Protocol of the Session on December 20, 2005

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in dritter Lesung unter Berücksichtung von Nr. 1 bis 3 des Änderungsantrags Drucks. 16/4874 und von Nr. 2 b des Änderungsantrags Drucks. 16/4957 anzunehmen, wobei die Worte „Leistungsfähigkeit insgesamt“ durch die Worte „Existenz des Abgabepflichtigen nachweislich“ ersetzt werden.

Der Gesetzentwurf war dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr in der 86. Plenarsitzung am 13. Dezember 2005 nach der zweiten Lesung zur Vorbereitung der dritten Lesung überwiesen worden.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr hat sich in seiner Sitzung am 14. Dezember 2005 mit dem Gesetzentwurf befasst und ist mit den Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP zu dem genannten Votum gelangt.

Zuvor waren Nr. 1 bis 3 des Änderungsantrags Drucks. 16/4874 mit den Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP angenommen worden. Nr. 4 des Änderungsantrags war mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt, Nr. 5 von den Antragstellern zurückgezogen worden.

Nr. 1 und 2 a des Änderungsantrags Drucks. 16/4957 waren mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt, die von den Antragstellern geänderte Nr. 2 b mit den Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP angenommen worden.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kölsch. – Ich darf die Aussprache eröffnen. Zuerst hat Herr Schäfer-Gümbel für die Fraktion der SPD das Wort.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD):Möller! Ich lasse ihm ausnahmsweise den Vortritt!)

Herr Möller hat für die antragstellende Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wäre bei der Vorlage nicht allzu tragisch gewesen, nachdem sich parteiübergreifend eine konstruktive Mehrheit herauskristallisiert hat, um den Gesetzentwurf der CDU-Landtagsfraktion zu unterstützen.

Mit dem Gesetzentwurf INGE – es dürfte mittlerweile landauf, landab bekannt sein, was wir damit vorhaben und wo die Vorteile für den Handel und die traditionellen Geschäftslagen liegen – setzen wir als Land Hessen das richtige Signal zum richtigen Zeitpunkt. Das zeigt die Anhörung, das zeigen Gespräche und Diskussionen überall im Lande. Überall ist mit einer breiten Zustimmung zu rechnen. Wir haben vor dem Hintergrund der Möglichkeiten des hessischen BID-Gesetzes überall vor Ort bei dem Handel und den traditionellen Geschäftslagen eine hohe Motivation und eine hohe Erwartungshaltung geweckt. Ladenleerstand-Marketing, Interessenvertretung des Handels vor Ort, Branchenmix und damit einhergehend eine zunehmende Individualität statt einer Uniformität der Innenstädte werden die Folge sein.

Wir bieten mit dem Gesetzentwurf ein weiteres Instrument zur Stärkung der Innenstädte, aber es ist kein Allheilmittel. Wir bieten ein Rahmengesetz, das nicht alles vorschreibt, aber vieles ermöglicht. Das hat auch die Diskussion über die Änderungsanträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Sozialdemokraten gezeigt: Vieles, was wünschenswert ist, dürfte in der Praxis nicht unbedingt zielführend und hilfreich sein. Insofern werden wir den Gesetzentwurf auf den Weg geben, wie eben von der Berichterstatterin vorgetragen.

Abschließend. Ich freue mich außerordentlich, dass wir in diesem Hause und im Lande eine breite Zustimmung gefunden haben. Lediglich die FDP ist noch nicht in der Lage, das ähnlich wie wir zu bewerten. Das wird sich in den nächsten Jahren mit Sicherheit ändern; davon gehe ich aus. Denn der Zuspruch ist groß.Wir setzen heute das richtige Signal als Land, mit dem Gesetzentwurf der CDU-Landtagsfraktion zusammen mit den Änderungsanträgen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Hessen ist das erste Flächenland mit einer solchen Initiative.Wir geben das Signal für den Handel und reichen die Hand zur Eigeninitiative und Selbstverantwortung. Ich gehe davon aus, dass es zum 1. Januar 2006 in Kraft tritt. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Danke schön, Herr Möller. – Jetzt hat Herr Schäfer-Gümbel das Wort für die SPD-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Beschluss zum Gesetz zur Stärkung der Innenstädte ist aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion unter dem Strich ein gelungener Kompromiss geschaffen worden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit erhalten die Innenstädte ein neues, zusätzliches Instrument zur Innenstadtentwicklung, das einen breiten

