Protocol of the Session on April 22, 2008

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Ziel ist, die Mitwirkung der Eltern zu stärken und den Schulen eine besondere Ausstattung zu geben, damit der Satz „Kein Kind wird zurückgelassen“ auch in der schulischen Praxis umgesetzt werden kann. In einem späteren Schritt wollen wir die Nichtversetzung als Regelinstrument abschaffen. Dies muss allerdings parallel mit einer besonderen Ausstattung der Schulen einhergehen.

Der dritte Punkt unseres Gesetzentwurfes betrifft das Streichen der Richtwerteregelung aus dem Schulgesetz. Die Richtwerte waren der hilflose Versuch, die Auswirkungen der demografischen Entwicklung und der sinkenden Schülerzahlen mit dem Rechenschieber zu lösen. Eine erste Welle von Standort- und Schulformschließungen hat dazu geführt, dass es die berechtigte Angst der Eltern gibt, für ihre Kinder ein Schulangebot für alle Abschlüsse zukünftig schwieriger oder gar nicht mehr zu erreichen.

Zusammen mit einer Erleichterung für die Neugründung von integrierten Gesamtschulen überträgt die Änderung des Schulgesetzes mehr Verantwortung an die Schulträger für eine zukunftsfähige und intelligente Schulentwicklungsplanung. Längeres gemeinsames Lernen und alle Bildungsangebote unter einem Dach können eine Antwort auf geringere Schülerzahlen vor Ort und steigende Entfernungen zur Schule sein.

Der vierte Punkt nimmt die Option für die Schulträger zurück, Eltern an den Schülerbeförderungskosten zu beteiligen. Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein, und das betrifft für uns auch die Fahrtkosten zur Schule.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir gehen davon aus, dass wir für diesen Punkt auch Zustimmung bei den Schulträgern finden, denn seit dem 01.01.2005, seit das Hessische Schulgesetz novelliert wurde, hat nur ein einziger Schulträger von dieser Optionsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Offensichtlich sehen die Landkreise und kreisfreien Städte die Problematik der Elternbeteiligung an den Fahrtkosten ähnlich.

Meine Damen und Herren, ich komme nun zum Gesetzentwurf der GRÜNEN. Ich will einen Satz vorwegschicken. Wir freuen uns für jede Schule, die ihren Schülerinnen und Schülern G 8 nicht mehr als Zwangsmaßnahme verordnen muss, sondern die eine sechsjährige Mittelstufe anbieten kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Insgesamt sehen wir doch, dass der grüne Gesetzentwurf etwas zu kurz springt. Nicht gelöst wird mit diesem Gesetzentwurf die Belastung der Kinder, die weiterhin in einer verkürzten Mittelstufe unterrichtet werden.Was nützt

dieses Gesetz z. B. den Kindern an den eigenständigen Gymnasien? – Wir werden in der Beratung für unsere Position werben.

In den kooperativen Gesamtschulen sollte G 9 wieder Regel sein und nicht Option. Eine sechsjährige Mittelstufe für alle gymnasialen Angebote halten wir für notwendig, um den Druck auf die Kinder abzubauen.Weniger Vertiefung des Lehrstoffs, weniger Förderung individueller Interessen und mehr Pauken und Fakten-Lernen sind Folgen dieser verkürzten Mittelstufe.

Meine Damen und Herren,deshalb ist jedes Medikament, das diese Verkürzung weiter zulässt, ein Placebo und wird nicht zu dem gewünschten Erfolg, d. h. zu mehr Qualität und besserer Leistung, führen können.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir uns auf ein Modell der sechsjährigen Mittelstufe einigen können, hätten wir genügend Zeit, ein reformiertes Modell der Oberstufe zu entwickeln, das eine individuelle Schulzeitverkürzung möglich macht und das das Abitur in zwölf oder 13 Jahren für die Schülerinnen und Schüler ermöglicht.

