Protocol of the Session on August 28, 2008

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Dr. Jürgens, ich sage das nicht hämisch, weil ich in dieser Frage hämisch bin, sondern ich sage es hämisch, weil ich es relativ unsinnig finde, was die GRÜNEN seit gestern in dieser Frage veranstalten. Es gibt verschiedene Situationen, auf die Parlamentarier und Fraktionen in diesem Hause verschieden reagieren können. Ich gestehe Ihnen das gute Recht zu,dass Sie im Juni 2005, also vor drei Jahren, der Meinung gewesen sind, dass es nicht klug gewesen ist, Einzelinitiativen aus einem Konsens herauszunehmen, auf den vielleicht manche noch gehofft hatten.

Ich halte es für parlamentarisch ein bisschen daneben, wenn Sie jetzt meinen,z.B.den Kollegen Posch zitieren zu müssen, wenn es um die 1-%-Regel geht.

Entweder wollen wir uns daran halten, dass wir kollegial miteinander umgehen. Dann sage ich: schön, dass Sie dazugelernt haben. Oder wir wollen uns beide negative Vorwürfe machen. Herr Kollege Dr. Jürgens, das können Sie und Herr Wagner mit der FDP machen.Wir jedenfalls machen es nicht weiter.Aber wir haben Sie erwischt, dass Sie jetzt etwas anderes tun, als Sie vor drei Jahren selbst von diesem Pult aus getan haben. Und das gebe ich hiermit auch zu Protokoll.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Dr. Jürgens, es hilft Ihnen auch kein Zwischenrufen weiter. Sie haben vor drei Jahren genau das verurteilt, was Sie jetzt hier machen, nämlich mit Einzelinitiativen die Hessische Verfassung zu ändern.

(Zuruf der Abg. Hannelore Eckhardt (SPD))

Wir haben damals schon gesagt, wir müssen mit Einzelinitiativen die Hessische Verfassung ändern. Sie haben uns vorgeworfen, wir wären ein bisschen hinter der Hecke, irgendwo ein bisschen blöde oder so.Jetzt begrüße ich Sie, dass Sie auch hinter der Hecke bei uns sind und das mit uns genauso beurteilen.Vielen Dank, Herr Dr. Jürgens.

Nun komme ich zu dem Inhalt.Ja, es gibt ein Defizit an direkter Demokratie in Hessen. Ja, die Hürden sowohl in der Verfassung wie auch darüber hinaus in den anderen Normen sind zu hoch. Ja, über drei Vorschläge der GRÜNEN können wir uns unterhalten und werden sicherlich in Details verschiedener Meinung sein, aber nicht vom Prinzip her.

Nur einmal sage ich sehr eindeutig Nein. Der von Ihnen gewünschten Reduzierung und Absenkung des endgültigen Quorums, was dann tatsächlich Recht und Gesetz in diesem Land werden soll, stimmen wir Liberale nicht zu. Wir wollen, dass das Volk entscheidet, und nicht, dass eine Teilmenge des Volkes über die Gesamtmenge des Volkes entscheidet. Und das wollen Sie, Herr Kollege Dr. Jürgens.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wer Demokratie will, der muss immerhin noch dazu Ja sagen, dass es Mehrheitsentscheidungen sind, die in einer Demokratie zählen,und nicht Entscheidungen von Minderheiten. Aber das wollen Sie, Herr Kollege Dr. Jürgens, meine werten Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN – ich sage seit heute Morgen nicht mehr BÜNDNIS –,indem Sie das Quorum von 20 auf 10 % senken wollen. Das machen wir Liberale nicht mit.

Ja, die Unterschriftsquoren sind zu hoch. Seit acht Jahren hat die hessische FDP einen Landesparteitagsbeschluss – der hat die Handschrift von Dieter Posch und Jörg Uwe Hahn und übrigens auch damals schon von Wolfgang Greilich –, in dem wir sagen, wir wollen eine Reduzierung von 3 auf 2 %.

Nach unserer Auffassung ist das eine Möglichkeit, um mehr Demokratie zu bekommen, trotzdem aber auch deutlich zu machen, dass auch schon im Anfangsstadium einer direkten Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger der kleine Schwanz nicht mit der großen Mehrheit wedeln darf.

