Protocol of the Session on September 24, 2008

Dazu kommen – das hat der Finanzminister auch deutlich gemacht – weitere Steuerrückzahlungen an die Großindustrie und die Banken.Ein Unternehmen hat nun einmal das Ziel, über viele Jahre möglichst gleichmäßige Bilanzen vorzulegen. Deswegen wird in den Jahren, in denen die Einnahmen nicht mehr so sonderlich hoch sind, versucht, außerordentliche Erträge zu realisieren.Wenn man außerordentliche Erträge bei der Steuer erzielen kann, dann macht man das in so einem Jahr. Genau das passiert dieses Jahr. Die Unternehmen und Banken holen sich die Steuerrückerstattungen, die sie möglicherweise auch im nächsten oder übernächsten Jahr erst hätten realisieren

können. Insofern müssen wir den Gesamtkomplex der wirtschaftlichen Entwicklung betrachten.

(Reinhard Kahl (SPD): Für Bayern und BadenWürttemberg gilt das nicht!)

Ich sage Ihnen: Wir wissen noch gar nicht, wie es weitergeht. – Aber angesichts des gesamten Komplexes dieser wirtschaftlichen Entwicklung hat der Finanzminister neulich in einem Gespräch mit einem Redakteur der „Frankfurter Rundschau“ und anschließend auch direkt im Haushaltsausschuss deutlich gemacht, welche dramatische Entwicklung uns da blühen könnte. Er hat dabei nur davor gewarnt, hier im Landtag weitere Ausgabenwünsche umzusetzen und den Haushalt damit weiter zu belasten.

Ich muss Ihnen sagen:Es steht die Zahl im Raum,dass wir am Ende netto 150 Millionen c weniger haben könnten, als für dieses Jahr eingeplant waren.Das könnte eintreten. Bei uns müssten doch deswegen alle Alarmglocken angehen.Wir alle, die wir hier zusammen Haushaltspolitik machen, müssten uns doch zumindest vornehmen, dass wir die Ausgaben nicht steigern. Das war das Hauptziel. Der Finanzminister hat versucht, das den Finanzpolitikern im Haushaltsausschuss und der Öffentlichkeit über die Presseerklärung zu verdeutlichen.

Meine Damen und Herren, Sie sagen, wir hätten auch ein Problem bei den Ausgaben und nicht nur eines bei den Einnahmen. Diese Schlacht haben wir in der Tat über mehrere Jahre geschlagen. Ich muss Ihnen dazu Folgendes sagen:Wir, die Mitglieder der CDU, waren in den letzten Jahren unterwegs und haben dabei mit Vertretern der Verbände, mit Lehrern, mit Vertretern der Gewerkschaften und mit anderen Zahlungsempfängern des Landes gesprochen. Ich habe dabei nicht viele gesprochen, die uns erklärt haben, dass sie eigentlich zu viel Geld haben und dass das Land zu viel Geld ausgibt. Ich kenne in der Tat nur Aussagen von Vertretern der Verbände, die uns erklären, dass sie zu wenig Geld erhalten.

Wenn wir es als Politiker ernst mit unserer Aussage gemeint haben, die allerhöchste Priorität in Deutschland müsse auf der Bildung liegen, wenn wir das wirklich ernst gemeint haben, dann haben wir es in den letzten Jahren verdammt richtig gemacht.Wir haben alle Mehrausgaben im Sektor der Bildung gehabt.

Gestern habe ich in irgendeiner Rede eines Vertreters der Opposition gehört, der Bildungsetat sei sogar gesunken. Niemals wurde in Hessen so viel Geld für Bildung ausgegeben wie in diesem Jahr. Im nächsten Jahr wird es wieder mehr sein. In jedem der letzten Jahre wurde es sukzessive mehr. Insgesamt gibt es 4.000 zusätzliche Lehrer.

(Beifall bei der CDU)

Es ist also viel mehr geworden. Der Bildungsetat in Hessen wurde seit Amtsantritt des Finanzministers Karlheinz Weimar und der damaligen Kultusministerin Karin Wolff um nahezu 50 % erhöht. Das haben wir für die Schulen in Hessen geleistet. Wer dann davon redet, dass wir in Hessen tatsächlich ein Problem bei den Ausgaben hätten, der darf wirklich nicht durch die Lande laufen und in den Grundschulen erklären, die Klassen seien zu groß.

Wenn wir das Ziel ernst nehmen, die Bildung in den Vordergrund zu stellen, dann werden dort weitere Ausgaben notwendig sein. Daran habe ich überhaupt keine Zweifel.

(Beifall bei der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Das bestreitet doch niemand!)

Wir werden dann in der Tat in anderen Bereichen zurückfahren müssen. Deswegen haben wir gestern Abend zusammen mit den GRÜNEN das beschlossen, was die Beamtenbesoldung betroffen hat. Das hat uns wirklich wehgetan. Wir haben darüber lange diskutiert. Aber angesichts der Situation, die wir dieses Jahr bei den Steuereingängen vorfinden werden, angesichts der Ausgabenwünsche bei der Bildung und angesichts dessen, was wir für die Referendare schon zugesagt haben, muss ich sagen, dass für andere Bereiche keine Ausgabenspielräume mehr da sind.

