Sie stellen sich hierhin und loben und preisen diese Offensive. Dann sage ich Ihnen: Sie haben in den fünf Jahren gerade einmal 3.000 neue Plätze geschaffen.
Von einer Bedarfsdeckungsquote von 10 % sind wir noch weit entfernt. Ich will es einmal vergleichen. In den neuen Ländern haben 36 % der unter dreijährigen Kinder einen Platz, und zwar einen Ganztagsplatz. Das sind gute Bedingungen für berufstätige Eltern.
Zweiter Punkt: die Betreuungssituation für Kinder von drei bis sechs Jahren. Die Betreuungssituation bei den Kindergartenplätzen ist in Hessen sehr gut. Das ist leider nicht Ihr Verdienst, sondern ein Verdienst der ehemaligen rot-grünen Landesregierung,
die den Kommunen Jahr für Jahr allein Investitionskosten- und Betriebskostenzuschüsse von 50 Millionen c in den KFA zugeführt hat.
Es ist den Kommunen zu verdanken, den Rechtsanspruch mithilfe des Landes konsequent umgesetzt zu haben. Wenn wir uns aber die Betreuungszeiten in den Kindertagesstätten anschauen, dann stellen wir fest, sie sind sehr unterschiedlich.Wir haben Plätze von 8 bis 12 Uhr, Ganztagsplätze werden so genannt bis 15, 16, manchmal auch bis 17 Uhr. Meine Damen und Herren, das bedeutet zwar für die Kindertagesstätte einen Ganztagsplatz, aber weiß Gott nicht für in Vollzeit arbeitende Eltern.
Allein die Ganztagsbetreuung,die die Berufstätigkeit beider Eltern irgendwann ermöglicht, ist in Hessen völlig unzureichend. Gerade einmal eines von fünf Kindern hat einen Ganztagsplatz, wohlgemerkt, mit den Zeiten, die ich gerade genannt habe. Hessen liegt mit 18,4 % sogar noch unter dem Bundesschnitt. Daran ändern Sie mit Ihren Offensivmittelchen, die zudem vorwiegend in den Hortbereich laufen, nichts.
Wir vergleichen wieder.Ostdeutschland:Nahezu alle Kindertagesstätten sind dort Ganztagseinrichtungen. – Wir brauchen wirklich Siebenmeilenstiefel und keine Trippelschrittchen, um wenigstens in die Nähe einer solchen Versorgung zu kommen.
Dritter Punkt: Betreuungssituation von Schulkindern. Ich habe das gerade wieder bei meiner Mitarbeiterin gesehen. In der Schule ist das Kind in der Regel vormittags betreut. Schulschluss für die Kleinen ist 11.30 oder 12 Uhr, für die Größeren meist 13 Uhr. Kinder von berufstätigen Eltern können einen Hortplatz erhalten, wenn sie denn einen finden. Die Wartelisten sind lang. Wir haben überhaupt nur für gerade 4 % der Schulkinder zwischen sechseinhalb und zwölf Jahren einen Hortplatz.Die Betreuung endet spätestens um 16 Uhr.
Die einzige Alternative zum Hort ist, einen Platz in der Mittagsbetreuung zu bekommen. Selbst dort wird oft kein Mittagessen geboten. Es handelt sich meistens nur um eine Betreuung für die Übergangszeit, also bis zur Heimkehr der halbtags arbeitenden Mutter oder des halbtags arbeitenden Vaters. Dies ist keine Alternative für in Vollzeit arbeitende Eltern. Sie gucken in die Röhre und müssen sich die wesentlich teurere Betreuung durch eine Tagesmutter hinzukaufen.
