Protocol of the Session on September 24, 2008

Herr Präsident, ich möchte gerne meine Gedanken fortsetzen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Feigling!)

Es ist in Ihrem Antrag überhaupt keine Rede davon, wie z. B. die totale Verlärmung von bestehenden Wohngebieten in Flörsheim oder der Verlust der Naherholungsflächen in Kelsterbach verhindert werden kann. Es ist keine Rede über die Verfahrenstricks.

(Michael Boddenberg (CDU):Zweieinhalbtausend Seiten Planfeststellungsverfahren!)

Wir erinnern uns.Schon im ersten Verfahren,wo es um die Raumordnung ging, war die Rede davon, dass eine Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung hergestellt werden kann. Bereits das ist ein Verfahrenstrick, weil ein Raumordnungsverfahren festzustellen hat, ob es übereinstimmt – ja oder nein. In dem Fall war die Antwort eigentlich Nein.

(Michael Boddenberg (CDU): Völlig falsche Interpretation!)

Weiter ging es mit den gebrochenen Versprechen – es ist schon davon die Rede gewesen: ein Nachtflugverbot, das versprochen war und jetzt pro Nacht durchschnittlich 17 erlaubte geplante und ungezählte und ebenso erlaubte ungeplante Flugbewegungen haben wird, also bestimmt mehr als 7.000 Flugbewegungen im Jahr, und das zu einer Zeit, in der Ruhe versprochen war.

Es ist erst recht in dem Antrag keine Rede mehr von den immer wieder auftauchenden Ungereimtheiten in den Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens. Die Zeitpläne stimmen nicht.Auf einmal erfahren wir – nur durch Nachfragen und natürlich nebenbei –, dass jetzt Provisorien bezüglich des Terminals 3 vorgesehen sein werden. Wir erfahren weiterhin, dass aktuell versucht wird, kommunale Klagen nach völlig unklaren Kriterien auszusondern, damit man es nicht mit schwierigen Vorträgen vor Gericht zu tun hat.

Meine Damen und Herren, das alles stärkt mit Sicherheit nicht das Vertrauen in das Verfahren, das Sie hier eingefordert haben, Herr Kollege Boddenberg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hannelore Eckhardt (SPD))

Jetzt versuchen Sie, die sich Bemühenden mit den vielen guten Argumenten, die den Protest unterstützen und die sich gegen die Vernichtung des Kelsterbacher Waldes und die immer weiter steigenden Belastungen der Region durch Fluglärm und Schadstoffe richten, einzuschüchtern.

Beschwörungsgleich wie ein Glaubensbekenntnis der Ausbaubefürworter wird wiederholt, dass am Flughafenausbau kein Weg vorbeigeht. Das ist doch wie diese neue hessische Werbeparole – in diesem Fall ganz schlecht angewendet. Ergänzt wird das durch solche Bemerkungen wie die in Abs. 5 des Antrags, „dass das Hüttendorf im Kelsterbacher Wald bereits jetzt die Grenzen des Rechtsstaats tangiert“.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Meine Damen und Herren – ich spreche jetzt vor allem die Antragsteller an –, merken Sie denn nicht, wie Sie genau das, was Sie vorgeblich ablehnen, faktisch befördern? Viele Menschen, die diese Hütten im Wald für keine sinnvolle Aktion halten – ich persönlich gehöre dazu –, werden sich über den Antragsteller und dessen Aussagen dennoch zu Recht empören.

Herr Boddenberg, Sie stellten sich hierhin und sagten, das Ziel müsse es sein, Feindbilder abzubauen.

(Michael Boddenberg (CDU): Joschka Fischer war das!)

Das Gegenteil davon haben Sie mit Ihrer Rede und mit Ihrem Antrag getan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Denn das, was mit dieser Formulierung im Antrag versucht wird, ist doch eine Kriminalisierung der Ausbaugegner – indem im völligen Widerspruch zu den historischen Fakten, und die haben Sie sogar selbst angesprochen, und damit in eindeutig unzulässiger Weise eine Parallele zwischen Formen zivilen Ungehorsams und der Ermordung zweier Polizeibeamter an der Startbahn West gezogen wird.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, dafür sollten Sie sich schämen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wehret den Anfängen! Das sind die geistigen Brandstifter!)

Sie wissen ganz genau wie alle anderen auch, dass es in den Reihen der Ausbaugegner niemanden gibt, der die Ermordung von Polizeibeamten in dieser Weise verharmlost sehen möchte.

(Michael Boddenberg (CDU):Wer hat denn das gesagt?)

Ich finde es von Ihnen äußerst niederträchtig, dies hier zu unterstellen. Letztendlich zeigt das nichts weiter, als dass Sie in der Sache überhaupt keine Argumentationskraft haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn CDU und FDP nichts anderes mehr einfällt, als die Ausbaugegner derart zu beleidigen und als Kriminelle zu denunzieren, dann sollten sie lieber schweigen.

Sie können sich vorstellen, dass wir Ihren Antragstext insgesamt für eine Zumutung halten und ihn selbstverständlich ablehnen.

