Protocol of the Session on January 26, 2006

Man muss den Tatsachen auch als Politiker einmal ins Auge sehen.Die Schülerzahlen nehmen kontinuierlich ab. In Nordhessen,z.B.im Kreis Waldeck-Frankenberg,ist bis zum Jahre 2050 mit einem Bevölkerungsrückgang von 30 % zu rechnen. Es sind die jungen Leute, die weggehen, nicht die älteren. Das heißt, da müssen Sie doch Schulzentren bilden, da bleibt Ihnen doch gar nichts anderes übrig. Sie können nicht alle Schulen erhalten. Es müssen also Maßnahmen ergriffen werden, die unser Schulsystem zukunftsfähig erhalten.

(Zurufe von der SPD)

Wenn Sie Veränderungen einführen müssen, führt das nicht zwangsläufig zu regionalen Benachteiligungen. Es gibt aber zurzeit regionale Benachteiligungen, denn es gibt Schulen, wo die Klassen übervoll sind, und Schulen, wo die Klassen sehr leer sind. Das halte ich für eine regionale Benachteiligung. Da muss man gegensteuern.

Es ist keine Lösung, in allen Kreisen möglichst viele kleine Schulen und Schulzweige zu erhalten. Schulen benötigen eine gewisse Größe, um ein vielfältiges Bildungsangebot von hoher Qualität anbieten zu können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es kann nicht Sinn einer guten Bildung sein,wenn in einer zu kleinen Oberstufe kein Chemiekurs angeboten werden kann oder ein nur eingeschränktes Fremdsprachenangebot zustande kommt. Deshalb ist Ihre Forderung, die Regelung für die Jahrsgangsbreite von 50 Schülern in der Oberstufe auf Dauer rückgängig zu machen, völlig falsch. Oberstufen brauchen eine genügende Zahl von Schülern. Ich finde, 50 Schüler sind ein relativ kleiner Wert. Oberstufen brauchen eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern. Nur das garantiert nämlich ein breites Kursangebot, und nur dann wird man den Begabungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe gerecht.

(Beifall bei der FDP)

Kleine Einheiten sind personalintensiv, aber das ist nicht der ausschlaggebende Grund. Es geht nicht in erster Linie um Wirtschaftlichkeit. Sie bieten einfach nicht immer eine ausreichende Qualität. Kleine Klassen garantieren auch keine besseren Lehrerfolge. Das haben Bildungsökonomen in der OECD-Studie ermittelt.

(Beifall bei der FDP)

Es kommt auf die inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts an. Die macht den Unterricht gut.

Die Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN werfen der Landesregierung ideologisches Handeln bei der Schulentwicklungsplanung vor. Dabei lassen sie keine Gelegenheit aus, um ihre Einheitsschule zu propagieren, die „Schulideologie pur“ ist. In punkto Ideologie schenken Sie sich also gar nichts. Deshalb braucht die SPD der CDU gar nicht so viel vorzuwerfen.

Verwunderlich sind Ihre Anträge zur kooperativen Gesamtschule und, was mich am meisten wundert, das Fehlen von Anträgen zur integrierten Gesamtschule. Sie wollen, dass die Voraussetzung für die Einrichtung von Förderstufen an den KGS, nämlich die Dreizügigkeit, in eine Zweizügigkeit umgewandelt wird. Eine Förderstufe an einer KGS macht aber nur dann Sinn, wenn Kinder aller drei Begabungslevel, wenn Gymnasiasten, Realschüler und Grund- und Hauptschüler vorhanden sind. Nur dann kommt es zu dem voneinander Lernen, was eine Förderstufe eigentlich ausmacht. Die Starken nehmen die Schwachen mit, und die Schwachen orientieren sich an den Starken. Alle drei Begabungsrichtungen müssen also vorhanden sein. Demzufolge müssen auch die KGS dreizügig sein. Nur dann können die Schulen ab Klasse 7 dreizügig weitergeführt werden. Wenn nämlich schon in der Förderstufe die späteren Gymnasiasten fehlen, kann man keinen Gymnasialzweig draufsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Da die IGS Ihre neu entdeckten Lieblingsschulen sind, verstehe ich überhaupt nicht, dass Sie nicht versuchen, die Zahl der Züge zu ändern.An den IGS muss nämlich nach dem geltenden Schulgesetz eine Vierzügigkeit herrschen. Die ist inhaltlich nicht zu erklären. Die IGS arbeiten wie Schulen mit Förderstufen. Demzufolge reicht auch eine Dreizügigkeit.

