Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Nachtrag 2005, den wir heute in dritter Lesung beraten, ist der Abschluss eines katastrophalen Jahres für Hessen.
In Hessen ist die Arbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres um 18 % gestiegen – der höchste Zuwachs an Arbeitslosen in allen Flächenländern. Das macht deutlich, wie sehr wir abgesunken sind. Das Verhältnis von Ausbildungsplatzsuchenden zu unbesetzten Lehrstellen ist in keinem westdeutschen Flächenland so schlecht wie in Hessen. Das Wirtschaftswachstum 2005 wird unterdurchschnittlich sein. Hessen ist in seiner Kreditwürdigkeit durch eine internationale Ratingagentur abgestuft worden.
Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zum Haushalt. Der Nachtragshaushalt ist trotz Steuermehreinnahmen in den letzten Monaten weiterhin verfassungswidrig.
Der Nachtrag macht deutlich, wie schwach die Regierung ist. Sie handelt nicht, sie wartet. Sie wartet auf höhere Steuereinnahmen.
Diese höheren Steuereinnahmen sind tatsächlich gekommen. Aber sie reichen nicht, um die ausufernden Ausgaben einzufangen und zu decken. Die Verfassungsgrenze wird mit dem Nachtrag 2005 um rund 113 Millionen c überschritten. Das ist nach einer positiven Steuerentwicklung, wie wir sie seit Juli hatten – Herr Williges, so hat es der Finanzminister im Haushaltsausschuss vorgetragen –, mehr als peinlich, da wir immer noch über der Verfassungsgrenze liegen.
Die nach der Verfassung zulässige Verschuldung wird, so sagte der Herr Minister im Haushaltsausschuss, rund 845 Millionen c betragen. Die Nettoneuverschuldung wird aufgrund der Steuermehreinnahmen der letzten Monate etwas niedriger ausfallen.Trotzdem bleibt sie aber immer noch ziemlich hoch. Sie beträgt nämlich 958 Millionen c. Am Ende wird die nach der Verfassung zulässige Neuverschuldung um rund 113 Millionen c überschritten werden.
Für die CDU und für den Finanzminister ist typisch, dass man sich darüber freut, dass man unter dem Strich gegenüber dem ursprünglich veranschlagten Haushalt eine um rund 172 Millionen c geringere Nettoneuverschuldung haben wird.
Ihre Aufgabe wäre es aber gewesen,daran zu arbeiten,die Verfassungsgrenze einzuhalten. Anstelle daran zu arbeiten, dass die nach der Verfassung zulässige Grenze für die Neuverschuldung nicht überschritten wird, freut man sich über den Anstieg der Steuereinnahmen. Man hat also abgewartet, wie es bei den Steuereinnahmen aussehen wird. Gehandelt wurde aber nicht. Damit geben Sie doch wirklich ein schwaches Bild ab.
Herr Williges, Sie haben sich hier ans Rednerpult gestellt und den Finanzminister gefeiert. Man hatte geradezu den Eindruck, Sie hätten einen Überschuss von 958 Millionen c erzielt.
So war die Rede angelegt. – Sie haben Freude gezeigt und den Eindruck vermittelt, alles sei in Butter. Meine Damen und Herren, vielleicht muss man Ihnen das noch einmal erklären: Sie werden mit diesem Haushalt eine Nettoneuverschuldung von rund 958 Millionen c haben.
Damit liegen Sie mit der Neuverschuldung über der nach der Verfassung zulässigen Grenze. Dass Sie das feiern, macht deutlich, woran wir mit der hessischen CDU sind und wo Sie hingekommen sind.
Der Meister der Punktlandung springt in ein tiefes Haushaltsloch. Wie wir eben gehört haben, springt er geschmeidig in dieses tiefe Haushaltsloch. Dann guckt er nach oben und sagt: Es gibt Licht am Ende des Tunnels. – Vielleicht sollten Sie ihn einmal darauf hinweisen, dass er sich gar nicht in einem Tunnel befindet.
Der Finanzminister befindet sich nicht in einem Tunnel. Er befindet sich in einem tiefen Haushaltsloch. Deswegen muss er sich das mit dem Lichteinfall etwas genauer angucken und etwas genauer damit befassen.
Meine These, die ich auch belegen will, lautet: Mit den Steuermehreinnahmen, die jetzt in den Haushalt gesprudelt sind, wäre ein verfassungsgemäßer Haushalt möglich gewesen.
Davon sind wir vollkommen überzeugt. Das Schöne daran ist doch Folgendes: Jetzt bekommen Sie vorgeführt, dass es bei einer sparsamen Bewirtschaftung der Haushaltsmittel im Jahre 2005 und dem rechtzeitigen Erlass einer Haushaltssperre, die auch ernst genommen worden wäre, machbar gewesen wäre, mit der Nettoneuverschuldung unter der nach der Verfassung zulässigen Grenze zu liegen. Das wäre erreichbar gewesen. Da bin ich mir ganz sicher.
