Protocol of the Session on August 27, 2008

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der zweite Punkt betrifft die aktuelle Finanzkrise der Krankenhäuser. Mehrere Rankings zeigen uns die bedrohliche finanzielle Situation, in der sich viele Krankenhäuser befinden. Dazu gehören sicher die Budgetdeckelung der Krankenhäuser und die Koppelung der Einnahmen an die Grundlohnsumme. Das hat dazu geführt, dass es zu einer absurden Unterfinanzierung der Krankenhäuser gekommen ist.Wir haben die Umstellung auf die Fallpauschalen, d. h., die Gelder werden pro behandelte Patienten berechnet. Einige Krankenhäuser haben diese Umstellung nicht gut hinbekommen, das muss man auch sagen.Gerade in Hessen haben wir auch nach wie vor eine mangelnde Kooperation der Krankenhäuser untereinander, wenn es um effektivere Strukturen der Versorgung geht.

Hier wurde schon mehrfach die Bundesebene angesprochen. Die Gesundheitsreform der Großen Koalition ist missraten. Die absurdeste Maßnahme war das Sonderopfer, für das die Krankenhäuser einfach so 0,5 % ihrer Erlöse abgeben sollten, um die Krankenkassen zu stabilisieren. Meine Damen und Herren, das ist natürlich ein völliger Unfug.

Wenn man sich dann noch anschaut, dass im gleichen Zeitraum die Personalkosten durch die Tarifabschlüsse weiter gestiegen sind, dann lautet das Fazit: Die Große Koalition hat hier einen großen Unfug beschlossen, der zurückgenommen werden muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der FDP und der LINKEN)

Deswegen haben wir es begrüßt, dass die Gesundheitsministerkonferenz, der auch Ministerin Lautenschläger angehört, im Juli 2008 einen Forderungskatalog vorgelegt hat.

(Ministerin Silke Lautenschläger: Im Dezember schon einmal!)

Im Juli hat sie also zum zweiten Mal den Beschluss gefasst, genau diese Forderung, die ich gerade genannt habe, zu unterstützen.

Inzwischen gibt es im Bundesgesundheitsministerium einen Referentenentwurf, der ebenfalls davon ausgeht, dass es für die Krankenhäuser eine zusätzliche Finanzspritze geben muss, kombiniert allerdings mit einer Pauschalierung der Investitionskosten.

Für alle, die sich in diesem Bereich nicht auskennen, muss man sagen, dass die Investitionen Aufgabe des Landes sind. – Herr Rentsch, daher wäre es richtig gewesen, zu sagen, dass sich alle Bundesländer in den letzten Jahren im Bereich der Investitionen sehr zurückgehalten haben. Ich drücke es einmal vorsichtig aus, wenn ich sage, dass Hessen noch einigermaßen gut dasteht. Dennoch hat Hessen seine Verpflichtung nicht erfüllt, das muss hinzugefügt werden. Im Bundesvergleich stehen wir zwar nicht schlecht – –

(Ministerin Silke Lautenschläger: Das wird Rot- Grün nachholen?)

Frau Ministerin,das hat nichts mit Rot-Grün zu tun,sondern damit, wie ernsthaft sich eine Landesregierung mit der Frage befasst, sowohl die Krankenversorgung im

Krankenhaus als auch die ambulante Pflege miteinander zu verzahnen sowie mit Investitionen dafür zu sorgen, dass beispielsweise durch kürzere Wege in der Pflege Entlastungen stattfinden. Sie haben es als Landesregierung versäumt, diesen Auftrag voll zu übernehmen. Die langen Wege, die baulichen Maßnahmen, die Modernisierungen, die nicht in ausreichendem Maße erfolgt sind, haben dazu geführt, dass die Pflege zusätzlichen Belastungen ausgesetzt wird. Es ist ein Unterschied, ob Sie von einem Raum in einen anderen gehen müssen oder ob Sie die Patienten sogar von einem Haus in ein anderes transportieren müssen, nur um einfachste medizinische Untersuchungen vornehmen zu lassen.

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Schulz-Asche, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Weimar?

Jetzt nicht, da ich meinen Gedankengang, den ich gerade entwickelt habe, zu Ende bringen möchte.

