorgfältig vorbereitet werden.

In diesem Sinne werden wir unser Sofortprogramm weiter umsetzen und darauf aufbauend weitere Reformen anpacken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss noch einige Sätze zum Entwurf der SPD für ein Schulgesetz.

Beim Thema Unterrichtsgarantie plus sind wir uns im Ziel völlig einig.Auch dabei,dass die Schülerbeförderungskosten nicht auf die Eltern umgelegt werden sollen, sind wir uns völlig einig. Auch wir halten die Richtwerte bei den Klassengrößen für ein zu statisches Instrument, um auf den demografischen Wandel reagieren zu können. Auch beim Thema Querversetzung sind wir uns in der Zielsetzung einig. Wir sollten im Ausschuss gemeinsam beraten, wie wir es schaffen können, dass die Schulen auch die notwendige Förderung tatsächlich leisten können, wenn man auf die Querversetzung verzichtet.

Auch da muss man wieder sehr genau hinschauen:Nur ein Gesetz zu ändern bedeutet noch nicht, dass man an diesen Punkt an den Schulen real etwas geändert hat.Wir müssen die Schulen auch in die Lage versetzen, die Schülerinnen und Schüler stattdessen fördern zu können. Sonst wird diese Änderung bei vielen lediglich als eine Gemeinschaftsschule durch die Hintertür ankommen. Eine Gemeinschaftsschule durch die Hintertür wollen wir nicht. Wir kämpfen mit offenem Visier:Die,die das machen wollen, sollen es dürfen, aber sie sollen nicht hintenrum dazu gezwungen werden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank,Herr Wagner.Als Nächste hat Frau Kollegin Henzler für die FDP-Fraktion das Wort.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wir haben uns vorgenommen, hier einen anderen Stil zu pflegen. Vor 14 Tagen haben wir es auch versucht.

Vor 14 Tagen haben wir zu einem Schulthema einen einstimmigen Beschluss gefasst. Das ist im Hessischen Landtag eine Seltenheit. Wir haben einstimmig beschlossen, noch vor den Sommerferien eine intensive Anhörung zum Thema Schule mit allen Beteiligten durchzuführen.

Was aber liegt uns heute vor? Zwei neue Gesetzentwürfe, die beim Thema Schule die Weichen anders stellen wollen. Ich muss ganz ehrlich sagen:Wenn wir so verfahren, halte ich das für keinen guten Stil.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Insbesondere der Beitrag der SPD hat sehr deutlich gezeigt, dass hier ganz schnell und ohne Anhörung Weichen gestellt werden sollen, um die Schule zu verändern.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das kennen wir von denen!)

Das kennen wir von ihnen.

Einzig der Antrag zum Thema Änderung der kooperativen Gesamtschulen ist richtig. Denn wenn wir die kooperativen Gesamtschulen freistellen wollen, dann müssen wir das zum kommenden Schuljahr tun und können nicht noch ein Jahr lang damit warten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt dann sehr klar:Wir müssen uns am kommenden Mittwoch darauf verständigen, wie wir ein Gesetzgebungsverfahren organisieren können, das noch bis zum Beginn der Sommerferien Wirkung zeigt. Das ist ein relativ enger Zeitrahmen.Aber wenn wir das alle gemeinsam wollen, dann können wir das auch umsetzen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wir verlegen einfach die Sommerferien!)

Ich glaube, das ist ein schlechter Vorschlag.

Bereits im Jahr 2004 hat die FDP verlangt, den kooperativen Gesamtschulen den Weg freizugeben. Aus unserer Sicht ist das ein Stück Wahlfreiheit für Eltern. Frau Habermann, es gibt auch leistungsstarke Kinder, die mit G 8 zurechtkommen, wenn die Rahmenbedingungen anders werden, als sie jetzt sind. Deshalb ist es ein gutes Alternativangebot, ein leistungsstarkes Gymnasium zu haben, daneben eine integrierte Gesamtschule und in der Mitte die kooperative Gesamtschule dann wieder mit Förderstufe, sodass dort ein längeres gemeinsames Lernen möglich ist.

