Protocol of the Session on June 5, 2008

Ihnen fällt im Moment offensichtlich kein anderer Weg ein, wie Sie von hier nach da kommen. Das Einzige, was Ihnen dann einfällt, ist, dass Sie versuchen – da bin ich mit dem Kollegen Milde einig –, an der Grenze dessen, was verfassungskonform zu diskutieren ist, die Gesetzeslage an Ihre missliche parlamentarische Lage anzupassen. Das ist das, was wir Ihnen an dieser Stelle zum Vorwurf machen.

(Beifall bei der FDP)

Es kann doch nicht sein, dass Sie unter Ausreizung der Grenzen der Verfassung Ihre politische Unfähigkeit nun dadurch kaschieren wollen, dass Sie die bestehende Rechtslage durch den Eingriff in ein bewährtes und funktionierendes System zwischen Regierung und Parlament zu beschönigen versuchen, indem Sie ein solches Gesetz vorlegen. Das kann doch nun wirklich nicht das Ziel sein. Dann wäre es ehrlicher, Sie würden endlich die Organisationsfähigkeit und die Handlungsfähigkeit finden, eine Mehrheit für die Bildung einer neuen Regierung auf die Beine zu stellen.Dann würden Sie hier sitzen und so einen Gesetzentwurf niemals einbringen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dann hätten Sie in der Tat die Möglichkeiten, die die Regierung – meiner Meinung nach zu Recht – aus der Verfassung für sich ableitet. Dann würden wir dieses Gesetz mit Sicherheit nicht beraten müssen.

(Unruhe bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der Kern dessen, was Sie hier vorlegen. So einfach werden wir es Ihnen nicht machen. Wir werden im weiteren Gesetzesberatungsverfahren die verfassungsrechtlichen Fragenstellungen, die hier aufgeworfen wurden, klären und erörtern müssen.Ganz so leicht,wie Sie es sich hier machen wollen, geht es nicht. Wir werden genau ein Auge darauf haben, insbesondere aus der Erfahrung, die wir hatten, als wir selbst einmal versucht hatten, das Parlament an der Haushaltsgesetzgebung stärker partizipieren zu lassen.

Wir erinnern uns noch an die Antworten, die wir damals wortwörtlich von Ihrem ehemaligen Minister Starzacher und Ihnen, Herr Kaufmann – kommen Sie an meinen Platz, ich gebe Ihnen das Protokoll –, bekommen haben.

Das werden wir nicht so einfach mit uns machen lassen. Wir wollen, dass intensiv darüber gesprochen wird. Wir werden nach wie vor den Finger genau in diese Wunde legen, dass es Ihnen hier nicht um die Sache geht. Mit diesem Gesetzentwurf geht es Ihnen nicht um die Rechte des Parlaments und der Fraktionen in diesem Haus.

(Zuruf des Abg. Manfred Görig (SPD))

Ihnen geht es um die Rechte dieses besonderen Parlaments und insbesondere nur Ihrer Fraktion und Ihrer Mehrheit, die Sie nach wie vor nicht dafür nutzen konnten, die Plätze von hier nach da zu wechseln. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. van Ooyen, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Blum,es ist tatsächlich der Situation geschuldet, dass die GRÜNEN und die SPD diesen Gesetzentwurf vorgelegt haben, weil diese geschäftsführende Landesregierung nicht bereit ist, nach Art. 139 Hessische Verfassung im September einen ordentlichen Haushaltsplanentwurf vorzulegen. Deswegen muss das Parlament dafür sorgen, dass diese verfassungsfeindliche Aktion korrigiert wird.

(Leif Blum (FDP): Die Mehrheit der Demokratie!)

Jetzt ist es natürlich auch das Dilemma, dass wir es nicht schon für den Haushalt 2009 bewerkstelligen können.Das wird durch diesen Gesetzentwurf leider nicht möglich sein. Das bedauere ich sehr; denn es wäre sicherlich hilfreich und sinnvoll, statt auf die Notverordnung nach Art. 140 der Hessischen Verfassung zu verweisen, sich damit auseinanderzusetzen, wie man zu einem vernünftigen Haushalt kommt und wie man eine Beteiligung des Parlaments an der Gestaltung eines zukünftigen Haushalts hinbekommt.

