Die Sparkassen sind in der Bundesrepublik Deutschland – so würde ich sagen – große Marktteilnehmer, die Marktteilnehmer mit dem größten Potenzial in dem Bankenwesen auf jeden Fall. Wir haben die größten Spareinlagen, wir haben die größten Kontenbewegungen, wir haben das größte Geldvolumen, wir haben das größte Sparvolumen bei den Sparkassen. Herr Vizepräsident, aber der Punkt ist der, dass dieses im Sparkassenwesen nicht konzentriert ist, sondern wir dieses auf rund 470 Sparkassen, 13 öffentlich-rechtliche Versicherungen, 11 Landesbausparkassen, 11 Landesbanken, 9 Kapitalanlagegesellschaften, 7 Leasinggesellschaften und viele weitere Verbundunternehmen dezentralisiert haben.
Ich prognostiziere Ihnen nichts Neues, wenn ich sage, dass mit dieser dezentralisierten Form in Zukunft der so genannte schlafende Riese den globalen Herausforderungen nicht Rechnung tragen kann. Wir als Politiker wollen nicht mehr als
die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich in diesem Bereich Optionen und Möglichkeiten eröffnen, die diese Leute dann in Zukunft wahrnehmen können, wenn sie wollen oder unter Umständen dazu gezwungen werden. Das und nichts anderes wollen wir.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen selbst, wenn die Voraussetzungen eingetreten sind, ist schnelles Handeln erforderlich. Was war bei der Frankfurter Sparkasse von 1822? Bis ein Gesetz verabschiedet ist – das wissen wir doch alle umso besser –, brauchen wir ein halbes bis ein Dreivierteljahr. Bis Anhörungen und anderes durch sind, vergeht mindestens ein halbes bis ein Dreivierteljahr. Das heißt also, unter Umständen ist die Zeit, wenn es darauf ankommt, viel zu kurz, als dass wir noch reagieren können.
Was wird des Öfteren draußen in der Wirtschaft gesagt? „Ihr in der Politik reagiert zu langsam.Ihr reagiert zu spät. Ihr seid nicht flexibel genug.“ – Das und nichts anderes wollen wir:Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass Flexibilität, Dynamik und vorausschauend Optionen in diesem Bereich möglich sind – nicht mehr und nicht weniger.
Sie können wahrgenommen werden, aber sie brauchen nicht wahrgenommen zu werden. Herr Walter, ich gehe nicht so weit, den Namen einer Sparkasse zu nennen. Aber ich gehe so weit, dass ich sage: Erkundigen Sie sich doch bitte einmal bei Herrn Grandke, was er – der vermeintliche Spitzenkandidat der SPD oder ein vermeintlicher Spitzenkandidat unter denen, die die SPD unter Umständen im November in die engere Wahl ziehen wird – auf diesem Sektor für eine Meinung hat und welche Möglichkeiten er als Verwaltungsratsvorsitzender einer Sparkasse,bei der er bisher in tiefste Interna eingebunden war,haben möchte.Dann werden Sie unter Umständen zu einem differenziert anderen Bild kommen als das, was Sie hier berichtet haben.
Herr Walter, im Übrigen bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie – wie Sie anfangs sagten – Einsichten haben, dass hier etwas notwendig ist. Ich glaube, damit kommen wir zur Sachlichkeit zurück. Damit kommen wir zu den Möglichkeiten zurück, sich auf der Grundlage von wirklich notwendigen intellektuellen Auseinandersetzungen zu unterhalten.
Lassen Sie mich Folgendes sagen. Das, was in den vergangenen Wochen draußen so landläufig landauf und landab mit in die Diskussion gebracht wurde, war: Da kommen die Filialschließungen, da gibt es Arbeitsplatzabbau, da gibt es keine Einstellungen von Auszubildenden mehr. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, nichts davon wird durch das neue Sparkassengesetz beeinflusst.
Die Filialen, deren Schließung von den Kreissparkassen und Bezirkssparkassen jetzt schon in der Planung ist, weil sie sich nicht mehr rentieren, werden mit und ohne Sparkassengesetz geschlossen. Niemand in diesem Lande schreibt vor, dass nur gemeindeeigene oder öffentlichrechtliche Institutionen in der Lage sind, als Sponsor oder als Spender aufzutreten, wie es die Sparkassen tun.