(Beifall bei der FDP)

Um das aber wirklich bis zum nächsten Schuljahr umzusetzen, bedarf es nicht nur der gesetzlichen Änderung, sondern wir müssen ganz schnell administrativ handeln. Das heißt, die Schulen müssen gefragt werden; sie müssen ihre Entscheidungen fällen können. Wir haben von manchen Schulen bereits Briefe bekommen, die besagen, dass diese nur darauf warteten bzw. sofort Veränderungen vornehmen möchten. Vor allen Dingen muss aber die Anmeldefrist noch einmal aufgemacht werden. Es gibt viele Eltern, die ihre Kinder angemeldet haben – die Frist lief am 5. April dieses Jahres ab –, weil sie gedacht haben, sie haben mit dem Gymnasium das G 8. Sie haben sich möglicherweise aber auch gedacht, dass es mit der Wahl einer kooperativen Gesamtschule auch beim G 8 bleiben könnte. Es könnte viele Eltern geben, die sich nun anders entscheiden, wenn die kooperativen Gesamtschulen sagen: Wir gehen auf neun Jahre. – Das verstehe ich unter administrativem Handeln. Das muss ganz schnell geschehen, damit wir bis zu den Sommerferien die Umsetzung hinbekommen.

(Beifall bei der FDP)

Nun zum zweiten Teil. Das Thema Durchlässigkeit im Antrag der Fraktion der GRÜNEN stimmt uns nicht ganz so positiv wie die Änderungen in Bezug auf die kooperative Gesamtschule. Die Begriffe „Anschlussfähigkeit“ bzw. „Durchlässigkeit“, die wir in diesem Gesetz früher hatten, haben an der Realität in hessischen Schulen überhaupt nichts geändert. Auch als „durchlässig“ drinstand, war dies von oben nach unten hervorragend gegeben; die

Durchlässigkeit von unten nach oben war nur in Einzelfällen möglich.

(Beifall bei der FDP)

Das war nicht nur in den normalen Schulen so, sondern auch in den integrierten Gesamtschulen. Die Abstufungen erfolgen dort auch zu 99 % von oben nach unten, nur ganz selten von unten nach oben. Deshalb finden wir den Begriff „Anschlussfähigkeit“ ehrlicher. Es muss gewährleistet sein, dass man in der Hauptschule starten kann, Abitur machen und ein Studium aufnehmen kann. Diese Durchlässigkeit muss im hessischen Schulsystem gewahrt bleiben. Ich denke, diese wird auch gewahrt.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie aber mit dem Begriff „Durchlässigkeit“ meinen, die Lehrpläne vereinheitlichen zu müssen, und wenn Sie meinen, den Schulen vorschreiben zu müssen, wann sie mit der zweiten Fremdsprache beginnen sollten, dann sage ich Ihnen ganz klar: Das läuft voll gegen die Eigenverantwortung der Schule.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen Kerncurricula haben – dass die Schulen selbst entscheiden können, was sie insgesamt unterrichten. Wir wollen es den Schulen freistellen, wie sie ihren Unterricht gestalten.

Herr Wagner, es gibt in Hessen Schulen, die mit der zweiten Fremdsprache bereits in der 5. Klasse anfangen. Wollen Sie den Schulen dies verwehren oder verbieten? Diese haben hiermit sehr große Erfolge.

(Beifall bei der FDP)

Nun kommen wir zum Gesetzentwurf der SPD. Frau Habermann hat hierzu sehr Verräterisches gesagt – sie will hiermit durch die Hintertür die hessische Schullandschaft verändern, insbesondere beim Thema Querversetzung. Frau Habermann, nach Ihrer Pressekonferenz muss ich mich wirklich fragen, welches Lehrerbild Sie eigentlich haben. Meinen Sie, dass jeder Gymnasiallehrer lediglich daran Spaß hat, Kinder von der Schule zu verweisen? Glauben Sie, dass er dies mit wunderbarer Freude tut?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Gehen Sie in die Schulen, sprechen Sie mit den Lehrern, denn dann werden Sie feststellen, dass es gar keine Querversetzungen gibt, die gegen den Willen der Eltern vorgenommen werden. Wo sind denn die ganzen Klageverfahren der Eltern? Querversetzungen finden auf der Grundlage von intensiven Gesprächen mit den Eltern statt. Wenn die Eltern vernünftig sind, dann nehmen sie ihr Kind von der Schule, um ihm weiteres Leid zu ersparen. Wenn Sie dieses Druckmittel aber aus dem Gesetz herausnehmen, dann werden gerade die unvernünftigen Eltern gestärkt, die ihr Kind an der Schule belassen. Was passiert dann mit dem Kind? Es bleibt einmal, zweimal oder dreimal sitzen – bis es dann vielleicht von der Schule kann. Wenn Sie aber so ehrlich wären, zu sagen, dass Sie auch dies abschaffen wollen, dann haben Sie durch die Hintertür die Einheitsschule, denn das Gymnasium müsste dann alle aufnehmen und dürfte keinen mehr wegschicken.