Protocol of the Session on December 14, 2005

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Norbert Schmitt (SPD):Was haben wir denn von Ihnen alles zum Wahlprüfungsgericht gehört?)

Sie werden das sicher nochmals diskutieren, auch unter den Fraktionen. Ich bin sehr wohl der Meinung, an dieser Stelle soll sich eine Oppositionsfraktion überlegen, dass sie auch einmal wieder Regierung sein könnte. Dann wird

es ebenfalls Entscheidungen des Staatsgerichtshofs geben, und als Regierung werden Sie darauf Wert legen müssen, dass, wenn ein Parlament streitet – es ist sein gutes Recht,zum Verfassungsgericht zu gehen –,irgendwann in unserer Gesellschaft Schluss sein muss. Es gibt Gerichtsentscheidungen,die die Frage,ob die Regierung verfassungsgemäß gehandelt hat, ja oder nein, beenden. Nachdem Sie uns lange vorgeworfen haben, wir hätten falsch gehandelt, wir hätten gegen die Verfassung verstoßen, hat der Staatsgerichtshof gesagt, das war im Rahmen der Verfassung. Dann muss Schluss sein, und dann müssen auch Sie einmal sagen: Okay, wir sehen es ein, wir nehmen es an dieser Stelle hin und fangen nicht an, den Staatsgerichtshof infrage zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir im Übrigen über die Finanzen reden, möchte ich Ihnen als Erstes sagen: Nach den derzeitigen Zahlen, die mir der hessische Finanzminister in den letzten Stunden gegeben hat – es ist der Kassenabschluss von gestern und noch nicht ganz endgültig –, darf ich Sie davon unterrichten, dass wir davon ausgehen, dass wir dank der Steuereinnahmen der letzten Wochen am Ende im Jahr 2005 eine Nettoneuverschuldung in der groben Größenordnung von 960 Millionen c haben werden. Das liegt deutlich unter dem, was Sie mit über 1,1 Milliarden c im Haushalt beschlossen hatten, und deutlich unter dem, was – unter Einbeziehung der kommunalen Investitionen – die Verfassungsgrenze des Landes Hessen ist. Das heißt, am Ende dieses Jahres – ohne das ganze Tremolo von Nachtragshaushalt, und was Sie alles im Laufe dieses Sommers in Parlamentssitzungen gesagt haben – legt Ihnen dieser Finanzminister Zahlen vor, nach denen der Haushalt des Jahres 2005 in die Grenzen der Verfassung zurückgeführt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,das ist sehr gut, und das müssen die Wählerinnen und Wähler und die Bürgerinnen und Bürger wissen.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD)

Dies entsteht natürlich über die Einnahmeentwicklung, nicht über die Ausgaben. Wir haben Ihnen im Sommer dieses Jahres gesagt und sagen Ihnen im Rahmen dieser Haushaltsdiskussion immer wieder:Wir haben eine strukturelle Diskussion über die Finanzen dieses Landes, und das sind die Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Das ist keine Frage, die wir alleine lösen können.

Ich finde es unfair – nicht mehr, aber auch nicht weniger, verehrter Herr Kollege Walter und meine Damen und Herren der Opposition –, dass Sie, wenn nicht gerade Haushaltsdebatte ist, das alles einräumen.

Ich nehme einmal den Abg. Walter, den Fraktionsvorsitzenden, in einer Debatte am 21. September des Jahres 2005 – also noch nicht verjährt. Dort sagt er:

Wir müssten die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben so verändern, dass wir die Ausgaben an die Einnahmesituation anpassen.

Da ruft Michael Boddenberg dazwischen: „Dann fangen Sie einmal an!“, und dann antwortet der Herr Kollege Walter:

Lieber Herr Kollege, das ist nicht möglich. Da bin ich aufseiten des Finanzministers. Das zeigt ein einfacher Blick in die Struktur des Haushalts vom letzten Jahr – Pi mal Daumen 18 Milliarden c an Ausgaben, davon ungefähr 50 % Personalkosten.Wenn

ich den KFA, die Sachausgaben und die Investitionen mit einrechne,dann komme ich zu einem frei zu verteilenden Bereich, der bei 1 Milliarde c liegt. Wenn ich noch die langfristigen gesetzlichen Bindungen nehme, die Folgeinvestitionen, die notwendig sind, ist der Betrag, über den wir im Parlament tatsächlich zu entscheiden haben, einer, der sich wohl unter 1 Milliarde c bewegen dürfte.