Ich komme aus einer Gegend, in der wir einen Unternehmer haben, der 10.500 Menschen beschäftigt. Der ist, wenn ich das zusammenrechne, der größte Sponsor gegenüber dem Kreis und den einzelnen Vereinen und Institutionen mit weit mehr Geld als die beiden örtlichen Sparkassen. Das soll vorkommen. Wenn ich in das nordhessische Allendorf gehe, finde ich dort einen Unternehmer, bei dem man Gleiches voraussetzen kann. Wenn ich nach Melsungen gehe,dann muss ich auch feststellen,dass der örtliche Unternehmer weit mehr im Sponsoring und im Kulturmäzenatentum als beispielsweise die örtliche Sparkasse tut.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns also zu den Einsichten zurückkommen, die notwendig sind. Herr Walter, ich möchte einen Punkt aufnehmen, den Sie hier groß herausgestrichen haben. Sie haben gesagt, das Sparkassengesetz in Rheinland-Pfalz sei kein Beispiel für Hessen.
Das mag ja sein. Schön, dass Sie „Ja“ rufen. Dass Sie dem Druck von Koalitionspartnern unvorbereitet und vorbehaltlos nachgeben, ist etwas Neues für uns. Wir dachten immer, dass Sozialdemokraten in Koalitionen standhaft seien.
Wenn es aber so ist, dass die FDP Sie gezwungen hat, dieses Gesetz in Rheinland-Pfalz umzusetzen, dann würde der mannhafte Kurt Beck in den nächsten Tagen verkünden, dass dieses Sparkassengesetz zurückgeführt wird.
Das wollen wir doch einmal sehen, wie das in RheinlandPfalz wird. Ich bin gespannt, weil der Herr Beck heute Morgen, wie ich las, in den Zeitungen erklärt hat, dass er in den nächsten Tagen sein Regierungsprogramm veröffentlichen wird, ob er Ihnen – dem Fraktionsvorsitzenden der hessischen SPD – Folge leisten und die Empfehlungen in sein Wahlprogramm aufnehmen wird. Ich kann Ihnen sagen: Sie werden eine Bauchlandung machen und in der nächsten Diskussionsrunde hier erklären müssen, wieso Herr Beck dies nicht tut, was Sie von uns verlangen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch etwas anderes sagen.Tun Sie doch nicht so, als seien ältere Menschen vollkommen unmündig. Tun Sie nicht so, als wären sie mit Onlinebanking überfordert, als könnten sie zu keinem Sparkassenautomat oder keinem Bankautomaten gehen und sich Geld holen.
Ich habe eine verwitwete 86-jährige Schwiegermutter und eine verwitwete 76-jährige Mutter. Beide haben nicht Betriebswirtschaft studiert. Beide haben in ihrem Leben keine betriebswirtschaftliche Ausbildung hinter sich und keine unternehmerischen Tätigkeiten machen müssen. Beide älteren Damen sind in der Lage, ihr Geld am Automaten zu holen und diese modernen Einrichtungen in Anspruch zu nehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, tun Sie nicht so, als wären ältere Leute unfähig, diese modernen Kommunikationsmittel in Anspruch zu nehmen. Das ist nämlich nicht so. Sie sind klüger, als Sie glauben.
(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer stellt den Automaten vor Ort auf, die Sparkasse oder die Deutsche Bank?)
Herr Kollege Walter, ich kann nicht verstehen, wieso Sie Angst davor haben, dass Sparkassen und Organisationen aus ihrem Bereich ihre Bilanzen veröffentlichen. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten gelesen, dass der Deutsche Sparkassenverband und der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen mit Stolz ihre Bilanzen eröffnet haben. Ja, liebe Leute, sie waren stolz darauf, das Bilanzvolumen der Sparkassen zu zeigen. Sie waren stolz darauf, zu sagen, wie viel Profit sie gemacht haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,wieso soll denn eine örtliche Sparkasse nicht sagen, wie viel Gewinn sie gemacht hat? Aber der örtliche Unternehmer, der in Form einer GmbH oder einer kleinen privaten Aktiengesellschaft seine betriebswirtschaftlichen Ergebnisse jedes Jahr beim zuständigen Registergericht hinterlegt – soll dem das zugemutet werden? Wo steht geschrieben, dass man dadurch einen Nachteil hat? Wo steht geschrieben, dass die Deutsche Bank oder eine Privatbank einen Nachteil hat, indem sie ihre Bilanzen veröffentlicht?
