Meine Damen und Herren, wir haben die erste Lesung des Gesetzentwurfs vollzogen. Es ist nun unser Auftrag, diesen Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Kulturpolitischen Ausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann stelle ich fest, dass dies einstimmig beschlossen wurde.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Landeshaushaltsordnung (LHO) – 17/265 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erhält Herr Kollege Kaufmann das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Freude und Ehre, Ihnen heute den gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur Änderung der Landeshaushaltsordnung vorzulegen. Einige von Ihnen werden sicherlich gelesen haben, dass wir unsere Presseerklärung, die wir der Öffentlichkeit vorgestellt haben, mit den Worten „Haushaltsrecht des Landes auf solide Füße stellen“ überschrieben haben.
Meine Damen und Herren, mit dieser Bezeichnung wollen wir zeigen, dass wir mit dieser Änderung der Landeshaushaltsordnung keine Revolution betreiben, dass wir aber ein Stück weit eine Reparatur vornehmen wollen,die unsererseits als notwendig erachtet wird.Wenn Sie so wollen, dann verbleibe ich bei dem Bild der Füße, wenn ich sage: Die Schuhe werden neu besohlt, einige ausgerissene Nähte werden repariert, und es kommen neue Senkel hinein, damit die Schuhe hinterher besser an den Füßen sitzen und der Stand insgesamt ein soliderer wird.
Meine Damen und Herren, damit sage ich zugleich, dass damit natürlich nicht jedes Loch, das man in der LHO identifizieren könnte, gleichfalls gestopft wird. Es gibt bei den Fraktionen,die diesen Gesetzentwurf gemeinsam for
muliert und eingebracht haben, durchaus auch in anderen Bereichen unterschiedliche Ansichten. In der Vergangenheit – Sie werden sich daran erinnern – war dies bei dem Thema Grundstücke der Fall. Daher haben wir an dieser Stelle erst einmal keine Änderungen vorgeschlagen.
Ich weiß aber, dass auch in anderen Fraktionen darüber nachgedacht wird, in der LHO das eine oder andere zu modernisieren. Darauf werde ich im Detail noch eingehen. Ich sage ausdrücklich:Wir bringen diesen Gesetzentwurf als unseren Willen und mit der Erwartung und dem Wunsch ein, dieses Gesetz derart zu verändern. Dennoch sind wir zu Diskussionen bereit, und wir sagen: Vielleicht kann man das eine oder andere noch eleganter formulieren, oder vielleicht könnte man das eine oder andere noch einbeziehen. Daher ist es zugleich in Bezug auf die Landeshaushaltsordnung – ich bitte Sie, dies auch derart zu verstehen – ein Angebot. Es ist gerade in diesen Zeiten und angesichts des Parlamentarismus, wie wir ihn im Moment üben, ein guter Ansatz, zu fragen:Wie kann man mit einer breiten Übereinstimmung im Parlament zu einem Ergebnis kommen?
Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen hat sich auch der Bund der Steuerzahler unter einem ganz bestimmten Aspekt mit der Landeshaushaltsordnung befasst. Über das Schuldenmachen allgemein reden wir an dieser Stelle jetzt nicht verstärkt. Ich will nur sagen, dass das Modell,soweit es sich auf die LHO bezieht,in unseren Augen nicht ganz richtig ist. Vor allem ist die Vorgabe, dass in sieben Jahren alles immer wieder vorbei sein soll, eine eher biblische,als eine an den Bedingungen der internationalen Finanzmärkte orientierte. Beim Schuldenmachen, bei der Betrachtung des Kapitalmarktes ist im 21. Jahrhundert vielleicht Letzteres doch wichtiger,als auf die Vorgaben der Bibel zu achten, alles innerhalb von sieben Jahren abwickeln zu müssen. Das aber nur als kleine Randbemerkung.
