Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das ist ein Grund, das Sparkassengesetz zu novellieren. Denn das Sparkassengesetz wird nicht nur wegen der Bildung und Übertragbarkeit von Stammkapital zu ändern sein, sondern aufgrund der Entwicklungen,die innerhalb der Sparkassenfamilie in den letzten zwei Jahren stattgefunden haben. Im Übrigen gehören dazu auch andere, kleine Veränderungen, über die wir mit dem Sparkassenverband im Gespräch sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird immer wieder gefragt: Warum diskutieren wir dieses Thema heute und in der Vergangenheit,und insbesondere vor der Kommunalwahl? – Auch dazu gehört eine Aussage an dieser Stelle. Wir als Landesregierung haben in einem sehr frühen Stadium, einem Stadium, in dem normalerweise noch keine Beteiligung der Betroffen vorgenommen wird, den Vorstand des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen eingeladen und haben unter Führung des Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei den Verband vertraulich über die Ziele der Veränderung des Gesetzes informiert.Wir hatten Vertraulichkeit vereinbart. Die hat aber nicht lange gehalten,denn wenige Tage später war im „Platow-Brief“ zu lesen, was dort besprochen worden sei.
Aufgrund der verschiedenen Presseanfragen und zur Beruhigung und Klärung der Sache musste ich damals an die Öffentlichkeit gehen. Im Rahmen der eben genannten Pressekonferenz in Frankfurt habe ich die Ziele der Hessischen Landesregierung mittels des Sparkassengesetzes vorgestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ziele von damals gelten auch heute. Sie sind identisch mit dem, was im Regierungsprogramm festgelegt ist: dass wir nämlich im Interesse der Stärkung der Sparkassen in ihren jeweiligen Wirtschaftsregionen das Spielfeld erweitern wollen, also Handlungsoptionen schaffen wollen.
Es ist immer wieder gefragt worden: Wozu? Worin liegt der Zweck? – Ich will hierzu eine eindeutige Aussage machen. Das ist nicht monokausal zu erklären, sondern es gibt verschiedene Anlässe, Möglichkeiten, in denen sich die Option der Bildung und Übertragung von Stammkapital für die Stärkung der Sparkassen sehr wohl lohnen kann. Das gilt sowohl für den Ballungsraum Rhein-Main, auf den vorwiegend abgehoben wird,als auch für die ländlichen Regionen.
Die Sparkassenlandschaft im Rhein-Main-Gebiet ist, wie die Experten sagen,von einer Gemengelage gekennzeichnet. Das heißt, das eigentliche Ziel der Sparkassen, das Regionalprinzip – das heißt, dass in einer Region, in einem Kreis, oder wie das Gebiet auch immer definiert ist, nur eine Sparkasse Anbieter, handelnder Akteur ist –, ist im Rhein-Main-Gebiet, nicht zuletzt aufgrund der Existenz der Naspa, längst überall durchbrochen. Hier gibt es Optionsnotwendigkeiten.Wir wollen Optionsmöglichkeiten schaffen, sodass es unterhalb der Ebene der Fusion durch Kooperationen zu Neuordnungen kommen kann, wenn dies die Träger der Sparkassen wollen.
Diese Notwendigkeiten gibt es genauso im ländlichen Bereich. Eben ist das Beispiel der Fusion der Wetterauer Sparkasse mit der Sparkasse Vogelsberg genannt worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was hier sicherlich nicht in optimaler Weise geschehen konnte, weil unser Modell noch nicht verfügbar ist, ist die Tatsache – die eigentlich jedes Unternehmen bei Kooperationen
oder Fusionen berücksichtigt –, dass möglichst am Point of Sale, also an der Beziehung zwischen dem Unternehmen und dem Kunden, keine Veränderung Platz greift. Leider ist das bei dieser neuen Sparkasse im eben genannten Fall notwendig.Diese Sparkasse heißt in Zukunft nicht mehr, wie sie bisher geheißen hat, sondern sie hat einen neuen Namen. Sie heißt Oberhessische Sparkasse. Darüber sind übrigens manche Marburger verwirrt, aber das nur am Rande. Jeder Kunde bekommt eine neue Bankleitzahl mit einer anderen Kombination der jeweiligen Kontonummer.Allein das kann nicht im Interesse von Kundenorientierung sein. Das zu diesem technischen Punkt. Bei einer Beteiligung bei Aufrechterhaltung der bisherigen Identität der Sparkasse, die trotzdem eine Zusammenarbeit ermöglicht hätte, wäre dies nicht notwendig gewesen.
