Protocol of the Session on March 29, 2006

Aber natürlich hat die Sache einen ernsthaften Kern. Wenn schon auf Herrn Jung als Hoffnungsträger verwiesen worden ist – dem will ich mich uneingeschränkt anschließen –, dann würde ich ihm schon wünschen, dass er etwas mehr Erfolg hat mit der Durchsetzung der einfachen Einsicht, dass es schön wäre, wenn die Deutschen, wenn sie international auftreten, freundlicherweise auch deutsch reden würden.

(Beifall bei der SPD und der FDP – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Sehr richtig!)

Man kann ja jedes halbe Jahr ein neues Beispiel finden. Ich bin – was Herr Riebel nicht konnte – auf einer Kulturkonferenz in Budapest gewesen. Ich sage das nur zur Ehrenrettung von Herrn Riebel, weil immer gesagt wird, er wäre ständig auf Reisen gewesen. Manchmal konnte er wirklich nicht.

(Heiterkeit)

Ich war also in Budapest.Das war eine EU-Konferenz,auf der so verfahren wurde, wie wir Deutschen es immer gefordert haben: Es wurde simultan übersetzt ins Deutsche, Englische,Französische und in die Landessprache,ins Ungarische. Bei der Eröffnungsveranstaltung sprachen ein Franzose, ein Engländer und ein Deutscher. Der Franzose sprach – man ahnt es schon – französisch, der Engländer sprach – man ahnt auch das – englisch,und Sie wissen ganz genau, was der Deutsche gesprochen hat: Selbstverständlich sprach der englisch, und zwar ein hundserbärmliches Englisch. Er hatte also noch nicht einmal den Grund, stolz zu sein, dass er etwas vorführen konnte. Er sprach einfach nur schlecht englisch. In der Arbeitsgruppe später hatten wir Glück. Da sprach jemand deutsch. Das war der Bürgermeister von Pécs.

(Heiterkeit und Beifall)

Den konnten wir aber Gott sei Dank dennoch verstehen, denn seine Rede wurde für uns alle ins Englische übersetzt.

(Heiterkeit)

Also fangen wir damit an, wo wir uns international darstellen.

Das kann lustig sein,aber nicht immer.Eine der schönsten Geschichten, die ich auf der Leipziger Buchmesse von einem Kollegen gehört habe, der ein Büchereiprogramm des Auswärtigen Amtes betreut, mit dem im Augenblick in Mittel- und Osteuropa viel für die Verbreitung deutscher Sprache und Literatur gemacht werden soll, ist die Geschichte von dem deutschen Botschafter in Korea. Der hat es fertig gebracht, einen Germanistenkongress in Seoul mit einer Rede in Englisch zu eröffnen, und hat dies damit begründet, dass der Präsident der Universität Seoul

nicht Deutsch könne, was vermutlich richtig ist. Jetzt muss das Auswärtige Amt eine Unmenge Geld ausgeben, um dorthin Bücher zu schicken, damit die glauben, dass in Deutschland wirklich noch Deutsch geredet wird.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich denke, dass wir es hier mit einer Verunsicherung zu tun haben, die tiefer geht. Diese hat selbst in der Rechtschreibreform eine Nebenlinie gehabt in der völlig unsinnigen Diskussion, ob man nun Spaghetti mit gh oder g schreiben müsste.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja!)

Dies war eine unsinnige Diskussion vor dem Hintergrund der völligen Selbstverständlichkeit, mit der andere Nationen Fremdwörter ihren Sprachen einverleiben. Kein Mensch in Litauen käme auf die Idee, Pizza anders zu schreiben als pica, weil es sonst falsch ausgesprochen würde. Jeder Amerikaner ist stolz darauf, wenn er einmal in Frankreich auf der Tschämps Ihlaisiss gewesen ist. Selbstverständlich hat unsere amerikanische Freundin aus Wisconsin immer von den Dackles geredet, womit sie Dackel meinte, und sie wusste, dass das deutsche Hunde sind. Deswegen war natürlich der Wissenschaftsminister mit den „Darmstadt-Dribbling-Dackles“ voll auf der Höhe des Zeitgeistes.