Dann muss man über einen solchen Vorschlag, der von den GRÜNEN kam, was die Einsparung bei der Beamtenbesoldung angeht, ernsthaft nachdenken. Ich finde es nicht fair, dass Sie als Allererstes zu den Gewerkschaften rennen und in die Öffentlichkeit gehen und erzählen, wir hätten denen etwas weggenommen. Die Wahrheit ist, dass wir denen unter den Beamten im Lande, denen es etwas besser geht, ihr Gehalt erhöhen, das sie von uns wortgetreu bekommen, dies aber erst drei Monate später geben, und denen, die im unteren Einkommensbereich der Beamten sind,das von Anfang an geben.Dadurch sparen wir 40 Millionen c. Meine Damen und Herren, das ist ein richtiges Signal in der Finanzpolitik.

(Beifall des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Kollege Kaufmann, ich danke Ihnen recht herzlich.

(Heiterkeit)

Sie haben davon gesprochen, dass wiederholt verfassungswidrige Haushalte vorgelegt wurden. Ich erinnere daran, dass der Staatsgerichtshof zum Haushalt 2005 ein klares Urteil gefällt hat. Das haben Sie anders erwartet. Aber der Staatsgerichtshof hat eindeutig den Haushalt 2005 für verfassungskonform erklärt. Die Haushalte, die wir vorgelegt hatten, waren in der Summe verfassungskonform.

(Zurufe von der SPD)

Ich gebe Ihnen gerne noch einmal die Zahlen, weil es immer falsch ist, in einer solchen Debatte, die auf der einen Seite ein Stück weit von Polemik geprägt ist, auf der anderen Seite nicht mit Sachargumenten zu kommen. Ich will Ihnen einmal sagen: Ihr Argument, dass wir in den Jahren seit 1999 die Schulden über 10 Milliarden c in Hessen erhöht haben, fällt angesichts der Situation, die wir in diesem Zeitraum bundes-, europa- und weltweit hatten,hinten herunter.Wenn ich mir überlege,dass wir in den Neunzigerjahren eine deutlich bessere Konjunkturentwicklung in Deutschland als in den zehn Jahren danach hatten

(Reinhard Kahl (SPD):Das stimmt doch gar nicht!)

und es in dieser Zeit geschafft haben, in Hessen eine ganz genauso hohe Nettoneuverschuldung Jahr für Jahr hinzulegen,wie es in den Jahren seit 1999 notwendig war,als wir die deutlichsten Einnahmeausfälle nach dem Zweiten Weltkrieg hatten,

(Norbert Schmitt (SPD):Waigel!)

dann hinkt Ihr Vergleich. Die Zahlen muss man in Vergleich setzen.Während Rot-Grün zwischen 1991 und 1999 etwa 9 Milliarden c Schulden gemacht hat

(Reinhard Kahl (SPD): 8 Milliarden c!)

8 Milliarden c Schulden gemacht hat, wurden in dieser Zeit rund 9 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich gezahlt. Bei einer etwa gleich hohen Nettoneuverschuldung in den darauf folgenden acht Jahren, die man etwa miteinander vergleichen kann,

(Norbert Schmitt (SPD): Sie haben es mit den Verkäufen!)

wurden dagegen über 18 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich gezahlt. Das zeigt nicht nur,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Einnahmen waren viel höher!)

dass in der Zeit der Regierung Koch und Weimar die Konjunktur in Hessen, wenn auch nicht die Finanzentwicklung, besser gelaufen ist, sondern es zeigt auch, dass wir insgesamt eine wesentlich höhere Belastung zu tragen hatten, als Sie es mussten, und dafür eine im Bundesvergleich extrem niedrige Neuverschuldung erreicht haben.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,vielleicht sollte man sich das einmal in Erinnerung rufen.Wir liegen in der Gesamtverschuldung – das sind Zahlen, mit denen ein Normalbürger gar nichts anfangen kann – bei 31, 32, 33 Milliarden c.Das ist jenseits jeder Vorstellungskraft.Man muss das herunterbrechen auf eine Pro-Kopf-Verschuldung, um eher auf eine Zahl zu kommen, die man wahrnehmen und mit der Verschuldung in Deutschland vergleichen kann.