Ja, Herr Kollege Walter, Sie haben so wie Herr Kahl in Ihrem Verfolg gestern gesagt: Natürlich wissen wir alle, dass das Land Hessen – wie alle anderen Bundesländer – ein strukturelles Defizit hat. Das will niemand wegdiskutieren.

(Jürgen Walter und Norbert Schmitt (SPD): Und wie gehts weiter? – Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Dazu sagt Ihr Fraktionsvorsitzender in Niedersachsen, in den nächsten Jahren können die Länder das nicht korrigieren. – Ja, meine Damen und Herren, wir arbeiten mit einem sehr strukturierten Programm mit Haushaltskürzungen,

(Norbert Schmitt (SPD): Sie haben das Land dorthin geführt, das ist der Punkt!)

Personaleinsparungen, Arbeitszeitverlängerungen und Sachkürzungen, die Sie in jedem Einzelfall bekämpft haben, daran, dass wir die strukturelle Ausgabensituation auch dieses Landes verbessern.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist doch gar nicht wahr! Sie haben höhere Ausgabensteigerungen als das Maastricht-Kriterium!)

Diesen Weg werden wir fortsetzen, denn es ist der einzige Weg, um zu den Zahlen zurückzukommen, die auch Sie wollen.

(Beifall bei der CDU)

Gleichzeitig aber räumen wir ein: Ohne eine Veränderung bei den Einnahmen wird das nicht möglich sein. Das ist auch kein neuer Streit. Natürlich führen wir diesen Streit in jedem Landesparlament anders. Aber, Herr Kollege, wenn Sie sagen, was wir alles verhindert haben und woran es scheitert, dann will ich Ihnen eine Zahl nennen. Im Jahr 2001 hat die Bund-Länder-Kommission zur Schätzung der finanziellen Entwicklung ihre Berechnungen für fünf Jahre im Voraus gemacht, wie jedes Jahr.

Sie wissen, dass diese so genannten Steuerschätzer als Basis für ihre Zahlen richtigerweise jeweils das nehmen müssen,was Gesetz ist,also nicht das,was das Land Hessen im Bundesrat abgelehnt hat, und nicht das, was die SPD sich irgendwo in einem Programm wünscht, sondern Basis ist das, was im Jahr 2001 Gesetz war. Wenn ich diese Schätzungen nehme und einfach bis heute fortentwickle, was sich daraus ergeben hat, stelle ich fest, dass die Abweichung nach unten schon im Mai 2002 18 Milliarden c betrug. Im Mai 2003 betrug die Abweichung nach unten schon 61 Milliarden c – Bund, Länder und Gemeinden zusammen, immer grobe Größenordnung: 500 Milliarden c ; wir haben derzeit 480 Milliarden c Steuereinnahmen –, also die Abweichung der Steuerschätzer ohne Gesetzesänderung, im Mai 2004 84 Milliarden c, im November 2004 85 Milliarden c und im Mai 2005 90 Milliarden c.

Das heißt ganz schlicht im Klartext:Wenn wir uns die nationale Politik der vergangenen Jahre in Deutschland anschauen, ergibt sich, dass ein Steuerausfall gegenüber dem, was bei einem mäßigen Wachstum die Bundesregie

rung und die Steuerschätzer damals erwartet haben, also ohne jeden Bundesratsbeschluss, ohne Eigenheimzulage, ohne irgendeine andere Diskussion, von 90 Milliarden c strukturell in unsere Haushalte eingegangen ist, weil Sie die Bundesrepublik Deutschland in ein finanzielles Chaos gestürzt haben, meine Damen und Herren. Und wir sind leider Gottes keine Insel, sondern ein Bestandteil dessen, was dort abgearbeitet werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Das wird unsere gemeinsame Aufgabe zwischen Bund und Ländern in den nächsten Jahren sein.Wir haben übrigens jetzt – darauf komme ich am Schluss – dort Bremswege, die einem schon Sorge machen müssen, weil wir unmittelbar vor der Wand stehen und schauen müssen, wie wir schnell zu Ende kommen.Ich unterstelle nach wie vor, dass Ihnen eine Mehrwertsteuererhöhung nicht leicht gefallen ist. Gehen Sie davon aus, dass es auch uns nicht leicht gefallen ist.Wenn man in ein Lehrbuch schaut, stellt man fest, dass diese Erhöhung ökonomisch eher falsch als richtig ist, so wie wir sie machen. Sie ist eine Notmaßnahme,

(Norbert Schmitt (SPD): Da haben Sie nicht Unrecht!)

weil die Finanzen, die Sie von der Bundesebene aus über die Einnahmesituation bestimmen, für Bund und Länder in einer Art und Weise zerrüttet sind,dass Sie anders nicht mehr geradegekommen wären. Das ist seit 2001 Ergebnis der Politik, mit der Sie dort angefangen haben.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Nein!)

