Protocol of the Session on November 24, 2005

(Beifall bei der SPD)

Herr Boddenberg, Sie haben nicht einmal die Größe, dies auch einzugestehen.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Na, na, na!)

Die hessische SPD-Fraktion trägt den Koalitionsvertrag mit und steht ausdrücklich zu den vereinbarten Punkten. Die Koalition in Berlin ist sich einig. Es ist unbestritten,

dass Planungsprozesse als kurzfristig umzusetzendes Ziel gestrafft, vereinheitlicht und verkündet werden sollen. Wir von der SPD fragen allerdings auch immer, auf wessen Kosten dies geschehen soll. Die Bürgerbeteiligung, Naturschutz und Umwelt dürfen dabei nicht ausgeschaltet werden.

(Beifall bei der SPD)

Da haben wir auch eine Vorbildfunktion.Wer eine lebendige Demokratie und eine aktive Bürgergesellschaft will, der muss auch Beteiligungen an Entscheidungsprozessen zulassen. Herr Dr. Rhiel, Sie haben – sei es aus Unwissenheit oder mit Vorsatz – in Ihrer Erklärung verschwiegen, dass die ehemalige rot-grüne Regierungskoalition bereits im Mai dieses Jahres einen Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturmaßnahmen vorgelegt hat.

(Minister Dr.Alois Rhiel: In der Schublade!)

Dieser Entwurf befindet sich noch im Verfahren des Bundesrates. In diesem Entwurf ist es geschafft worden, eine Gratwanderung zwischen der Verkürzung von Planungsverfahren und der Aufrechterhaltung von Bürgerinteressen hinzukriegen. Planungsrechtliche Vorhaben sind von vielen Nutzungsansprüchen gekennzeichnet und berühren viele Schutzgüter und Interessen. Dadurch sind sie – das ist nun einmal so – komplizierter geworden. Wer meint, dies einfach wegdiskutieren zu können, der frönt einem Populismus.

(Beifall bei der SPD)

Ohne vernünftige Planungsverfahren müsste gegebenenfalls eine Fülle von Einzelrechtsstreitigkeiten abgearbeitet werden. Die können mindestens genauso lange dauern,aber womöglich noch viel länger.Die Beschleunigung von Planungsverfahren setzt in stärkerem Maße als bisher kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den zuständigen Behörden voraus. Diese Kompetenz baut diese Landesregierung seit Beginn dieser Legislaturperiode – seit Ihrer „Operation düstere Zukunft“ – in den zuständigen Behörden massiv ab. Das weiß ich aus eigener leidvoller Erfahrung z. B. beim Regierungspräsidium Kassel. So gefährden Sie selbst den Abbau von Bürokratie und die Vereinfachung von Genehmigungs- und Planungsverfahren, meine Damen und Herren von CDU und von der Regierung.

Es ist zwischen den Koalitionspartnern in Berlin verabredet worden, dass der im Bundesrat anhängige Entwurf Grundlage für weitere Beratungen ist. Anregungen der Länder sind einzubeziehen. Aber bitte schön, Herr Dr. Rhiel, blamieren Sie das Land Hessen im Kreis der Bundesländer nicht mit Ihren Vorschlägen, und fangen Sie keine Verzögerungstaktik an.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben einen gemeinsamen Zeitplan verabredet. Der Entwurf soll Anfang 2006 verabschiedet werden. Der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf schreibt ganze Passagen aus dem Gesetzentwurf der ehemaligen rot-grünen Koalition ab.

(Zuruf von der SPD: So kennen wir sie!)

Da werden wir uns sicherlich alle schnell einig. Aber schauen wir uns einmal an,was Sie anders machen wollen. Hier nur ein paar Beispiele. Sie wollen den Wegfall des Raumordnungsverfahrens zugunsten von landesplanerischen Stellungnahmen. Nach § 15 Raumordnungsgesetz sind aber die Länder verpflichtet, Raumordnungsverfah