(Zustimmung des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Wenn Sie mir zustimmen, Herr Wagner, verstehe ich nicht,warum Sie unserem Änderungsantrag zum Schulgesetz nicht zugestimmt haben. Da haben wir das nämlich beantragt.

(Beifall bei der FDP)

Die SPD-Fraktion hat das in ihrem jetzigen Änderungsantrag zum Schulgesetz völlig vergessen oder nicht darauf geachtet.

(Zurufe von der SPD)

Die Schulentwicklungsplanung darf zukünftig nicht mehr mit Scheuklappen aufgestellt werden. Ihr Ziel muss es sein, landesweit ein möglichst breites Bildungsangebot zu erhalten. Ich sage es noch einmal: Die Schulvielfalt – nicht die Einheitsschule – ist das Markenzeichen des hessischen Schulsystems.

(Beifall bei der FDP)

Ausnahmen bilden dabei die beruflichen Schulen, denn sie sind ein Sammelbecken für Jugendliche, die die Schule ohne direkte Perspektive verlassen, und sie sind vor allen Dingen Garanten für Ausbildungsplätze in der Fläche. Deshalb sind besonders bei dieser Schulform Regionalkonferenzen nötig. Die CDU in Südhessen hat die FDPForderung nach Regionalkonferenzen für Berufsschulen aufgenommen und versucht,diese umzusetzen.Die berufliche Schule in Michelstadt im Odenwald ist von der Kultusministerin sehr großzügig behandelt worden. Dort gibt es sogar Klassen mit weniger als acht Schülerinnen und Schülern, weil die Schule das organisatorisch gut hinbekommt, auch in Hinblick auf die Ausbildungsplätze.

(Beifall bei der FDP)

Trotz allem mahnen wir weiterhin die Durchführung von Regionalkonferenzen an. Hier hat sich, insgesamt gesehen, in Hessen noch nicht viel getan.

Kritik gibt es von der FDP allerdings auch am Stil der Umsetzung dieser Schulentwicklungsplanung. Das haben wir von Anfang an gesagt. Es gab zuerst eine schwarze Liste. Die wurde an die schwarzen Abgeordneten verschickt. Dann wurde sie wieder zurückgezogen, weil es landauf,landab Proteste gab.Dann kamen blaue Briefe an die Schulträger. Mit beidem wurde nur Unruhe bei den Eltern und den Schülern erzeugt. Das hat an einigen Schulen den Auszehrungsprozess noch beschleunigt.

Jetzt gibt es gelbe oder rote Karten für einzelne Schulzweige. Dazu sage ich klipp und klar: Schulentwicklungsplanung funktioniert ruhiger und besser von unten nach oben. Deswegen hat die FDP die einseitige Orientierung an starren Zahlen kritisiert.Wir haben überregionale Regionalkonferenzen gefordert. Diesem Antrag hat die CDU-Fraktion sogar zugestimmt. Das Kultusministerium sollte dabei eine Moderatorenrolle übernehmen. Das wurde leider bis heute nicht umgesetzt. Wir denken, dass es dringend nötig ist, dass man damit beginnt.

(Beifall bei der FDP)

Zu kleine Schulen und Schulzweige sind auf Dauer unökonomisch, und sie bieten wenig Qualität. Eine abgestimmte Schulentwicklung ist deswegen für die Zukunft der hessischen Schullandschaft unerlässlich. Das kann sinnvoll nur unter Einbeziehung der Verantwortlichen vor Ort geschehen, von Schulen, Schulträgern, Staatlichen Schulämtern und Eltern. Für den Erhalt einer vielfältigen Schullandschaft müssen die Schulträger kreisübergreifende und – insbesondere in Nordhessen – länderübergreifende Lösungen finden. Von einem „Schulsterben“ und von einer „Verwüstung“ der hessischen Schullandschaft kann also überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Henzler. – Zu einer Kurzintervention hat zunächst Herr Kollege Bocklet das Wort.

(Zuruf von der SPD: Wie hat die Eintracht ge- spielt?)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Eintracht hat erfreulicherweise das Halbfinale erreicht – im Gegensatz zu den Offenbacher Kickers.

(Zurufe)

Frau Kollegin Henzler,Anlass dafür, dass ich hier ans Pult trete, ist zum wiederholten Mal der Streitfall HeinrichKraft-Schule in Frankfurt. Im Raum steht eine zweite beantragte Umwandlung, nämlich der Georg-BüchnerSchule. Es ist zu erwarten, dass vom Kultusministerium kein positiver Bescheid in dieser Frage kommt.

