Protocol of the Session on September 25, 2008

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eben sinngemäß formuliert worden, wir müssten endlich einmal Geld in die Bildung stecken, es müsse mehr hinein. – Ich möchte mit einer Mär aufräumen, nach dem Motto, in der Vergangenheit sei nichts geschehen. Ich sage nur einige wenige Kernzahlen zu Ihrer Erinnerung.

Der Bildungsetat im Jahr 2008 liegt um exakt 700 Millionen c höher als im letzten – auch wenn Sie es nicht mehr hören können, Frau Kollegin Habermann, aber ich sage das gar nicht an Ihre Adresse, da Sie es hoffentlich verinnerlicht haben, aber Frau Cárdenas offensichtlich nicht – rot-grünen Jahr. Das sind Fakten.

Wir haben in der Zwischenzeit – und das wissen Sie auch – zusätzlich 3.500 Lehrerstellen.Wir haben heute so viele Lehrer im hessischen Schuldienst wie noch nie. Auch das gehört zur Wahrheit. Die Zahl der Referendarstellen ist um fast 4.000 erhöht worden, und anstelle des Unterrichtsausfalls, den wir vorgefunden haben – das hat auch etwas mit Recht auf Bildung zu tun –, geben wir heute pro Woche 112.000 Stunden Unterricht mehr, Woche für Woche 112.000 Stunden.

Auch die Lehrerzuweisung ist klar und präzise. Das, was den Schülern nach der Stundentafel zusteht,wird ihnen zu

100 % zugewiesen. Die Unterrichtsgarantie ist erfüllt. Es gibt überhaupt keine Diskussion in den Schulen.

Ich war am Montag in vier Schulen meines Wahlkreises. Ich habe ganz bewusst gefragt, wie es mit der Lehrerzuweisung aussieht, ob es Probleme gibt. Nein, wir sind so gut versorgt wie nie – das ist die klare Aussage von vier unterschiedlichen Schulleitern, von denen kein einziger in der CDU ist, um das am Rande zu sagen, sondern querbeet, ganz unterschiedlich.

Ich glaube, das ist insgesamt ein hervorragender Erfolg der gesamten Bildungspolitik der letzten neun Jahre. Das lasse ich auch nicht kleinreden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Cárdenas, was Sie hier machen, ist für mich einmal mehr gnadenloser Populismus.

(Frank Gotthardt (CDU): Mehr Popo als -lismus!)

Sie haben Forderungen aufgestellt, und der Kollege Wagner hat aus meiner Sicht völlig zu Recht darauf hingewiesen.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sie haben keine Verantwortung. Sie wollen auch keine Verantwortung übernehmen. Wenn Sie sagen, Sie wollen eine Minderheitsregierung tolerieren, dann fordere ich Sie auf: Treten Sie in diese Regierung ein, damit Sie das, was Sie fordern, auch in die Tat umsetzen können.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine Koalition? Plädieren Sie für einen Regierungswechsel, Herr Irmer?)

Das wäre konsequent. Aber sich hierhin zu stellen und sich nicht zu interessieren, wer es bezahlt, das ist keine seriöse Politik.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Verehrte Frau Cárdenas, Sie müssen sich auch daran erinnern lassen: Was machen Sie dort, wo Sie in der Verantwortung sind? Ich erinnere an Ihren heutigen Parteivorsitzenden, den sozialdemokratischen Fahnenflüchtling, den Finanzminister-Fahnenflüchtling. Herr Lafontaine hat in seiner Verantwortung als Ministerpräsident des Saarlandes 11 % der Lehrerstellen abgebaut.

(Michael Boddenberg (CDU): Richtig!)

Er hat gleichzeitig 14 % der Polizeistellen abgebaut – so weit zum Thema Arbeitsplatzabbau, Herr Kollege van Ooyen, Frau Kollegin Wissler.

(Michael Boddenberg (CDU): Der größte Personalabbau in der Geschichte des Saarlandes! – Turgut Yüksel (SPD):Wie bei der CDU!)

