Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! Ich kann das bestätigen, was ich auch während der ersten Lesung hier gesagt habe: Meine Fraktion ist sehr damit einverstanden, dass in Hessen die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung beibehalten werden soll. Wir sind auch sehr damit einverstanden, dass sie auf weitere Fälle ausgedehnt werden soll, nämlich auf die Fälle, in denen Kläger und Beklagter nicht in demselben Landgerichtsbezirk wohnen. Bisher musste das der Fall sein.
Wir sind damit einverstanden, weil sich die außergerichtliche Streitschlichtung in dem überschaubaren Zeitraum, in dem wir damit Erfahrung sammeln konnten, als ein außerordentlich wirksames Instrument zur Streitbeilegung erwiesen hat. Frau Hofmann hat es erwähnt: Über 55 % der Verfahren enden bei der Schlichtungsstelle mit einer Einigung. Herr Lenhart, das gilt auch für vermögensrechtliche Streitigkeiten. Auch vermögensrechtliche Streitigkeiten, die vor die Schlichtungsstellen gebracht werden, werden dort zu über 55 % erledigt.
Man kann deswegen doch nicht wirklich guten Gewissens behaupten, sie seien für die Streitschlichtung nicht geeignet. Gerade das Gegenteil ist doch der Fall.
Das ist auch der entscheidende Kritikpunkt, den wir an diesem Gesetzentwurf nach wie vor haben. Vermögensrechtliche Streitigkeiten aus der Streitschlichtung herauszunehmen ist überhaupt nicht sinnvoll. – Ich verstehe auch nicht, weshalb Sie den Menschen die Möglichkeit nehmen wollen, in sehr kurzer Zeit und sehr preiswert zu einem Ergebnis zu kommen, wenn es um einen Streit um das Geld geht. Das sollte jedenfalls für den Fall gelten, dass es um relativ kleine Beträge geht.
Es ist verständlich, dass die Standesorganisationen der Anwälte in der Anhörung gegen diese Art der Streitbeilegung gewettert haben. Sie sind aufgrund ihres Berufs eher darauf ausgerichtet,bloß keinen Streit zu vermeiden.Deswegen haben sie mit der Streitschlichtung vielleicht ihre Schwierigkeiten. Aber die Menschen, die eine schnelle und preiswerte Entscheidung haben wollen, sind bei den Schlichtungsstellen gut aufgehoben.
Die Flucht in das Mahnverfahren wurde in der Anhörung durchaus unterschiedlich beurteilt. Frau Beer hat schon darauf hingewiesen. Man muss erst einmal schauen, ob es wirklich dazu kommt. Aber der entscheidende Gesichtspunkt dafür, bei diesem Verfahrensstand auf die Herausnahme der vermögensrechtlichen Streitigkeiten zu verzichten und die Rechtlage zunächst einmal so zu perpetuieren, wie wir sie hatten, ist ein ganz anderer.
Gegenwärtig ist noch nicht absehbar, wie beim Bund die Entwicklung weitergehen wird. Ich habe schon während der ersten Lesung auf den Beschluss der Justizministerkonferenz vom Frühjahr dieses Jahres hingewiesen. Dort wurde beschlossen,§ 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung, der die Grundlage für das ganze Verfahren bildet, erneut zu überprüfen und zu beraten. Man wollte schauen, zu welchen Änderungsvorschlägen man da möglicherweise kommen könnte. In dem Beschluss dazu heißt es – ich zitiere –:
Das heißt, auf Bundesebene wird möglicherweise wieder das eingeführt werden, was wir in Hessen gerade abschaffen.
Mit der Koalitionsvereinbarung in Berlin haben Sie den politischen Wechselschritt ein wenig zum politischen Prinzip gemacht.Aber aus unserer Sicht ist es nicht zuträglich, in Hessen erst etwas abzuschaffen, obwohl man damit keine ausreichende Erfahrung hat, wenn man es möglicherweise kurze Zeit später wieder einführen muss. Das wäre rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln und wieder rein in die Kartoffeln. Das ist jedenfalls nicht das, was wir unter einer soliden und verlässlichen Politik verstehen.
Ich darf zum Abschluss noch auf Folgendes hinweisen: Wir haben heute schon über den auf Bundesebene geschlossenen Koalitionsvertrag gesprochen.Darin befindet sich der Hinweis, dass die beiden Koalitionspartner eine Änderung der Streitkultur befördern wollen. Es wurde nicht näher konkretisiert, was damit gemeint ist. Aber jedenfalls kann man feststellen, dass die außergerichtliche Streitschlichtung tatsächlich eine neue und bessere Streitkultur befördert hat. In Hessen das platt zu machen, was Sie auf Bundesebene angeblich befördern wollen, ist aus unserer Sicht überhaupt nicht sinnvoll.
Wir haben deswegen dem Änderungsantrag der SPDFraktion zugestimmt, der das, was wir für richtig halten, uns sozusagen vorweggenommen hat. Wir hätten ansonsten selbst einen solchen Änderungsantrag gestellt. Das ist klar.Wir haben den Änderungsantrag für richtig gehalten. Deswegen haben wir ihm zugestimmt. Weil dieser Änderungsantrag keine Zustimmung gefunden hat, werden wir den Gesetzentwurf genau aus diesem Grund ablehnen. Denn wir halten es nicht für sinnvoll, die Vermögensstreitigkeiten herauszunehmen.
