Wenn Sie verfolgt haben,was wir in den letzten Jahren immer vorgeschlagen haben, werden Sie feststellen, dass wir davon ausgehen, dass es sich hierbei hessenweit um rund 5.000 Personen handelt.
Herr Boddenberg, ich rede nicht von allen 1-c-Jobbern, sondern von denjenigen, bei denen klar ist, dass sie mittelund langfristig nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind. Es ist doch nicht sinnvoll, jemanden für ein halbes Jahr in Arbeit zu vermitteln, wenn man schon vorher weiß, dass er danach in den nächsten Halbjahresjob vermittelt werden muss. Das ist doch der Unfug, den wir im Moment bei den 1-c-Jobs erleben.
Da haben wir mit dem sozialen Arbeitsmarkt ein gutes Programm. Er geht genau auf dieses Problem ein und schlägt hier für eine bestimmte Personengruppe eine gute Lösung vor.
Meine Damen und Herren, in der aktuellen Situation sehen wir, dass sich Deutschland mit der Agenda 2010 bewegt hat. Ich sage hier nochmals ausdrücklich: Wir GRÜNE sind der Meinung, Deutschland hat sich in die richtige Richtung bewegt.
Unstreitig hat die Agenda 2010 zum Abbau der strukturellen Arbeitslosigkeit beigetragen – obwohl dort noch viel zu tun ist. Aber sie bedarf an vielen Punkten der Weiterentwicklung.
Gleichzeitig aber hat sie in unserer Gesellschaft das Gefühl verstärkt, dass es hier nicht gerecht zugeht, dass die Einkommen immer weiter auseinanderklaffen, dass es in Deutschland immer ungleicher und ungerechter zugeht.
Meine Damen und Herren, die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt, die Vermittlung von Menschen in Arbeit können nur dann nachhaltig sein, wenn auch das soziale Gleichgewicht gewahrt ist. Hier gibt es noch viel zu tun – packen wir es an.
(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall der Abg. Petra Fuhrmann und Marius Weiß (SPD))
Vielen Dank,Frau Schulz-Asche.– Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Müller-Klepper zu Wort gemeldet. Bitte sehr. Sie wissen, die vereinbarte Redezeit beträgt 30 Minuten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier und Fraktionschef Struck fordern ein Ende der Debatte um die Agenda 2010.
Denn es geht um die Grundlage der Arbeitsmarktpolitik in diesem Lande, die für die Menschen von existenzieller Bedeutung ist und die die Weichen dafür stellt, ob sie Arbeit und Brot haben.
Sehr geehrte Frau Fuhrmann, es ist keine Tour d’Horizon durch die Sozialpolitik angesagt, sondern es geht um die zentrale Frage:Wie können mehr Menschen in Beschäftigung kommen, damit sie ihr Leben eigenständig gestalten können?
Dass Sie dies nur am Rande gestreift haben, ist angesichts der Losung „Ende der Debatte“ kein Zufall. Es geht der SPD darum, ihre inhaltliche Zerrissenheit auf diese Art und Weise zu übertünchen.
Die einen in der SPD wollen die Arbeitsmarktpolitik auf der Basis der Agenda weiter entwickeln, die anderen wollen sie rückgängig machen und laufen dabei – Stichwort: Populismus – Lafontaine hinterher.
Meine Damen und Herren, da gibt es keinen kleinsten gemeinsamen Nenner. Es handelt sich um zwei konträre Richtungen: Die einen wollen zurück, die anderen nach
vorn. Dieses Dilemma lässt sich nur durch klare Entscheidungen sowie Führung lösen, nicht durch Kosmetik.
In der SPD gibt es zwei Flügel, die nicht gemeinsam schlagen, was unweigerlich zum Sinkflug und zur persönlichen Niederlage führt, wie wir es gerade am Beispiel des gescheiterten Bundesvorsitzenden Kurt Beck erlebt haben.
Nicht synchrones Flügelschlagen führt auch strategisch zu einem Desaster und kann katastrophale Folgen haben,die das eigentliche Ziel ad absurdum führen. So ist die SPD dabei, DIE LINKE hoffähig zu machen, statt sie zu bekämpfen.
Sie will sie klein halten, doch erreicht sie das Gegenteil, indem sie sich als Steigbügelhalter missbrauchen lässt.
Inhaltlich führt unkoordiniertes Flügelschlagen zum Zickzackkurs. Es zerstört Erfolge und gefährdet Reformen, wie die der Arbeitsmarktpolitik. Wofür steht diese SPD?