Herr Kollege Dr. Jürgens, hätten Sie doch einmal richtig zitiert, dann hätten Sie auch gewusst, dass das ein Konsensversuch gewesen ist, von dem Kollege Posch gesagt hat, er sei damit einverstanden.

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig!)

Kollege Posch hat aber ausdrücklich immer wieder deutlich gemacht – Herr Posch ist seit mindestens zehn Jahren stellvertretender Landesvorsitzender dieser Partei –,es ist eine Grundsatzauffassung der Liberalen,dass wir nur eine Absenkung von 3 auf 2 % haben wollen, nicht auf 1 %, wie Sie das vorgeschlagen haben.

Darüber können wir noch einmal streiten. Wir halten ungefähr 90.000 Unterschriften für notwendig. Jetzt sind es

ungefähr 131.000.Sie wollen,dass es ungefähr 50.000 sind. Darüber kann man sich sicherlich unterhalten. Sicherlich ist das auch keine der zentralen Fragen. Aber, Herr Kollege Dr. Jürgens, machen Sie sich doch bitte nicht einen solch schlanken Fuß, wie Sie das eben versucht haben.

(Beifall der Abg. Florian Rentsch und Nicola Beer (FDP))

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Abg. Dr. Jürgens?

Herr Hahn, Entschuldigung, damit ich es verstehe:Wo sehen Sie denn die deutlichen Verbesserungen,wenn Sie das Einleitungsquorum nur von 3 auf 2 % absenken wollen, das Quorum für das Volksbegehren aber bei 20 % belassen wollen? Wo liegt dann die deutliche Verbesserung?

Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie verstehens ja. Deshalb beantworte ich Ihre Frage auch nicht. Darüber haben wir uns schon mehrfach unterhalten.

Sie haben nur einen anderen Weg, aber bitte tun Sie doch nicht so, als ob es keine Verbesserung wäre, wenn man am Beginn des Verfahrens sagt, du brauchst keine 131.000 Unterschriften,sondern nur 90.000.Das ist doch wohl einfacher, oder?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Lieber Herr Dr. Jürgens, ich finde, auf dieses Niveau sollten wir uns unter Juristen wirklich nicht begeben.

Zweiter Punkt, Volksinitiative. Hier sage ich: Glückwunsch an die GRÜNEN. Denn das ist eine neue Forderung bei den GRÜNEN. Diese Forderung haben die GRÜNEN bisher noch nicht hier eingeführt.Ich sage deshalb Glückwunsch, weil dies ein Vorschlag ist, den die FDP bereits seit acht Jahren in ihrem Wahlprogramm stehen hat.

Wir halten es für vollkommen vernünftig, dass es dann, wenn diese Unterschriften tatsächlich gesammelt sind, eine Pflicht dieses Hauses ist, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Das nennen wir Volksinitiative.

Auch Sie nennen das Volksinitiative, obwohl Sie keine Volksinitiative machen, sondern – Kollege Gotthardt hat zu Recht darauf hingewiesen – eine Einwohnerinitiative. Das können Sie tun, aber dann sagen Sie es doch bitte auch offen und ehrlich. Wir wollen doch transparent miteinander umgehen, nicht mit Mogelpackungen.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Genau wie Sie meinen wir: Wenn sich tatsächlich so viele Menschen bereit erklärt haben, eine Initiative zu unterstützen, ist es Pflicht der ersten Gewalt in diesem Hause, sich damit auseinanderzusetzen.

Drittes Thema, und dabei sind wir wieder einig.Wenn das alles nicht geklappt hat, geht es in die Phase des Volksbegehrens hinein. Dabei ist die jetzige Frist von zwei Wochen ein Unding – eigentlich ist das eine Unfrist.Das kann man nicht schaffen. Das weiß auch jeder, der es einmal versucht hat. Das ist schon organisatorisch nicht zu bewältigen.

Wir werden schon alle Schwierigkeiten bekommen – aber trotzdem wird es irgendwie gut funktionieren –, wenn sich der Landtag auflöst, innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen durchzuführen.Aber wie man innerhalb von zwei Wochen ein entsprechend großes Quorum erreichen soll – das ist vollkommen unmöglich. Dazu sagen wir, und ich glaube, das ist auch Ihre Auffassung: Drei Monate sind eine dafür angemessene Zeit.Deshalb sollten wir das auch in die Gesetze hineinschreiben.