Das sind unsere prinzipiellen Positionen, weshalb wir diesen Gesetzentwurf für ein richtiges Herangehen halten. Wir wollen natürlich auch mithelfen, dass diese Öffnung und Durchsichtigkeit der haushaltspolitischen Positionen tatsächlich erfolgreich bestritten werden können, und zwar nicht nur in Richtung des Parlaments.Wir haben immer gesagt, dass es uns darum geht – ich zitiere Abraham Lincoln – –

(Leif Blum (FDP): Der würde sich im Grabe herumdrehen!)

Das glaube ich Ihnen vielleicht, aber hören Sie einfach zu, was er sagt.

Demokratie ist Regierung des Volkes durch das Volk und für das Volk.

Das heißt, unser Anspruch geht viel weiter, als lediglich den parlamentarischen Rahmen zu betreten. Wir gehen vielmehr davon aus, dass ähnlich wie in Porto Alegre und in einigen hessischen Städten, in denen das jetzt angedacht wird,z.B.Offenbach oder Marburg,tatsächlich Bürgerhaushaltsdebatten stattfinden, dass es Bürgerbeteili

gung bei der Entwicklung und Gestaltung des Landes Hessen und der Kommunen gibt.

Es geht darum, tatsächlich demokratische Umgangsformen im Zusammenhang mit dem Haushalt zu entwickeln. In erster Linie heißt das, dass man durchsichtige, übersichtliche Haushaltspläne hat, über die man öffentlich debattieren kann, dass man nicht einen vielleicht im Dezember klammheimlich aufgelegten Haushaltsentwurf so zusammenstrickt, dass das Parlament keine Chance der Veränderung und des Eingreifens in den Prozess der Zukunftsgestaltung der Zahlen nehmen kann.

Deshalb sage ich sehr deutlich: Wir werden uns dafür stark machen, dass wir, statt hier nur Luftblasen zu schaffen, Politik für Menschen betreiben, und das zusammen mit den Menschen. Dazu gehört, dass wir Mitwirkungsund Mitbestimmungsrechte brauchen. Das gilt selbstverständlich nicht nur für die Parlamentarier. Diese Durchsichtigkeit wollen wir erreichen, und den Versuch, das über einen Gesetzentwurf im Parlament durchzusetzen, der diese Zielrichtung hat, unterstützen wir ausdrücklich, auch wenn uns das an diesem Punkt, was die Öffentlichkeit und die Außenwirkung angeht, nicht weit genug geht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Schmitt, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das wichtigste, das bedeutsamste Recht des Parlaments ist das Budgetrecht. Ich glaube, das dürfte hier unumstritten sein. Wenn dies unumstritten ist, dann müsste eigentlich auch unumstritten sein, dass wir dieses Budgetrecht erhalten müssen. Da gibt es an einer Stelle sicherlich einen Punkt, wo wir es verteidigen müssen, nämlich bezüglich der neuen Verwaltungssteuerung. Da haben die Produkthaushalte an vielen Stellen dazu geführt, dass Haushaltspläne nicht mehr transparent und zum Teil nicht mehr beratbar sind. Auch an einer anderen Stelle müssen wir genauer hinschauen, was in der Hessischen Verfassung steht: Muss nicht ein durch die Verfassung bestehendes Initiativrecht des Parlaments auch in der Landeshaushaltsordnung verankert werden?

(Leif Blum (FDP): Das ist aber ein Unterschied!)

Herr Blum, wenn wir feststellen, dass es in der Landeshaushaltsordnung Ungereimtheiten gibt oder es an dieser Stelle keine Klärung gibt, dann ist das Parlament verpflichtet, nachzusteuern.