Frau Cárdenas, Sie regieren doch in Berlin mit. Ich habe mir die Mühe gemacht, nachzuschauen, wie die Berliner rot-rote Regierungspolitik aussieht. Sie könnten dort wunderbar beweisen, was alles möglich ist, wenn Kommunisten an der Regierung sind.Ich will Ihnen Überschriften aus Tageszeitungen in Berlin vorlesen, der „Berliner Morgenpost“ und anderen: „Junglehrer gehen aus Berlin weg; sie werden nur als Angestellte eingestellt“, „Der Senat plant eine Flexibilisierung“ – das klingt sehr schön – „der Lehrerarbeitszeit (zwei Stunden mehr)“, „Dritte Arbeitszeiterhöhung seit 2001“.

Die GEW, die ich selten zitiere, kritisiert in Berlin, dass keine Lehrer eingestellt werden. 700 Lehrer demonstrieren gegen schlechte Arbeitsbedingungen in Berliner

Schulen.Unterrichtsausfall:10 % fallen grundsätzlich aus. Kreuzberg hat 88 % Lehrerzuweisung, Zehlendorf 81 %. Um den Unterrichtsausfall zu reduzieren, hat der dortige Senator jetzt öffentlich erklärt, er holt die bereits pensionierten Lehrer wieder in den Schuldienst zurück. Das sagt Herr Zöllner.

(Michael Boddenberg (CDU): Nein?)

Meine Damen und Herren, das ist Ihre Bildungspolitik. Es gibt einen Schulinspektionsbericht 2006/2007 für das Bundesland Berlin. Der Landeselternausschuss hat diesen Bericht kritisch überprüft und ist zum Ergebnis gekommen – das steht auch dort –, dass in 70 % der zu großen Lerngruppen mit 32 Schülern keine innere Differenzierung stattfindet. Ich zitiere: „An den Berliner Grundschulen fehlen 450 Erzieherinnen und Erzieher.“

Ich zitiere abschließend den Ex-Bildungssenator Böger, der öffentlich erklärt hat, Berliner Klassenzimmer „stinken zum Himmel“ – schlechte bauliche und hygienische Zustände.

Meine Damen und Herren, verehrte Frau Kollegin, das ist die Berliner Politik.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist die Berliner Luft!)

Berliner Luft könnte man auch sagen. Es stinkt zum Himmel, wie Herr Böger sagt. – Sie sollten sich an dem messen lassen, was Sie woanders selbst verantworten. Aber hier von uns zu fordern, das alles zu machen, das ist nicht ganz seriös.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

In Ihrem eigenen Antrag ist eigentlich schon ein Widerspruch. Sie sagen im ersten Satz, die Klassenobergrenzen werden um 20 % gesenkt, keine Klasse hat mehr als 25 Schüler. Wenn ich nur diese 25er-Regelung nehme, dann bedeutet allein dies einen rechnerischen Mehrbedarf von 4.000 Stellen. Sie wollen die Klassenobergrenzen um 20 % senken. In der Grundschule liegt sie bereits bei 25 Schülern. Heißt das in Ihrem Antrag – ich formuliere das als Frage –: Sollen die Grundschulen dann 20 Kinder pro Klasse haben? Dann käme zu den 4.000 Stellen, die ich eben genannt habe, noch eine Größenordnung von etwa 2.000 hinzu.

Dass das nicht finanzierbar ist – dass es schrittweise viele Wünsche gibt, wie Kollege Wagner sie genannt hat, ist unstreitig –, dass das in einer Summe nicht auf einen Schlag zu machen ist, das wissen Sie auch, zumal Sie keinen Finanzierungsvorschlag gemacht haben.

In einem Punkt haben Sie recht: Kleinere Klassen führen nicht automatisch zu einem besseren Unterricht. Das ist sicherlich so. Es gibt keine einzige belastbare Studie, die genau dies als Ergebnis hätte. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass die IGLU-Studie, die Grundschulstudie, zum Ergebnis gekommen ist, dass die Engländer im Vergleich der Länder in Europa am besten abgeschnitten haben. Die Engländer haben die größte durchschnittliche Kinderzahl pro Grundschulklasse, nämlich 29.

Damit ich nicht missverstanden werde: Dahin wollen wir natürlich alle nicht. Das ist völlig unstreitig. Aber das bestätigt im Kern schon das, was Sie in diesem Punkt ausnahmsweise zu Recht gesagt haben.Es erinnert mich auch an meine eigene Unterrichtszeit am Weilburger Gymnasium, als andere hier regiert haben. Damals waren Klassengrößen von 37 oder 38 Schülern an der Tagesordnung.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen sehr bewusst sagen, wie sich die Schülerzahlen in der Grundschule weiterentwickeln. 1998/99 hatten wir 262.000 Grundschüler, 11.800 Klassen und 8.640 Lehrer, also durchschnittlich 22,2 Kinder pro Grundschulklasse.