Aber Sie haben die Haushaltssperre nur halbherzig erlassen. Sie haben sie nur halbherzig umgesetzt. Der Vollzug
erfolgte nur halbherzig. Für alle Ministerien gilt dabei, dass sie keine Vorbildfunktion ausübten. Wenn man so handelt, braucht man sich nicht zu wundern, dass, obwohl noch einige Steuereinnahmen zusätzlich gerade in den letzten Tagen in den Haushalt sprudelten, zum Schluss die nach der Verfassung zulässige Grenze der Neuverschuldung überschritten wird.
In der Begründung des Gesetzentwurfs teilen Sie mit,dass die Haushaltssperre 78,3 Millionen c erbracht habe. Der Finanzminister hat das dargestellt. Dafür feiern Sie sich. Angesichts der Ausgaben in Höhe von 16,5 Milliarden c ist das wirklich nur eine Kleinigkeit.Anders kann man das nicht sagen.
Der Beschluss zu dem Nachtragshaushalt wird faktisch mit dem Kassenschluss erfolgen. Da ist bei den Einsparungen also der gesamte Bodensatz drin.Wir haben diese Frage einmal mit dem Rechnungshof erörtert. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Da ist der gesamte Bodensatz mit drin. – Ich glaube, das macht deutlich: Diese Haushaltssperre hat am Ende nichts gebracht.
Eigentlich war es ein tatenloses Zuwarten und das Hoffen darauf, dass an der einen oder anderen Stelle Mittel nicht gebraucht und deswegen nicht ausgegeben werden.
Ich sage deshalb: Auch der Nachtragshaushaltsgesetzentwurf und das Zahlenwerk, das Sie mit ihm vorgelegt haben, geben ein ganz schwaches Bild ab.
Ich möchte jetzt noch einmal zu dem kommen, was der Herr Ministerpräsident in der Debatte über den Haushaltsgesetzentwurf gesagt hat, die vergangene Woche geführt wurde. Es war so, wie es immer ist, wenn Herr Koch redet: Es war knapp an der Wahrheit vorbei.
Meine Damen und Herren, doch, so ist es. Da brauche ich überhaupt nicht vorsichtig zu sein. Das werde ich Ihnen belegen.
In der Debatte über den Haushaltsgesetzentwurf des Jahres 2006 hat er Nebel hinsichtlich der Verschuldensgrenze geworfen, die die Verfassung erlaubt. Er hat die Investitionen, die sich aufgrund des Kommunalen Finanzausgleichs ergeben, einfach einbezogen.
Er hat damit argumentiert und behauptet, der Haushalt des Jahres 2005 entspreche der Verfassung. Er sagte, unter Einbeziehung der Mittel, die im Kommunalen Finanzausgleich für Investitionen zur Verfügung stünden, liege die Neuverschuldung im Haushalt deutlich unter der nach der Verfassung zulässigen Grenze.
Erst einmal möchte ich dazu Folgendes feststellen – Sie können das nachlesen —:Der Hessische Staatsgerichtshof hat über die Frage, ob das zulässig ist, nicht entschieden. Er hat das völlig offen gelassen.
Zweitens. Herr Minister Weimar, seit 60 Jahren gehen wir alle davon aus, dass die nach der Verfassung zulässige Grenze für die Verschuldung so definiert wird, wie Sie sie
auch bisher immer definiert haben, also ohne Einbezug von Mitteln aus dem Kommunalen Finanzausgleich.
Ich sage deshalb, weil es sich auch hier so verhält, wie es immer der Fall ist, wenn sich der Ministerpräsident äußert:Auch das ist knapp an der Wahrheit vorbei. – Andere würden das auch anders bezeichnen.
Wir sollten uns einmal Ihre Argumente anschauen. Das sage ich für Sie, die Mitglieder dieses Hauses, aber auch für alle, die es betrifft. Sie haben im Haushaltsgesetz für den Haushalt 2005 dargestellt, warum es zulässig sei, die nach der Verfassung zulässige Grenze der Neuverschuldung zu überschreiten. Dazu will ich Ihnen sagen: Der Sachverständigenrat hat in seinem Gutachten festgestellt, dass die hohe Arbeitslosigkeit nicht als alleiniges Argument dienen könne.
Das Wirtschaftswachstum wird in Hessen zwar unterdurchschnittlich sein, es wird aber wahrscheinlich immerhin bei 0,7 % liegen. Sie haben da also ein Problem. Denn das entspricht nicht den Vorgaben, die aussagen, ab wann eine Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt.