Protocol of the Session on November 23, 2005

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte den Spruch benennen, den wir vielleicht schon oft gehört haben,der aber am treffendsten die hervorragende Arbeit der Schiedsstellen in Hessen beschreibt: Schlichten ist besser als richten.

Dieser Spruch bezeichnet nicht nur die Arbeit der Schiedsfrauen und -männer in hervorragender Weise,sondern ist gewiss auch über alle Parteigrenzen hinweg anerkannt. Sie wissen, mit der außergerichtlichen Streitschlichtung können bestimmte Streitigkeiten zeitnah,kos

tengünstig und zumeist erfolgreich erledigt und ein dauerhafter Rechtsfrieden zwischen den Parteien hergestellt werden. Die Amerikaner bzw. Engländer würden sagen, dass eine Win-win-Situation entsteht, weil die Schiedsperson gemeinsam mit den Verfahrensbeteiligten eine Lösung des Rechtsstreits erarbeitet. Deswegen liegt die Schlichtungsquote – sozusagen die Erfolgsquote der Schiedsfrauen und -männer in Hessen – bei stolzen 55,5 % im Durchschnitt.

Die Justiz wird durch die Arbeit der Schiedsfrauen und -männer in nicht unerheblicher Weise entlastet. Es gibt Berechnungen, die zeigen, dass die Entlastung für die Justiz der Größe eines kleinen bzw. mittleren Amtsgerichts entspricht. Das ist bemerkenswert. Deswegen ist es in Gänze positiv, dass das Land Hessen als eines von acht Bundesländern von der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO Gebrauch macht und ein Gesetz zur außergerichtlichen Streitschlichtung erlassen hat.

Wir begrüßen auch, dass einige Anregungen aus der Praxis in das Gesetz übernommen worden sind, wie z. B. die Zulassung des Loseblattprotokolls. Wir werden als SPDLandtagsfraktion dem Gesetzentwurf aber nicht zustimmen, weil er in einem Kernbereich einen völlig falschen Weg beschreitet. Der Gesetzentwurf sieht nämlich vor, dass vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 750 c als Gegenstand obligatorischer vorgerichtlicher Streitschlichtung gestrichen werden sollen. Die vermögensrechtlichen Streitigkeiten entsprechen aber immerhin rund 40 % der Gesamtstreitigkeiten,die in den Zuständigkeitsbereich der Schiedsfrauen und -männer fallen.

Meine Damen und Herren von der Landesregierung und Herr Banzer, Sie ignorieren völlig, dass es zum einen gegenteilige Entwicklungen

(Heiterkeit des Ministers Jürgen Banzer)

Sie werden gleich mit verhaftet, da das nun halt jetzt Ihr Job ist – auf der europäischen Ebene und zum anderen Bestrebungen des Bundes gibt, der zurzeit überlegt, die vermögensrechtliche Obligatorik auf 3.000 c zu erhöhen, also zu erweitern.

Außerdem tagt im Moment auf Bundesebene eine BundLänder-Arbeitsgruppe,die sich – Sie wissen das auch – mit der Frage beschäftigt, inwieweit die Zuständigkeiten in bestimmten Rechtsmaterien, z. B. Mietrecht, Eigentumssachen oder auch erbrechtliche Streitigkeiten, ausgeweitet werden können. Da macht es überhaupt keinen Sinn, das Gesetz jetzt in einem Schnellschuss zu verändern, sozusagen rückschrittlich zu werden und nicht die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe abzuwarten. Die erfolgen natürlich unter einer Praxisbeteiligung und unter wissenschaftlich-fachlicher Begleitung.

Sie führen immer an – insbesondere Herr Dr. Schäfer hat vor kurzem so argumentiert –: Ja, wir haben Handlungsbedarf, weil das Gesetz bis Ende des Jahres befristet ist. – Das ist in der Tat so. Aber es ist ein Hexenwerk, jetzt angesichts der Debatten, die es auf Bundesebene gibt, das Gesetz noch einmal ein Jahr länger laufen zu lassen und dann die Erkenntnisse der Arbeitsgruppe abzuwarten, auszuwerten und dementsprechend als Landesgesetzgeber zu reagieren.