Meine Damen und Herren, nun zum aktuellen Stand. Bisher hat leider noch keiner gesagt, dass wir auch im Moment den üblichen Clinch zwischen dem Bund und den Ländern haben. Dieser muss meiner Meinung nach von einer aktiven Landesregierung gelöst werden. Das heißt nicht, dass man die Interessen des Landes hintenanstellt, sondern dass wir dafür sorgen müssen, dass Bund und Länder so miteinander ins Gespräch kommen, dass sich die Situation in den Krankenhäusern nicht verschlechtert und dass das Sonderprogramm zur Einstellung von Pflegekräften auch tatsächlich realisiert wird.

Es hilft wirklich nicht weiter, wenn die FDP-Fraktion einen Antrag einbringt, der praktisch von dem Antrag abgeschrieben ist, den die FDP-Fraktion auf Bundesebene eingebracht hat, sondern wir brauchen ein wirklich abgestimmtes Vorgehen zwischen dem Bund und den Ländern, um dafür zu sorgen, dass die Entlastung sowohl in der ambulanten Krankenpflege als auch in den Krankenhäusern stattfinden wird. Es macht keinen Sinn, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben, auch wenn ich Ihnen eingangs die Telefonnummer von Frau Schmidt genannt habe.

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Schulz-Asche, ich frage Sie nochmals, ob Herr Weimar eine Zwischenfrage an Sie richten darf.

Ich möchte nun lieber zu den Richtgrößen kommen, da ich diese für das eigentliche Thema halte. – Ich nehme an, dass Sie noch einmal etwas zur Finanzierung der Investitionen sagen möchten, doch werden Sie mir nichts anderes berichten können, als dass Sie bereits 100 Millionen c ausgegeben haben. Doch sage ich Ihnen, dass es letztlich nicht das gewesen ist, wozu Sie eigentlich verpflichtet gewesen wären. Daher fahre ich mit den Richtgrößen fort.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Karlheinz Weimar: Das ist ausdrücklich nicht wahr! Ich wollte Sie nicht in Schwierigkeiten bringen, Frau Kollegin!)

Sie bringen mich nicht in Schwierigkeiten, das haben Sie bestimmt gemerkt, denn da müssten Sie sich ein bisschen mehr anstrengen. – Es ist ohne jeden Zweifel dringend notwendig, dass in der Pflege personell aufgestockt wird. Für uns stellt sich aber die Frage, ob die Personalmindeststandards eine gute Lösung darstellen, denn gerade im Krankenhausbetrieb gilt: Quantität ist nicht gleich Qualität; und die einfachsten Lösungen sind nicht unbedingt auch die besten. Dennoch werden wir im Sozialpolitischen Ausschuss in Ruhe beraten, was die SPD vorgeschlagen hat.

Meine Damen und Herren, der Druck, der in den Krankenhäusern entstanden ist und der sich nun vor allem bei der Pflege entlädt, hat nicht nur äußere Gründe. Glücklicherweise gibt es immer weniger Krankenhausleitungen, die notwendige Modernisierungen beim Management versäumt haben; das haben im Übrigen auch einige der kommunalen Aufsichtsgremien versäumt. In den Krankenhäusern gibt es noch immer extreme Hierarchien.Wir haben eine gewerkschaftlich untermauerte Unterscheidung zwischen ärztlichem und pflegerischem Bereich, was ich in Anbetracht einer vernünftigen Patientenversorgung für sehr ungünstig halte. Wir haben insgesamt eine fehlende Orientierung am Patienten, der im Mittelpunkt einer solchen Versorgung zu stehen hat.

Meine Damen und Herren,daher müssen wir noch einmal betonen, dass es nicht reicht, einzelne Punkte anzugehen, sondern es muss darum gehen, eine integrierte Versorgung herzustellen. Wir müssen es schaffen, den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen, und dazu gehört vor allem eine massive Verbesserung der Schnittstellen zwischen den niedergelassenen Ärzten und den Krankenhäusern. Dazu gehört aber auch, dass die Krankenhäuser sehr viel autonomer darüber entscheiden können müssen, wo und wie sie investieren wollen.Wir brauchen bauliche Modernisierungen – das habe ich bereits angesprochen – und Qualitätsstandards. Wir brauchen gerade für die Patienten mehr Qualitätstransparenz, damit diese besser entscheiden können, welches das geeignete Krankenhaus für sie ist, und damit sie erkennen, welche Leistungen jeweils angeboten werden.