Meine Damen und Herren, im Hinblick darauf, wie kleine, mittlere oder größere Sparkassen zusammenarbeiten, sind verschiedene Optionen denkbar. Ich will diesbezüglich eine Anleihe aus Rheinland-Pfalz nehmen. Herr Reif hat gesagt, dort hätten sieben Bildungen von Stammkapital stattgefunden, und in der Vergangenheit habe es zwei konkrete Übertragungsfälle gegeben. Die Verantwortlichen in Rheinland-Pfalz sagen, am Anfang seien sie gegenüber diesem Gesetz auch kritisch gewesen, aber es berge Möglichkeiten in sich, die sie bisher nicht erkannt hätten. So hat z. B. eine kleinere Sparkasse, die bei einer Fusion auch wegen ihrer Bedeutung für die Region untergegangen wäre, gesagt: Wir verkaufen unsere Anteile, aber wir nehmen diesen Erlös nicht, um Haushaltslöcher zu stopfen. – Stattdessen hat der bisherige Träger eine Stiftung gebildet, sodass aus dem Stiftungsvermögen jährlich die Erträge generiert werden können, um gemeinnützige Aufgaben zu finanzieren.
Ich nehme ein anderes Beispiel. Bei zwei ähnlich großen Sparkassen hat der Träger Stammkapital im Sinne der Zusammenarbeit, der Profilierung des Kreditgeschäftes und dessen, was wir heute manchmal als Kreditfabrik bezeichnen, übertragen. Er hat insgesamt 40 % übertragen, bleibt also mit 60 % Anteil Eigentümer dieser größeren Sparkasse. Er hat diese 40 % jedoch nicht entnommen – Stichwort:Auszehrung von Kapital in der Sparkassenfamilie –, sondern hat diese 40 % als stille Reserve in die Sparkasse, die Eigentümerin gewesen ist, eingelegt. Er bekommt damit regelmäßig und an erster Stelle eine Ausschüttung, und das Kapital ist ebenfalls erhalten geblieben.
Meine Damen und Herren, an diesen beiden Beispielen wollte ich deutlich machen, welche vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten es gibt. Diese Beispiele mögen ausreichen – es gibt noch viele andere –, um zu begründen, weshalb diese Option sinnvoll ist. Es ist lediglich eine Option, die wir ganz im Sinne der kommunalen Entscheidungsautonomie bilden wollen.
Meine Damen und Herren, jetzt komme ich auch langsam zu meinen Brüsseler Gesprächen. In der Europäischen Kommission ist deutlich geworden, dass die deutschen Sparkassen nach dem 19.Juli des vergangenen Jahres – Sie erinnern sich an den Wegfall der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast – in Bezug auf ihre Rechtspersönlichkeit sehr wohl eine besondere Rolle spielen. Herr Denzin hat es bereits gesagt. Derzeit ist es nicht mehr als eine treuhänderische Aufgabe,die die Sparkassen bzw.die Kommunen wahrnehmen.Wir wissen aber auch, dass sich mit dem Wegfall der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast die bisherige Verpflichtung der Sparkassen zum öffentlichen Auftrag in dem Maße gegen null entwickelt, wie die Kredite auslaufen.
Meine Damen und Herren, dennoch haben die Kommunen eine Form der Haftung, die vielen derzeit nicht klar ist. Es ist sehr wichtig, diese Übergangszeit zu gestalten. Die Europäische Union fragt uns deshalb: Wie wollt ihr denn die Sparkassen führen? – In der Realität gibt es darauf drei Antworten.
