Protocol of the Session on June 5, 2008

Sie gehen wohl auch davon aus, dass diese geschäftsführende Landesregierung in der Konstellation, wie sie derzeit ist, noch relativ lange im Amt bleibt.

Für 2008 ist dieser Vorschlag, den Sie heute machen, gar nicht mehr relevant. Wir reden also weder über Nachtragshaushalte im Jahr 2008, noch reden wir über die Einbringung des Haushalts 2009. Ich weiß gar nicht, wie lange nach Ihren Vorstellungen eine geschäftsführende Landesregierung im Amt bleiben soll. Aber wenn wir darüber schon einmal Einigkeit haben, gibt es überhaupt keinen Grund, zum jetzigen Zeitpunkt einen solchen Entwurf hier einzubringen.

Dann sage ich auch noch einmal ganz frei heraus: Für dieses Jahr ist die Einbringung des Haushaltsentwurfs 2009 vor Dezember realistisch bis ambitioniert. Es geht gar nicht mehr früher. Wir sollten uns deswegen auch nicht der Illusion hingeben, dass man das mit der Änderung einer Landeshaushaltsordnung verändern kann. Im Übrigen ist in allen anderen Bundesländern diese Sollregelung der Einbringung im September so oder ähnlich ebenso verankert, und das wird in allen anderen Bundesländern auch so praktiziert.

Der Ministerpräsident und der Finanzminister haben mehrfach darauf hingewiesen:Sie haben auf die normalen Haushaltsjahre hingewiesen. Es ist deswegen nur eine Sollregelung, weil es natürlich Fälle gibt, in denen ein Haushalt später eingebracht werden kann.

Fragen wir doch einmal: Ist es denn wirklich richtig, dass ein Nachtragshaushalt vom Parlament eingebracht werden kann? Wir hatten in diesem Raum vor ein paar Tagen die Anhörung zum Art. 142. Da haben sich mehrere Verfassungsrechtler zu diesem Thema geäußert. Sie kamen am Ende tatsächlich zu dem Ergebnis: Ja, aufgrund des Gesetzesinitiativrechts des Parlaments gilt das auch für den Haushalt und für einen Nachtragshaushalt. Theoretisch kann ein Parlament einen Nachtragshaushalt einbringen. Aber sie haben auch ganz deutlich gesagt – das wissen Sie,wenn Sie zugehört haben –,dass das Parlament dazu eigentlich nicht in der Lage ist. Das ist also ein theoretisches Instrument.

Sie versuchen jetzt, über die Änderung der Landeshaushaltsordnung aus der Theorie Praxis zu machen, und wollen die Daten haben, die eine Landesregierung hat. Sie wollen einen Datenzugriff haben. Herzlichen Gruß an die Datenschützer unter Ihnen.Sie wollen einen Datenzugriff auf die Onlinedaten der Landesregierung haben, um den Haushalt aufstellen zu können.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Natürlich steht das da drin. – Damit vermengen Sie Exekutive und Legislative erneut in einem Umfang, den die Verfassung nicht zulässt.

(Reinhard Kahl (SPD): In anderen Bundesländern steht das auf der Homepage!)

Dann komme ich zu der vorgesehenen Zustimmungspflicht des Landtags zur mittelfristigen Finanzplanung.Sie verstößt eindeutig gegen Bundesrecht. Ich hoffe, ich finde

das gleich. Im Bundesrecht steht eindeutig: Die mittelfristige Finanzplanung ist verfassungsrechtlich im Grundgesetz verankert. Danach steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der mehrjährigen Finanzplanung zu.

Daraus leitet sich ab, dass die Landesregierungen Daten haben, die sie ebenfalls in eine mittelfristige Finanzplanung einbringen. Da steht aber nirgends, dass es eine zustimmungspflichtige Vorlage einer mittelfristigen Finanzplanung gibt. Wenn ich jetzt einmal frei den Finanzminister interpretieren darf, der immer sagt: „Was weiß ich, was in fünf Jahren ist“, kann ich nur sagen: Einem solchen Spiel „Rate mal mit Rosenthal“ hier eine Gesetzesinitiative nachzuschieben,die uns verpflichtet,ein Ratespiel für die nächsten fünf Jahre als Gesetz des Landtags hier einzubringen, halte ich für absoluten Blödsinn. Das kann nicht die Aufgabe des Parlaments sein.