Zweite Bemerkung.Es taucht immer wieder auf – manche wollen es sogar in die Verfassung schreiben –: Zweidrittelmehrheit bei Verschuldungsnotwendigkeit. – Das klingt erst einmal gut.Aber in Wahrheit, wenn man es genau betrachtet,ist es das nicht.Das würde nämlich heißen, dass, außer bei sehr breit getragenen Regierungen, genau in Fällen der Krise eine Regierung nicht mehr handlungsfähig ist, weil sie die Finanzierung nicht beschaffen kann. Das kann in niemandes Sinne sein. Über eine Rechtfertigungspflicht und auch über Rückzahlungsverpflichtungen kann man reden.Aber zu sagen: „Am Ende müsst ihr alle zustimmen“, führt in schwierigen Situationen, wo rasches und möglicherweise wichtiges Regierungshandeln notwendig ist, eher zu einer Schwächung. Deswegen das nicht. – So weit zu den Bemerkungen zu der Landeshaushaltsordnung, die von anderen gemacht wurden.
Wenn Sie einen kurzen Blick, so das in der ersten Lesung möglich ist,auf die Änderungen,die wir vorschlagen,richten wollen,stellen Sie fest,dass es zunächst einmal um den § 10 geht. Dazu will ich zusammengefasst sagen: In § 10 haben wir im Wesentlichen das als Änderung hineingeschrieben, was wir in letzter Zeit auch durchaus erfolgreich praktiziert haben, nämlich das Wechselspiel zwischen Regierung und Parlament, d. h. die Mitwirkung bei parlamentarischen Initiativen. Das ist nach dem derzeitigen Stand etwas missverständlich. Deswegen haben wir auch darüber reden müssen, wie man es macht. So, wie wir es im allgemeinen Konsens gefunden haben, zu machen, haben wir es jetzt vorgeschlagen zu kodifizieren.
Der zweite Punkt ist der nicht mehr kameralen, sondern produktorientierten Haushaltsaufstellung im Rahmen der kaufmännischen Buchführung geschuldet. Wir halten es für notwendig, hier ein eindeutiges Verschlechterungsverbot der Darstellung im Haushaltsplan gegenüber den kameralen Zeiten festzuhalten. Denn nicht nur die Haushälter, sondern eigentlich Sie alle haben in den letzten rund zwei Jahren wahrscheinlich eher mehr gelitten als sich darüber gefreut, dass wir in dem Übergang zwischen kameralen Zeiten und Zeiten des Produkthaushaltes sind. Denn, Herr Kollege Milde, Hand aufs Herz: Die Transparenz ist derzeit deutlich verbesserungswürdig und auch verbesserungsnötig. Das sollte man sich auch vornehmen. Insoweit haben wir in § 13 eine Reihe von Regelungen vorgesehen, die den Durchblick, wenn ich das so nennen darf, deutlich verstärken.
Dritter Punkt. Das gehört zu den Aussagen zum Verhältnis zwischen Parlament und Regierung. Wir wollen den Begriff „in Ausnahmefällen“, was die Ausbringung von Sperrvermerken angeht,streichen.Ich erinnere nur an das sehr gut funktionierende Verhältnis im Bund zwischen Bundestag und Bundesregierung. Dort bezieht man das Parlament stärker in den Vollzug ein. Über Sperrvermerke im Haushalt und daraus folgenden Diskussionen über Freigaben gibt es sehr viel mehr gemeinsame Verantwortung auch für die Abwicklung.
Nächster Punkt, der wichtig ist, festzuhalten, ist die Frage: Wie geht man mit dem Budgetrecht um? – Wir hatten Interpretationsprobleme, wer einen Haushalt aufstellen kann. Ich denke, wir sind alle der gleichen Meinung. Es gilt, dass die Regierung einen Haushaltsentwurf machen muss, aber das Parlament es machen kann. Um dies in der LHO so deutlich auszudrücken,haben wir § 29 und § 28 in der Überschrift entsprechend angepasst.