Die eine Antwort ist: In Frankreich und anderen europäischen Ländern sind die Sparkassen beispielsweise in eine Form der Genossenschaften umgewandelt worden, mit der Konsequenz,dass nicht mehr die Kommunen,sondern die Kunden das Verfügungsrecht über die Sparkassen haben. Über diese Antwort können wir sprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können aber auch über eine Lösung sprechen, die derzeit im Saarland diskutiert wird und die es auch in anderen europäischen Ländern gibt: die Sparkassen in eine Stiftung umzuwandeln.Auch darüber können wir sprechen.
Meine Damen und Herren, wir kommen aber zu der Überzeugung, dass eine klare eigentumsmäßige Regelung, bei der die Kommune Eigentümerin ist und sich damit auch der Verantwortung für ihr Eigentum und für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stellen muss, die beste Lösung ist. Deswegen bieten wir den Kommunen an, auch im Interesse ihrer Verantwortung für die regionale Wirtschaftspolitik und im Sinne von Wirtschaftsförderungspotenzial, sich zu den Eigentümern ihrer Sparkassen zu machen und damit gleichzeitig ein Mehr an Verantwortung zu übernehmen. Zudem besitzen sie damit die Möglichkeit, Kooperationen einzugehen.
Wir wollen, dass das öffentlich-rechtliche System erhalten bleibt. Deswegen soll auch künftig durch das Sparkassengesetz rechtlich ausgeschlossen bleiben, dass die Sparkassen privatisiert werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mich hier nicht an der polemischen Debatte – zumal der vor der Kommunalwahl – beteiligen. Wenn die SPD aber plakatiert hat: „Wir sind dagegen, dass Sparkassen privatisiert oder verkauft werden“,
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die SPD meint, sie müsste hier den Finger heben, wo es nicht notwendig ist,
und wenn sie es ehrlich meinte, dann sollte sie diesen Finger in Richtung Berlin heben und sagen:Genossen in Berlin, lasst die Privatisierung der Sparkassen. – Hier haben Sie am falschen Platze falsch geschrieen.
(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Wenn Sie das ernsthaft behaupten, haben Sie keine Ahnung!)
Ich habe Ihnen im Rahmen der Zeit, die mir zur Verfügung steht, ausreichend beschrieben, worin die Sinnstiftung dieser Reform liegt. Ich habe am vergangenen Donnerstag mit dem Generaldirektor in Brüssel ein Gespräch geführt, und ich kann Ihnen sagen, dass die EU-Kommission mit dieser Regelung – im Gegensatz zu Ihren Befürchtungen – einverstanden ist. Sie hat sogar noch eines draufgesetzt. Herr McCreevy, der Kommissar für den Binnenmarkt, hat mir, nachdem ich ihm die Zielsetzung noch einmal geschildert habe, gesagt, dass er sehr wohl daran interessiert sei, dass auf diesem Wege ein weiterer Schritt zur Konsolidierung und zur Stärkung der Sparkassenlandschaft vorgenommen wird, und dass er deshalb unseren Weg unterstütze. Denn für ihn hätten die Konsolidierung und die Stärkung der Sparkassen höchste Priorität.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist wichtig zu wissen. Der Kommissar hat nämlich deutlich gemacht, dass die Bildung und Übertragung von Stammkapital innerhalb der Sparkassenfamilie auch in Zukunft durch das EU-Recht gerechtfertigt und gedeckt seien. Er hat deutlich gemacht, dass es unter europarechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken gebe, sich beim Erwerb von Sparkassen auf öffentlich-rechtliche Erwerber zu beschränken. Er hat in diesem Zusammenhang – das dürften Sie, wenn Sie sich kundig gemacht haben, wissen – auf Art. 295 des EG-Vertrages verwiesen,der es den Mitgliedstaaten erlaubt, über eine Privatisierung zu entscheiden.