Wir werden auch nicht müde, für ein solches Modell bei den Kolleginnen und Kollegen der FDP zu werben, die in ihrem Wahlprogramm genau diese sechsjährige Mittelstufe,kombiniert mit einer verkürzten Oberstufe,fordern. Ich gestatte mir diesen einen etwas schärferen Satz: Es scheint mir eine neue Form der Glaubwürdigkeit von Parteiprogrammen zu sein,

(Michael Boddenberg (CDU): Da sollte die SPD einmal ruhig sein!)

wenn Frau Henzler der Presse erklärt, an das Parteivotum fühlten sie und ihre Fraktion sich nicht gebunden.

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Habermann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme sofort zum Schluss.

Der Wiedereinführung des Begriffs Durchlässigkeit ins Hessische Schulgesetz stehen wir positiv gegenüber. Allerdings braucht man auch bessere Arbeitsbedingungen an den Schulen, um diese Durchlässigkeit zu gewährleisten.

Wir stellen fest: G 8 hat die Durchlässigkeit an hessischen Schulen faktisch zerstört, hat Förderstufen zerstört und hat Schulformen gegeneinander abgegrenzt. – Meine Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich denke, Sie sollten den Sprung zur sechsjährigen Mittelstufe mitgehen, denn dann kann man etwas mehr tun, um Durchlässigkeit in der Realität auch zu organisieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Frau Habermann. – Bevor ich Herrn Kollegen Wagner für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteile, rufe ich den Tagesordnungspunkt 31 auf, der mit zu beraten ist:

Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend durch neues Anmeldeverfahren für reibungslose Umsetzung der Freistellung der kooperativen Gesamtschulen von der verpflichtenden Schulzeitverkürzung sorgen – Drucks. 17/74 –

Deswegen hat Frau Kollegin Henzler nach Herrn Wagner die Redemöglichkeit. – Herr Wagner, bitte sehr, Sie sind dran.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kollegin Habermann hat schon freundlicherweise auf unseren Gesetzentwurf hingewiesen. Diesen Gesetzentwurf möchte ich heute in den Hessischen Landtag einbringen. Dieser Gesetzentwurf ist Teil des Sofortprogramms Schule, das meine Fraktion Mitte März vorgelegt hat. Dieses Sofortprogramm Schule ist für uns Verpflichtung.Wir werden die dort angesprochenen Themen Punkt für Punkt in dieses Parlament einbringen.

Wir werden das mit den anderen Fraktionen beraten und hoffen sehr, dass wir gemeinsam mit den anderen Fraktionen an den drängendsten Problemen unserer Schule arbeiten können und zu sehr schnellen Lösungen kommen. Weil wir sehr schnell zu Lösungen an unseren Schulen kommen müssen, haben wir heute ein erstes Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes eingebracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gedanke unseres Sofortprogramms Schule ist, dass wir zunächst die drängendsten Probleme an unseren Schulen angehen, dass wir schauen, was es die vergangenen Jahre für Fehlentwicklungen im Schulsystem gab, unter welchen Problemen unsere Schulen leiden und wie wir unsere Schulen wieder in die Lage versetzen, dass sie das noch besser leisten können, was ihre Aufgabe ist, nämlich die individuelle Förderung jeder Schülerin und jedes Schülers.

Dafür bedarf es eines Sofortprogramms. Dafür bedarf es einer Korrektur der Fehler der Vergangenheit. Es bedarf aus unserer Sicht zumindest in den nächsten Wochen und Monaten nicht weiterer Großreformen.

Unser Eindruck ist, die Schulen wollen nicht, dass nach schlecht gemachten Reformen und handwerklichen Fehlern der Vergangenheit jetzt erneut eine Phase beginnt, wo Politik überstürzt und überhastet neue Großkonzepte an den Schulen ausprobiert. Die Schulen sagen uns allen im Hessischen Landtag: Löst erst einmal die Schwierigkeiten, unter denen wir arbeiten müssen, und dann können wir wieder schauen, wie wir aufbauen wollen. – Genau das ist die Philosophie unserer Schulpolitik. Wir wollen zunächst wieder ein solides Fundament an unseren Schulen schaffen, um darauf weitere Reformen aufbauen zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sieht unser Gesetzentwurf zunächst nur zwei Änderungen im Hessischen Schulgesetz vor,aber aus unserer Sicht zwei wesentliche Änderungen. Wir wollen die Durchlässigkeit als Prinzip im Schulgesetz verankern.Wir wollen, dass jedes Kind zu jedem Zeitpunkt in der Schule optimal gefördert werden kann.

