Protocol of the Session on March 29, 2006

(Beifall bei der CDU)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Walter, es ehrt mich, dass Sie mich zitieren, bevor ich meine Rede überhaupt gehalten habe.Bei Ihnen scheint nicht viel dahinter zu stecken, wenn Sie schon auf die Reden Ihrer Kollegen zurückgreifen müssen.

(Zurufe von der SPD)

Was hier schon seit längerer Zeit aufgeführt wird, ist eine Posse aus der Reihe „Lehrstück zur Politikverdrossenheit“. Die Akteure – das wurde schon zitiert – sind ein eitler Zauderer und ein ängstlicher Wolkenschieber. Hier wird über Phantome gesprochen, also über etwas, was es noch gar nicht gibt. Auch Herr Kollege Reif hat es nicht für nötig gehalten, auch nur irgendwo zu erklären, wann dieses Gesetz kommt und was überhaupt drinsteht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir diskutieren hier über Ziele, die noch nie bekannt gegeben geworden sind. Das ist absurd. Hauptzweck all der Aktionen, die hier stattfinden, ist auf beiden Seiten dieses Hauses – die Mitte nehme ich davon aus –,Schlagzeilen zu produzieren, sonst nichts. Dass wir hier und heute, nachdem das Stück schon seit vier Monaten aufgeführt wird, sogar über einen Setzpunkt zu diesem Thema diskutieren, grenzt an Peinlichkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel Wintermeyer (CDU): Der SPD-Stimmenfang ist gescheitert! Das stelle ich fest!)

An dem Stück wird seit zwei Jahren geschrieben. Im November 2005 trat der erste Akteur in Gestalt des hessischen Wirtschaftsministers auf die Bühne. Zaudernd, wie es ihm nun einmal entspricht,irrt er seit zwei Jahren durch die Welt und bringt keinen Gesetzentwurf zustande.

Aber er findet, sein Name müsse wieder einmal in den Schlagzeilen auftauchen, und veranstaltet eine prachtvolle Pressekonferenz, wirft eine Nebelkerze in die Welt und verkündet Pläne, die da lauten: Bildung von Stammkapital, Ausschüttung, Übertragung von Stammkapital, vertikale Integration. Er schreibt, die Landesregierung wolle dafür sorgen, dass bei den Rahmenbedingungen am Bewährten festgehalten werde. Zugleich wolle sie einen möglichst großen Gestaltungsspielraum eröffnen. Das hört sich ein klein wenig nach der Quadratur des Kreises an.

(Clemens Reif (CDU): Na, na, na!)

Mehr sagt er nicht dazu. Dann wundert er sich, dass er einen Sturm der Entrüstung losgetreten hat. Seitdem wird er die Geister, die er rief, nicht mehr los. Er muss immer wieder zugeben,dass er es nicht hinbekommt.Es wird verschoben und verschoben. Er muss dementieren, dass privatisiert wird. Er muss ständig behaupten, bezüglich Europa bestehe keine Gefahr. Kurz und gut, statt weiter an dem Gesetzentwurf zu arbeiten, ist er mit Dementis und Beschwichtigungen beschäftigt und rudert hilflos im Nebel herum.

Irgendwann scheint er zu denken, es sei besser, sein Name werde mit diesem Gesetz nicht mehr verbunden. Da schickt er seinen Knappen in der Gestalt von Staatssekretär Abeln los.Der gibt die nächste Presseerklärung zu diesem Thema heraus, die interessanterweise mit der flehenden Bitte überschrieben ist: Bitte nicht die Hände in den Schoß legen, sondern für mehr Gestaltungsoptionen der Sparkassen in Hessen sorgen. – Das richtet sich eigentlich direkt an den hessischen Wirtschaftsminister. Sehr gut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eines ist klar: Dieser Minister kann es nicht, und am Horizont formieren sich die Gegner in Gestalt des deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, in Gestalt der thüringischen Landesregierung – die ganz nebenbei ein Mitanteilseigner ist, aber man hat gar nicht mit ihr gesprochen –, in Gestalt des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, in Gestalt des Hessischen Städte- und Gemeindebundes und inzwischen auch in Gestalt der Helaba.