(Beifall bei der CDU)

Die Vorlage des Jahresabschlusses binnen dreier Monate nach Ende des Haushaltsjahres, die Sie auch fordern, ist eine blödsinnige Forderung. Das ist schlichtweg unmöglich. Das gibt es im Übrigen auch nicht in der Privatwirtschaft. Das wird nirgends gemacht. Das geht in dieser Form gar nicht.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Sie fordern nicht nur,dass diese Daten nach drei Monaten vorgelegt werden, sondern Sie wollen auch eine vierteljährliche Berichtspflicht des Parlaments. Das ist für mich noch unverständlicher.

(Norbert Schmitt (SPD):An das Parlament!)

Das ist genau das, was wir im Moment vierteljährlich bekommen.Wir bekommen regelmäßig die Eckdaten. Diese Daten – das haben wir in der letzten Haushaltsausschusssitzung wieder gesehen – stehen dem Parlament zur Verfügung. Ich kann mich wirklich an keine Sitzung erinnern, in der derartige Fragen an den Finanzminister nicht nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet worden wären. Damit ist immer eine Transparenz über die aktuellen Zahlen gegeben.

Deswegen will ich Ihnen am Ende noch eines zu der Frage sagen, wie Haushaltsdeckungsvorschläge sein müssen. Sie gehen in Ihrem Vorschlag darauf ein, wie die Form der Vorlage sein soll. Ich muss Ihnen sagen:Wie die Form der Vorlage von Deckungsvorschlägen ist, sollte uns Haushälter wenig interessieren. Was uns interessiert, ist doch Folgendes, und deswegen haben wir gemeinschaftlich mit allen Fraktionen in diesem Parlament in der letzten Haushaltsausschusssitzung den gemeinsamen Antrag verabschiedet, in dem wir gesagt haben: Vorschläge nach Art. 142 der Hessischen Verfassung müssen nicht nur konkret sein, sondern sie müssen vor allen Dingen auch realistisch sein. – Diese Vorgabe fehlt mir in Ihrem Papier vollkommen.

Wenn Sie schon die Verfassung und die Landeshaushaltsordnung ansprechen: Eines müssen wir uns in der Tat in den nächsten Jahren vornehmen. Wir müssen in der Landeshaushaltsordnung, aber auch in der Hessischen Verfassung die Frage der Schuldenbegrenzung aufnehmen. Ich glaube, dass wir nach dem gemeinsamen Beschluss letzte Woche dazu auch eine gemeinsame Lösung finden werden.

Es darf in Zukunft keine regelhafte Neuverschuldung des Landes mehr geben. Wir müssen uns dem Thema Schul

denabbau widmen. Das sind Themen, mit denen wir uns wirklich beschäftigen müssen – aber nicht mit einer mehr als zweifelhaften Änderung der Landeshaushaltsordnung.

Deswegen sage ich Ihnen zum Schluss: Herr Kaufmann, ich setze noch einen obendrauf. Sie legen mit Ihrer Vorlage die Axt an die Wiege der Verfassung. Das kommt einer Kriegserklärung in diesem Parlament nahe. Das werden wir so nicht hinnehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile zu einer Kurzintervention dem Kollegen Kaufmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Milde, es war eine Reihe von Bemerkungen, zu denen ich eigentlich etwas sagen könnte. Ich habe mich gemeldet, weil ich mich auf die eine Stelle konzentrieren möchte, Stichwort: Finanzplanung. Sie haben recht, natürlich handelt es sich dabei um eine bundesgesetzliche Regelung, und die Landesregierung stellt den Finanzplan auf. Die Raumordnung ist gleichermaßen bundesgesetzliche Regelung, und die Landesregierung stellt den Landesentwicklungsplan auf.Wir haben gemeinsam in diesem Haus beschlossen, dass der von der Regierung aufgestellte Plan der Zustimmung des Landtags bedarf. Gleichermaßen geht das auch mit dem Finanzplan.

Ich kann Ihnen versichern, das haben wir logischerweise auch rechtlich prüfen lassen. Damit wird der Regierung keinerlei Kompetenz abgenommen. Es handelt sich um einen völlig analogen Fall. Uns ist es wegen der inhaltlichen Wirksamkeit und der Verbindlichkeit wichtig, dass die mittelfristige Finanzplanung, der Finanzplan des Landes, den die Regierung aufstellt, so wie es in den gesetzlichen Vorgaben steht, auch entsprechend vorgelegt und der Zustimmungspflicht des Landtags unterlegt werden kann. Genau das halten wir nach wie vor für richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SDP)

Wenn Sie so großartig sagen, das sei alles die Axt an die Wurzeln der Verfassung, kann ich nur erwidern: Die Mütter und Väter der Hessischen Verfassung haben mit Sicherheit nichts dagegen, wenn die Haushaltswirtschaft transparent ist und wenn der Haushaltsgesetzgeber, d. h. der Landtag, hier auch den entscheidenden Einfluss hat. Das ist aus den Diskussionen schon bei der verfassungsgebenden Versammlung deutlich geworden. Lesen Sie die Protokolle einmal nach, wir haben sie zu Hause alle im Bücherschrank stehen. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Kollege Milde, bitte, zur Erwiderung.