ren durchzuführen. Wir können da Ziel- und Zeitvorgaben bestimmen. Wir Sozialdemokraten sehen auch nicht, dass die geforderte Abschaffung der Raumordnungsverfahren zu einer Verkürzung der gesamten Planungszeit des Vorhabens führt. Sie verlagern die Arbeit nur auf eine andere Ebene, und zwar auf die Fachplanung im Zulassungsverfahren. Mir ist schleierhaft, warum das zwingend zu einer Zeitersparnis führen soll.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Sie wollen bezüglich der Umweltverträglichkeitsprüfung Schwellenwerte und Kriterien einführen. Herr Dr. Rhiel, nehmen Sie zur Kenntnis, dass Irland das bereits versucht hat und vor dem Europäischen Gerichtshof damit gescheitert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Gesetzentwurf der ehemaligen rot-grünen Koalition stellt die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts im ersten und letzten Rechtszug ausdrücklich fest. Diese Regelung ist eine Konsequenz aus den guten Erfahrungen in den neuen Bundesländern. Der Vorteil ist: Im Vergleich zum Rechtsschutzverfahren vor Oberverwaltungsgerichten entfällt das Risiko von zeitaufwendigen Revisionsverfahren. In Revisionsverfahren wird oft nicht in der Sache entschieden, sondern es wird zur Aufklärung weiterer Tatsachen an das OVG zurückverwiesen. Dieses oft mehrfache Wechselspiel behindert und verlängert die Infrastrukturplanung enorm. Daher bietet die Verlagerung an das Bundesverwaltungsgericht für Infrastrukturvorhaben mit überragender verkehrlicher Bedeutung eine große Vereinfachung. Hiervon profitieren die Länder, deren Gerichte übrigens spürbar entlastet werden. Das alles steht in dem Entwurf der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung, was die Grundlage für die jetzige Berliner Koalition ist,wenn sie ihre Vorhaben Anfang 2006 umsetzen wollen.

Herr Wirtschaftsminister, bevor Sie sich das nächste Mal vom Ministerpräsidenten dazu überreden lassen, Vorschläge einer Kommission, die er eingesetzt hat, in Ihrer Regierungserklärung zu verkaufen, empfehle ich Ihnen: Informieren Sie sich auch an anderen Stellen über den tatsächlichen Sachstand. Dann wäre uns hier vieles erspart geblieben.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie uns gemeinsam die in der Berliner Koalitionsvereinbarung vereinbarten Grundlagen und Ziele abarbeiten, anstatt hier in Hessen weitere Baustellen einzurichten.

Herr Dr. Rhiel, Sie haben eben hier auf die A 4 hingewiesen.Das ist schon merkwürdig.Sie fangen hier mit der A 4 eine neue Baustelle in Hessen an, während bei der A 44 und A 49 nichts weitergeht.Das ist doch nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Michael Bod- denberg (CDU))

Das hilft auch nicht den betroffenen Regionen und den dort wohnenden Menschen. – Herr Boddenberg, jetzt komme ich zu Ihrem Antrag, in dem Sie die Landesregierung bejubeln. Der Lückenschluss der A 49 – davon bin ich örtlich ein bisschen betroffen, und da bin ich auch ein bisschen näher dran –: Zweieinhalb Jahre ist dieser Wirtschaftsminister sozusagen drum herum gefahren. Jetzt wird eine neue Trasse vorgeschlagen. Dabei ist vollkommen unklar, ob bei dieser neuen Trasse ein neues Raumordnungsverfahren durchgeführt werden muss.

1999 – die Menschen in der Region können sich noch genau daran erinnern – hat die Regierung versprochen, jetzt würden die Bagger kommen, und es würde losgehen. Bilanz nach sechs Jahren: Kein einziger Zentimeter der A 49 ist weitergebaut worden. Nichts ist passiert.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Bau der A 44 Kassel – Eisenach, man höre und staune: Knapp 3 km Autobahn sind nach sechs Jahren Regierungszeit von Roland Koch gebaut.

(Zuruf von der SPD)

Gemessen daran, wie Sie zu Beginn Ihrer Regierungszeit die Backen aufgeblasen haben, ist das eine wahrlich peinliche Bilanz.

(Beifall bei der SPD)

Bei der A 44 und der A 49 zeigt sich: Es ist die Landesregierung, die für viel zu lange Verfahrensdauern bei diesen Infrastrukturmaßnahmen verantwortlich ist. Das ist so, weil sie nicht in der Lage ist, diese Verfahren ordnungsgemäß nach Recht und Gesetz abzuwickeln. Da hilft es auch nicht, wenn Roland Koch eine so genannte Expertenkommission einsetzt, um von diesem Unvermögen abzulenken. Das ist viel zu durchsichtig. Gerade die Menschen in Nordhessen wissen sehr wohl, wer die Verantwortung für diese Pannenserie bei der A 44 und der A 49 trägt.