Frau Kollegin Osterburg und Frau Kollegin Henzler haben nochmals verneint, dass es hierfür einen Bedarf gibt. Ich will hier noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Ich habe in einer Schuldebatte selten eine solche Einigkeit erlebt wie in der Frage der Umwandlung eines Zweiges an der Heinrich-Kraft-Schule, wo die Elternschaft, das Lehrerkollegium, die Schülervertretung, der Ortsbeirat, das Stadtparlament und auch die grüne Schuldezernentin gemeinsam darum gebeten haben, dem dringenden Bedarf der Umwandlung in eine integrierte Gesamtschule zuzustimmen. Frau Osterburg, deshalb muss ich mit großer Verwunderung zur Kenntnis nehmen, dass wir das Wiederaufleben des eigentlich überwunden geglaubten Schulkampfes in Frankfurt erleben. Ich finde das einen unhaltbaren Zustand. Frau Osterburg und Frau Henzler, Sie agieren gegen die Interessen der Betroffenen. Sie agieren gegen den Bedarf vor Ort. Das halten wir Ihnen immer wieder vor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Es ist schon sehr verwunderlich, wie Sie, Frau Osterburg, in der Frage argumentieren. Sie werfen der grünen Schuldezernentin vor, sie wolle eine Privatschule installieren. Wie kann man von „eine Privatschule installieren“ reden, wenn der öffentliche Träger, die Stadt Frankfurt, in seiner Verzweiflung Geld in die Hand nehmen muss, damit er dem Elternwillen nachkommen kann?

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Das sind öffentliche Gelder,meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Wenn Sie dann behaupten, das werde eine Privatschule, geben Sie sich der Lächerlichkeit preis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Bocklet, die zwei Minuten sind um.

Die zwei Minuten sind um, und ich komme zum Ende. – Ich muss Ihnen sagen: Das, was Sie in Frankfurt produzie

ren, ist ein Rückfall in uralte Zeiten des Schulkampfes. Lassen Sie uns im Sinne des Elternwillens, des Schülerwillens und des Kollegiumswillens agieren. Dann wären wir schon längst einen Schritt weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ypsilanti, bitte.

Die Heinrich-Kraft-Schule ist natürlich ein Thema, das uns Frankfurter wirklich umtreibt, meine Damen und Herren. Frau Henzler, wenn Sie sagen, es gebe keinen Bedarf für einen gymnasialen Zweig, dann frage ich Sie:Was glauben Sie, warum die Eltern, die Schüler und auch die Politiker vor Ort für den Erhalt des gymnasialen Zweigs der Heinrich-Kraft-Schule auf die Straße gehen? – Weil die Heinrich-Kraft-Schule eine Schule mit einer hohen sozialen Integrationsleistung ist. Auf die Heinrich-KraftSchule gehen Schüler aus über 40 Nationen.Die HeinrichKraft-Schule hat in Frankfurt den Ruf, dass sie auch zum Erhalt des Friedens in dem Stadtteil beiträgt, in dem sie steht. Da müssen Kinder die Möglichkeit haben, sich auf der gymnasialen Oberstufe auf das Abitur vorbereiten zu können. Sonst machen Sie die Schule zu einer Schule, die diese Integrationsleistung eben nicht mehr vollbringen kann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute Morgen habe ich der Presse entnommen, dass die Frau Kultusministerin jetzt dem Erhalt des gymnasialen Zweigs zustimmt. Das finde ich sehr generös, Frau Ministerin. Sie stimmen auf Kosten der Stadt zu. Denn Sie sagen: „Ich stimme nur zu, wenn die Stadt die Lehrerstellen für den gymnasialen Zweig erhält.“

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das ist lächerlich. Das ist einfach lächerlich. Stimmen Sie der Umwandlung in eine IGS zu. Fechenheim braucht eine Integrierte Gesamtschule, und deshalb braucht es auch die Lehrerstellen des Landes. Das kann sich die Stadt in der Tat auf die Dauer wahrscheinlich nicht leisten. Frau Osterburg hat wirklich dem Fass die Krone aufgesetzt.Wenn Sie sagen,dass,weil die Stadt einspringt und mit ihren finanziellen Mitteln eine Vorleistung erbringt, daraus eine Privatschule gemacht werde, dann ist das einfach lächerlich.

(Beifall bei der SPD)