Protocol of the Session on September 25, 2008

Nun muss ich sagen, dass in dieser Debatte einiges durcheinandergeht, weil die Privatisierung der Bahn nicht das ist, was Sie hier zum Teil meinen, und weil man auch nicht übersehen darf, dass die Beförderungsleistung auf der Schiene gerade in Hessen nicht nur eine hohe Qualität erreicht hat, sondern auch einen überdurchschnittlichen Zuwachs. Deswegen ist Bahn nicht Bahn, Schiene nicht Schiene, Bahnreform nicht Bahnreform und Privatisierung nicht Privatisierung. Deswegen müssen wir genauer hinschauen.

Herr Kaufmann, Sie haben zu einem Thema völlig zu Recht gesagt, dass man in einer Gesellschaft, in der Information immer mehr im Mittelpunkt steht, um dem Einzelnen Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten zu geben, in einer solchen Phase Informationen nicht abbauen darf. Deswegen ist die Landesregierung eindeutig dagegen, Frau Pfaff. Wir werden dieses Thema bei der Verkehrsministerkonferenz – also ich – nächste Woche einbringen. Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass man die grundsätzliche Debatte darüber führen muss, warum dies so ist, wie Sie es beklagen. Da hätte ich mir seitens der Sozialdemokraten im letzten Jahr etwas mehr Unterstützung gewünscht,

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

als es darum ging, unsere Vorstellungen, die auch von den GRÜNEN getragen wurden, für eine vernünftige Bahnreform zu unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Bereich des Schienenverkehrs, im Bereich der Energieinfrastruktur, bei der leitungsgebundenen Telekommunikation gilt immer der gleiche Grundsatz: Etwas, was ein natürliches Monopol darstellt, weil es nur eine Leitung gibt, nur eine Schiene, nur einen Schieneninhaber – diese Infrastruktur Schiene oder Leitung darf ich nicht privatisieren. Die Schieneninfrastruktur, darum geht es bei diesem Thema, genauso wie Stationen und Service sind natürliche Monopolangebote, bei dem kein Wettbewerb sein kann. Das muss in ausschließlich staatlicher Verantwortung bleiben. Das ist bei der Reform nicht beachtet worden.

Bei allem, was auf der Schiene passiert, wer also den Fahrgästen ein Angebot für die Beförderung macht,wollen wir wirklichen Wettbewerb haben. Das ist nicht besser darzustellen als am Beispiel der Telekommunikation,wo die Telekom mehr Anbieter durch ihre Netze schicken lassen darf, dass durch diesen Wettbewerb die Qualität besser geworden ist und sich die Preise gesenkt haben.

Daran leidet die Bahnreform: Weil die saubere Trennung von Netz und Betrieb nicht vorgenommen wurde, hat die Bahnholding, die sowohl durch den Bund 75 % und vielleicht dann wenige der Anteile an den Transportunternehmen hält und gleichzeitig zu 100 % für die Schiene und die Stationen verantwortlich ist, natürlich ein Interesse daran, die Holding zu stärken, den Betrieb innerhalb der Holding zu stärken, die an die Börse gebracht worden ist.

Deswegen sucht Herr Mehdorn in dieser Doppelfunktion – darin liegt die Ursache des Übels – an der einen Stelle zu sparen, um das börsenorientierte Unternehmen zu bevorteilen. Das kann man ihm gar nicht vorwerfen,

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist ein Systemfehler! – Widerspruch der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

sondern muss dem Gesetzgeber das vorwerfen, was er mit der Bahnreform verursacht hat, Frau Pfaff. Deswegen muss diese korrigiert werden.

(Beifall bei der CDU – Hildegard Pfaff (SPD): Es ist falsch, wie Sie es darstellen!)

Frau Pfaff, dies führt auch dazu, dass die DB AG in ihrer Verantwortung als Holding für die Schiene, die qua Gesetz Bundeseigentum ist, diejenigen bevorteilt, die ihr nahe stehen. Das ist das börsenorientierte Unternehmen. Deswegen dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Investitionen vor allem dort stattfinden, wo sie den Nutzen stiften.