Sie wissen alle, dass die Mitgliedstaaten wie die Bundesrepublik Deutschland autonom sind und dass in Deutschland dieses Drei-Säulen-Prinzip besteht. Wir wollen mit dieser Novelle daran festhalten, und zwar in Ausführung des Grundsatzes des Hessischen Sparkassengesetzes, dass die Übertragung von Stammkapital ausschließlich innerhalb der hessischen Sparkassenfamilie vorgenommen werden soll.
Meine Damen und Herren, Sie sehen also, dass die Landesregierung zu ihrer Ankündigung steht, dafür zu sorgen, dass die Gesetze europafest sind. Dieses Gesetz wird, nachdem sich nun die künstliche Aufregung gelegt hat,ein weiterer Schritt sein, die hessische Wirtschaft mittels der Sparkassen und ihrer Leistungsfähigkeit weiter zu stärken, ihre Ausgangsposition durch die Kreditausstattung der Sparkassen zu forcieren und die künftig notwendigen Wachstumsschritte vollziehen zu können.
Wir können bilanzieren: Die Aufregung, die Sie künstlich veranlasst haben, hat lediglich zur Beunruhigung beigetragen. Mancher Sparkassenvorstand, der sich dieser Versuchung nicht entsagen konnte, bedauert bereits heute, dass er einen Beitrag dazu geleistet hat, seine Kunden zu verunsichern. Das kann nicht seine Aufgabe sein.
Meine Damen und Herren, was das Gesetzgebungsverfahren betrifft, werden wir wie geplant vorgehen. Ich hatte in der Pressekonferenz angekündigt, dass wir die spezifische Frage des Europarechts noch vor dem Referentenentwurf klären wollen. Diese Frage ist inzwischen geklärt worden. Ich denke, dass wir nun mit dieser Sicherheit die Ausformulierung des Gesetzentwurfs vornehmen werden.Wir werden darüber, sicherlich auch in einer Anhörung der entsprechenden Fachleute, diskutieren. Ich weiß aber bereits heute, dass wir bei der Entwicklung und letztlich der Verabschiedung dieses Gesetzes sehr eng mit allen Betroffenen zusammenarbeiten werden, so auch mit dem Sparkassen- und Giroverband, wenngleich er auch in
der Vorkommunalwahlzeit nicht immer das eingehalten hat, was wir vorher verabredet hatten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Herr Staatsminister. – Das Wort hat Frau Kollegin Margaretha Hölldobler-Heumüller, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Minister Rhiel, ich habe eine einzige Frage, die Sie mit Ihrer ausführlichen Rede leider überhaupt nicht beantwortet haben. Sie haben sich beschwert, dass über Spekulationen gesprochen wird. Herr Minister Rhiel, ich frage Sie: Wann kommt der Gesetzentwurf zur Novellierung des Hessischen Sparkassengesetzes? – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Denzin (FDP) – Clemens Reif (CDU): In Bälde!)
Wir haben, wie ich gesagt habe, dieses Thema in unserem Regierungsprogramm.Alle Punkte werden abgearbeitet.
Lassen Sie mich doch einmal den Satz zu Ende führen. – Wir haben in der letzten Woche, am letzten Donnerstag einen wichtigen Punkt geklärt, der in der Ausformulierung des Entwurfs eine wichtige Rolle spielt und eingefügt werden kann. Ich denke, dass wir Sie vor der Sommerpause mit diesem Gesetz befassen werden.
(Reinhard Kahl (SPD): Die Landesregierung? – Gegenruf des Ministers Dr.Alois Rhiel: Ich habe es gesagt!)
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Es wird vorgeschlagen, dass wir den Antrag der Fraktion der SPD, Drucks. 16/4870, und den Dringlichen Antrag der CDU, Drucks. 16/5440,
und den Dringlichen Antrag der GRÜNEN, Drucks. 16/5450, dem Wirtschaftsausschuss überweisen. – Das ist einvernehmlich so beschlossen.