Die, die gute Bilanzen haben, sind stolz darauf, auch über die Bilanzen ihren Erfolg in der Öffentlichkeit zu zeigen. Die, die schlechte Bilanzen haben, müssen sich dann anstrengen und beweisen, dass sie das nächste oder übernächste Jahr diese Deltas oder diese Dellen, die sie geschäftlich erleben mussten, auch auszugleichen verstehen. Das ist das wirtschaftliche Leben. Nicht mehr und nicht weniger verlangen wir von den Sparkassen in der zukünftigen Form.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was heißt denn das? Was wollen wir denn eigentlich? Wir wollen nicht das dreigliedrige Bankensystem in der Bundesrepublik Deutschland stören. Wir wollen dieses dreigliedrige System, das in den vergangenen 60 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland einen nachhaltigen Wohlstand mit geschaffen hat, nicht angreifen. Wir wollen es im Gegenteil stabilisieren.Wir wollen es in seiner Funktion stärken.Wir wollen es fit machen, und wir wollen in der Lage sein, mit diesem dreigliedrigen Bankensystem die Zukunft in unserem Lande unter veränderten nationalen und internationalen Rahmenbedingungen ordentlich zu gestalten.
Da kann es nicht so sein, dass Sparkassendirektoren oder Vorstände von Sparkassen meinen, die Sparkassen würden sich selbst gehören.
Herr Walter, Sie wissen, dass ich es nie zum Juristen gebracht habe. Aber eines weiß ich: In Deutschland kann man nicht sagen, dass irgendetwas niemandem gehört. Das ist in Deutschland nicht möglich.
Das Argument, das ich in dieser Diskussion auch gehört habe, nämlich dass Sparkassenvorstände meinten, sie gehörten nicht nur sich selbst,sondern auch den Sparern,hat etwas Abstruses an sich. Zumindest kann man das in einem Lehrgang für Sparkassendirektoren oder auf der Sparkassenakademie nicht lernen.
Was wollen wir? Wir wollen – so ist das auch in anderen Ländern möglich –, dass klar und deutlich ist, wem die Sparkassen gehören. Im Bayerischen Sparkassengesetz beispielsweise steht, dass die Sparkassen den Kommunen gehören. Das ist bei uns nicht der Fall.
Eine Voraussetzung für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung ist, dass wir den Kommunen das Signal geben, dass sie neben der Treuhänderschaft auch eine direkte Verpflichtung gegenüber den Sparkassen haben und dass sie sich im Hinblick auf das Vermögen, das ihnen gehört, auch zu engagieren haben. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir.
Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir sagen, dass diejenigen, die Stammkapital bilden wollen, und diejenigen, die diese Verantwortung abgeben wollen, dies auch tun können. Was spricht dagegen? Wieso muss ein Landkreis oder ein Zweckverband eine Sparkasse haben, wenn er meint, er benötige das nicht, er sei überfordert oder könne mit dem finanziellen Volumen, das dadurch frei werde, etwas anderes anfangen? Ja, um Gottes willen, warum sollen wir das nicht tun?
Warum sollen wir denjenigen, die wirtschaftlich gut dastehen, nicht die Möglichkeit geben, sich zusammenzuschließen? Als Politiker gehen wir immer von dem Szenario aus, dass die, denen es schlecht geht, gezwungen sind, sich mit jemand anders zusammenzuschließen.
Ich habe in meinem wirtschaftlichen Leben erfahren – das dauert nun 37 Jahre an, und ich bin damit sehr erfolgreich gefahren –, dass man gut beraten ist, wenn man sich dann zusammenschließt, wenn es einem gut geht. Dann kann man nämlich die Bedingungen diktieren.
Dann kann man sagen, was man will. Dann kann man sagen, welcher Standort erhalten bleiben muss, welche Arbeitsplätze für die Zukunft gesichert werden müssen, wie viel Rendite an welcher Stelle ausgeschüttet werden muss und wie viel Gewerbesteuer gezahlt werden soll.Wenn es einem gut geht, kann man das besser sagen, als wenn es einem schlecht geht.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Dann diktieren einem nämlich die anderen die Bedingungen für den Zusammenschluss. Ich glaube, es ist notwendig, dass wir uns in dieser Beziehung den wirklichen Verhältnissen anpassen.
Ich komme zum Schluss meiner Rede. Wir begrüßen die generelle Entscheidung, dass wir ein neues, zukunftsweisendes,flexibles,sich den Kommunen und den Sparkassen öffnendes Gesetz benötigen. Wir unterstützen die Landesregierung bei diesem Vorhaben. Wir sind unter Umständen auch bereit – das sage ich, damit es etwas schneller geht –, die gesetzliche Initiative zu ergreifen und einen solchen Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen. In diesem Sinne glaube ich, dass wir eine ordentliche Zukunft mit den Sparkassen und mit den Kommunen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, ich kann Ihnen versprechen, dass die SPD-Landräte und die SPD-Oberbürgermeister
die Ersten sein werden, die das Sparkassengesetz umsetzen und Stammkapital bilden. – Herzlichen Dank.