Protocol of the Session on March 29, 2006

...haben in immer stärkerem Maße Werbebotschaften Erfolg, die vor Anglizismen oder gar „Denglisch“ nicht zurückschrecken.

Hier steht übrigens „Denglisch“ und nicht „denglish“. Sie sollten aber nicht zurückschrecken, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion.Die Beispiele,die ich jetzt bringe, sind überhaupt nicht alt.

Vor einem halben Jahr wurde der „Datenraum eingescannt“ und eine „technische Due Diligence“ erarbeitet – siehe Drucks. 16/4603. Dann erfahren wir zur allgemeinen Verzückung: „Die mit der mySAP-ERP-Lizenz erworbene NetWeaver-Technologie und das SAP-Portal stellen entsprechende Schnittstellen zur Verfügung.“ Das finden Sie in der Haushaltsausschussvorlage 16/65.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Damit sind wir doch wirklich um eine Erkenntnis reicher. Gut ist auch zu wissen: „Damit pilotiert das Sozialministerium gemeinsam mit dem Finanzministerium die Nutzung eines SAP-BusinessWorkflow im Modul HR zur Arbeitsunterstützung”. Immerhin wird es unterstützt.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir das verstanden haben, dann können wir uns unbesorgt dem „Capital Asset Pricing System“ zuwenden, selbstverständlich dargebracht in einem „Letter of Intent”, der zugleich den „Change of Control“ beschreibt.

(Große Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Alles kumuliert in der Balanced Scorecard, BSC. Ob wir sie verstehen, hängt wahrscheinlich von unserer akademischen Vorbildung ab.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Armin Klein (Wies- baden) (CDU))

Dabei ist es vielleicht hilfreich, Herr Kollege Klein, wenn Sie den „Staatsanzeiger“ lesen, denn dort finden Sie z. B. die Verlängerung der Prüfungsordnung im Studiengang „Molecular and Cellular Biology“. Da wird das nämlich bekannt gegeben.

(Heiterkeit – Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Frau Kollegin Beer, ganz besonders begeisternd finde ich folgende Einladung – das ist praktisch das „Cross Border Leasing“, in dem Fall der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung: Man lädt zu einem „Gender JourFixe“ ein. Warum soll es denn nur Englisch sein? Französisch ist doch auch ganz fein.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, wenn sich die CDU-Fraktion, wie es der Kollege Lenz darstellen wollte, gegen all diesen

Sprachmüll wirklich wehren wollte, dann hätte sie sicherlich die warmherzige Unterstützung der GRÜNEN. Davon sind Sie aber leider weit weg, Herr Kollege Lenz, sonst würden Sie sich an Ihrem Parteifreund, Herrn Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, einst Staatsminister für Wissenschaft und Kunst in Sachsen, orientieren, der folgenden, durchaus bemerkenswerten Brief schrieb. Ich zitiere:

Sehr geehrter Herr X, für Ihre Einladung zur Präsentation auf der CeBIT danke ich Ihnen.In der Tat scheint es sich dabei, wie Sie schreiben, um einen „zeitgemäßen Auftritt“ zu handeln. Jedenfalls entnehme ich das der Tatsache, dass Sie diesen unter das Motto stellen „E-Business: Future Ready”. Als Anglist wäre ich aufrichtig daran interessiert, zu erfahren, was das nach Ihrer Meinung wohl bedeuten soll.

(Große Heiterkeit)

Mir scheint das eher Englisch nach dem Modell „equal goes it loose“ zu sein.

(Große Heiterkeit)

Vielleicht sollten Sie es besser doch mit Deutsch versuchen. Was mich anbetrifft, so stehe ich grundsätzlich für Veranstaltungen mit Werbemätzchen wie „E-Marketplace“, „E-Commerce“ und „E-Learning“ nicht zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, auf der CeBIT dieses Jahres hat die Hessische Landesregierung eine Broschüre mit der Überschrift „E-Government“ herausgebracht. Da lesen wir im Innern solche schönen Dinge wie E-Beihilfe und E-Einbürgerung.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was noch fehlt – der Herr Innenminister ist leider nicht da, sagen Sie es ihm –: Demnächst kommen E-Test und E-Eid.

(Große Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

In Hessen rastet seit Roland Kochs Amtsantritt sein Sprachrohr Dirk Metz nicht, damit aus Hessen das Blubberland Nummer eins wird. Da könnte man sich einfach kopfschüttelnd abwenden. So leicht ist es aber leider nicht. So sind die Aussagen des CDU-Antrags ziemlich wirr und blubbern am Ziel vorbei. Allen Ernstes sollte man die Zahl der Menschen, die Deutsch als Erst- oder Zweitsprache sprechen, selbst wenn man ihre Zahl sehr großzügig nach oben aufrundet, nicht als Argument für die Bedeutung der deutschen Sprache verwenden. Selbst die großzügigste Hochrechnung kommt nämlich nur auf rund 2 % der Weltbevölkerung. Quantitativ betrachtet ist das wahrlich kein Spitzenwert.

Das ist aber gar nicht schlimm, weil sich die Bedeutung der deutschen Sprache nicht aus einer Zahl heraus definiert, sondern aus ihrem Wert als einer der bedeutenden Trägerinnen der europäischen Kultur. Dazu – der Kollege Lenz hat es ja auch gemerkt – findet sich im CDU-Antrag leider kein einziges Wort. Das könnte daran liegen, dass das unaufhörliche metzsche Geblubber Sie schon vergessen gemacht hat, dass Sprache und Kultur zueinander gehören.