Wie sieht es an anderen Orten in Deutschland aus? In anderen Bundesländern werden andere Prioritäten gesetzt. In Ostdeutschland entspricht das Angebot an Hortplätzen weitgehend dem Bedarf. Zum Beispiel garantiert Sachsen-Anhalt allen Kindern von der Geburt an bis zum Abschluss der 6. Klasse eine Betreuung von zehn Stunden pro Tag. Frau Kollegin, die Hälfte aller dort vorhandenen Schulkinder hat einen Hortplatz. Meilensteine werden wirklich in anderen Bundesländern gesetzt. Leider setzt Hessen diese nicht.
Sie propagieren immer, die Arbeitszeiten sollten besonders flexibel sein. Von einer Betreuung, die über 17 Uhr hinausgeht, die samstags, also am Wochenende stattfindet, oder Lösungen, die erste Hilfe bieten, wenn das Kind krank ist, können Eltern in Hessen nur träumen. Gute Ideen, wie z. B. das Programm KiBiz des Hessischen Rundfunks, findet man nur selten. Das zeigt aber das Dilemma, in dem die Eltern stecken: Die öffentlichen Betreuungsangebote sind und bleiben auf längere Sicht unter dieser von der CDU geführten Landesregierung unzureichend.
Wer Berufstätigkeit und Kinder vereinbaren will, muss dies nach wie vor völlig privat organisieren. Das ist für die Eltern ständig ein Seiltanz.
Private zu staatlicher Betreuung steht in einem Verhältnis von 2 : 1. Das heißt, mindestens zwei Drittel der Frauen müssen die Betreuung privat organisieren. Viele Eltern machen dies über Elterngruppen und andere Initiativen.
Engpässe werden mit Familienangehörigen, Nachbarinnen oder Tagesmüttern überbrückt.Das ist also immer ein Seiltanz.Aber ohne das würde es gar nicht gehen.
Mit Ihrem Tagesmüttermodell und mit Ihrer Offensive für Kinderbetreuung suggerieren Sie den Eltern immer wieder, es gebe Alternativen. Aber zu welchem Preis gibt es die? Ich will das vorrechnen.
Diese Landesregierung hat für die Bediensteten des öffentlichen Dienstes die 42-Stunden-Woche verpflichtend eingeführt. Damit kostet eine Tagesmutter pro Woche mindestens 210 c. Dabei bin ich von einem Dumpinglohn von 5 c pro Stunde für die Tagesmutter oder den Tagesvater ausgegangen. Dies ist der Betrag, den Eltern, deren Kinder in öffentlichen Einrichtungen untergebracht sind, ungefähr pro Monat zahlen müssen.Diese Eltern müssten das aber pro Woche aufbringen. Das sind mehr als 800 c für ein Kind pro Monat. Das kann sich eine normale Familie überhaupt nicht leisten.
Mit den 210 c pro Woche sind nur die reinen Arbeitszeiten abgedeckt. Das berücksichtigt noch nicht die Zeiten, die durch Bringen und Holen des Kindes hinzukommen. Die Tagesmutter kostet demnach nicht nur 840 c pro Kind und Monat. Sie hat auch noch Anspruch auf Urlaub. Logischerweise gibt es bei ihr auch einmal Zeiten der Krankheit. Die Quintessenz ist also: Eine für Eltern und Kinder zuverlässige und finanzierbare Ganztagsbetreuung ist nur mithilfe der öffentlichen Hand möglich.
Die Tagespflege ist insofern also eine Ergänzung. Sie ist eine notwendige Ergänzung,auf die heute nicht verzichtet werden kann. Aber sie stellt keine Alternative zur Betreuung durch die öffentliche Hand dar.
Meilensteine werden in anderen Bundesländern gesetzt. Meilensteine werden auch durch die Kommunen gesetzt, die auf die Kindergartengebühr verzichten. Ich füge hinzu: Manche können auf die Erhebung von Gebühren verzichten.
Die Hessische Landesregierung hat alle SPD-Änderungsanträge zu diesem Themenkomplex vehement abgelehnt. Das konnte man auch während der Sitzung des Haushaltshausschusses erkennen, die letzte Woche stattgefunden hat. Sie verteilen lieber Betriebskostenzuschüsse. Dabei nehmen Sie den armen Kommunen erst das Geld, das Sie ihnen hinterher wieder geben. Sie geben dann minimale Mittel in Form kleiner Offensivhäppchen zurück.