Außerdem ist die Streichung der obligatorischen vermögensrechtlichen Streitschlichtung auch das völlig falsche Signal. Es sollte doch Ziel sein, die außergerichtliche Streitschlichtung nicht zurückzufahren, sondern im

Gegenteil weiter auszubauen.Hier muss noch eine Menge getan werden. Die außergerichtliche Streitschlichtung muss bei den Bürgerinnen und Bürgern und bei der Anwaltschaft bekannter gemacht werden. Es muss für sie geworben werden.

Ein zentrales Gegenargument, das die Landesregierung immer wieder anführt, ist, dass die bisherige Regelung durch eine Flucht ins Mahnverfahren umgangen werde. Hier muss man aber sehr genau hinschauen. Es gibt einen Anstieg bei den Mahnverfahren. Aber wir kennen auch Gründe

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

noch einen Satz –,die die Praktiker uns nahe legen,nämlich die Schuldrechtsreform aus dem Jahre 2002, mit der kürzere Verjährungsfristen eingelegt worden sind und die zu einem Anstieg der Zahl der Mahnverfahren geführt hat. Deshalb fordern wir Sie auf, dieses Gesetz so nicht zu verabschieden, sondern – wie gesagt – die Ergebnisse auf der Bundesebene abzuwarten. Herr Banzer, ich fordere Sie als neuen Justizminister auf, mit nachzudenken und nicht einfach das nachzuvollziehen, was Ihnen vielleicht vorgegeben worden ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Nicola Beer (FDP): Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf auch ab!)

Nächster Redner ist der Kollege Lenhart für die Union.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu dem Tagesordnungspunkt, den wir gerade behandeln, möchte ich einmal die Sichtweise, die wir in der Anhörung vom 09.11. im Rechtsausschuss zur Kenntnis bekommen haben, in die Debatte einbringen. Eindeutig – das war konsensual – war die Meinung, dass ganz einfach das obligatorische Schlichtungsverfahren verlängert werden soll. Darüber gab es überhaupt keine Diskussion. Es wurde sich hierfür freimütig ausgesprochen. Es wurde als wichtig angesehen, jede Möglichkeit zu ergreifen, um außergerichtliche Streitbeilegungen zu fördern, stärker in den Vordergrund zu stellen und dafür das Bewusstsein bei Recht Suchenden wie auch bei rechtsberatenden Berufen hervorzuheben.Es braucht dazu immer wieder einmal einen Anschub – wir wissen es –, in der Form ausgeübt, dass Gerichte erst angerufen werden dürfen, wenn zuvor ein Güteversuch unternommen worden ist.

Befürchtungen, dass die Schiedsämter keine vollstreckbaren Titel formulieren können, stehen dem nicht entgegen, denn für die Befriedungswirkung scheint es nicht darauf anzukommen. Gerade in einem wesentlichen Teil, wenn wir uns einmal die Nachbarschaftsstreitigkeiten vor Augen führen, wo ein erhebliches Konfliktpotenzial vorhanden und ein starker emotionaler Faktor gegeben ist, werden Gerichte in erheblichem Maße belastet. Vom Streitrichter wird großer Einsatz bei dem Versuch abverlangt, gütliche Lösungen im Nachbarschaftskonflikt herbeizu

führen – in der Regel ein sehr zeitraubendes und aufwendiges Verfahren für die Gerichte.

Wenn es gelingt, derartige Verfahren außerhalb von Gerichten durch Schlichter erledigen zu lassen, wo es häufig möglich ist, über den Fall, der am Gartenzaun entstanden ist, Nachbarn am runden Tisch zusammenzuführen, was vielleicht dazu führt, dass weiter gehende Folgeprozesse verhindert werden können, so ist dies ein Punkt, der weiterhin für dieses obligatorische Verfahren spricht und den Bedenken eines Titels entgegensteht.

Bei einer ganz anderen Frage, die im Raum stand – Frau Kollegin Hofmann hat es erwähnt –, unterscheiden wir uns in der Position, nämlich den Anwendungsbereich des obligatorischen Streitschlichtungsverfahrens um die vermögensrechtlichen Streitigkeiten – bis dato 750 c – entsprechend zu straffen. Man muss sagen: In der Anhörung war es ein ganz klares Votum, dass der Ansatz des Gesetzentwurfes der Landesregierung zutreffend ist. Die Vertreter der Wissenschaft, des OLG, des Handwerks, der IHKs und des Mieterbundes haben gesehen, dass dieses Streitfeld keinerlei Entlastung für die Gerichte gebracht hat. Sie sehen, dass die vermögensrechtlichen Streitigkeiten für das Schlichtungsverfahren nicht geeignet sind.Warum?