Herr Reif, wenn Sie stolz aus den Bilanzen dieser Verbände zitieren, sollten Sie auch erwähnen, welche Entrüstung der angekündigte Gesetzentwurf bei genau diesen Verbänden ausgelöst hat. Eigentlich sollte Ihnen das zu denken geben.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Dann kommt der Posse zweiter Akt. In der Gestalt des Ritters Walter tritt ein neuer Akteur auf die Bühne, springt hinter dem Busch hervor und weist die Menschen auf die Angstwolken am düsteren Himmel hin, die inzwischen aufgezogen sind. Er versichert, die Sozialdemokraten seien die Einzigen, die die Menschen vor dieser Bedrohung retten könnten.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Herr Kollege Walter, ich werde Ihnen erklären, was ich unanständig daran finde. Das Einzige, was Sie an dieser Stelle betreiben, ist, dass Sie Ängste schüren, indem Sie das Ende der Sparkassen verkünden, indem Sie den Handwerkern und Gewerbetreibenden ausmalen, sie würden zukünftig im Regen stehen, indem Sie erklären, die Privatbanken würden schon – ein wörtliches Zitat – „hinter den Büschen lauern“, und indem Sie wieder die EU beschreien, nach dem Motto, die EU werde sich wie immer gegen die Bürger entscheiden. Das finde ich unanständig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Clemens Reif (CDU):Unglaublich,was der Kollege Walter alles macht!)

Da werden Plakate aufgehängt und Broschüren gedruckt. Es gibt Zeitungen, in denen steht: Werden die Sparkasseninstitute bald an Privatbanken verkauft? – Das ist eher eine „Bild“-Zeitungsschlagzeile, und Sie wissen, dass es darum nicht geht. Wenn wir in unserer gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation etwas nicht brauchen, dann ist es jemand, der Ängste schürt und die Leute verunsichert.

Es ist klar, dass das ein Wahlkampfgetrommel von Ihrer Seite war. Ob Sie das Ziel erreicht haben, sei dahingestellt. Das beurteilen Sie bitte selbst. Aber alles, was zur Verunsicherung der Menschen in Deutschland beiträgt, ohne dabei eine reale Grundlage zu haben, können wir hier nicht brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Zur Situation – denn der Sachverhalt ist zweifellos schwierig –:Den Kommunen gehören die Sparkassen,und die Sparkassen besitzen die Helaba. Dass das Stammkapital ausgewiesen wird, ist nicht des Teufels.Ausnahmsweise muss ich einmal dem Kollegen Reif zustimmen. Dann weiß man, was sie wert sind, und wenn Doppik eingeführt wird, kommt das sowieso.

Die Hessische Landesregierung hat inzwischen sehr oft versichert, dass Private nicht einsteigen dürfen. Meine Damen und Herren, ich glaube Ihnen nicht viel, wenn ich es nicht schriftlich gesehen habe.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Aber ich glaube Ihnen, wenn Sie sagen, Private dürften nicht einsteigen. Das hat einen einfachen Hintergrund: Es wäre nämlich nicht EU-fest.

(Clemens Reif (CDU):Wenn Sie länger in Fulda leben, werden Sie auch noch gläubig!)

Wenn es zu Verkäufen kommt, erfolgt das innerhalb des Systems. Das heißt, es kommt zu einer Umschichtung von Kapital. Das ist nur interessant, wenn es Große und Kleine, Starke und Schwache gibt. Wenn Große gestärkt werden sollen, bleibt in einem Verbund die ganz einfache Frage:Wer soll sie stärken? Das sind dann die Schwachen, und genau das ist das Unanständige an diesem Konzept.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Momentan haben wir einen Verbund der Sparkassen, in dem gemeinsam gearbeitet wird. Dann aber haben wir ein Zweiklassensystem.Das heißt,die Reichen sollen von den Armen gestützt werden. So kennen wir die Hessische Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Na, na, na!)