Heute haben wir 223.000 Schüler, 10.500 Klassen und 8.670 Lehrer.Im Klartext heißt das,dass wir in der Grundschule heute 39.000 Kinder weniger, aber rund 30 Lehrer mehr haben. Das zeigt, dass die Klassengrößen reduziert werden konnten. Wir haben heute landesweit einen Schnitt von 21,2 Kindern in der Grundschule.Auch das ist etwas, was sich sehen lassen kann.

(Beifall bei der CDU)

Ich verkenne nicht – das hat Frau Kollegin Henzler zu Recht angesprochen –, dass es natürlich, weil es ein Durchschnittswert ist, auch Klassen gibt, die 27 oder 28 Kinder haben.Das ist aber kein Massenphänomen,es sind Einzelpunkte. Wir müssen gemeinsam überlegen, und da stimmen wir mit Sicherheit überein, was man dort tun kann, ob man z. B. die Möglichkeit hat – das wäre aus unserer Sicht eine Chance, ernsthaft darüber nachzudenken –, zusätzliche Differenzierungsstunden in diese großen Klassen hineinzugeben. Dann wäre diesen Klassen, diesen Schulen in letzter Konsequenz etwas geholfen.

Meine Damen und Herren, der Kollege Wagner hat aus meiner Sicht – es ist ungewöhnlich, dass ich ihn schon wieder loben muss –

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist nicht unproblematisch für mich!)

zu Recht darauf hingewiesen: Es gibt viele Wünsche. Wir müssen das prioritär abarbeiten. – Das sehe ich genauso. Deswegen möchte ich mir erlauben, verehrte Frau Kollegin Habermann, auf die SPD einzugehen, was sie alles im Wahlkampf versprochen hat. Es sind nur fünf Zeilen.

Sie haben zum Thema Unterrichtsgarantie plus/verlässliche Schule erklärt: Es dürfen nur noch Lehrer in die Schule. Das, was wir heute beschlossen haben, ist im Übrigen ein Wortbruch verglichen mit dem, was Sie im Wahlkampf versprochen haben. Ich rechne einmal um, was das bedeutet.

Herr Kollege Irmer, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich darf Sie bitten, mit den Umrechnungen relativ schnell fortzufahren.

Gut, sehr verehrte Frau Präsidentin. – 1.500 Lehrer dafür. Keine Klasse mehr als 25 Schüler. Das sind 4.000 Lehrer. Eine echte Ganztagsschule für Hessen flächendeckend ergibt 6.800 Lehrer. Gemeinschaftsschulen erhalten 20 bis 25 % mehr Lehrerzuteilung. Das sind 2.000 Stellen. Schulen mit vielen ausländischen Kindern müssen mehr Lehrer erhalten. Das hat Frau Ypsilanti gesagt. Das sind 1.000 Stellen. Der Kollege Schmidt erklärt am 12.12.2007, 2.500 zusätzliche Lehrer für die Grundschulen seien notwendig. Das macht zusammen in der Summe 18.300 Lehrerstellen, die Sie im Wahlkampf versprochen haben.

Ich komme zum letzten Satz. Wenn wir heute gemeinsam zu dem Ergebnis kommen, dass das überhaupt nicht finanzierbar ist, sondern dass wir uns wirklich darauf eini

gen müssen, Stück für Stück weitere Verbesserungen zu erzielen, dann wären wir einen Riesenschritt weiter.Aber dazu brauchen wir eine entsprechend solide Finanzierung und keinen Populismus.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Irmer. Nun hat sich Frau Kollegin Habermann zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Irmer, dass Sie nicht rechnen können, haben wir in den letzten Jahren immer wieder dann gemerkt, wenn Sie davon gesprochen haben, dass die Unterrichtsgarantie in Hessen erfüllt ist.

(Michael Boddenberg (CDU): Das verstehe ich jetzt nicht! Das müssen Sie mal erklären!)

Insofern hätten Sie sich heute die Zahlen, die Sie angeblich unserem Programm entnommen haben, auch schenken können.