(Beifall bei der SPD)

Beim Lückenschluss der A 66 hat sich doch diese Landesregierung am Anfang recht passiv verhalten. Es ist den ortsansässigen Bürgermeistern, bei denen wir uns alle gemeinsam bedanken sollten – das sage ich auch gern der Kollegin Waschke –, zu verdanken,die sich zielstrebig und hartnäckig eingesetzt haben. Denn ansonsten, wenn diese Landesregierung die alleinige Verantwortung gehabt hätte, wäre nichts passiert. Herr Kollege Rhiel, das können Sie alles in der örtlichen Presse nachlesen.

(Beifall bei der SPD)

Ausbau des Frankfurter Flughafens:

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Die Entscheidung für Ihre Vorzugsvariante hat sich als hochgradig angreifbar herausgestellt. Sie hatten sich einen Zeitplan gesetzt und sind aufgrund Ihrer eigenen Fehler bereits zwei Jahre im Verzug. Das ist schlimm für das nationale und internationale Renommee des Frankfurter Flughafens. Es ist aber besonders schlimm für die Arbeitsplätze, die durch die zeitliche Verzögerung nicht entstehen konnten.

Das hat der Wirtschaftsminister eben nicht gesagt.Auch in diesem Herbst gilt: Es gehen unter dieser Landesregierung in Hessen immer noch jeden Tag mehr Arbeitsplätze verloren, als neue geschaffen werden. Das ist ein Beleg dafür, dass Hessen weiterhin bei Wirtschaftskraft, Beschäftigung und Wachstum unter dieser Landesregierung zurückfällt.

(Beifall bei der SPD)

Staufreies Hessen 2015:Mit viel Getöse wurde dieses Projekt vereinbart, aber auch hier ist diese Landesregierung kein Vorreiter. Stolz wird verkündet, dass 2,1 Millionen c an Volumen für dieses Projekt bis 2007 zur Verfügung gestellt werden.Wir sind schon gespannt, wie Sie das umset

zen wollen. Aber um das Ziel zu erreichen, müssen doch andere Beträge in die Hand genommen werden. Da schauen wir einmal in das Nachbarland Nordrhein-Westfalen. Für das ruhrgebietsweite intermodale Verkehrsinformations- und Steuerungssystem Ruhrpilot werden 29 Millionen c von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt. Von privaten Partnern kommen noch einmal 21 Millionen c dazu.

Die Regierungserklärung hat aber auch offenbart: Neben den Baustellen A 44 und A 49 sowie dem Flughafenausbau in Frankfurt hat der Wirtschaftsminister keine Antworten auf die drängendsten Aufgaben, die in diesem Land angegangen werden müssen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich habe in der Regierungserklärung keine Antwort auf die Frage gehört, wie denn diese Landesregierung die Grundversorgung des ÖPNV in den nächsten Jahren in Hessen sicherstellen will. Sie haben etwas aufgezählt. Aber das war es schon. Sie haben keine Perspektiven aufgezeigt.

(Michael Boddenberg (CDU): Was ist denn Ihre Perspektive?)

Ich komme jetzt gleich zu dem FDP-Antrag. Meine Damen und Herren von der FDP, unter anderen politischen Vorzeichen hätten Sie einen solchen Antrag als höchst unseriös gebrandmarkt.In dem Antrag tun Sie so,als gebe es in Berlin bereits Beschlüsse, die Regionalisierungsmittel für den ÖPNV zu kürzen. Sie machen hier Nachrichten zum Thema einer Landtagsdebatte. Das ist höchst unseriös. Es gibt in der Koalition in Berlin überhaupt noch keine Beschlüsse dazu.

(Beifall bei der SPD – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann kann man die Richtung ja noch beeinflussen!)

Herr Dr.Rhiel,wir haben von Ihnen nicht gehört,mit welchen Instrumenten Sie im Verkehrsmanagement die gleichberechtigten Verkehrsträger zur Integration bewegen wollen. Hierzu haben wir zu Recht in der Regierungserklärung Antworten erwartet, wie Sie diese Aufgaben anpacken wollen. Hessens Wirtschaftslage spricht der Wirtschaftsminister in seiner Regierungserklärung erst gar nicht an. Denn es ist auch nicht zu leugnen, dass Hessen unter Roland Koch und seiner Mannschaft seinen Spitzenplatz in Deutschland verloren hat.