Wenn sich jemand etwas später entwickelt und sich herausstellt, er könnte gemäß seiner Begabung den Sprung

von der Realschule aufs Gymnasium schaffen, dann soll das auch in der Mittelstufe möglich sein.

Derzeit haben wir im Schulgesetz die Philosophie, dass es lediglich eine Anschlussfähigkeit gibt, d. h., man muss mehr oder weniger bis zum Ende der Mittelstufe warten, um dann beispielsweise auf den Gymnasialzweig wechseln zu können. Wir glauben, es ist eine Verschwendung von Begabung und eine Verschwendung von Lebenszeit. Wenn sich ein Kind entsprechend entwickelt, dann soll es zu jeder Zeit wechseln können. Deshalb brauchen wir ein durchlässiges Schulsystem und keines,wie wir es heute haben, das unnötige Barrieren aufbaut, sondern der Wechsel muss wieder leichter möglich sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr geschäftsführender Kultusminister Banzer, die Verankerung der Durchlässigkeit im Schulgesetz ist dann auch handlungsleitend für die Verwaltung. Wir erwarten schon, wenn dieser Hessische Landtag wieder die Durchlässigkeit als Prinzip im Schulgesetz beschließt, dass sich dann selbstverständlich sämtliche Erlasse und Verordnungen an dieser gesetzlichen Vorgabe orientieren. Selbstverständlich haben sich dann auch die Gestaltungen der Lehrpläne und der Stundentafeln an diesem Prinzip zu orientieren.

Herr Minister Banzer, ich kann mir sehr schwer vorstellen, wie der Beginn der zweiten Fremdsprache im Gymnasium ab Klasse 6 mit diesem Prinzip der Durchlässigkeit vereinbar sein soll. Wir halten diese Maßnahme für ein Hindernis bei der Durchlässigkeit und gehen davon aus: Wenn wir die Durchlässigkeit beschließen, wird dies schnellstmöglich wieder aufgehoben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir bringen heute eine zweite Änderung ein, Frau Kollegin Habermann hat es bereits angesprochen: Das betrifft die Wahlfreiheit für die kooperativen Gesamtschulen zwischen G 8 und G 9.

Wir haben die Rückmeldungen von ganz vielen Schulen und Eltern, die sagen: Wir wünschen uns für unsere Kinder eine Alternative zu diesem G 8,das in Hessen ganz besonders schlecht eingeführt wurde. – Wir sagen, diese Eltern sollen diese Alternative bekommen. Es kann nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler, die ohne Probleme das Abitur erreichen könnten, an handwerklich schlecht gemachten Reformen der Vorgängerregierung scheitern und deshalb ihr Abitur nicht bekommen. Diese Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit bekommen, das Abitur in G 9 zu erreichen, wenn sie die entsprechende Begabung haben.

Deshalb schaffen wir – und das sage ich an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD – in einem ersten Schritt die Wahlfreiheit für die kooperativen Gesamtschulen, zwischen G 8 und G 9 wählen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, jetzt kann man sagen,das geht nicht weit genug.Es gibt auch viele im Land, die fragen: Reicht diese Reform?

Ich verstehe das gut. Ich verstehe gut, dass es nach neun Jahren schwarzer Bildungspolitik eine große Ungeduld gibt, an den Schulen sehr vieles sehr schnell zu verändern. Aber ich glaube, dabei dürfen wir das Augenmaß nicht verlieren. Wir dürfen keine Reformen machen, die die Schulen überfordern. Wir dürfen keine Reformen machen, die dazu führen, dass sich die Schulen mit sich selbst beschäftigen. Vielmehr müssen wir Reformen durchfüh

ren, die von den Schulen akzeptiert und getragen werden, die von den Schulen ausgehen.

Ich glaube, dabei machen wir mit unserer Einführung der Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 an den kooperativen Gesamtschulen genau den richtigen Schritt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Michael Boddenberg und Hans-Jür- gen Irmer (CDU))