Das ist mit bereits existierenden Personalstrukturinstrumenten, mit welchen modernes Management bereits arbeitet, machbar. Das kann man aber auch über Qualitätsstandards in Fallpauschalen machen. Ich weiß nicht, wie man für alle Fachbereiche übergreifend Mindeststandards für das Personal hinbekommen sollte, denn die Unterschiede in den einzelnen Fachbereichen sind sowohl in Bezug auf die Patientenstruktur als auch auf die Betreuungsschwere so groß,dass ich dies als sehr fraglich ansehe. Dennoch möchte ich das Ergebnis einer solchen Arbeitsgruppe nicht vorwegnehmen.

Wir brauchen – auch das möchte ich noch einmal erwähnen – ganz dringend eine Diskussion über die Abgrenzung sowie Verteilung von ärztlichen und pflegerischen Aufgaben im Krankenhaus.Wir haben hier in der Tat Synergieverluste. Wir wissen, dass die Pflege sehr nah am Menschen arbeitet. Daher brauchen wir in diesem Bereich eine bessere Kooperation, und es ist notwendig, dass von der Pflege zusätzliche Aufgaben übernommen werden. Gerade wenn ältere Menschen im Krankenhaus liegen, wollen diese keinen ständigen Wechsel haben. Daher geht es im Prinzip nicht nur um die Pflegetechnik,sondern um die persönliche Hinwendung des Pflegepersonals zu jedem einzelnen Patienten.

Meine Damen und Herren, alles, was ich gerade gesagt habe, zeigt, dass wir auf Landesebene eine sehr viel engagiertere Gesundheitspolitik brauchen, darauf ausgerichtet, nicht lediglich einzelne Bereiche herauszugreifen, sondern für die Menschen in Hessen in der Tat ein weitgehendes und bedarfsgerechtes Angebot zu entwickeln. Die Krankenhäuser brauchen eine solide Grundlage. Wir wissen, dass ein Teil der Probleme vom Bund kommt, ein anderer vom Land.Wir sind verpflichtet – auch das ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels von besonderer Bedeutung –, langfristig sicherzustellen, dass die medizinische und die pflegerische Versorgung eine Zukunft haben, und zwar eine qualitätsgesicherte Zukunft. Daher ist auch die Gesundheitsversorgung ein Teil nachhaltigen Wirtschaftens. Das wollen wir für die Menschen in Hessen sicherstellen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Schulz-Asche, vielen Dank. – Als nächste Rednerin erhält Frau Schott für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe mich hier noch immer als Lernende. Ich höre sehr interessiert zu und staune über das, was ich erfahre. Ich bin manchmal begeistert, manchmal entsetzt, doch stelle ich immer wieder fest, dass es um einen Inhalt geht, der sehr wichtig ist. Es geht um ein Thema, welches den Menschen unter den Nägeln brennt und zu dem ein Redebeitrag gegeben wird. Diesen höre ich zu einem Drittel an und denke, dass dies ganz spannend und interessant ist. Aber dann kommt plötzlich die Wende, denn dann geht es beispielsweise lediglich darum, zu sagen, dass man zwar keine Polemik wolle – dennoch wird es dann polemisch, und zwar genau dann, wenn ich gerade denke: Ich kann nun nachvollziehen, was passiert; es geht tatsächlich um den Inhalt. – Es schlägt plötzlich um, und es geht in den unterschiedlichsten Formen wieder nur darum, je nach Couleur des Redners, entweder die Regierung zu loben, zu lobhudeln oder gar zu beschimpfen.

Wenn ich das Problem betrachte, dann möchte ich an dieses Haus die dringende Bitte richten, dass wir mit einer großen Ernsthaftigkeit in den Ausschuss gehen, um genau hinzuschauen und zu fragen,was wir tatsächlich brauchen. Ich wünsche mir, dass wir hierüber reden.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das tun wir doch immer!)

Ich wünsche mir aber auch, dass wir nicht nur eine Arbeitsgruppe einsetzen werden,die gute Ergebnisse erzielt, und dass am Ende nicht lediglich die guten Ergebnisse übrig bleiben, die wir dann in den Schrank packen, statt sie in die Tat umzusetzen.

Wir können uns das in der Schulpolitik anschauen. Da finde ich es geradezu beispielhaft, wie viele Modellprojekte es gegeben hat, die alle wunderbar ausgebildet worden sind, um dann mit null Konsequenzen in irgendwelchen Schränken zu verschwinden. Wir können hier auch darüber reden, wie es sein könnte, wenn es gut wäre. Ich glaube, wir alle haben eine Vorstellung davon, wie es gut wäre. Dann können wir die Keule auspacken und sagen:

„Leider können wir es uns nicht leisten.“ Damit packen wir es dann wieder weg.