Dann kommt in unseren Augen der vierte Schritt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Unterschied, ich habe das eben schon einmal angesprochen:Wir glauben nicht, dass es in einer Demokratie erlaubt sein darf, dass 10 % Aktive möglicherweise über 90 % Inaktive bestimmen dürfen.

(Minister Volker Bouffier: So ist es!)

Vielmehr ist eine Demokratie nur dann eine Demokratie, wenn wir Mehrheitsentscheidungen akzeptieren.

Nun müssen wir uns überlegen, was Mehrheitsentscheidungen sind.50 % Aktive und 50 % Inaktive,das halte ich auch für zu hoch. Deshalb haben wir uns lange darüber Gedanken gemacht und gesagt: Für uns liegt die Schwelle für diejenigen, die dann wirklich abschließend Ja sagen müssen, gerechterweise bei 25 % derjenigen, die ihre Stimmen abgegeben haben.

Das heißt, wenn 25 % der Wählerinnen und Wähler – es sind dann wieder ausschließlich die Wäherinnen und Wähler, deshalb haben Sie das Problem mit Ihren Einwohnern bei der Initiative, die Sie vorhin vorgestellt haben – zugestimmt und aktiv Ja gesagt haben, dann ist das ein Quorum, bei dem man sagen kann, das hat eine relativ breite Unterstützung in der Bevölkerung. Denn wenn man das zusammenrechnet, dann müsste immerhin eine hohe Zahl von Gegenstimmen dabei sein, und dann kann man sehen, dass das einigermaßen demokratisch legitimiert ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werbe hier ausdrücklich und mit aller Verve als Bürgerrechtler und Rechtsstaatler dafür, dass wir keine Absenkung des Quorums vornehmen. Das sind ja möglicherweise Zufallsentscheidungen, die da zustande kommen.

Darüber hinaus schaffen wir es möglicherweise dann sogar, dass – ich sage jetzt nicht: über Einzelinteressen einer Person – über Einzelinteressen z. B. einer Gemeinde abgestimmt werden kann, gegen die Mehrheit im Lande, nur, weil die sich dafür nicht interessiert.

Herr Kollege Dr. Jürgens hat zu Recht gesagt, repräsentative Demokratie ist ein wesentlicher Bestandteil unseres demokratischen Systems in Hessen. Daneben steht die direkte Demokratie. Direkte Demokratie muss aber heißen, ein erkennbarer Mehrheitswille ist letztlich Grundlage einer Gesetzgebung, sei es bei normalen Gesetzen oder bei der Verfassung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb sind wir für 25 % bei der Schlusszustimmung. Dafür werden wir durch Änderungsanträge und geeignete Maßnahmen bei der Anhörung werben. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hahn. – Nächster Redner ist Herr Kollege Schaus für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir als neue Fraktion erstmals an dieser Verfassungsdebatte hier im Landtag teilnehmen, erlaube ich mir zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen, bevor ich dann zu einigen Detailfragen kommen möchte.

Für uns ist die demokratische Beteiligung aller Einwohner – ich betone ausdrücklich: Einwohner, da greifen wir den Gedanken der GRÜNEN sehr gerne auf, denn das ist uns wichtig – an den Entscheidungen über Belange der Allgemeinheit ein Eckpfeiler einer demokratischen Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Mehr direkte Demokratie, die Erweiterung der Möglichkeiten und die Bereitschaft zur Mitgestaltung in der Gesellschaft sind notwendig und sinnvoll.

Deshalb treten wir dafür ein, wirksame Formen direkter Beteiligung in Gemeinden, Landkreisen und auf Landesebene einzuführen.

Die hessischen Regelungen zur direkten Demokratie und zur Mitentscheidung der Bevölkerung sind aber – das wurde bereits ausgeführt – bundesweit die schlechtesten; damit meine ich: diejenigen mit den höchsten Hürden.

Deshalb begrüßt DIE LINKE ausdrücklich die Initiative der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur verbesserten Gestaltung von Volksbegehren und Volksentscheid. SPD, GRÜNE und LINKE haben in der lebendigen Gestaltung unserer Demokratie durch direkt-demokratische Elemente und die Betonung der Bedeutung des Einzelnen für das demokratische Ganze ein gemeinsames Anliegen.