Protocol of the Session on June 4, 2008

In einem Gymnasium handelt es sich immer nur um wenige Kinder aus bildungsfernen Schichten. Es kann nicht sein, dass wieder einmal, und diesmal mit der Begründung, Gerechtigkeit herzustellen und den Elternwillen zu erfüllen, die benachteiligten Kinder der Grundschulen abgehängt werden. Das kann auch nicht allein durch die wenigen Schüler in SchuB-Klassen ausgeglichen werden. Das lassen wir nicht zu.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg.Turgut Yük- sel (SPD))

Ich bin überzeugt, die Mehrheit des Hauses wird zeigen, dass die Verteilung der Gelder nicht mehr so akzeptiert wird. Dahin gingen auch die Aussagen meiner Vorredner von SPD und den GRÜNEN.

Ihr vierter Punkt ist die Bereitstellung von mehr Stellen für kleinere Gruppen. Toll, aber woher kommen die 100 Stellen? Abgesehen davon, dass sie nicht reichen werden, und abgesehen davon,dass auch die anderen Schulformen kleinere Klassen benötigen – das ist auch schon mehrfach ausgeführt worden –, damit das Lernen wieder Freude macht und etwas bringt. Darüber hinaus muss man vermuten, dass sie zulasten der anderen Schulformen gehen. Herr Minister Banzer, woher nehmen Sie die Stellen?

Was bleibt noch aus Ihrer Regierungserklärung? – Regierungserklärung ist ein viel zu anspruchsvolles Wort. Ihre Regierungserklärung bestand aus nicht mehr als einer Absichtserklärung zur Atmosphäre und ein paar Ausführungen zu G 8.

Okay, die Beschränkung bei den Klassenarbeiten ist sicherlich sinnvoll. Als LINKE wenden wir uns gegen die ständige Testeritis, die – was ich als Psychologin noch einmal sagen möchte – in der Regel nicht als Förderorientierung genutzt wird, sondern zur Einstufung. Wir wenden uns ebenfalls gegen den parallel gelagerten ständigen Evaluationsdruck bei den Lehrerinnen und Lehrern.

Zur Wahlmöglichkeit an kooperativen Gesamtschulen haben wir schon ausführlich Stellung genommen. Das wiederhole ich jetzt nicht.Ebenfalls nehme ich nicht mehr zu den kleineren Punkten aus Ihrem Elf-Punkte-Programm Stellung.

An den Schluss will ich stellen, was wir in einer wirklichen Regierungserklärung für den Bildungsbereich vermissen. Wir vermissen schlicht gute Bildung für alle, angefangen von besser konzipierten Krippen in öffentlicher Trägerschaft über Kitas mit ausreichend bezahlten Erzieherinnen, die den Erziehungsplan mit einem vernünftigen Erzieher-Kinder-Schlüssel umsetzen, weiter mit einem tatsächlichen Programm zur flächendeckenden Versorgung mit Ganztagsschulen in offener und gebundener Konzeption, vor allem in den Problemvierteln mit ihren sogenannten Sozialindizes, weiter mit einem Konzept der Entwicklung einer Schule für alle oder, wie Sie es nennen, „Einheitsschule“ –

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sozialistische Einheitsschule!)

dies ist ein Begriff, der mit der deutschen Einheit durchaus positiv verbunden ist. Weiter könnte man auch noch die Berufsschulen benennen,die haben Sie auch nicht aufgeführt. Für das lebenslange Lernen würden wir auch gerne weitere Visionen entwickeln. Weiterhin sollten Sie nicht so zaghaft mit der Bereitstellung der Gelder für die 100 Lehrerstellen umgehen.

Über kurz oder lang werden alle Bildungsangebote kostenfrei sei. Dies entspricht den Vorstellungen der Hessischen Verfassung. Es erfordert natürlich eine Umverteilungspolitik auf Kosten derer, die bisher nicht angemessen in die allgemeinen Kassen einzahlen.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ein Schwachsinn!)

Dies ist eine Position aus dem Abseits, die längst nicht mehr aus dem Abseits kommt, wie wir denken.

Dagegen wollen wir keine privatisierte Bildung.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das haben wir gesehen, wohin das bei den Russen und in der DDR geführt hat!)

Wir wollen keine Bildung, die erforderlich macht, dass Eltern bei Nachhilfeeinrichtungen Kunden werden, dass sie teure Privatschulen zahlen müssen, weil nur dort Nachmittagsunterricht und bilinguales Lernen möglich sind.

Wir wollen keine Abhängigkeit bei den notwendigen Innovationen von Stiftungen wie der Bertelsmann Stiftung und keine Unternehmerverbände in den Lehrplankommissionen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Hans- Jürgen Irmer (CDU))

Wir wollen keine Berufsschulen, die nach betriebswirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet sind.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Freie deutsche Jugend!)

Wir wollen keine SV.

(Mark Weinmeister (CDU):Was?)

Wir halten es absolut für notwendig, dass arme Familien für ihre Kinder die Schultüte gestellt bekommen und dass sie ebenso das Mittagessen gestellt bekommen.