Nie mit der LINKEN, oder wollen Sie doch eine Zusammenarbeit mit ihnen? Ja oder Nein zur Agenda? – Diese SPD ist eine gespaltene Persönlichkeit und macht eine entsprechend schizophrene Politik.
Die widerstreitenden Richtungen machen das Land mittlerweile kirre. Die Bürger und Bürgerinnen schütteln mittlerweile nicht mehr nur den Kopf, sondern sie sind es schlichtweg leid.
Es besteht die Gefahr, dass sie sich ganz abwenden, und zwar nicht nur von der SPD. Das ist das eigentliche Problem. Denn sie wenden sich insgesamt von der Politik ab, deren Glaubwürdigkeit durch dieses Verhalten infrage gestellt wird. Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut, das wir Politiker haben.
Wer sie, wie die hessische SPD, aus Machtinteressen aufs Spiel setzt, der darf sich nicht wundern, wenn 72 % der Bevölkerung ein klares Nein zu dieser Politik sagen.
Meine Damen und Herren, Steinmeier und Struck wollen den Flurschaden stoppen. Die Reizworte „Agenda 2010“ und „Zusammenarbeit mit der LINKEN“ müssen weg.Es ist eine semantische Appeasement-Politik, um in das SPD-Tollhaus, das in den vergangenen Monaten entscheidend von den hessischen Genossen durcheinandergewirbelt worden ist, Ruhe zu bringen und um im Vorfeld der Bundestagswahl der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. Es wird wie folgt abgewiegelt:Agenda 2010 – das war gestern. Die hessischen Verhältnisse seien nur ein separatistischer Irrweg, ohne Bedeutung für das Land, so wird verbal abgewertet. Aber Worte allein machen keine
Politik. Statt Begriffe zu wechseln und die hessische SPD links liegen zu lassen, sollte die neue Bundesspitze ihrer Führungsfunktion durch klare inhaltliche Positionierung gerecht werden,auch in der Arbeitsmarktpolitik und noch mehr bei ihrem Umgang mit der LINKEN.
Mit der Positionierung muss auch eine konsequente Umsetzung einhergehen, auch wenn man nicht die Bundeswehr einsetzen kann, wie Herr Struck mit Bedauern angemerkt hat.
Meine Damen und Herren, die Bevölkerung hat eine klare Ansage und eine feste Zusage verdient. Steht die SPD zur Einsicht, dass die soziale Sicherung reformiert werden muss, um sie zu erhalten, oder „geht sie von der Fahne“, um im Jargon von Ex-Bundesverteidigungsminister Struck zu bleiben? Die Antworten der SPD auf die Frage „Ja oder Nein zur Agenda?“ sind so gegensätzlich wie Feuer und Wasser.
Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt lobt aktuell die Agenda als mutigen ersten Durchbruch der ökonomischen Vernunft, weitere und unvermeidlich schmerzhafte Veränderungen seien notwendig. Die Juso-Bundesvorsitzende Drohsel will kein Zurück zur Agendapolitik. Peer Steinbrück spricht sich gemeinsam mit Ministerpräsident Platzeck in einer Streitschrift, die übrigens von Herrn Steinmeier mit verfasst ist, für eine Fortsetzung der Reformen aus. 60 linke Sozialdemokraten fordern in einem Papier die Abkehr von dieser Politik. Generalsekretär Hubertus Heil sieht darin den Geist von gestern. Franz Müntefering, der neue Hoffnungsträger der SPD, sagt hierzu: „Deshalb meine Empfehlung an meine Partei: Jetzt keine Kehrtwendung machen. Man muss Prioritäten setzen, Arbeit schaffen und im Übrigen die Agenda 2010 strikt weiterfahren.“
Ablehnung und Abkehr, Zustimmung und Weiterentwicklung – diese beiden Strömungen lassen sich nicht unter einen Hut bringen.Wie löst man also dieses Dilemma? – Indem man es für erledigt erklärt, obwohl es nicht geklärt und erledigt ist. Der Professor aus Köln, SPDBundestagsabgeordneter Karl Lauterbach, ist in dieser Hinsicht ehrlicher, wenn er sagt, eine Debatte über die Agenda 2010 bringe derzeit wenig, da sie bloß Unterschiede betone.
Die neue Zauberformel heißt Mindestlohn. Hinter dieser können sich alle Genossen versammeln – pardon, nicht alle. So sieht Helmut Schmidt dieses Lieblingsthema der SPD mit Skepsis. Der Weltökonom sagt, dass die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn zwar auf den ersten Blick einfach und verführerisch sei,bei näherer Betrachtung aber nicht ohne Tücken; er funktioniere eigentlich nur in den Ländern, die anders als Deutschland einen unregulierten Arbeitsmarkt hätten.