Die immer größer werdende Kluft zwischen Anspruch und Realität der Unterrichtsversorgung wurde durch immer neue Berechnungsformeln bei der Lehrerzuweisung scheinbar aufgehoben. Aber was sich durch die Rechen
Meine Damen und Herren, in allen Schulformen ist inzwischen die Überschreitung der Höchstklassenregel ein Normalzustand geworden.Hessen ist im Bildungsmonitor 2008 mit der Grundschule und einem Durchschnitt von 22,4 Kindern pro Lerngruppe inzwischen auf dem letzten Platz der Bundesländer angelangt.
Durchschnittswerte allein sagen jedoch wenig über die tatsächliche Situation an den Grundschulen und weiterführenden Schulen in Hessen aus. Es gibt weiterhin kleine Klassen, in welchen das Arbeiten Spaß macht, Lehrkräfte auf die einzelnen Kinder eingehen und sie fördern können. Es gibt sie insbesondere in Regionen Hessens, in welchen die Auswirkungen der demografischen Entwicklung früher zum Tragen gekommen sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,umso schlechter sind die Lern- und Lehrbedingungen in den Ballungsgebieten und Großstädten. Gerade dort, wo viele Kinder mit schlechteren Startbedingungen in die Schule kommen, resignieren Lehrkräfte vor Lerngruppen,deren Größe keine differenzierte pädagogische Arbeit mehr zulässt – gerade bei Kindern mit hohem Förderbedarf in der sprachlichen und sozialen Entwicklung sowie Kindern, die zu Hause nicht die notwendige Unterstützung finden. Gerade dort ist es besonders notwendig, durch die Zuteilung der Lehrkräfte dafür zu sorgen, dass in kleineren Lerngruppen schlechtere Bildungs- und Startchancen aufgefangen werden können. Deshalb will die SPD, dass die Regelung zur Überschreitung der Klassenhöchstgrenze um drei Schüler aufgehoben wird.
Frau Cárdenas, dies soll nicht mit einem Federstrich in einer Verordnung geschehen, sondern in wohl überlegten Schritten, die wir in unseren Haushaltsberatungen beschließen müssen. Wir wollen das System der Lehrerzuweisung auf eine Orientierung an den tatsächlichen Schülerzahlen sowie auf Indikatoren umstellen, die geeignet sind, die Lernausgangslage von Kindern anhand von Kriterien, wie Migrationshintergrund, soziale Situation der Eltern oder Arbeitslosenquote, einzubeziehen.
Herr Kultusminister, gestatten Sie mir folgende Anmerkung: Um dies zu erreichen, ist es unseres Erachtens wenig hilfreich,wenn das Kultusministerium sozial indizierte Zuweisungsfaktoren ausgerechnet im Hochtaunuskreis erprobt.
Der Antrag der LINKEN ist heute nicht hilfreich, da es darum geht, die Schritte hin zu kleineren Klassen und einer gerechteren Lehrerversorgung festzulegen. Die SPD will die Regelung des Klassengrößenerlasses revidieren. Dazu werden wir den Schulen eine realistische und finanzierbare Perspektive vorlegen. Es genügt nicht, sich in ein Wolkenkuckucksheim zu begeben sowie schlicht zwei Absätze aus einer Verordnung zu streichen.
Damit sind weder zusätzliche Lehrerstellen finanziert noch im Anschluss mit Fachkräften besetzt. Den Schulen ist mit einer realistischen Perspektive für die Verbesserung der Unterrichtssituation und ihrer schrittweisen Umsetzung mehr geholfen, als mit Versprechen, die Sie heute nur deshalb machen, weil Sie sich nicht die Mühe gemacht haben – das muss ich an dieser Stelle sagen –, über ihre Umsetzbarkeit nachzudenken.
Meine Damen und Herren, wir brauchen in Hessen zusätzliche Lehrerstellen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass aus dem Anspruch – „Kein Kind wird zurückgelassen“ – Realität wird.Ich war sehr dankbar dafür, dass Frau Cárdenas aus unserem bemerkenswerten und noch immer gültigen Programm derart ausführlich zitiert hat.
Die SPD steht zu diesem Programm und diesen Versprechen. Wir werden diese Ziele aber nicht mit einem einzigen Schritt erreichen können. Sie haben schon drauf hingewiesen, dass wir in der vergangenen Woche bei einer Podiumsdiskussion der GEW zur Grundschulsituation in Frankfurt waren. Wir waren alle dort, alle bildungspolitischen Sprecher der Fraktionen,bis auf Herrn Irmer,der in Frankfurt keinen Parkplatz fand und die Podiumsdiskussion leider nicht besuchen konnte.