In Deutschland liegen wir bei der Nettoneuverschuldung in all den letzten Jahren immer auf Platz 3 bis Platz 4.Man kann vor uns nur Sachsen aus den neuen Bundesländern und Bayern und Baden-Württemberg aus den alten Bundesländern nennen. Das hat natürlich damit zu tun, wie viel Schulden vorher aufgebaut wurden, weil ein Land, das weniger Schulden aufgebaut hat, weniger Zinsleistungen zu erbringen und es deswegen leichter hat, weniger neue Schulden zu machen. In dieser Zeit ist es uns gelungen, immer diesen Spitzenplatz in Deutschland zu halten, und zwar einen positiven Spitzenplatz – Platz 3 in Deutschland unter allen anderen Bundesländern.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Herr Kahl, das kann ich Ihnen auch mit meiner zurückhaltenden sachlichen Art nicht ersparen: Wir sind damit auf Platz 3 mit Bayern und Baden-Württemberg;wenn Sie Sachsen dazunehmen, sind es vier Bundesländer, die alle CDU-regiert waren.Alle SPD-regierten Länder sind hinter uns in der Verschuldung in Deutschland.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Da müsst ihr die Verkäufe hinzurechnen!)

Man muss einmal überlegen, was auf uns zukommt. Die Vorschläge, die die LINKEN in den letzten Tagen und Wochen gemacht haben, summieren sich auf rund zweieinhalb Milliarden c. Das sind teilweise Einmalzahlungen, wenn man überlegt, dass man das Klinikum Gießen zurückkaufen will. Das sind aber auch Zahlungen, die im Wesentlichen jedes Jahr wieder kommen würden.

Allein die 25.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse, die Sie im öffentlichen Dienst in Deutschland schaffen wollen, kosten uns, wenn man nur den Mindestlohn, den Sie fordern, zugrunde legt, rund 640 Millionen c. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir im öffentlichen Dienst nur Stellen im Mindestlohnbereich schaf

fen. Aber nur das gerechnet, hätten wir 640 Millionen c Ausgaben.

Das Ziel unseres Antrages war es, dass sich alle Fraktionen in diesem Hause einmal klar überlegen, wohin sie in den nächsten Jahren in der Finanzpolitik wollen. Wollen Sie wirklich eine Chance haben, im Jahre 2011 trotz der von Karlheinz Weimar angedeuteten Entwicklung bei den Steuereinnahmen das Risiko einzugehen, in einer Koalitionsvereinbarung Zusagen zu machen, die uns jenseits dieser Grenze – 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen – katapultieren, oder wollen Sie mit uns zusammen weiter gemeinsam den Weg gehen, ab 2011 keine neuen Schulden mehr in Hessen zu machen?

Das ist die Frage, die Sie beantworten müssen. Ich sage ganz deutlich, Begriffe wie „Kassensturz“ sind eine allgemeine Finanzrhetorik. Wenn eine Opposition nicht mehr weiter weiß, ruft sie immer: Wir brauchen einen Kassensturz.

(Reinhard Kahl (SPD): Das habe ich schon einmal gehört!)

Wer einen Haushalt richtig lesen kann – das unterstelle ich einmal bei Ihnen, insbesondere Kollegen Kaufmann, aber ich brauche nicht zu verschweigen,dass auch Kollege Schmitt und Kollege Kahl in der Lage sind, einen Haushalt zu lesen –, der braucht keinen Kassensturz, weil er im Haushalt genau sieht,wo wir stehen und welche Ausgaben in den nächsten Jahren jedenfalls in groben Bereichen auf uns zukommen.

(Minister Karlheinz Weimar: Und die monatlichen Steuereinnahmen!)

Sie bekommen monatlich die Steuereinnahmen mitgeteilt. Das ist ein guter Hinweis vom Finanzminister.

Herr Kollege Milde, ich darf Sie doch darauf aufmerksam machen, die vereinbarte Redezeit ist abgelaufen.

Vielen Dank. – Wir haben hier eindeutig festzustellen, dass wir in einer Form Transparenz haben,dass man schon – Kollege Kaufmann –, wenn man ehrlich ist, beide Augen zumachen muss, wenn man behaupten will, dass wir hier keine Transparenz haben, was die Information über die aktuelle Haushaltslage angeht.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege!)

Herr Präsident, ich bitte, mir das noch zu gestatten. – Ich will nur abschließend eines sagen, weil so oft davon geredet wird, dass man die Einnahmen im Jahr noch einmal erhöhen kann. Neulich hat Herr Dr. Wilken in dem „Stadtgespräch“ mit Michael Boddenberg gesagt: Wir hatten doch unter Helmut Kohl einen Spitzensteuersatz von 56 %. Das war doch auch kein Sozialist.Wenn wir dahin kommen, haben wir schon wieder hohe Einnahmen. – Ich muss Ihnen sagen, dass wir nicht nur stolz darauf sind, dass wir die Bürger in dieser Zeit entlastet haben, woran sich Rot-Grün deutlich beteiligt hat.

Man muss einmal vergleichen, wo wir in der Zeit, als wir in Deutschland einen Spitzensteuersatz von 56 % hatten, europaweit gelegen haben. Dann muss ich sagen, wenn wir diesen Spitzensteuersatz heute noch hätten, wären wir

in der wirtschaftlichen Entwicklung Europas auf dem letzten Platz.