Herr Minister, darf ich Sie darauf hinweisen, dass die für die Fraktionen vereinbarte Redezeit abgelaufen ist?

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Schade!)

Ich nehme diesen Hinweis an. – Die Länder tragen für die Strecken die Verantwortung, bestellen Verkehre und haben den Wettbewerb umgesetzt, der Jahr für Jahr dem hessischen Steuerzahler 32 Millionen c spart. Sie haben übrigens diese Ausschreibung und damit die Einsparung bekämpft, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD.

Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass, solange dieser Geburtsfehler der Bahnreform besteht, d. h., solange die DB Holding die Verantwortung für die Netze hat, nicht die Regionen und damit die Schienenverkehre benachteiligt werden, die in der Verantwortung des Landes stehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kämpfen wir für eine Reform, die die Bahnreform wieder rückgängig macht und in die richtige Richtung bringt. Kämpfen wir dafür – das verspreche ich Ihnen für mich –, dass dieser unsinnige Abbau von Informationen auch rückgängig gemacht wird. Das ist unsere Position.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Rhiel. – Damit ist auch diese Aktuelle Stunde abgehalten, und wir kommen zum Tagesordnungspunkt 27:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Senkung der Klassenobergrenzen in den Schulen und Gruppengrößen in den Kindertagesstätten – Drucks. 17/378 –

Mir liegt allerdings noch keine Wortmeldung vor.Ich weiß nicht, ob irgendwer dazu sprechen möchte. Herr Wilken? – Frau Cárdenas.Vereinbarte Redezeit: zehn Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass die Forderungen in unserem Antrag berechtigt und sinnvoll sind, dem – glaube ich – widerspricht kaum einer. Ausgehend von der Forderung, Bildung ist ein Grundrecht, wollen wir, dass die Bildungschancen der Kinder und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Bildungseinrichtungen verbessert werden.

Eine individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler, eine qualifizierte Integration behinderter und teilleistungsgestörter Kinder, eine qualitativ hochwertige Wochenplanarbeit, eine Anleitung zum kooperativen Arbeiten usw. usf. erfordern kleinere Klassen. Kleinere Gruppengrößen in den Kindertageseinrichtungen sind nötig, damit der Bildungs- und Erziehungsplan endlich umgesetzt werden kann und man nicht immer nur auf die ständige Bereitschaft der Erzieherinnen, noch ein Päckchen mehr zu schultern, setzt.

Die demografische Entwicklung kann entlastend wirken, wenn – wie die GEW fordert – die dadurch frei werdenden Lehrer- bzw. Erzieherstellen im jeweiligen System verbleiben. Beispielsweise sinkt seit 2003/2004 die Zahl der Erstklässler bundesweit um 12 %, im Westen sogar um 14 %. Statt Klassen- und Schulschließungen zuzulassen, sollten wir die Gelegenheit nutzen und aktiv kleinere Klassen herbeiführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die GEW hat auf ihrer Podiumsdiskussion in der letzten Woche sofort umsetzbare Minimalmaßnahmen in der Grundschule vorgestellt und deren Realisierung gefordert, die unter anderem die schon von uns im Wahlkampf aufgestellten Forderungen aufgreift: Begrenzung der Schülerhöchstzahl auf 25 Schülerinnen und Schüler und Streichung des Notparagrafen, nach dem ein Überschreiten dieser Zahl um bis zu drei möglich ist.

Ich denke, ich muss nicht weiter begründen, warum eine Reduzierung der Gruppen- und Klassengrößen aus pädagogischen Gründen unbedingt erforderlich ist. Darüber haben wir nicht nur schon oft gesprochen, sowohl im Plenum als auch im Ausschuss, sondern es ist auch so,dass die bildungspolitischen Zielvorstellungen aller Parteien diese Option stützen.