Ich will auf das Argument eingehen, das Herr Milde gebraucht hat und das Sie, Herr Blum gebraucht haben, als Sie immer wieder gesagt haben, dass die Frage des Budgetrechts ausreichend behandelt worden sei und Rechte verschoben würden, Dinge, die sich lange bewährt hätten.

Ich will auf das verfassungsrechtliche Argument eingehen und einfach einmal aus dem Kommentar Zinn/Stein zu Art. 139 die Erläuterung III zitieren. Dort heißt es:

Die Einschränkung der Budgetinitiative des Landtages lässt sich mit der Parlamentssouveränität, wie sie in der Hessischen Verfassung niedergelegt ist, nicht vereinbaren...

Weiter heißt es dann:

Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung der Hessischen Verfassung zur Budgetinitiative des Landtages muss daher gemäß Art. 117 in dem Sinne interpretiert werden, dass Budgetinitiativen aus der Mitte des Landtages uneingeschränkt zulässig sind und keiner Zustimmung der Landesregierung oder des Landesfinanzministers bedürfen.

Meine Damen und Herren,das ist der bedeutendste Kommentar, und hierum geht es. – An einer weiteren Stelle, einen Satz später, wird über die Frage aufgeklärt, wie es die Landeshaushaltsordnung momentan bestimmt und wie es mit dem Parlamentsrecht aussieht. Dort heißt es:

Budgetinitiativen aus der Mitte des Landtages werden aus praktischen Gründen nur für Korrekturen des von der Landesregierung beschlossenen Haushaltsentwurfs in Betracht kommen. Eine umfassende Ersetzung des Regierungsentwurfs widerspricht dem in §§ 28 bis 30 LHO festgelegten Verfahren; dieses ist auf den Regelfall zugeschnitten, dass die Regierung den Haushaltsentwurf vorberät und dem Parlament als in sich bestimmten Gesetzentwurf vorlegt.

Jetzt kommt es:

Begrenzungen der verfassungsrechtlich begründeten Budgetinitiative des Parlaments können sich aus dieser Verfahrensregelung nicht ergeben...

(Beifall bei der SPD)

Ich will es übersetzen für die Nichtjuristen. Das heißt, natürlich reicht die Verfassung weiter. An dieser Stelle ist eine Verfahrensregelung, die in der Landeshaushaltsordnung getroffen worden ist, nur eine Verfahrensregelung. Wir machen noch einmal deutlich, dass die Verfahrensregelungen, die getroffen worden sind, natürlich nicht das Budgetrecht des hessischen Parlaments einschränken.

Wir müssen anscheinend darum kämpfen. Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister, dem hessischen Parlament steht nach der Hessischen Verfassung ein Budgetrecht zu. Es steht ihm auch das Recht zu, einen Haushaltsentwurf einzubringen. Das wird aus praktischen Gründen nicht möglich sein.Es steht dem Parlament auch die Möglichkeit zu, einen Nachtragsentwurf einzubringen. Auch das wird aus naheliegenden Gründen ganz schwer möglich sein. Aber wir haben das Recht, und das muss auch in der Landeshaushaltsordnung in Zukunft zum Ausdruck gebracht werden.Deswegen haben wir den Gesetzentwurf eingebracht. Herr Kollege Milde, wenn Sie den Kopf schütteln, werden wir diese juristische Frage offensichtlich ausfechten müssen.Wir sehen, dass die Hessische Verfassung in der Tat anders gestrickt ist als andere Verfassungen. Wir sehen das als einen ganz wichtigen Punkt.

(Dem Redner versagt zeitweilig die Stimme. Er be- kommt ein Glas Wasser gereicht.)

Herzlichen Dank. Ich nehme das mit der Linken. Sie werden dafür Verständnis haben – auch die rechte Seite des Hauses –, dass ich momentan mehr mit der Linken arbeite als in der Vergangenheit.