Konsultations- und Konsensprozess vor Ort voraussetzt – das ist ein ganz entscheidender Punkt –, der vor Ort ausgestaltet wird. Deshalb ist es – Herr Möller hat eben darauf verwiesen – völlig richtig, dass die Landesebene ausschließlich einen Rahmen setzt, dessen Ausgestaltung vor Ort genutzt werden kann und muss. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, sowohl im Ausschuss als auch in der ersten Lesung des Gesetzentwurfes, dass dieser Gesetzentwurf nur ein Baustein sein kann und wird. INGE ist kein Allheilmittel für falsche Entscheidungen von Politik, Innenstadthandel, Handelskonzernen, Grund- und Hauseigentümern vor Ort. Es kann und darf auch kein Ersatz für eine nachhaltige Stadtentwicklungspolitik vor Ort sein,die ihrerseits allerdings auch nur begrenzten Einfluss auf bestimmte Prozesse hat.

Dieser Gesetzentwurf bedeutet ausdrücklich nicht, dass sich die Kommunalpolitik aus ihrer Verantwortung und den Aufgaben zurückziehen kann. In den nächsten Monaten und Jahren werden wir kritisch überprüfen, ob genau dies stattgefunden hat.

Wir hatten in der zweiten Lesung unsere Änderungsanträge zum Datenschutz, zur Härtefallregelung und zur abweichenden Beitragserhebung eingebracht. Im Ergebnis haben wir in den Beratungen mit der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen tragfähigen Konsens gefunden. Deshalb wird es niemanden verwundern, dass wir diesem Gesetzentwurf auch heute zustimmen.

Schließlich – auch dies habe ich bereits in der ersten Lesung gesagt – handelt es sich um einen ursozialdemokratischen Politikansatz: Hilfe zur Selbsthilfe

(Zuruf des Abg. Michael Denzin (FDP))

Herr Rhiel staunt – und solidarisches Handeln vor Ort, weil sich nach einem breiten Konsens alle an diesem Prozess beteiligen müssen und sollen.

Unserem Antrag, den wir im Mai 2005 eingereicht haben, dass das Land, in diesem Falle die Landesregierung, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen soll, ist mit dem heutigen Gesetzestext vollinhaltlich gefolgt worden, wenngleich wir sicher an der einen oder anderen Stelle im Detail auch anderer Auffassung gewesen wären.

Ich bedanke mich deshalb abschließend ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen sowohl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch der Union, aber ausdrücklich auch bei der FDP, dass es gelungen ist, diesen Weg einzuschlagen, auch wenn es, Herr Möller, am Anfang etwas holprig mit der Zusammenarbeit war. So viel muss heute noch einmal gesagt werden.

Angesichts der nahen Weihnachtsfeiertage: Das Ergebnis ist erfolgreich, sinnvoll und nachhaltig. Deshalb werben auch wir um Zustimmung seitens der FDP. Herr Denzin, Sie haben noch ein paar Minuten, um über Ihren Schatten zu springen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Schäfer-Gümbel. – Frau Hölldobler-Heumüller, Sie haben für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur Stärkung von innerstädtischen Geschäftsquartieren hat bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen längeren Diskussionsprozess in Gang gesetzt, ob wir den Kommunen diese Rahmenmöglichkeiten schaffen wollen, um Fehlentwicklungen zu korrigieren und den Geschäftsleuten, den Grundstücksbesitzern und den Kommunen die Voraussetzungen zu schaffen, in Eigenverantwortung zu gestalten.