Das heißt aber auch, dass Geld aus dem System abfließt und damit die Grundlagen des Sparkassensystems gefährdet werden. Es fließt Geld aus dem Gesamtverbund ab – das hat Herr Kollege Walter sehr richtig angesprochen –, und das schwächt die Institute insgesamt, weil die Bilanzsumme sinkt.

(Clemens Reif (CDU): Nein, das ist nicht wahr!)

Angesprochen wurde auch der Besitz der Kommunen. Dass es in der gegenwärtigen Situation reizvoll sein mag, Tafelsilber nach dem Motto „Nach uns die Sintflut“ zu verkaufen und einen warmen Geldregen zu erhalten, mag sein.

Manchmal denke ich angesichts der gesamten Gesetzesverschiebung, dass Sie die Pläne des Ministerpräsidenten ausbaden müssen. Wenn nämlich der warme Geldregen für die Kommunen kurz vor der Landtagswahl käme, könnte das vielleicht die Stimmung zugunsten der CDU beeinflussen. Ich glaube, Sie müssen noch einiges tun, wenn Sie die Wahlen gewinnen wollen. Das Motto „Tafelsilber weg, egal was danach kommt“ kennen wir bereits von der Hessischen Landesregierung.

(Clemens Reif (CDU): Na, na, na!)

Wenn die Chance besteht, Institute zu verkaufen, geht es um kurzfristige Wertsteigerungen; denn das muss attraktiv gemacht werden. Dann muss die Ausschüttung erhöht werden. Plötzlich steht der Wertzuwachs für die Eigentümer im Vordergrund, nicht mehr jedoch der gemeinnützige öffentliche Auftrag. Das kann aber nicht sein. Das widerspricht dem Auftrag der Sparkassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Walter, es hätte nicht Ihrer Aufforderung bedurft,damit ich mich zum Thema Stammkapital äußere. Ich wollte das sowieso tun.

Das alles sind Gründe, weswegen wir dem Handel mit dem Stammkapital nicht zustimmen können. Fusionen zwischen Sparkassen waren und sind schon immer möglich. Der Verbund gewährt gemeinsam Stärke.

Was wollen die GRÜNEN? Die Herren Metz und Koch können sich schon warmlaufen. Denn sie laufen immer dann zum Wirtschaftsminister und soufflieren ihm, wenn irgendetwas angesprochen wurde, was nicht auf seinem Redezettel steht.

Ich erläutere jetzt unsere konkreten Forderungen.Wir haben eine andere Position als die SPD, die wieder den Untergang des Abendlandes beklagt und sagt, alles müsse so bleiben, wie es ist. Dabei haben die Mitglieder der SPD aber nicht im Auge, dass sich manches auch verändert.

Wir haben konkrete Vorstellungen und konkrete Vorschläge. Wir wollen, dass die Sparkassen in öffentlichrechtlicher Form als dritte Säule des Bankensystems erhalten bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, darüber sind sich die Mitglieder dieses Hauses auch einig. Da wird immer ein Popanz aufgebaut, der gar nicht nötig ist.

Wir wollen, dass der § 2 Sparkassengesetz festgeschrieben wird. Dort enthält das Sparkassengesetz einen öffentlichrechtlichen Auftrag, der eine stabile Versorgung in der Fläche, für alle Bevölkerungsgruppen und für kleine und mittlere Unternehmen sicherstellt. Dazu gehört z. B. aber

auch die Forderung, dass es für alle ein Konto zu fairen Preisen geben muss.

(Reinhard Kahl (SPD): Wie geht das damit zusammen, dass die Sparkassen ihr Stammkapital ausweisen sollen?)

Wir wollen eine Novellierung, damit die Entscheidungen und die Strukturen transparenter werden. Wir wollen, dass sich mehr Gruppen in den Verwaltungsräten beteiligen können. Unter Umständen soll der Kreis, der dem Verwaltungsrat angehört, auch um die Kunden erweitert werden, damit auch diese einen Einblick erhalten, wie mit ihren Geldern gewirtschaftet wird.