(Heiterkeit)

Ich will einen zweiten Punkt ansprechen, den Sie eben erwähnt haben, nämlich den Datenschutz. Ich will auf Ihre Argumente eingehen. Es geht um das, was dort verankert

worden ist, den Zugang zu den Daten. Es geht um die Controllingberichte – so möchte ich das bezeichnen –, die im Abstand von einem Vierteljahr erfolgen sollen. Dazu haben wir momentan auch keine Regelung in der Landeshaushaltsordnung. Das ist ein Ausfluss der Produkthaushalte. Wir haben das Zugeständnis der Landesregierung, aber wir haben es nicht in der Landeshaushaltsordnung verankert. Deswegen wollen wir es in der Landeshaushaltsordnung verankert wissen.An dieser Stelle geht es darum, dass diese Berichte nicht nur in Papierform, sondern auch in elektronischer Form zugänglich sind, oder noch besser, dass wir Zugriff erhalten zu den Daten, die vom Finanzministerium an dieser Stelle abgelegt werden.

Herr Finanzminister, sehen Sie sich einmal die Formulierung dieser Regelung an, wie das erreicht werden kann und dass bestimmte Verfahrungsregelungen dazu getroffen werden müssen. Es wird hier die Möglichkeit eröffnet, um am Ende Ihnen Arbeit zu ersparen, aber auch dem Parlament ein besseres und schnelleres Zugriffsrecht auf die Daten der Controllingberichte zu geben.

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, der nicht unwichtig ist und der an dieser Stelle noch einmal behandelt werden muss, nämlich die Frage: Wird ein Haushaltsplan rechtzeitig vorgelegt oder nicht? Ich will auf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil verweisen, das Sie zumindest einmal nachlesen sollten, Herr Kollege Blum. Sie finden es in den „Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts“ Band 45 S. 1 ff. aus dem Jahre 1977.

Darin ist noch einmal ausdrücklich festgehalten, dass die Parlamentspraxis in den Siebzigerjahren oftmals so war, dass Haushaltspläne sehr spät,manchmal mit halbjähriger Verzögerung vorgelegt wurden. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gesagt, dass es die verfassungsrechtliche Verpflichtung aller beteiligten Verfassungsorgane sei, daran mitzuwirken, dass der Haushaltplan regelmäßig vor Ablauf des vorherigen Rechnungsjahres verabschiedet werden kann. Vom Grundgesetz wird nur eine kurzfristige Ausnahmesituation erlaubt, in der ein etatloser Zustand herrscht.

Wir wollen durch die neue Regelung sicherstellen, dass die Landesregierung nicht einfach festlegt, wie sie es heute für das Jahr 2009 getan hat, dass eine besondere Situation vorliegt, und aus rein taktischen Gründen keinen Haushaltsplanentwurf vorlegt. Wir wollen erreichen, dass das Parlament überprüfen kann, ob die Argumente zutreffen, ob tatsächlich eine Ausnahmesituation gegeben ist und deshalb kein Haushalt vorgelegt werden kann, oder ob das die Landesregierung aus politischem Kalkül heraus tut. Der Landtag muss auch für zukünftige Fälle – für 2009 werden wir es wahrscheinlich nicht erreichen, da haben Sie aufgrund der Fristen recht – der Landesregierung das Instrument aus der Hand nehmen, dass sie aus politisch-taktischen Gründen, aus parteipolitischem Kalkül Haushaltsberatungen in das nächste Haushaltsjahr schiebt. Deshalb muss es einen Zustimmungsvorbehalt geben.

Dasselbe gilt für den Finanzplan. Der Kollege Kaufmann hat es richtig beschrieben.Wir müssen von dem Märchenbuch wegkommen, das in der Amtszeit von Minister Weimar und Ministerpräsident Koch sehr ausgeprägt entwickelt worden ist, in dem es globale Mehreinnahmen und Minderausgaben, fast in Milliardenhöhe, nur so hagelte. Dies kann dadurch beseitigt werden, dass die Finanzpläne der Diskussion und der Zustimmung des Landtags unterliegen.