Meine Damen und Herren, damit sind wir bei der vorgeschlagenen Änderung des berühmt berüchtigten § 30. Sie werden sich erinnern, wir haben im vergangenen Jahr schon mehrfach darüber diskutiert. § 30 der Landeshaushaltsordnung legt die Fristen für die Einbringung des Haushalts im Parlament fest. Sie werden sich nicht wundern, dass von SPD und GRÜNEN jetzt der Vorschlag kommt, die Worte „in der Regel“ zu streichen, sodass es eine feste Zeitvorgabe gibt. Da aber auch wir wissen, dass es außergewöhnliche Umstände geben kann, sagen wir, dass auch eine Abweichung möglich ist. Aber die Abweichung bedarf der vorherigen Zustimmung des Landtags, damit nicht einseitig, gewissermaßen von der Regierung, über unsere Zeit und Möglichkeiten hinweg disponiert wird, sondern dass man sich, sofern es in der Sache notwendig ist, auch einigen kann, sprich: eine Zustimmung des Parlaments bekommt, und dann zu einem anderen, sprich: späteren, Zeitpunkt einbringen kann, es uns aber nicht einseitig oktroyiert. Das ist eine ganz wesentliche Bestimmung.
Ein weiter Punkt, den ich hier unbedingt noch erwähnen will, ist im Zusammenhang mit § 31 das Thema Finanzplan. Der von mir, wie Sie alle wissen, sehr verehrte Herr Finanzminister Weimar
soll einmal gesagt haben – ich habe es kolportiert bekommen; ich habe es nicht selbst gehört –: Der Finanzplan ist doch sowieso nur ein Märchenbuch. – Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Finanzminister, damit ist jetzt
Schluss. Wenn das, was wir hier vorschlagen, Gesetz wird, wird der Finanzplan zukünftig der Zustimmung des Landtags bedürfen. Damit wird er kein Märchenbuch mehr sein, weil sich dann auch das Parlament, sprich: der Haushaltsgesetzgeber, bindet und insoweit Einfluss hat, wie es in den kommenden Jahren aussieht.
Das ist eine ganz wichtige Weichenstellung, auch wenn es um Fragen geht, wie es mit der Verschuldung und der Reduzierung der Verschuldung sowie mit der Solidität der Finanzplanung insgesamt weitergeht.
Meine Damen und Herren, diese höhere Verbindlichkeit ist ein Weg aus dem Schuldenstaat hinaus. Deswegen wird das von uns als ganz bedeutsam eingeschätzt.
Meine Damen und Herren,damit habe ich die wichtigsten Punkte genannt, wie es sich für die erste Lesung gehört. Wir haben noch einiges über Rechnungslegungsstandards im Rahmen des Übergangs von der Kameralistik zur kaufmännischen Buchführung und zum Produkthaushalt vorgeschlagen zu ändern, unter anderem, dass die Regeln dafür von der Landesregierung vorgegeben werden, und zwar auf der Grundlage des HGB, dass aber auch andere Rechnungslegungsstandards möglich sein müssen, dass wir als Parlament, letztendlich für den Haushalt mit verantwortlich, mindestens als Haushaltsgesetzgeber, Änderungen verlangen können, wenn wir der Meinung sind, dass das nicht der richtige Weg ist. Ich denke, hier ist ein gutes Miteinander vorgesehen.
Weshalb der verehrte Kollege Milde in seiner Pressemitteilung zu dem Gesetzentwurf zu dem Ergebnis kommt,er habe schwerste verfassungsrechtliche Bedenken gegen den rot-grünen Gesetzentwurf, hat sich mir zumindest bei dem Versuch, die Erklärung ansonsten inhaltlich nachzuvollziehen, nicht erschlossen. Herr Kollege Milde, ich denke, das können Sie uns gleich jetzt mitteilen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke zunächst dem Kollegen Kaufmann,dass er mich hier quasi aufgefordert hat, Stellung zu beziehen. Das werde ich sicher auch gleich tun. Ich werde Ihnen erläutern, warum ich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken habe.