Dort haben wir von den Grundschullehrkräften geschildert bekommen, dass in den Jahren der CDU-Regierung 1.000 Lehrerstellen durch veränderte Zuweisungsfaktoren verschwunden sind. Die Zuweisungen für die Differenzierungsstunden wurden sukzessive abgeschmolzen. Hessen ist damit auf dem Weg, die guten Leistungen der Grundschule zu gefährden und damit das Fundament für gleiche Bildungschancen weiter auszuhöhlen.
Meine Damen und Herren, deshalb besteht hier akuter Handlungsbedarf. Seit gestern wissen wir, dass allein die Reduzierung der Klassengröße im Grundschulbereich auf 25 Kinder rund 455 Stellen erfordert. Dazu kommen weitere 475 Stellen für die aus unserer Sicht notwendigen und gut eingesetzten Differenzierungsstunden. Um darüber hinaus in einem Zug die von Ihnen gewünschte Reduzierung der Klassengröße um 20 % in allen Schulformen umzusetzen, brauchen wir ad hoc mehrere Tausend neue Lehrer. Das wurde von Ihnen gerade mit 400 Millionen c per anno quantifiziert.
Frau Cárdenas, Sie können mir im Ausschuss gern eine Antwort auf die Frage geben, wie Sie dies im nächsten Haushaltsjahr komplett finanzieren und diese Lehrkräfte auf dem Arbeitsmarkt dann auch finden wollen.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Kleinere Klassen und ein gerechteres Zuweisungssystem sind unser Ziel.Dies muss schrittweise mit einem realistischen Finanzierungskonzept umgesetzt werden. Darüber werden wir mit Ihnen gerne eine Einigung herbeiführen.– Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin Habermann. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Henzler für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Cárdenas, in der Kopfnote Fleiß würde ich Ihnen mindestens ein Gut geben, falls Sie die Kopfnoten nicht abschaffen wollen. Denn Sie haben sehr fleißig die Wahlprogramme der einzelnen Parteien gelesen und haben sie auch sehr schön hier zitiert. Wenn es allerdings um das Fachwissen in Finanz- und Steuerpolitik geht, dann reicht höchstens ein Mangelhaft.
Ganz besonders haben Sie das in der letzten Sitzung des Kulturpolitischen Ausschusses demonstriert, als es darum ging, auf die Abgeltungssteuer die Kirchensteuer abzuführen. Das war für Sie ganz schrecklich, weil Sie für die Trennung von Kirche und Staat sind. Sie haben gar nicht gemerkt, dass man damit, mit der Abgeltungssteuer auf Vermögen, den Kirchen, die schließlich auch soziale Einrichtungen haben, Geld von den bösen Kapitalisten zuführt. Ich denke, was die Finanz- und Steuerpolitik angeht, sollten Sie noch ein bisschen nachlernen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU sowie des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))
Zum Thema Ausstattung der Schulen und Bildungseinrichtungen mit Personal. Ich denke, wir sind uns alle darüber einig, dass die Qualität der Schulen sehr von der Qualität des Lehrpersonals und der Lehrer abhängig ist, dass es aber auch darauf ankommt, dass die Quantität des vorhandenen Personals mit der Anzahl der Schülerinnen und Schüler stimmig ist, die unterrichtet werden müssen. Ich glaube, darüber gibt es zwischen uns allen keinerlei Dissens.
Das Gleiche muss auch für die vorschulischen Einrichtungen gelten, wenn wir es mit dem Gedanken wirklich ernst meinen, dass Kindertagesstätten eben nicht nur Betreuungseinrichtungen, sondern in erster Linie Bildungseinrichtungen sind. Das müssen wir dann allerdings auch nach außen demonstrieren. Deshalb sollten wir die Kindertagesstätten in die Zuständigkeit des Kultusministeriums überführen. Denn das Kultusministerium ist für Bildung zuständig. Demzufolge müsste es auch für die vorschulischen Bildungseinrichtungen zuständig sein.
Dann wäre es mit Sicherheit auch einfacher, Berichtsanträge zum Thema Bildungs- und Erziehungsplan schneller zu beantworten. Unser liegt bereits seit 1. Juli auf Halde. Ich vermute, dass es auch deshalb etwas länger dauert, weil es einer genauen Abstimmung zwischen zwei Ministerien bedarf.
Bei der Vorlage des Bildungs- und Erziehungsplans hat die FDP sehr deutlich gesagt, dass das nicht zum Nulltarif umzusetzen ist.
Ich kann heute in einem Kindergarten mit 25 Kindern in einer Gruppe mit einem Betreuungsschlüssel von 1,5 keine individuelle Förderung durchziehen. Die Kinder sind heute anders, als es noch die Kinder vor fünf oder zehn Jahren waren. Sie bedürfen sehr viel mehr erzieherischer Tätigkeiten der Erzieher. Um dann noch individuelle Bildung in Kleingruppen durchzuführen, brauche ich schlicht und ergreifend mehr Personal.