Da hilft nicht die Ausrede mit dem, was wir im Bundesrat alles abgelehnt hätten.

(Norbert Schmitt (SPD): Doch!)

Wäre seitdem kein einziges Steuergesetz beschlossen worden, müssten wir, wenn Sie damals die richtige Politik fortgesetzt hätten,ohne irgendeine Steueränderung heute in Bund und Ländern gemeinsam Steuermehreinnahmen von 90 Milliarden c haben, ohne irgendeine Steuer erhöht zu haben und ohne irgendeine Steuersubvention gestrichen zu haben. Das wäre einfach in der Fortsetzung der Politik so. Das müssen Sie sich als Dimension, auch als Dimension der Erblast derer, die jetzt gemeinsam in Berlin Verantwortung tragen, vorhalten lassen.

(Norbert Schmitt (SPD): Bei Weimar haben die Prognosen immer gestimmt!)

In diesem System müssen und werden wir uns mit unserer Politik einordnen.

Dann würde ich gern, weil sonst dieser Streit zu lange geht, noch eines zitieren. Es gibt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats bei dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit – so hieß er bis vor kurzem, sicher kein CDU-Papier – vom 8. Juli 2005. Daraus will ich Ihnen nur zitieren. Da geht es um die Frage der Finanzpolitik und darum, wie die einzelnen Länder einzuschätzen sind. Da heißt es zum Schluss:

Allerdings unterscheiden sich die Länder deutlich. In der Tabelle sind alle jene Länder fettgedruckt hervorgehoben, die ihren so berechneten zulässigen Anteil an der Mastricht-Quote übertroffen haben. Einige Bundesländer, so Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen, haben eine nachhaltige Finanzpolitik betrieben.

(Lachen des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Zwölf Bundesländer und der Bund haben sich dagegen zu stark verschuldet.

Meine Damen und Herren, so ist, wenn man von außen auf dieses Land schaut, die Situation und das, was Karlheinz Weimar und wir in der Finanzpolitik in den letzten Jahren verantwortet haben.

(Beifall bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund diskutieren wir auch etwa mit dem Staatsgerichtshof in der Frage von Art. 141 der Hessischen Verfassung.

(Norbert Schmitt (SPD): Der entleert wurde!)

Das ist ein Teil der Ausgangsbasis dessen, was wir sehr klar über die Frage diskutieren: Wo sind die jeweiligen Möglichkeiten? Die Möglichkeiten definieren sich mit dem, was im Land gestaltet werden kann, aber auch im Verhältnis zu dem, was andere unter gleichen Bedingungen leisten oder nicht leisten.

(Reinhard Kahl (SPD): Bei Ihnen wird die Ausnahme zur Regel!)

Bei dieser Ausgangsposition muss man eben zunächst einmal sehen, dass wir unsere Hausaufgaben offensichtlich ordentlich machen. Das steht hier in diesem Papier. Das ist nicht meine These. Dass Ihnen das nicht gefällt, ist in Ordnung, aber dass wir darauf stolz sind, meine sehr verehrten Damen und Herren, das sollte man an dieser Stelle eben auch zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen diese Bilanz auch miteinander verteidigen und vertreten.Wir haben nicht nur dem Staatsgerichtshof,sondern auch anderen gesagt: Darauf werden wir auch eine Menge von Entscheidungen aufbauen, was jeweils in der einzelnen Situation zu tun ist. Herr Kollege Walter hat es schon richtig erkannt:Wir haben im Haushalt ausführlich erklärt, warum wir unter den Bedingungen, wie sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesetzt sind – diese Einschränkung mache ich, weil es ja Veränderungen geben kann –,

(Reinhard Kahl (SPD): Seit fünf Jahren die Ausnahme!)

mit diesen Haushaltszahlen für das Jahr 2006 rechnen müssen. Wenn sich die Gesetze ändern, kann es durchaus sein, dass sich die Zahlen auch verbessern. Außerdem werden wir in dem Zusammenhang sicherlich auch vor der dritten Lesung die Steuereinnahmen noch einmal anschauen.Das muss man bewerten,wenn es günstiger wird. Unter den obwaltenden Umständen haben wir aber gesagt, was wir zum Sparen getan haben. Und da gilt z. B., dass diese Debatten auch nicht frei von Opposition sind.