Wenn wir wirklich zielorientiert hinschauen wollen, wie wir die Qualität in den Krankenhäusern verbessern wollen, wie wir die Situation der dort arbeitenden Menschen verbessern wollen, dann müssen wir uns doch von vornherein darüber im Klaren sein, dass das Geld kosten wird. Wir müssen gemeinsam überlegen, wo wir dieses Geld hernehmen können und wie wir es am effizientesten einsetzen können.Denn es ist doch klar,dass man da wirklich effizient und wirtschaftlich arbeiten muss. Aber es muss uns auch klar sein: Es geht nicht zum Nulltarif, wenn wir an der Stelle etwas verbessern wollen.

Zu sagen, es habe überhaupt keinen Zweck, darüber nachzudenken, oder es gehe sowieso nicht, weil..., finde ich sehr müßig. Denn wir alle wissen, dass es notwendig ist und dass wir es tun müssen. Deshalb sollten wir gemeinsam schauen, wo und wie es gehen kann, und alle Beteiligten, die Herr Dr. Spies und die anderen in ihrem Vorschlag für eine Arbeitsgruppe aufgezählt haben, einbinden. Denn es ist notwendig und wichtig, dass genau die Menschen, die vor Ort in den Krankenhäusern, in den Einrichtungen betroffen sind, an der Stelle mitsprechen können und dass wir zu einem Ergebnis kommen, das wir dann aber bitte auch umsetzen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Frau Schott. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Rentsch gemeldet. Bitte, Herr Rentsch, Sie kennen das: zwei Minuten.

Herr Präsident! Frau Kollegin Schott, wir sind hier kein Selbsterfahrungsbetrieb,

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

wo man sich einfach einmal hinstellt und bedauert, wie alles ist. Wir haben doch eigentlich gemeinsam festgestellt: Die Situation in den Krankenhäusern ist schlecht. – Wir müssen nicht mit den Leuten reden. Denn das haben sowohl die Kollegen der GRÜNEN als auch die der FDP,als auch der CDU, als auch der Sozialdemokraten in den letzten Monaten getan.Wir nehmen Sie da gerne einmal mit. Ja, die Situation ist schlecht.

Aber – jetzt komme ich zu dem konkreten Punkt, den Sie genannt haben: zu der Arbeitsgruppe des Kollegen Dr. Spies – einmal angenommen, man setzt eine solche Arbeitsgruppe ein, eine Erfahrungsgruppe, oder wie man sie auch immer bezeichnen möchte.

(Zuruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wenn man sich dann damit beschäftigt, nach dem Motto: „Was müsste man eigentlich einmal tun?“, wie Sie das gerade gemacht haben, und man zu dem Ergebnis käme: „Wir brauchen mehr Personal im Krankenhaus“, dann würden Sie trotzdem an einem Punkt scheitern:Die Krankenhäuser haben gar nicht das Geld,um mehr Personal zu beschäftigen.Das ist das Problem.Deshalb ist es nett,dass wir uns einmal darüber unterhalten haben und dass Sie gesagt haben: Wir müssten eigentlich einmal alle gemeinsam etwas tun.

Ich möchte nicht sagen, dass alle Fraktionen in diesem Hause in der letzten Legislaturperiode die gleiche Meinung gehabt haben. Aber wir haben uns relativ fachlich mit dem Thema beschäftigt, auch etwas darüber hinausgehend,nach dem Motto:„Wir müssten eigentlich einmal etwas gemeinsam machen.“ Ich glaube, das kann ich schon für alle feststellen. Das würde ich auf jeden Fall für meine Fraktion an dieser Stelle feststellen.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Petra Müller- Klepper (CDU))

Letzter Punkt. Es geht hier nicht um Parteischelte. Natürlich ist der politische Betrieb auch immer ein Ort, wo man andere Konzepte kritisiert. Das ist völlig unbestritten. Sonst würden wir das hier alle nicht machen. Aber wenn man ein solches Problem diskutiert, wie es die SPD aufgeworfen hat, dass die Krankenhäuser in vielen Fällen keine Finanzmittel mehr haben, um genügend Personal einzustellen, dann muss man doch zunächst einmal die Frage stellen:Wo kommt denn das Geld her? – Ich glaube nicht – da werden wir einer Meinung sein –, dass die Landesregierung, jedenfalls bis jetzt noch nicht, das Geld selbst im Keller druckt. Frau Kollegin Schott, das mag, wenn Sie regieren, anders sein.