Allerdings kann die Lösung dieses Bedarfs nicht sein,dass ich mich hierhin stelle und sage: Ich verkleinere die Klassengrößen, ich verkleinere die Gruppengrößen in den Kindertagesstätten. – Das ist nicht ausreichend. Wir fordern, dass wir den Schulen und den vorschulischen Bildungseinrichtungen ausreichend finanzielle Rahmenbedingungen geben und sie dann aber in sehr viel mehr Eigenverantwortung und Flexibilität entlassen, damit sie ihren Betrieb sehr viel besser selbst organisieren können.
Sie kennen unsere Forderung nach einer 105-prozentigen Lehrer- bzw. Geldzuweisung für die Schulen. Mit dieser veränderten Berechnung muss aber auch eine grundlegende Überarbeitung der Lehrerzuweisung für die einzelnen Schulen einhergehen.
Das kann ich Ihnen sagen. Unserer 105-prozentige Abdeckung kostet 100 Millionen c. Wenn Sie davon die 42 Millionen c für die Unterrichtsgarantie plus abziehen, bleiben genau 58 Millionen c. Das haben wir schon immer gesagt. Zu diesen Zahlen stehen wir auch.
Die Lehrerzuweisungen richten sich nach der Zahl der zu bildenden Klassen mit sehr starren Schülerzahlen: 25 + 3. Das haben wir gehört. Das führt dazu, dass es in verschiedenen Regionen zu sehr, sehr unterschiedlichen Klassengrößen kommt. Frau Habermann hat schon darauf hingewiesen: In Frankfurt und auch im umliegenden RheinMain-Gebiet sind die Grundschulklassen mit 28 Kindern vollgestopft. Das ist von den Räumen her schlicht und ergreifend zu viel. Das ist auch von der Anzahl der Kinder her zu viel.
Im Schnitt liegt die Klassengröße an den Grundschulen in Hessen bei 22 Kindern. Man kann sich also ausrechnen, dass es Regionen gibt, wo z. B. 29 Kinder eingeschult werden. Das bedeutet, die Klassen werden geteilt, und Sie haben Klassengrößen von 14 oder 15 Kindern. Das ist insgesamt gesehen nicht gerecht. Deshalb müssen sich die Zuweisungsfaktoren völlig ändern.
Zusätzlich zu dieser starren Lehrerzuweisung kommen bestimmte Faktoren, die nicht immer nachvollziehbar sind. Das führt zu einer sehr großen Intransparenz bei der Lehrerzuweisung für die einzelnen Schulen. Das führt auch zu Neid zwischen den einzelnen Schulen, weil sie nicht nachvollziehen können, warum die eine Schule mehr Lehrerstellen hat als andere. Deshalb sagen wir: Die grundsätzliche Zuweisung von Lehrerstellen muss sich an der Anzahl der Schülerköpfe pro Schule orientieren und nicht an der Anzahl der zu bildenden Klassen. – Frau Habermann, ich bin sehr überrascht. So, wie ich Sie eben verstanden habe, gehen auch Sie diesen Weg plötzlich mit und fordern das Gleiche.
Wir sagen: Die Schulen müssen dann selbst entscheiden können, wie groß sie ihre Klassen machen. Sie müssen sowieso generell über ihre innere Organisation entscheiden können.
Zusätzlich zu dieser grundsätzlichen Lehrerzuweisung wollen wir drei einfache Faktoren. Das eine ist die Schulform, das andere ist der schulbezogene Sozialindex, und
das Dritte ist das regionale Umfeld der Schule. Frau Habermann, ich sage Ihnen eines: Sie kennen den Hochtaunuskreis augenscheinlich sehr schlecht. Ich kann Ihnen sehr viele Gebiete im Hochtaunuskreis, Stadtteile und Orte, zeigen, wo es sehr große soziale Probleme gibt. Ich denke, gerade an dem Mix im Hochtaunuskreis kann man den Sozialindex sehr genau berechnen.
Aber nicht nur in den Schulen brauchen wir eine veränderte Lehrerzuweisung, Stellenzuweisung, Personalzuweisung.Wir haben mittlerweile alle erkannt, dass es sehr wichtig ist,dass in den Schulen eben nicht nur Lehrer sind, sondern dass wir einen Personalmix brauchen, dass wir andere Berufe brauchen, dass wir Schulassistenten brauchen.
Das Gleiche gilt schlicht und ergreifend auch für die vorschulischen Bildungseinrichtungen. Die Kinder im Kindergarten werden immer jünger. Das wollen wir auch.Wir wollen die Kindergärten für die jüngeren Jahrgänge öffnen, auch schon für Kinder mit eineinhalb Jahren. Demzufolge brauchen wir auch eine andere Personalstruktur in den Kindertagesstätten.