(Heiterkeit und Beifall)

Aber das war auch einmal anders. Unsere Vorfahren haben selbstverständlich irgendwann beschlossen, Keks zu schreiben und nicht mehr Cakes. Selbstverständlich kommt Schal von „shawl“, und selbstverständlich wissen die, die jetzt streiken, nicht mehr im Geringsten, dass das aus dem Englischen kommt, nämlich von „strike“. Es wurde irgendwann einmal einfach eingedeutscht, was wir uns heute offensichtlich nicht mehr zutrauen. Das hat, glaube ich, etwas mit dem Selbstbewusstsein zu tun, mit dem wir mit der eigenen Sprache umgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich war vor kurzem mit vielen von Ihnen bei der Lufthansa und habe mir diese Menükarte mitgenommen, nicht wegen der Speisekarte – die war auch ganz gut: Rinderfilet im Heu gegart, mit Rotwein-Charlottensoße –,

(Heiterkeit)

sondern weil ich mir da aufgeschrieben habe, was uns an dem Abend nur so stichwortweise vorgeführt wurde. Die haben einen Vortrag gehalten, in dem nur die Rede war von Home Carriers, von Low-Cost-Airlines, von Airports, von First-Class-Terminals, von einem Lufthansa-Aviation-Center. Mein Punkt ist nicht der, dass ich nicht von dem Herrn erwarte, dass er dann, wenn er auf internationalen Konferenzen auftritt, auch Englisch sprechen kann. Das wäre schon ganz gut. Aber was ich von ihm erwarte, ist, dass er sich, wenn er sich unter Deutschen bewegt, der deutschen Sprache bedient. Denn keiner dieser Begriffe, die ich eben genannt habe, ließe sich nicht auch deutsch ausdrücken.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Natürlich gibt es da auch Fachausdrücke. Slots beispielsweise wird man schlecht übersetzen können. Aber was eine Airline ist, haben wir in Deutschland durchaus schon früher in Deutsch gewusst. Insofern kann man das auch deutsch ausdrücken.

Weshalb heißt das Ding in Hessen eigentlich „Hessisches Competence Center“, HCC?

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Haben Sie das die Kultusministerin auch schon gefragt?)

Weshalb heißt es denn in den Erklärungen der Landesregierung „Hessen Viewer“? Vor kurzem habe ich gehört,in diesem Land sei ein Data Warehouse eingerichtet worden. Das muss eine interessante Einrichtung sein, die wir uns alle einmal anschauen sollten.

Man muss dann wirklich einmal im Einzelnen überlegen: Weshalb geschieht das? Wer soll damit eigentlich beeindruckt werden? Mit welcher Art von Sprachgebrauch soll da Nebel geworfen werden? Dann,denke ich,ist man sehr schnell bei dem politischen Teil dieser Diskussion. Dann ist das nicht nur eine modische Diskussion, sondern dann wird das eine spannende Diskussion. Dann, Herr Kollege Lenz, finde ich, dass wir diese Diskussion auch im Ausschuss angemessen führen können.

Wenn wir so weit sind, dann werden Sie uns auch erklären können, was das hier ist. Das ist das Schulungsprogramm der hessischen Jungen Union. Das heißt „Black Academy”. Nun wundert mich das nicht. Das ist ja nicht so schön mit dem Schwarzen: schwarze Löcher, schwarze Tage.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schwarze Kassen!)

Es heißt auch nicht Rot- oder Grüngeld. Da mag es einen Grund geben, dass sie das Schwarze vermeiden.Aber wer eine Black Academy hat, Herr Kollege Lenz, der steht selbst im Wald und sollte nicht so laut pfeifen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Holzapfel.