Für uns war wichtig, dass wir noch einmal festlegen konnten, dass die Ziele erweitert werden, um eine Belebung der Innenstädte zu erreichen, durch den Ausbau und Erhalt des Branchenmix und ein Leerstandsmanagement.Es war uns wichtig, dass das noch in den Gesetzentwurf hineinkommt. Ebenso wie Kollege Schäfer-Gümbel wollen wir nicht, dass sich die Kommunen mit diesem Gesetz aus der kommunalen Daseinsvorsorge verabschieden und es ein Schleichweg ist, Kosten abzuwälzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der dritte wichtige Punkt für uns ist, dass Grundstücksbesitzer durch diesen Zusammenschluss nicht in existenzbedrohende Lagen kommen, sondern dass Härtefall- oder Ausnahmeregelungen geschaffen werden sollen. In diesem Fall erwies sich die Formulierung der SPD-Fraktion im Gegensatz zu der unseren in unserem Änderungsantrag als die bessere. Deswegen haben wir sie gern übernommen.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass Politik diesmal so gelaufen ist, wie sie sich die Bürger wünschen. Es gab nämlich einen Gesetzgebungsprozess, der diesen Namen verdient: Es gab einen Entwurf, und es wurde eine Anhörung durchgeführt. Für die Anzuhörenden ist es wichtig, festzustellen, dass sie wirklich gehört werden und dass ihre Anhörung wirklich etwas bewirkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es gab Änderungsvorschläge, ausgehend von den Anhörungen, die diskutiert wurden. Letztlich kam eine Einigung in Form eines Kompromisses zustande.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So soll es sein!)

So sollte es sein.Man könnte sagen,dass fast alles gut gelaufen ist. – Herr Kollege Schäfer-Gümbel hat von dem holprigen Anfang gesprochen. Ich nehme mir die Freiheit heraus, das holprige Ende anzusprechen.

(Zuruf:Was?)

Wir nähern uns dem Jahr 2006. Deshalb bleibe ich bei den Fußballvergleichen: Das Ganze war wunderbar, solange die Akteure auf dem Platz waren und das Spiel lief. Als das Ganze in trockenen Tüchern war, leistete sich Herr Kollege Möller leider noch ein kleines unnötiges Foul.

(Zurufe:Was? – Oh, oh!)

Es gab die Absprache, eine gemeinsame Presseerklärung herauszugeben.Wenn jedoch eine eigene Presseerklärung geschrieben und diese schnell veröffentlicht wird, ohne es den Kollegen mitzuteilen, dann gehört das nach meinem Verständnis zu diesen kleinen Fouls, denen ich verständnislos gegenüberstehe. Ich hoffe aber im Sinne der WM darauf, dass das Fairplay etwas weiter greifen wird.

Der Qualität dieses Gesetzes tut es jedenfalls keinen Abbruch. Wir hoffen, dass es seinen Zweck erfüllt, die Attraktivität der Innenstädte zu stärken und zu vergrößern, und dass es zu einer guten Zusammenarbeit zwischen den Grundstücksbesitzern, den Geschäftsleuten und den Kommunen kommt, und zwar mit viel Fairplay. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Ihnen, Frau Hölldobler-Heumüller. – Herr Abg. Denzin, Sie haben für die FDP-Fraktion das Wort.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er wird jetzt sagen, dass er von dem Gesetz überzeugt ist!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Argumente zweimal sehr intensiv ausgetauscht. Ich muss sie nicht alle wiederholen.Der Gesetzentwurf ist in gesetzestechnischer Hinsicht zwischen der zweiten und dritten Lesung besser geworden. Das ist überhaupt keine Frage. Vorher war der Gesetzentwurf überhaupt nicht tragbar, jetzt bleibt er für uns aus drei Gründen vom Grundsatz her immer noch nicht tragbar.

Erstens. Der Gesetzentwurf birgt eine latente Gefahr der Aufgabenüberwälzung originärer kommunaler Aufgaben auf einzelne Bürger.

Zweitens. Die Motivation wird zurückgedrängt. Der Zwang wird in den Vordergrund gestellt.

Drittens. Mit diesem Gesetzentwurf befinden wir uns einmal mehr ein Stück auf dem Weg weg vom gesellschaftlichen Diskurs hin zu staatlichen Regelungen.

Aus allen drei Gründen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.