Es liegt in der Natur der Sache.Während es bei Nachbarschaftsstreitigkeiten und Streitigkeiten der Ehrverletzung um persönliche Probleme und soziale Konflikte geht, haben vermögensrechtliche Streitigkeiten im Allgemeinen die Durchsetzung von Geldforderungen gegen teilweise zahlungsunwillige, teilweise auch zahlungsunfähige Schuldner zum Gegenstand. In diesem Bereich unterscheiden sich die Streitgegenstände sehr stark, was die Herausnahme als Zahlungsstreit bei bestimmten Streitwerten als sachgerecht erkennen lässt.

Gerade bei kleinen Zahlungsklagen an das obligatorische Schlichtungsverfahren zu denken hat negative Auswirkungen.Es erschwert und verteuert die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen gerade in einer Höhe bis 750 c, und es wird oft als unverhältnismäßig angesehen, noch zusätzlichen Aufwand zu betreiben. Dies haben die Vertreter des Handwerks, der IHKs und auch des Mieterbundes unisono unterstrichen und deswegen in der Regel erfahren, dass die lösungssuchenden Partner den Weg über das gerichtliche Mahnverfahren geregelt haben wollen.

Frau Hofmann, wenn Sie die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ansprechen: Wir sind in der Situation, dass ab 2006, wenn wir das Gesetz nicht verlängern, ein rechtsfreier Raum eintritt.

(Zurufe der Abg. Nicola Beer (FDP) und Heike Hofmann (SPD))

Insofern lässt sich auch im Einklang mit der Anhörung sagen: Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist auf einem richtigen Weg. Obligatorische Streitschlichtung ja, aber ohne vermögensrechtliche Streitigkeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. Das war auf den Punkt. 16 Sekunden hätten Sie noch übrig gehabt. – Frau Beer hat für die FDP-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der FDP)

Frau Präsidentin,liebe Kollegen! Ich habe schon in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes für die FDP-Fraktion vorgetragen, dass wir die außergerichtliche Streitschlichtung für eine wichtige Säule unseres Justizsystems halten. Sie ist eine bürgernahe, schnelle, kostengünstige, effektive und vor allem – ich glaube, das ist besonders wichtig – für die beteiligten Parteien oft sehr viel einsehbarere und nachvollziehbarere Form der Streitbeilegung als ein langwieriges Klageverfahren.

Herr Justizminister, der vorliegende Gesetzentwurf muss sich deshalb daran messen lassen, ob er dieser wichtigen Rolle der außergerichtlichen Streitschlichtung auch gerecht wird,ob er die außergerichtliche Streitschlichtung in dem bedeutsamen Umfang,den sie unserer Meinung nach hat und haben sollte, ausbaut oder nicht. Es wurden in dem Novellierungsvorschlag einige kleinere sinnvolle Änderungen vorgenommen, die auch wir als FDP-Fraktion unterstützen. Dazu gehört die Erweiterung der örtlichen Zuständigkeit. Dazu gehört die Art der Protokollund Aktenführung genauso wie die Beteiligung ehrenamtlicher Richter bei den Schiedsleuten.

Allerdings zeigen die Debatte und gerade die Anhörung im Rechtsausschuss, dass der Gesetzentwurf an der entscheidenden Stelle, nämlich bei der sachlichen Zuständigkeit für die obligatorische Streitschlichtung, in eine falsche Richtung geht. Es geht um die Streichung der vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem Katalog der obligatorischen Streitschlichtung. Das hat nämlich zur Konsequenz – der Kollege von der CDU hat eben darauf hingewiesen –, dass als alleiniger Zuständigkeitsbereich für die obligatorische Streitschlichtung nur noch das Nachbarschaftsrecht und Ehrschutzkonflikte übrig bleiben.