Herr Kollege Kahl, da wir hier ein finanzpolitisches Thema haben, sollten wir – damit Sie sich nicht zu früh freuen – mit einem Dementi anfangen. Ich habe heute in der „Financial Times Deutschland“ gelesen – wörtlich –: „Deutschlands bester Finanzminister geht.“ Dazu muss ich sagen: Das stimmt nicht. Deutschlands bester Finanzminister heißt Karlheinz Weimar. Er bleibt im Amt. Er sitzt auch hier hinten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verhaltener Beifall bei der CDU! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Ich hatte jetzt eigentlich Zustimmung von allen erwartet. Kollege Kaufmann hatte ja eben auch den Kollegen Weimar als sehr kompetent dargestellt. Ich glaube, das kann man am Anfang einmal festhalten.
Ich möchte Ihnen in der Tat erklären, dass ich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken habe, was Ihren Gesetzentwurf angeht.
Die Aufgabenteilung – ich muss sagen: die bewährte Aufgabenteilung – zwischen der Legislative auf der einen Seite und der Exekutive auf der anderen Seite hat sich bewährt und soll von Ihnen in einer unzumutbaren Art und Weise ausschließlich zulasten der Landesregierung verschoben werden, und das, meine Damen und Herren, ausschließlich anlassbezogen. Sie versuchen aufgrund von politisch unterschiedlichen Vorstellungen politisch motivierte Regelungen durchzusetzen, für die Sie möglicherweise Geld brauchen, und wollen aus kurzfristigem Denken deshalb die Landeshaushaltsordnung ändern.
Da muss ich auch sagen:Alle bisherigen Änderungen der Landeshaushaltsordnung – angedeutet hat das eben schon Kollege Kaufmann – wurden hier grundsätzlich im Einvernehmen vorgenommen. Ich kann mich zumindest an keine strittige Änderung der Landeshaushaltsordnung erinnern. Das Thema Immobilien ist angesprochen worden.
Sie war auch nicht wirklich strittig, Herr Kollege Kahl. Sie haben sich aus politischen Gründen am Ende von der Vorstellung verabschiedet, dass man Immobilien durchaus auch anders bewerten und es auch Versteigerungen geben kann.Aber letztlich waren wir uns in der Sache zum großen Teil einig. Es gab ein Bemühen der Landesregierung über viele Monate, zusammen mit allen Fraktionen einen Konsens herbeizuführen.
Das Nächste ist folgender Punkt. Es gibt in keinem anderen Bundesland in Deutschland auch nur annäherungsweise eine solche Lösung in der Landeshaushaltsordnung, wie Sie sie hier vorschlagen. Gängige Praxis aller Landeshaushaltsordnungen der Länder in Deutschland und der Bundeshaushaltsordnung ist die Praxis, wie wir sie in unserer Hessischen Landeshaushaltsordnung haben. Deswegen sage ich Ihnen,dass das,was Sie machen,so einfach nicht geht. Das verstößt gegen Verfassungsgrundsätze.
Ich wundere mich schon ein bisschen, wie wenig Sie sich selbst zutrauen. Natürlich haben wir jetzt eine besondere Situation. Es gibt unterschiedliche Mehrheiten – gelegentlich eine linke Mehrheit auf der einen Seite und keine Mehrheit auf der Regierungsseite. Das gibt es durchaus. Das mag auch zu Ärger führen. Sie wollen sich deswegen die Beugung der Verfassung hergeben, um Ihre politischen Vorstellungen umzusetzen. Aber ich frage Sie einmal ganz offen: Eine geschäftsführende Landesregierung wird es wahrscheinlich nicht immer geben. Aber der Gesetzentwurf, Herr Kollege Rudolph, offenbart doch, dass Sie sich offensichtlich nicht zutrauen, in den nächsten 20 Jahren – das ist jetzt einmal vorsichtig geschätzt – wieder an die Regierung zu kommen.
Sie gehen wohl auch davon aus, dass diese geschäftsführende Landesregierung in der Konstellation, wie sie derzeit ist, noch relativ lange im Amt bleibt.