Herr Kollege Kaufmann, wenn Sie sich bei der fachlichen Gestaltung des Gesetzentwurfs an der Regionalplanung

orientiert haben, dann wundert mich nicht, was Sie hier vorgelegt haben.

(Beifall bei der CDU)

Nächste Wortmeldung,Abg. Blum für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Novellierung der Hessischen Landeshaushaltsordnung enthält in der Tat viele interessante und diskussionswürdige Inhaltspunkte. Da geht es um Rechnungslegungsstandards,da geht es um Gliederungs- und Darstellungsschemata, alles Dinge, die in der Tat geeignet sein können und vielleicht auch geeignet sein werden, größere Transparenz in das Verhältnis zwischen Parlament und Landesregierung bei der Aufstellung des Haushalts zu bringen.

Worum es jedoch im Kern geht – darauf will ich mich bei meinen Ausführungen beschränken – bei dem, was Sie hier als Gesetzentwurf vorlegen, ist, dass Sie in ein seit Jahren bestehendes und funktionierendes System der Aufgabenteilung zwischen Exekutive, also Landesregierung, auf der einen Seite und Parlament, also Legislative, auf der anderen Seite steuernd und verändernd eingreifen wollen.

Das sind Dinge, die man durchaus diskutieren kann. Das sind durchaus spannende juristische, an der Verfassung abzuarbeitende Fragen von Budgetrecht und Budgethoheit und einem vielleicht daraus abzuleitenden oder zu trennenden Budgetinitiativrecht. All diese Fragestellungen kann man in der Tat diskutieren und sich einmal genau anschauen.

Es beschleicht uns bedauerlicherweise das Gefühl, dass Sie das nicht um der Sache selbst willen tun, sondern einzig und allein deshalb, um Ihre jetzige Situation und Position in dieser Frage zu verbessern, und dass es Ihnen dabei gar nicht um das Parlament als solches geht.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Manfred Gö- rig (SPD))

Die Debatte dieser Art ist für dieses Haus so nicht ganz neu. Es ist schon in der Vergangenheit über solche Fragen gesprochen worden.Zum Ende der Regierungszeit Eichel war das in ähnlicher Form schon einmal Thema gewesen. Wenn man sich diese Debatten anschaut, merkt man, dass der Umgang mit dieser Frage weniger eine Frage der Parteizugehörigkeit ist als vielmehr eine Frage, ob ich in der Regierung sitze oder im Parlament und in der Opposition.

(Beifall bei der FDP)

Zum Ende der Legislaturperiode von 1995 bis 1999 ist die FDP in die Situation gekommen, einen ihrer Gesetzentwürfe mit einer Änderung des bestehenden Haushaltsgesetzes zu untermauern. Damals waren es gerade der sozialdemokratische Finanzminister Starzacher und sein parlamentarischer Sekundant, der Abg. Kaufmann, die auf das Vehementeste und mit Nachdruck bestritten haben, dass man einem Parlament und den Fraktionen eines Parlaments solche – –

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist unwahr!)

Herr Kaufmann, lesen Sie doch die Protokolle. Sie lesen doch sonst auch immer alles. Stehlen Sie mir nicht meine Redezeit mit Ihren unqualifizierten Kommentaren, kommen Sie nach vorne, Sie können noch einmal einen lila Zettel abgeben.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Es waren SPD und GRÜNE gewesen, die damals mit Nachdruck zum Ausdruck gebracht haben, dass ein solches Recht für das Parlament nicht besteht.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist auch in Ordnung. Meine Damen und Herren, an der Hessischen Verfassung hat sich seitdem nichts geändert. Das Einzige, was sich geändert hat, ist, dass Sie nicht mehr auf den Bänken hinter mir sitzen, sondern jetzt auf den Bänken da vorne.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Ihnen fällt im Moment offensichtlich kein anderer Weg ein, wie Sie von hier nach da kommen. Das Einzige, was Ihnen dann einfällt, ist, dass Sie versuchen – da bin ich mit dem Kollegen Milde einig –, an der Grenze dessen, was verfassungskonform zu diskutieren ist, die Gesetzeslage an Ihre missliche parlamentarische Lage anzupassen. Das ist das, was wir Ihnen an dieser Stelle zum Vorwurf machen.