Meine Damen und Herren, seien wir doch einmal ganz ehrlich. Bei solch einer Veränderung fällt der ganz wesentliche Teil der Fälle, die zur Streitschlichtung anliegen, hiermit weg. Das heißt, der Rumpfbereich, der übrig bleibt, stellt doch das gesamte Instrument der obligatorischen Streitschlichtung infrage und entleert im Grunde genommen den Sinn dieses Instruments.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte auch die Argumentation sachlich nicht für gerechtfertigt, die eben von der CDU-Fraktion vorgetragen wurde. Ich sehe auch nicht, dass das wirklich das Ergebnis der Anhörung im Rechtsausschuss war, Herr Kollege. Noch läuft – wir haben es gehört – eine bundesweite Evaluation in den Ländern, in denen die obligatorische Streitschlichtung wie bei uns eingeführt worden ist. Auch wir in Hessen sind mit der Evaluation mitnichten am Ende. Sie wissen sehr wohl, dass der Bund der Schiedsleute vorgetragen hatte, dass nach einigen Anlaufschwierigkeiten das Verfahren erst 2003/2004 richtig in Gang gekommen ist.Seit 2003 können wir steigende Fallzahlen bei der außergerichtlichen Streitschlichtung beobachten.

Von daher ist es meines Erachtens noch viel zu verfrüht, jetzt eine abschließende Bewertung der Frage der vermögensrechtlichen Streitigkeiten vornehmen zu wollen. Außerdem prüft das Bundesjustizministerium – wir haben es gehört – eine Anhebung der Betragsgrenze von 750 c auf 3.000 c. Die Bund-Länder-Kommission beschäftigt sich mit diesem Thema. Diese Position wird von einer Reihe von Landesjustizverwaltungen befürwortet. In der Anhörung war der Vertreter des Justizministeriums von

Baden-Württemberg anwesend und hat das so vorgetragen.Das heißt,hier wird vielmehr der Punkt gesehen,dass wir durch die Anhebung der Betragsgrenze über 750 c hinaus zu einer weiteren Entlastung der Amtsgerichte kommen sollten und kommen könnten.

Herr Kollege, vor diesem Hintergrund für die CDU zu argumentieren, wir könnten jetzt leider das Ergebnis der Bund-Länder-Kommission nicht abwarten, weil das Gesetz bis Ende des Jahres neu aufgelegt werden müsse, damit wir keinen rechtsfreien Zustand hätten, halte ich doch für sehr sophisticated.

(Beifall bei der FDP)

Denn letzten Endes könnten wir ihn gerade auch unter Beibehaltung der Streitschlichtung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten erneut mit leichten Änderungen in Kraft setzen und nach Auswertung der Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission diesen Punkt gegebenenfalls noch einmal aufgreifen.

Vor diesem Hintergrund kann ich sagen: Ich halte es für sachlich nicht gerechtfertigt, Vermögensstreitigkeiten aus dem Katalog der obligatorischen Streitschlichtung herauszunehmen. Ich habe auch schon vorgetragen, dass die angebliche Umgehung der Streitschlichtung auf dem Wege des Mahnverfahrens meines Erachtens kein Problem ist, da nämlich das Mahnverfahren in vielen Fällen eine wesentlich schnellere und kostengünstigere Beilegung des Streits ermöglicht,als es auf dem Wege eines umständlichen Klageverfahrens der Fall sein würde.

(Beifall der Abg. Florian Rentsch und Heinrich Heidel (FDP))

Mein Fazit lautet: Die FDP-Fraktion fordert,Vermögensstreitigkeiten sollten weiterhin Bestandteil der obligatorischen Streitschlichtung sein. Da Sie, die Mitglieder der CDU-Fraktion, den entsprechenden Änderungsantrag abgelehnt haben, werden wir die vorliegende Novellierung ablehnen.

Sie müssen bitte zum Ende Ihrer Rede kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zu meinen letzten Sätzen. – Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen und uns damit anders verhalten, als es die neue Kuschelopposition tut, die es hier in diesem Raum gibt, nämlich die SPD. Ihr Änderungsantrag wurde abgelehnt. Trotzdem wird sie sich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

(Reinhard Kahl (SPD): Langsam, langsam! Warten Sie doch erst einmal ab, wie wir abstimmen!)

Folgerichtig sollten auch Sie ihn vollständig ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält Herr Dr. Jürgens das Wort.

Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! Ich kann das bestätigen, was ich auch während der ersten Lesung hier gesagt habe: Meine Fraktion ist sehr damit einverstanden, dass in Hessen die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung beibehalten werden soll. Wir sind auch sehr damit einverstanden, dass sie auf weitere Fälle ausgedehnt werden soll, nämlich auf die Fälle, in denen Kläger und Beklagter nicht in demselben Landgerichtsbezirk wohnen. Bisher musste das der Fall sein.