Protocol of the Session on March 29, 2006

Dann rufe ich Punkt 8 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend Förderung der deutschen Sprache – Drucks. 16/4654 –

gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 16:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend deutsche Sprache als Trägerin von Kultur und Kommunikation – Drucks. 16/5130 –

gemeinsam mit Punkt 33:

Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Bedeutung und Förderung der deutschen Sprache – Drucks. 16/5321 –

Die Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Es beginnt der Kollege Lenz, CDU-Fraktion.

(Clemens Reif (CDU): Und zwar in deutscher Sprache, bitte!)

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! 1927 veröffentlichte Hugo von Hofmannsthal sein bedeutendes Werk „Wert und Ehre deutscher Sprache”. Heute in einem Kurzbeitrag unseren Antrag zur „Förderung der deutschen Sprache“ erschöpfend zu begründen ist sicher kaum lösbar. Deshalb möchte ich schwerpunktmäßig einige Forderungen unseres Antrags aufgreifen, der im Übrigen bereits zum fünften Mal auf der Tagesordnung der Plenarsitzung steht. Inzwischen ist er fünf Monate alt, gut abgelagert und ausgereift und damit sicher so gut,dass ihm alle Fraktionen ihre Zustimmung geben können.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Durch Liegenlassen wird nichts besser!)

Das Thema ist sogar für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so wichtig und bedeutsam, dass sie es selbst mit einem eigenen Antrag

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der übrigens viel besser ist als Ihrer!)

und mit einer für sie ungewöhnlich pathetischen Formulierung aufgreift: die „deutsche Sprache als Trägerin von Kultur und Kommunikation”. Die Absätze 1 und 3 dieses Antrags sind so gut, dass sie von uns hätten stammen können. Es ist insbesondere auf – ich zitiere – „den sinnvollen und verständlichen Gebrauch der deutschen Sprache durch öffentliche Einrichtungen und ihre Vertreterinnen und Vertreter“ zu achten.

(Beifall des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, mit Ihren wertkonservativen Forderungen rennen Sie bei uns offene Türen ein. Sie sind zum Teil fast eine Blaupause unseres Antrags. So erkenne ich:Wir sind uns einig, die Verständigung in deutscher Sprache muss auch in Zukunft Grundlage unserer Arbeit sein.

Dass dabei gerade Parlament und Regierung eine besondere Aufgabe, gewissermaßen eine Vorbildfunktion zu erfüllen haben, betrachten wir als Selbstverständlichkeit. Sie muss unser gemeinsames Anliegen bleiben.Die selbstkritische Anmerkung, die hierzu im vorliegenden FDPAntrag formuliert ist, betrachte ich durchaus als berechtigt.

Der bornierte Gebrauch überflüssiger Anglizismen trägt langfristig zur Verarmung der deutschen Sprache bei. Werbe- und Geschäftssprache überschütten uns schon im Überdruss mit zum Teil dümmlichen englischsprachigen Ausdrücken,

(Beifall des Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

die alle durch ein passendes deutsches Wort zu ersetzen sind: Kick-off-Meeting, Give-away, Hand-out, Location, Get-together usw. usf.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich möchte an dieser Stelle an uns alle hier im hohen Hause appellieren, mit gutem Beispiel voranzugehen und überflüssige Anglizismen zu vermeiden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Ta- rek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bravo! Da muss die ganze Regierung zurücktreten!)

Es wird oftmals der Eindruck erweckt, aufgemotzte englische Ausdrücke und neue Ideen gehörten zusammen und bedingten einander. Modern und schick ist heute scheinbar nur der, der seine Sprache mit angloamerikanischen Floskeln durchsetzt.

(Gerhard Bökel (SPD): Herr Metz, haben Sie das gehört?)

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN,Sie werfen in Ihrem Antrag der Landesregierung vor, ihre Sprache mit Anglizismen zu überfrachten.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Sicher mag es einige verunglückte Einzelbeispiele in regierungsamtlichen Veröffentlichungen geben. Aber Ihr übertriebener Vorwurf an die Landesregierung geht völlig an der Realität vorbei.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er ist nicht übertrieben, Herr Kollege! Er ist eher untertrieben!)

Dagegen trifft dieser Vorwurf durchaus auf Fraktionen dieses Hauses zu. Wir alle kennen noch den wunderschönen Spruch: „It’s öde to be blöde”, eine Formulierung, die ich persönlich für saublöd halte.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

An der Wirklichkeit vorbei geht auch Ihre Feststellung, es gelte in Hessen, Versäumnisse beim Erlernen der deutschen Sprache zu beseitigen.Wahr ist das Gegenteil; denn der gegenwärtigen und der vorigen CDU-Landesregierung ist es gelungen, schwerwiegende Versäumnisse der rot-grünen Vorgängerregierung zu beseitigen.

(Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Während die rot-grüne Landesregierung in den Jahren 1998 und 1999 jeweils 1,46 Millionen c aufgewendet hat, waren es im Jahr 2005 unter der Regierung Koch ganze 5 Millionen c für Integrationsmaßnahmen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für Kauderwelsch?)

Das ist mehr als das Dreifache. Allein für die Sprachförderung im Kindergartenalter hat die Landesregierung 3,28 Millionen c zur Verfügung gestellt.Sie sollten das zur Kenntnis nehmen und aufhören, von Versäumnissen zu sprechen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ach, Herr Lenz! Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Gerade in den von den GRÜNEN in ihrem Antrag genannten Bereichen der frühen Vermittlung der deutschen Sprache und der Schaffung eines ausgeprägten Sprachverständnisses in Kindergarten und Schule ist Hessen im bundesweiten Vergleich hervorragend aufgestellt. Mit seinem Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren ist Hessen gemeinsam mit Bayern Vorreiter bei der kindlichen Spracherziehung und ermöglicht einen behutsamen Erwerb von Sprachkompetenzen aus einem Guss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hessen ist das erste Bundesland, in dem eine Einschulung nur dann erfolgt, wenn ausreichende Deutschkenntnisse durch einen Sprachtest nachgewiesen werden können. Gleichzeitig hat die CDU-geführte Landesregierung für die Schüler mit Sprachschwierigkeiten in einem großzügigen Rahmen Vorlauf- und später Begleit- und Intensivkurse eingerichtet. In den ersten drei Jahren haben 1.700 Kinder einen solchen Kurs absolviert, bei einer Erfolgs- und Akzeptanzquote von etwa 95 %.

In unserem Antrag heißt es zu Recht – ich zitiere –:

Auch für unsere Kinder ist das Beherrschen der deutschen Sprache der Schlüssel zum späteren beruflichen Erfolg und damit Voraussetzung für eine gesicherte persönliche Zukunft.

Auch bei der sprachlichen Frühförderung, insbesondere von Kindern mit Migrationshintergrund, ist Hessen einsame Spitze. Nicht umsonst wurde es von der KMK mit der Federführung im Bereich der frühzeitigen Migrantenförderung aller 16 Bundesländer betraut. Dies sind nur einige Beispiele aus dem Engagement der Landesregierung für die deutsche Sprache, die eindeutig zeigen, wie überflüssig und absurd der Vorwurf der GRÜNEN ist, es hätte in diesem Bereich Versäumnisse gegeben.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ach, Herr Kollege!)

Aber zurück zu den Anglizismen. Wir erleben derzeit einen zunehmenden Anstieg des Gebrauchs überflüssiger englischsprachiger Ausdrücke, eine Flut von oberflächlichen Formulierungen vor allem in der Werbesprache, einen Mischmasch zwischen Pseudoenglisch und rudimentärem Deutsch.

(Beifall bei der CDU)

Einige Agenturen glauben anscheinend, damit einen allgemeinen Trend aufgreifen zu müssen, der letztlich aber zu einem unterentwickelten Sprachgebrauch, zu kommunikativer Verengung und zu Fantasielosigkeit, aber auch zu Unverständnis führt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kennen Sie die Broschüre zum „E-Government“?)

Ich greife ein Beispiel heraus. In einem aktuellen Folder einer Agentur zu einer politischen Veranstaltung – früher hieß das schlicht Faltblatt – übertrumpft sich in einem einzigen Absatz eine Palette wohlklingender, aber nichts sagender Reizwörter: Lifestyle, innovative Tools, ProduktFeatures, Content-Management, Performance. – Ich frage mich, ob dieses Kauderwelsch notwendig ist.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Antwort lautet Nein!)

Herzlichen Dank.

(Heiterkeit)

Ich betone ausdrücklich: Es geht uns nicht um einen Sturmlauf gegen Fremdwortgebrauch, der die persönliche Ausdrucksweise durchaus bereichern kann. Auch technische Begriffe wie beispielsweise in der Computersprache müssen international verständlich sein. Deshalb basieren sie sinnvollerweise auf englischen Ausdrücken. Wenn der Bahnhof in Frankfurt-Niederrad, wie vor kurzer Zeit erfolgt, von „Sportfeld“ in „Stadion“ rückbenannt wird, dann ist das vollkommen in Ordnung. Niemand will den von den Nazis betriebenen ideologischen Sprachpurismus wieder aufleben lassen.