Daher verfolgt der vorgelegte Antrag auch das Ziel, dass alle hier anwesenden Fraktionen beginnen, ihre den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder gegebenen Wahlversprechen, Zusagen und Beteuerungen, es müsse mehr Geld in die Bildung investiert und endlich eine individuelle Förderung ermöglicht werden usw., auch wirklich umzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich hierzu einige Zitate anbringen. Im CDUWahlprogramm heißt es:

Die wichtigsten Ziele unserer Bildungspolitik sind bestmögliche Bildungsqualität und -gerechtigkeit für alle.... Wir wollen daher jedem Schüler ein Höchstmaß an Bildungschancen ermöglichen. Alle Kinder und Jugendlichen sollen ihre Begabungen bestmöglich entfalten können.

So weit die CDU. – Aus dem SPD-Wahlprogramm:

Wir gehen davon aus, dass alle Kinder und Jugendlichen bildungsfähig und bildungswillig sind. Es kommt darauf an, ihre unterschiedlichen Begabungen, Neigungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten optimal zu fördern.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Elke Kün- holz (SPD))

Noch weiter aus dem SPD-Wahlprogramm:

(Heike Habermann (SPD): Das lohnt sich!)

Wir wollen einen Schulalltag, der fächerübergreifende Förderung organisieren hilft und Unterricht, Erziehung und individuelle Förderung besser miteinander kombinieren kann.... Statt auf Auslese und Selektion setzen wir auf Förderung und Integration.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Aus dem GRÜNEN-Wahlprogramm:

Aufbauend auf dem Sofortprogramm werden wir die Voraussetzungen für mehr individuelle Förderung, längeres gemeinsames Lernen, echte Ganztagsschulen, kleine Klassen... schaffen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Last, but not least aus dem FDP-Wahlprogramm:

Das Ziel liberaler Bildungspolitik ist es daher, alle Kinder und Jugendlichen in Hessen so zu fördern, dass jeder Einzelne seine individuellen Begabun

gen erkennt und seine Talente optimal entfalten kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich frage Sie: Wie soll das denn gehen, ohne mehr Geld in die Bildung zu stecken, und zwar ohne viel mehr Geld? Bessere Qualität, bessere individuelle Förderung, bessere Bildung, die Sie immer wieder versprechen – bei Klassengrößen von bis zu 33 Schülerinnen und Schülern sowie Tageseinrichtungsgruppen mit 25 Kindern? Sie wissen, das geht nicht.

Kein Lehrer, und sei er noch so gut, kann Kinder und Jugendliche individuell fördern und ihnen gute Bildung zugutekommen lassen, wenn er eine 33er-Klassengröße zu beschulen hat.

Da wir uns diesbezüglich vermutlich einig sind, frage ich nun alle Parteien, auch diejenige, die immer vor einer höheren Neuverschuldung warnt – obwohl sie die, wie wir gestern gehört haben, für die letzten Jahre selbst zu verantworten hat –:Wie gedenken Sie, Ihre Wahlversprechen umzusetzen? Wo ist das „mehr Geld in Bildung“? Es wird immer nur geflickschustert und nicht wirklich etwa substanziell verbessert. Es werden hier und da vielleicht einmal 500 neue Stellen geschaffen oder sollen nur geschaffen werden – obwohl doch die GEW seit Jahren vorrechnet, dass die Lehrerversorgung in Hessen gerade einmal bei 94 % des Bedarfes liegt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Die konnten noch nie rechnen!)

Danach bedürfte es geschätzter 5.000 weiterer Lehrer und Lehrerinnen in Hessen, nur um eine 100-prozentige adäquate Unterrichtsversorgung – wohlgemerkt bei Klassengrößen von nach wie vor 33 – sicherzustellen.

Sehr geehrte Damen und Herren,ich muss Sie wieder einmal quälen, indem ich Sie an Ihre Verantwortung im Bundestag und Bundesrat erinnere. Dazu zitiere ich dieses Mal etwas ausführlicher die Jusos Hessen-Süd und zwar aus ihrer aktuellen Pressemeldung.