(Mark Weinmeister (CDU): Frau Kollegin, warum wollen Sie keine SV+?)

Wir wollen, dass Kinder gemeinsam lernen, und benötigen dafür als ersten Schritt die Ausweitung

(Mark Weinmeister (CDU): Sagen Sie etwas zu SV+!)

jetzt seien Sie doch bitte einmal still – des gemeinsamen Unterrichts und längerfristig die Inklusion aller behinderten Kinder in den Regelschulen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weinmeister?

Ich möchte erst zu Ende vortragen. – Herr Minister Banzer, wir sind, wie Sie, gegen Schnellschüsse. Wir müssen jetzt beginnen, die richtigen Schritte zu gehen und uns nicht die Möglichkeit eines sozial gerechten Schulwesens zu verbauen. In dem Sinne machen wir uns als Haus auf, die richtigen Schritte gemeinsam zu gehen.Damit sehe ich in erster Linie die Verantwortung bei der Mehrheit des Hauses, also bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und uns. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Jetzt die Frage!)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es liegen zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Regierungserklärung abgegeben und die Debatte dazu durchgeführt.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 21 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Steuergerechtigkeit im Vollzug der Steuergesetze herstellen – mehr Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer und Steu

erfahnderinnen und Steuerfahnder in Hessen – Drucks. 17/143 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten.Das Wort hat für die antragstellende Fraktion Herr Abg. Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als neue Fraktion in diesem Landtag haben wir in den ersten zwei Monaten die Erfahrung machen müssen, dass beinahe zu allen Anträgen und Gesetzesinitiativen die Ausgabenseite immer sehr kritisch betrachtet wird, während die Einnahmeseite,also Steuern und Abgaben,kaum in den Blick genommen wird. Dabei müsste es doch in der politischen Debatte zumindest gleichgewichtig erfolgen.

Mit unserem Antrag wollen wir diesen Blick wenden und bereits in Vorbereitung auf die ausstehenden Haushaltsberatungen, wann immer sie tatsächlich stattfinden mögen, das Thema Steuergerechtigkeit in den Vordergrund stellen. Dabei ist es zunächst wichtig, einen Blick auf die Ungerechtigkeiten in der Steuergesetzgebung zu werfen. Die rot-grüne und die Große Koalition haben die Unternehmensteuern seit 2000 praktisch halbiert. Der Spitzensteuersatz wurde von 53 % auf 42 % gesenkt. Ein Einkommensmillionär zahlt deshalb heute 100.000 c im Jahr weniger an Steuern, und das betrifft in Deutschland immerhin 15.600 steuerpflichtige Superreiche.

Wenn nach dieser Steuerreduzierung für diesen Personenkreis die Einkommensteuer als sogenannte Reichensteuer auf 45 % geringfügig erhöht wird, dann ist dies nur politisch-propagandistische Augenwischerei.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf der anderen Seite stehen Mehrwertsteuererhöhung, Kürzung der Pendlerpauschale, höhere Steuern bei Arbeitszimmern und Abfindungen und weitere Belastungen für weite Bereiche der Bevölkerung. Hätten wir noch die Steuergesetze von 1997, dann wären bundesweit 56 Milliarden c Mehreinnahmen in den öffentlichen Kassen zu verzeichnen.Allein diese Zahl beweist, wie dringend notwendig eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer auf mindestens 50 % sowie eine Rücknahme der erheblichen Reduzierungen bei der Körperschaftsteuer wäre, um die öffentlichen Einrichtungen und die öffentlichen Dienstleistungen zu erhalten und auszubauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber genau das Gegenteil passiert. So beglückt uns die FDP nun auch noch mit den Beschlüssen ihres Parteitags zu weiteren Einkommensteuersenkungen in Höhe von 25 bis 28 Milliarden c.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo bleibt da die Einnahmeseite? Wer soll das bezahlen? Wieder die kleinen Leute? Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Nicola Beer (FDP): Da müssen Sie weiterlesen! Das steht alles im Beschluss!)

Zu diesen Steuerungerechtigkeiten tritt dann auch noch ein Zwei-Klassen-Steuervollzug hinzu, der Großunternehmen und Reiche schont. Während allen Arbeitnehmern bereits durch ihren Arbeitgeber regelmäßig die Steuern abgezogen werden, ist dies bei Unternehmern und bei Einkünften aus Vermögen ganz anders. Sie kön

nen dem Finanzamt selbst angeben, welche Einkünfte sie haben. Da gibt es viele Tricks, um legal oder illegal Steuern zu sparen. Die Kontrolle durch die Finanzämter ist hier völlig unzureichend. Es fehlt das Personal. In den meisten Fällen werden die Steuererklärungen ohne weitere Nachprüfungen durchgewunken.

(Michael Boddenberg (CDU): Auch falsch! Keine Ahnung!)

Man hat den Eindruck, diese laschen Kontrollen der Unternehmen werden sogar bewusst als Wirtschaftsförderung eingesetzt.

(Horst Klee (CDU): So ein Blödsinn!)