(Michael Boddenberg (CDU): Offenbar haben Sie Ihre Rede aufgeschrieben, bevor Sie meine gehört haben!)

Ich bin froh, dass sich auch die SPD negativ zu Ihrem Antrag stellt – obwohl Sie doch versucht haben,durch NameDropping mit den Namen des Ministerpräsidenten und des Bürgermeisters von Kelsterbach ein bisschen Stimmung in Richtung SPD zu machen. Herr Boddenberg, das ist erkannt worden. Ich bin fest davon überzeugt, Sie werden mit Ihrem Antrag scheitern.

Der nachgeschobene Antrag von heute Morgen macht die Sache eher noch ein bisschen schlimmer. Insoweit wird der Landtag Ihnen hier – das hoffe und erwarte ich – mehrheitlich nicht folgen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Meine Damen und Herren, die Anmerkung, dass wir mit vielen Passagen dieses SPD-Antrags unsere Schwierigkeiten haben, überrascht hier niemanden. Denn wir haben nach wie vor klar und deutlich die Position:Wir halten den Flughafenausbau aus vielen gut erwogenen Gründen für falsch.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, ich will jetzt noch zwei Punkte des Antrags ansprechen.

Zum einen greife ich Abs. 4 auf. Damit meine ich nicht die eher als Plattitüde zu verstehende Aussage, „dass der gerichtliche Weg über die Rechtmäßigkeit des Planfeststel

lungsbeschlusses zum Ausbau des Frankfurter Flughafens zu akzeptieren ist“.

Meine Damen und Herren, da der Rechtsweg auch von etlichen Ausbaugegnern beschritten wird,steht doch diese Frage überhaupt nicht zur Debatte – ob ein Rechtsweg akzeptiert wird. Zur Debatte steht doch vielmehr, dass es aus unserer Sicht jenseits dessen eindeutig geboten ist, den Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenausbau seitens der Landesregierung zu verändern. Unsere Überzeugung ist:Er kann nicht so bleiben,wie er ist – zumal er den fortwährenden Makel des Wortbruchs in sich trägt.

Alle politischen Kräfte, denen es ehrlich auf eine Deeskalation des Konflikts ankommt, können es nicht bei diesem Planfeststellungsbeschluss belassen. Deshalb müssen sich diejenigen, die sich strikt einer Änderung verweigern – wie insbesondere die heutigen Antragsteller –, den Vorwurf gefallen lassen, ihrerseits an der Eskalation der Auseinandersetzung mitzuwirken.

Meine Damen und Herren – ich spreche jetzt die Antragsteller CDU und FDP an –, dieses Problem beseitigen Sie nicht, indem Sie irgendwelche Kraftmeiersprüche, die nichts anderes sind als Selbstverständlichkeiten, hier aufschreiben, nämlich: „alles rechtsstaatlich Gebotene“ soll unternommen werden, „um eine Verfestigung von rechtswidrigen Zuständen zu vermeiden“. Was heißt denn das im Konkreten?

Wie wäre es denn, wenn Sie vielmehr einen Text schrieben, der besagt, es sei alles rechtlich Mögliche zu unternehmen, um eine Fortdauer des Wortbruchs des Ministerpräsidenten zu vermeiden und das versprochene Nachtflugverbot auch tatsächlich durchzusetzen? Das wäre der Durchbruch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, zu guter Letzt will ich mich noch mit dem einzigen einigermaßen sachbezogenen Punkt dieses Antrags befassen.Das ist Abs.2.Dort geht es um den Lärmindex.

Der Lärmindex, wie ihn Prof.Wörner entwickelt hat, wird hier gelobt. Wenn er so großartig ist – und damit wende ich mich wieder an die Antragsteller des Ausgangsantrags –, warum hat er dann eigentlich nicht Eingang in den Planfeststellungsbeschluss gefunden? Warum weigern Sie sich weiterhin, ihn jetzt noch ergänzend hineinzunehmen – wenn er doch so toll ist?

Liegt das vielleicht daran, dass er doch nicht so toll ist? Die wissenschaftliche Bewertung des Lärmindex liegt nun vor, und man kann sie bestimmt nicht als besonders euphorisch bezeichnen.

Er wird zwar als grundsätzlich geeignet angesehen – was angesichts der Tatsache, dass auch das DLR mit begutachtet hat,nicht so überrascht –,aber immerhin werden 20 Modifikationen für erforderlich gehalten. So steht es im einschlägigen Gutachten.

Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass der Maßstab für die anzuwendende Lärmobergrenze und die Höhe der Reduktionsvorgabe – ich zitiere – „gesellschaftspolitisch diskutiert und entschieden“ werden muss.

Meine Damen und Herren, das heißt doch eindeutig, die Lärmindexarithmetik kann letztlich nichts anderes ermitteln, als vorgegebene Setzungen von interessierter Seite festzuschreiben. Damit wird das gesamte Verfahren eher

als eine Verschleierungsmethode denn als eine tatsächliche Hilfestellung zur Reduzierung des Lärms wirken.

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, war ich selbst einmal Physiker.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das sind Sie heute noch!)