Ich hoffe, dass auch die SPD als Oppositionsfraktion die entsprechende Kraft findet und den Gesetzentwurf aus diesem Grund ablehnt.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei persönliche Bemerkungen. Die Berufung an die Spitze der dritten Gewalt im Lande Hessen ist für mich schon eine große Aufgabe, eine Herausforderung und auch eine Ehre.
(Reinhard Kahl (SPD):Was wurde er? Wurde er an die Spitze der dritten Gewalt berufen? Ich bin entsetzt! Irgendwie habe ich da etwas im Sozialkundeunterricht nicht mitbekommen! – Gegenruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Lass ihn doch einmal ausreden!)
Wir werden sicherlich oft etwas zu diskutieren und zum Streiten haben. Ich sage Ihnen zu, dass ich gerne mit Ihnen streiten und diskutieren werde.
Sie wissen schon, wie ich das gemeint habe. Regen Sie sich doch nicht gleich beim ersten Mal so auf.Was glauben Sie, was Sie mit mir noch an Aufregung haben werden, wenn das bei Ihnen so weitergeht.
Ich will Ihnen aber trotz dieses Zwischenrufs eine gute Zusammenarbeit anbieten.Ich will Ihnen offene und konstruktive Diskussionen anbieten. Ich freue mich gerade auch auf die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Opposition.
Deswegen hätte ich es gerne gehabt, dass die erste Initiative, die ich zu vertreten habe, nicht eine ist, bei der wir gleich so kontrovers diskutieren müssen. Die Regie sieht das aber nun einmal so vor.
Es gibt aber eine Gemeinsamkeit. Die sollte man betonen. Ganz offensichtlich besteht zwischen allen Fraktionen und der Regierung Einvernehmen darüber, dass die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung fortgesetzt werden soll und dass sie ein gutes Element in unserer Justiz ist.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Aber Sie wollen sie kastrieren! Warum wollen Sie das?)
Gute Dinge muss man aber auch gut behandeln. Dieses Pflänzchen, das im juristischen Bereich gerade erst entstanden ist, muss sich fortentwickeln, damit wir da nicht den falschen Schwerpunkt setzen. Nach den Beratungen im Ausschuss und nach der Anhörung kann die Landesregierung durchaus bei ihrer Position bleiben, derzufolge es sinnvoll ist, die Streitschlichtung an einer Stelle etwas zu verändern.Wenn Sie wollen, könnte man auch sagen, dass die Streitschlichtung etwas reduziert wird. Wir sind der Meinung, dass sich mit der Statistik sehr leicht belegen lässt, dass man hinsichtlich der Frage, ob man vermögensrechtliche Streitigkeiten bei der Streitschlichtung richtig platziert hat, durchaus anderer Auffassung sein kann.
Die Fakten sind beachtlich. Seit Einführung der Streitschlichtung hat es bei den formellen Mahnverfahren eine Steigerung um 14 % gegeben. Sie müssen sich das vorstellen: Das sind 7.500 Fälle.
Das ist eine ganz erhebliche Mehrbelastung. Im Übrigen handelt es sich dabei um einen Umfang, der, wie sich herausstellt, auch in anderen Bundesländern vorkommt. Das macht deutlich:Wenn wir bei der bisherigen Linie bleiben würden, würden wir Gefahr laufen, dass sich bei der guten Idee der außergerichtlichen Schlichtungsverfahren etwas in die falsche Richtung bewegt. Deswegen müssen wir an dieser Stelle etwas nachbessern. Ich glaube, wir werden
Herr Minister, vielen Dank. – Können Sie uns sagen, in welchem Maße in dem gleichen Zeitraum, den Sie uns genannt haben, die Zahl der zivilrechtlichen Verfahren angestiegen ist, denen kein Schlichtungsverfahren vorangegangen ist?
Ich habe die Zahlen hier auf dem Tisch liegen.Ich wollte Sie aber nicht mit Zahlen erschlagen. Sie wollen doch einen Justizminister und keinen Zahlenkasper haben.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie können uns gar nicht erschlagen, unabhängig davon, mit was Sie es versuchen könnten!)
Es ist bemerkenswert, dass auch in den anderen Bundesländern fast in exakt derselben Größenordnung eine Steigerung feststellbar ist. Deswegen sollten wir alle überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, dass wir uns, wenn wir die außergerichtliche Streitschlichtung ausbauen wollen, wirklich auf die Bereiche konzentrieren, bei denen ein Konflikt der Personen dahinter steht. Man muss sich das auch mit Blick auf die Praxis überlegen.Auch Sie werden sicherlich mit Anwälten darüber gesprochen haben.
Bei vermögensrechtlichen Fragen wird sehr schnell in das Mahnverfahren gegangen, um das Streitschlichtungsverfahren zu umgehen.Wenn es aber um einen Konflikt zwischen Personen geht, wenn es z. B. um einen Streit zwischen Nachbarn geht, dann geht es auch darum, eine dauerhafte Befriedung zu erreichen. Da ist der Einsatz dieses Verfahrens richtig. Das ist der richtige Platz. Wir sollten das Verfahren nicht dadurch belasten, dass wir es an falschen Stellen zu stark einsetzen. Wir sind der Meinung, dass dieser Gesetzentwurf dieser Überlegung und dieser Analyse Rechnung trägt.
Vielen Dank. Ich stelle hiermit förmlich fest, dass das die erste Rede des Staatsministers Herrn Banzer war.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Aussprache zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Ausführung des § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung, Drucks. 16/4616 zu Drucks. 16/4132.