350 Millionen c sind den Kommunen seit dem Antritt der Regierung unter Roland Koch entzogen worden. Ich darf das einmal anhand einer Grafik darstellen.
Hier kann man erkennen, wie viele Mittel das Land 1998 für die Kinderbetreuung aufgewendet hat. 1999 sank das ein bisschen ab. Damals waren wir bei einer Förderung in Höhe von 50 Millionen c. Jetzt nähern wir uns wieder einer Förderung in Höhe von 20 Millionen c.
(Günter Rudolph (SPD): Zeig das der Ministerin, die weiß das nicht! – Gegenruf der Ministerin Silke Lautenschläger: Mein Gedächtnis ist besser als Ihres! – Zuruf: Es geht aufwärts!)
Herr Kollege, bitte schön. – Ich frage Sie:Was wollen Sie eigentlich? Sollen Kinder und Eltern wirklich noch 25 Jahre warten, bis sie ein zeitgemäßes, qualitativ hochwertiges, zeitlich flexibles und bedarfgerechtes Betreuungsangebot für ihre Kinder vorfinden?
Herr Präsident, ich komme zum Schluss meiner Rede. – Die heute vorhandenen Bedingungen schreien zum Himmel. Die Öffnungszeiten sind mangelhaft. Die Arbeitsbedingungen für die Erzieherinnen sind schwierig. Die Anzahl der vorhandenen Plätze ist völlig unzureichend.
Ehrlich gesagt, habe ich es langsam satt, mit Ihnen immer noch darüber diskutieren zu müssen, wenn man nur in einem solchen Schneckentempo vorankommt.
Die Menschen erwarten von der Politik Lösungen und nicht, Placebos verabreicht zu bekommen. Sie wollen keine Pressemeldungen lesen oder Sonntagsreden hören. Vielmehr erwarten sie konkrete Hilfe. Sie wollen auch keine Selbstbeweihräucherung mit Offensiven und Meilensteine haben, bei denen es sich in Wahrheit um Kieselsteine handelt. – Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Fuhrmann, ein Vertreter der Landesregierung hat gerade gesagt, bei der Grafik, die Sie eben hochgehalten haben, hätte es sich um den Tabellenstand von Schalke 04 gehandelt.
Wir mussten ihn erst einmal darüber aufklären, dass wir mittlerweile eine Debatte über die Kinderbetreuung führen. Herr Staatsminister, wir helfen, wo wir können.
Meine Damen und Herren, vor einigen Monaten hatten sich alle vier Fraktionen darauf verständigt, das Thema Kinderbetreuung aus der Zeit des Wahlkampfes herauszuhalten. Wir hatten vereinbart, eine Anhörung dazu durchzuführen und bis dahin darauf zu verzichten, Anträge dazu zu stellen. Heute können Sie das Ergebnis sehen, das sich ergibt, wenn Politiker Vereinbarungen treffen. Drei Fraktionen haben zu dem Thema Entschließungsanträge gestellt. Die CDU-Fraktion hat damit begonnen. Die Roten und die GRÜNEN haben dann nachgelegt. Wir merken daran, dass wir uns schon mitten im Kommunalwahlkampf befinden.
Das wird hoffentlich nicht das Ende dieser Debatte sein. Aber im Moment geht es ein bisschen in die Richtung,
dass sich die Parteien hinsichtlich der zu erhebenden Forderungen überbieten.Außerdem geht es auch darum, wer wann wo wie viel gefördert hat bzw. fördern will.
Es zeigt sich also:Wir befinden uns schon im Wahlkampf. – Ich finde aber, dass dieses Thema nicht davon profitiert, im Wahlkampf behandelt zu werden.