Auf der Tribüne begrüße ich unseren langjährigen Kollegen Dr.Aloys Zumbrägel. Herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort hat Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da der Ältestenrat des Landtags die Überweisung dieses Antrags an den Hauptausschuss beschlossen hat, gestatte ich mir, einige Ausführungen zu machen. Ich möchte damit beginnen, dass ich sage: Diejenigen, die mit dem Finger auf andere zeigen, müssen sich immer der Gefahr bewusst sein, dass einige Finger auf sie zurückzeigen.

(Gerhard Bökel (SPD): Ja!)

Wenn hier vom Kollegen Holzapfel gesagt wird, dass es zum Selbstbewusstsein auch der Deutschen gehöre, sich der eigenen Sprache zu bedienen, wäre es sehr schön gewesen, wenn der EU-Kommissar Verheugen bei einer Veranstaltung in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel seine Ansprache in Deutsch gehalten und nicht darauf bestanden hätte, in Englisch zu referieren und die Übersetzung simultan ins Französische vornehmen zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Gerhard Bö- kel (SPD): Klar!)

Als weitere Beispiele nenne ich, dass der SPD-Bezirk Hessen-Süd am 10. März zu einer Fachtagung „Best Practice“ eingeladen hat, dass die Grüne Jugend zu einer Veranstaltung zu „Graffiti Artists“ und „Job-Killern“ eingeladen hat,

(Gerhard Bökel (SPD):Alles richtig!)

dass man selbstverständlich auch über die Fragestellung E-Beihilfe spricht und dass eine Einladung der SPD zu „Global Compact”, zu „Corporate Social Responsibility“ vorliegt.

Wenn wir mit einer solchen Diskussion anfangen, dann trifft sie nicht den Kern dessen, was mit diesem Antrag tatsächlich intendiert ist.

(Beifall bei der CDU)

Denn es geht nicht darum, deutlich zu machen, dass wir mit Anglizismen, zum Teil auch mit überflüssigen Anglizismen arbeiten. Es geht nicht darum, dass wir alle wissen, dass wir uns als weltmännisch verstehen, wenn wir von einem Handy sprechen, weil wir meinen, es wäre ein englischer Ausdruck. Kein Mensch im englischsprachigen Raum weiß, was damit gemeint ist, weil es dort eben Mobile oder Cell Phone heißt, aber mit Sicherheit nicht Handy. Deshalb ist es nicht eine Fragestellung, dass wir uns darüber auseinander setzen müssen, was wir an Selbstbewusstsein für die deutsche Sprache empfinden und was wir mit deutscher Sprache tatsächlich bewirken wollen.

Auf der anderen Seite müssen wir Formen für Ansprechpartner finden, um erst einmal zu einem Zugang zu denen zu gelangen, denen wir verdeutlichen wollen, was es eigentlich mit der deutschen Sprache auf sich hat. Dann bin ich schnell bei einem Ansatz von Lessing, der einmal – das unterstreicht das, was der Grundsatz der Diskussion um diesen Antrag eigentlich ausmachen wollte – über eine, ich sage ganz bewusst: alte Dame, die ein sehr schlechtes Deutsch redete, sagte: Solange Sie mich nicht ansprach, sprach Sie mich an. Als Sie mich dann aber ansprach, sprach Sie mich nicht mehr an.

Im Antrag der CDU-Fraktion wird in der hier gebotenen Kürze besonders deutlich, dass es eine ideelle Grundlage unseres Politikverständnisses gibt, in dem ein Bekenntnis zur deutschen Sprache ein wesentlicher Bestandteil unserer nationalen Identität sein muss.

(Beifall bei der CDU)

Genau dieser Ansatz einer nationalen Identität fehlt beispielsweise in dem Antrag der GRÜNEN, der vorliegt, vollständig

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihnen fehlt die Kultur völlig, Herr Kollege!)

und ist nach meiner Auffassung im Antrag der FDP-Fraktion leider unzureichend formuliert.