Zu den Kuriositäten des Antrags der CDU gehören einige weitere Aussagen. Ich habe jetzt nicht die Zeit, alle zu zitieren. Ich nehme eine Aussage heraus. Da steht: „die

deutsche Sprache ist im Ausland zu fördern”. – Das ist zwar richtig, aber für ein Bundesland ein klein wenig schwierig umzusetzen, weil das nicht in unsere Kompetenz fällt.

Es wurde aber bereits gesagt: Der Antrag ist schon ein bisschen älter. Er trägt noch die Unterschrift von Franz Josef Jung. Vielleicht kann dieser in seiner neuen Funktion das eine oder andere für die Pflege der deutschen Sprache im Ausland tun.

(Zurufe von der CDU)

Was die CDU unter dem „besonderen Schutz der deutschen Mundarten und der deutschen Schrift“ versteht, bleibt zumindest mir ebenfalls etwas rätselhaft.Sprache in Wort und Schrift gehört nicht ins Museum, sondern lebt mit den Menschen, die sie sprechen, seien es nun Handwerker oder Intellektuelle.Durch regen Gebrauch im Alltag ebenso wie in der Literatur entwickelt sich Sprache fort. Das alles geschieht am besten, wenn die Politik sich heraushält.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, empfehlen wir die Formulierung im Antrag der GRÜNEN. Sie drückt nicht nur das, was wir meinen, sondern sicherlich auch das, was die CDU-Fraktion gemeint haben müsste, besser aus und ist alles in allem Ihrem schwarzen Text kulturell eindeutig überlegen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zu- rufe von der CDU)

Vielen Dank, lieber Kollege Kaufmann. – Das Wort hat die Frau Kollegin Ruth Wagner, FDP-Fraktion.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werbe für unseren Antrag, der versucht, die positiven Aussagen beider Anträge von CDU und GRÜNEN zu verbinden.

Aber zunächst möchte ich eine kurze Replik auf das Sprachgebaren der Hessischen Landesregierung während einer einzigen Januarwoche werfen. In diesen Tagen trafen sich hessische Landtagsabgeordnete beim Chief Information Officer, CIO, natürlich auf Anregung des CDO, nämlich Chief Disinformation Officer – damit ist Herr Metz gemeint – im hessischen Finanzministerium zu einem Meeting, um sich über die Balanced Scorecard bei der Produktbildung des Haushalts und dem Verfahren von Sale and lease back briefen zu lassen.

(Gerhard Bökel (SPD): Ist das ist in dieser Woche gewesen?)

Nein, im Januar.

Ich könnte da noch mehr erzählen.Wenn ich mir drei Monate vornehmen würde, würde die Redezeit dafür nicht ausreichen.

Im Innenausschuss wurde zeitgleich über die IMSI-Catcher und im Rechtsausschuss über die Stalking-Initiative des Justizministeriums je ein Hearing abgehalten.

Im Sozialministerium trafen sich Experten, um ein Paper zur Reform von Hartz IV,vor allem die Jobcenter,die Jobmanager und die Ein-Euro-Jobber, zu diskutieren. Eine

andere Gruppe präsentierte ein Memo über den Verlauf des letzten Girls’ Day, den einige als „geil“, andere als „supergeil“ und die meisten als „superaffengeil“ bezeichneten.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Das war jetzt aber Deutsch!)

Solche Benchmarks mit ähnlich differenzierten Bewertungen gab es auch bei der Abwasserbewertung im Umweltministerium, während im Landwirtschaftsbereich gerade Cross-Compliances zur Erhaltung von Umweltstandards erwogen wurden und die Taskforce gegen die Vogelgrippe installiert wurde.

Im Wirtschaftsministerium wurde in dieser Woche der Verteiler für die User der Hessen-Nanotech-News aktualisiert.

(Heiterkeit)

Das Sportministerium beschäftigte sich intensiv mit der Schirmherrschaft der Staatssekretärin bei der Veranstaltung Rock gegen Raser und der dem Minister vorbehaltenen Public-Viewer-Veranstaltungen während der Fußballweltmeisterschaft, bei denen in Innenstädten nur alkoholfreies Bier zugelassen werden soll, was zu weiteren erheblichen Kontrollnotwendigkeiten durch die hessische Police führen könnte.

Der Wirtschaftsminister, die Kultusministerin und der Wissenschaftsminister – und damit bekenne ich mich schuldig, weil das schon zu meiner Zeit so hieß – trafen sich derweil beim Tekno now und im Get-together auf der CeBIT, weil sie den hessischen Leuchttürmen entfliehen wollten – für die sie leider noch nicht den englischen Ausdruck „Lightfire“ durchgesetzt haben. Meine Damen und Herren, dieser wahrhaftig deutsche Begriff für besonders interessante, superaffengeile seltene und teure hessische Projekte und Besonderheiten ist dem Hessischen Ministerpräsidenten vorbehalten. Da er entweder hessisch oder ein nicht immer makelloses Hochdeutsch spricht, aber ein umso perfekteres Amerikanisch, sei ihm diese modische Anleihe aus Ost- und Nordfriesland verziehen,auch wenn die Hessen von vielen Freunden umzingelt sind – wie Herr Beltz immer gesagt hat –, aber ohne Zugang zum Meer und demgemäß gar keine „Lightfires“ brauchen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Landesregierung braucht das Nebelhorn, um sich zurechtzufinden!)

Meine Damen und Herren, das ist die Bilanz einer einzigen Januarwoche. Ich könnte Ihnen aus dem März – vor allem aus dem Kultusministerium – eine lange Liste solcher Bezeichnungen nennen. Ich sage Ihnen aber, wir sind da nicht besser. Meine Partei hat in Baden-Württemberg zu einer Stuttgarter Veranstaltung wie folgt eingeladen: Wir laden ein zu einem Meeting in die Konditorei „Old Liberal Candidate“. – Ich glaube, wir sind verrückt.